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Aldi unterbricht Geschäftsbeziehungen zu Großproduzent BioSabor in Andalusien nach langjährigen Arbeitsrechtsverletzungen

Interbrigadas: Ausbeutung mit Bio-Label - Gemüse von BioSabor noch immer im RegalAuf Druck der Basisgewerkschaft SOC-SAT in Almería und ihren internationalen Kooperationspartner*innen haben die Geschäftsleitungen von Aldi Süd und Nord die Lieferungen aus der Erzeugergruppe BioSabor für ein Jahr eingestellt. BioSabor steht seit 2018 in der Kritik Arbeiter*innen unterhalb des Mindestlohnes zu bezahlen sowie ihnen rechtmäßige Festanstellungen und ausreichenden Arbeitsschutz zu verwehren. Produkte von BioSabor wurden bisher von großen Supermarktketten von Aldi über Edeka, Kaufland und Rewe verkauft und sind mit einer Vielzahl von Labels zertifiziert, die auch soziale und nachhaltige Praktiken garantieren. Darunter finden sich sowohl das bekannte Bio-Label BioSuisse, als auch das Zertifikat Global-G.A.P-GRASP für gute Agrarpraxis mit sozialer Risikobewertung. Letzteres ist das größte Zertifikat dieser Art für Obst und Gemüse im deutschen Einzelhandel. (…) Die Unterbrechung der Geschäftsbeziehungen seitens Aldi wirft Fragen über die Praxis der vergangenen Audits von vielen Seiten auf. Auffällig ist dabei, wie eng die Zertifizierungsfirmen in der Region mit dem Unternehmerverband COEXPHAL verflochten sind. (…) Nicht nur im Falle BioSabor zeigen sich die Defizite der Labels und dazugehöriger Audits. Der jüngste Fall von HaciendasBio offenbart gleiche Lücken bei Bio-Verbänden Demeter und Naturland, die sich seit einem Jahr weigern, Gespräche mit den betroffenen Arbeiter*innen und ihrer Gewerkschaft SOC-SAT zu führen und in ihre Audits mit einzubeziehen…“ Artikel von Matthias Grüber vom 17.3.2021 – wir danken! Werden Edeka, Kaufland und Rewe folgen? Siehe den Beitrag im Volltext sowie Hintergründe:

Aldi unterbricht Geschäftsbeziehungen zu Großproduzent BioSabor in Andalusien nach langjährigen Arbeitsrechtsverletzungen

Auf Druck der Basisgewerkschaft SOC-SAT in Almería und ihren internationalen Kooperationspartner*innen haben die Geschäftsleitungen von Aldi Süd und Nord die Lieferungen aus der Erzeugergruppe BioSabor für ein Jahr eingestellt. BioSabor steht seit 2018 in der Kritik Arbeiter*innen unterhalb des Mindestlohnes zu bezahlen sowie ihnen rechtmäßige Festanstellungen und ausreichenden Arbeitsschutz zu verwehren.

Produkte von BioSabor wurden bisher von großen Supermarktketten von Aldi über Edeka, Kaufland und Rewe verkauft und sind mit einer Vielzahl von Labels zertifiziert, die auch soziale und nachhaltige Praktiken garantieren. Darunter finden sich sowohl das bekannte Bio-Label BioSuisse, als auch das Zertifikat Global-G.A.P-GRASP für gute Agrarpraxis mit sozialer Risikobewertung. Letzteres ist das größte Zertifikat dieser Art für Obst und Gemüse im deutschen Einzelhandel.

Betriebsfremde Gewerkschaften intervenieren auf seiten der Unternehmensleitung

Nach den unrechtmäßigen Entlassungen der Arbeiter*innen im Jahr 2018 kam es dank internationalem Druck zu anlassbezogenen Überprüfungen seitens verschiedener Labels und Supermärkte. Die Ergebnisse wurden jedoch nicht öffentlich gemacht und die Auflagen als Vertragsgeheimnis unter Verschluss gehalten. In der Folge wurde sich z.B. im Fall von BioSuisse auf zweifelhafte Audits und Interviews mit Arbeiter*innen bezogen, die unter dem Verdacht standen von der Unternehmensleitung unter Druck gesetzt zu werden. Man bezog sich außerdem auf außenstehende Gewerkschaften, die nicht die Betroffenen in diesem Fall vertraten .

Sonderüberprüfungen der Labels und Supermärkte führten jahrelang ins Leere

In den angeblich professionellen Sonderüberprüfungen (sogenannten Audits) wurden die unterschiedlichen Aussagen verschiedener Arbeiter*innen gegeneinander ausgespielt und zu Gunsten des Unternehmers ausgelegt. Die strukturelle Abhängigkeit der erst seit kurzem beschäftigten Arbeiter*innen, die gemäß Tarifvertrag erst nach zwei Saisons ein Recht auf Festanstellung bekommen können, wurde dabei völlig außer Acht gelassen. Die Beschwerden kamen meist von den Arbeiter*innen, die schon länger im Betrieb waren und damit rechtlich nicht mehr so stark von der Willkür der Unternehmensleitung bedroht waren, von den Entlassenen Arbeiter*innen ganz zu schweigen. Es bleibt oft nur der Weg über die Gerichte. Doch die mehr als zwei Jahre dauernden Gerichtsverfahren, die in ähnlichen Fällen meist mit Entschädigungen für die Arbeiter*innen enden, spielen der Unternehmensleitung weiter in die Hände.

Unternehmen stecken mit Zertifizierungsfirmen unter einer Decke

Die Unterbrechung der Geschäftsbeziehungen seitens Aldi wirft Fragen über die Praxis der vergangenen Audits von vielen Seiten auf. Auffällig ist dabei, wie eng die Zertifizierungsfirmen in der Region mit dem Unternehmerverband COEXPHAL verflochten sind. So war Luis Miguel Fernández Sierra, der amtierende Vorsitzende von COEXPHAL, bis 2015 Vorsitzender von AgroColor, einem der größten Zertifizierungsunternehmen der Region.

Einbeziehung der betreffenden Gewerkschaft und betroffener Arbeiter*innen

Nicht nur im Falle BioSabor zeigen sich die Defizite der Labels und dazugehöriger Audits. Der jüngste Fall von HaciendasBio offenbart gleiche Lücken bei Bio-Verbänden Demeter und Naturland, die sich seit einem Jahr weigern, Gespräche mit den betroffenen Arbeiter*innen und ihrer Gewerkschaft SOC-SAT zu führen und in ihre Audits mit einzubeziehen. Auch hier wurden Arbeiter*innen auf die Straße gesetzt, die eine Bezahlung nach Mindestlohn, sowie Arbeitsschutz und Festanstellung gefordert hatten.

Für die Zukunft einer glaubwürdigen Zertifizierungspraxis kann für ein objektives Ergebnis in Beschwerdefällen kein Weg um die Betroffenen gemacht werden. Die Berichte der Audits müssen offen einsehbar und überprüfbar sein, um eine Verschleierung von illegalen Arbeitsverhältnissen zu vermeiden.

Artikel von Matthias Grüber vom 17.3.2021 – wir danken!

Siehe zum Hintergrund:

  • Thread der Interbrigadas e.V. vom 28. Feb. 21 externer Link: „Was haben #ALDI und #Biosabor gemeinsam!? moderne Sklaverei in der #Lieferkette! Seit DREI Jahren kommen Fälle von Ausbeutung und Diskriminierung beim andalusischen Bio-Produzenten @biosabor_agro ans Tageslicht. Jetzt gibt es neue Enthüllungen des Fernsehsenders (…) Auch wir haben auf unseren Brigaden mit den Arbeiter*innen von #Biosabor gesprochen.  #ALDI-Süd & -Nord wissen seit Jahren von der illegalen Praxis! Nimmt man die Vorwüfe endlich ernst? Oder wird bei ALDI weiter Ausbeutung und Diskriminierung für billiges Bio-Gemüse hingenommen?…“ [Diesem haben wir die Grafik entnommen]
  • Anhaltende Arbeitsrechtsverstöße und gewerkschaftsfeindliche Maßnahmen beim Bio-Gemüseproduzenten „Biosabor“
    Trotz anhaltender Verhandlungen zwischen der Unternehmensleitung des Gemüseproduzenten Biosabor SAT (Ctra. San José, Km 2 – San Isidro de Níjar 04117 Níjar, Spanien) und der Landarbeiter*innengewerkschaft SOC-SAT sowie externen Mediationsgesprächen sind weiterhin Verstöße gegen nach Tarifvertrag geltendes Arbeitsrecht in den Fincas der Unternehmensgruppe zu verzeichnen. Die Belegschaft, die sich bereits seit 2017 in Konflikt mit ihrer Firmenleitung befindet, leidet unter zunehmenden Repressalien aufgrund ihrer gewerkschaftlichen Organisierung…“ Deutsche Fassung des Berichtes vom November 2018 von und bei SOC-SAT Almería externer Link
  • Agrarwirtschaft: Der „Fluch“ von Almeria reicht bis nach Deutschland
    Europas Gemüsegarten im Süden Spaniens kämpft mit großem Konkurrenzdruck, unklarer EU-Politik und dem Image als Ausbeuter afrikanischer Erntehelfer…“ Reportage von Stefanie Claudia Müller vom 20.11.2019 bei der Deutschen Welle externer Link
  • Das Märchen vom guten Bio-Essen
    Über Biolebensmittel gibt es viele Illusionen: Gesünder, besser für die Umwelt, von Höfen aus der Heimat, mit glücklichen Tieren. Die Wahrheit sieht anders aus. (…) Níjar, Spanien. In der Ebene von Níjar thront ein Klotz mit verspiegelter Fassade. Er gehört Europas größtem Anbauer von Biotomaten, der Firma Biosabor. Sie karrt 40 Prozent ihrer Ernte per Lkw ins gut 2000 Kilometer entfernte Alemania, nach Deutschland. Gründer Francisco Belmonte kann durch eine Scheibe in seinem Büro in eine Halle herabschauen, wo Arbeiterinnen am Fließband mit immer gleichen Griffen Tausende Tomaten abpacken. Sie tragen grüne T-Shirts und rote Schürzen, als wären sie selbst Tomaten. Biosabor ist kein Bauernhof, Biosabor ist eine Biofabrik. Francisco Belmonte ist ein kleiner und energischer Mann. Er hat schon als Kind in den Treibhäusern gespielt. Jahrelang plagte sich seine Familie mit konventionellen Tomaten. Wie andere litten auch die Belmontes unter dem Preisverfall, und sie versuchten, mit Pestiziden mehr aus ihren Feldern zu pressen. 2008 stieg die Familie dann um. Weil sie begriffen hatte, dass die Nordeuropäer gern Gemüse ohne Glyphosat und ohne Gentechnik essen – und üppig dafür zahlen. Während der Patron vom Geschäft erzählt, checkt er das Smartphone, häufig fällt er ins Wort. Auch sein Ego reicht von Almería bis Alemania. Kein Wunder, die deutschen Ökos haben ihn reich gemacht. „Im Biolandbau sind die Margen höher“, sagt Belmonte. Das ist stark untertrieben. Biosabor erzielt eine Rendite von mehr als zwölf Prozent. Von 43 Millionen Euro Umsatz bleiben also mehr als fünf Millionen Überschuss. Das ist im gebeutelten Spanien ein Wunder. Die Arbeit in Europas Gemüsegarten ist hart, und sie ist unsicher. Unter den Folien verdingen sich Zehntausende Migranten aus Marokko, Schwarzafrika und Osteuropa bei fast unerträglicher Hitze. Kaum einer hat einen festen Vertrag. Biosabor beschäftigt Tagelöhner und Saisonarbeiter für 6,50 Euro pro Stunde. Viele befristete Jobs mit wenig Sicherheit. Kritik daran verpufft, denn die Arbeitslosigkeit in Andalusien liegt bei fast 29 Prozent. Wer Jobs schafft, hat recht. Über die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen sagt ein Biolabel: nichts. Auch nicht über den Umgang mit Wasser. Der Profit der Tomatenfabrik ist auch so riesig, weil Biosabor billiges Grundwasser für die Pflanzen nutzt, die sommers wie winters unter der Folie gedeihen. Dabei gibt es, wie Umweltschützer Diéguez sagt, in Almería fünf Entsalzungsanlagen, um die Ernte mit behandeltem Meerwasser zu versorgen. Doch diese Anlagen würden selbst Biobauern kaum nutzen. Biosabor etwa bezieht nur 30 Prozent des Wassers aus dem Meer, das meiste kommt aus der Erde, aus den Brunnen. „Das ist viel billiger“, sagt Belmonte. Das sei eine unglaubliche Verschwendung, sagen seine Kritiker. (…) Biosabor liefert ohne Zwischenhändler. In der Halle in Níjar türmen sich Rollen mit Aufklebern: Edeka Bio von Edeka. Biotrend von Lidl. Rewe Bio von Rewe. Bio-Smiley von Aldi Süd. Auf der gleichen Ernte kleben verschiedene Sticker. Auf der gleichen Ernte kleben später auch ziemlich verschiedene Preise. Freimütig behauptet Fabrikant Belmonte, seine Tomaten seien in Alemania unterschiedlich teuer. Lidl verlange das Zweifache vom Einkaufspreis, Rewe und Edeka gar das Dreifache. Teurer muss nicht besser sein. Das Limit ist die Schmerzgrenze der Käufer…“ Artikel von Kristina Läsker vom 26.11.2016 im Stern online externer Link

Und (u.a.) im LabourNet Germany zum Thema:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=188020
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