»
Griechenland »
»

Die griechischen Obristen sind wieder da. Diesmal in zivilen Anzügen

Syriza and social movementsSei es bei der völlig hemmungslosen Flüchtlingsjagd, bei der Räumung besetzter Häuser (mit Vorliebe in Stadtteilen, in denen bereits spekuliert wird), sei es bei der Errichtung von Polizeiquartieren an (und: in) Universitäten oder beim schamlosen Mordversuch am Hungerstreikenden Dimitrios Koufontinas – eine Liste, die sich noch verlängern ließe – an all diesen Neuerungen der griechischen Politik lässt sich nachzeichnen, dass diese griechische Rechtsregierung in der Tat die Wiederbelebung der Obristen-Diktatur ist – nur eben diesmal in Anzügen und nicht in Uniform. Zur sicherlich am weitesten rechten Regierung in der EU vier aktuelle Beiträge zur Einschätzung:

  • „Die hässliche Fratze des griechischen ND-Regimes und sein Polizeistaat“ am 07. März 2021 bei Enough is Enough externer Link hebt, sozusagen allgemeingültig, unter anderem hervor: „… Der Ministerpräsident Griechenlands, Kyriakos Mitsotakis, erzürnt über die Tatsache, dass vier Tage lang Tausende von Menschen der Herrschaft der Angst, der Zensur und des Terrors trotzten, die von der griechischen Regierung über jeden Protest oder jede Stimme in Solidarität zu den einfachen Forderungen von Dimitris Koufontinas verhängt wurde, beschloss, wie es jeder wahnhafte Führer:in eines totalitären Regimes tun würde, dass Proteste in Solidarität zu Koufontinas angegriffen und aufgelöst werden sollten, aber das war nicht genug. Jede Art von abweichender Meinung sollte unterdrückt werden, wie die, die auf dem Transparent in Petralona von Athen zum Ausdruck kam. Faschismus ist eine Form des rechtsextremen, autoritären Ultranationalismus, der durch gewaltsame Unterdrückung von Opposition und starke Reglementierung der Gesellschaft gekennzeichnet ist. Faschismus ist die gewaltsame Verhaftung von jemandem, nur weil sie in der Öffentlichkeit ein Transparent hochhält, auf dem die Ansicht zum Ausdruck kommt, dass ein politischer Gefangener, der sich seit 58 Tagen im Hungerstreik befindet, nicht in den Händen der Regierung sterben sollte, insbesondere wenn die einzige Forderung des Hungerstreikenden darin besteht, nicht als politischer Gefangener behandelt zu werden. Faschismus ist das Bild einer Frau, die ein Transparent trägt, das von einem Dutzend Bullen auf einem Bauernmarkt in Chalandri, Athen, am Samstag, den 6. März 2021, geschleift wird...“
  • In „Polizeigewalt bringt Regierung in Bedrängnis“ beschreibt Wassilis Aswestpoulos am 10. März 2021 in Telepolis externer Link die aktuelle Situation wie folgt: „… Mehrere Tausend Demonstranten haben am Dienstag im Athener Vorort Nea Smyrni gegen die wachsende Polizeigewalt im Land demonstriert. Bei den Ausschreitungen, die im Rahmen der Demonstration stattfanden, wurden drei Polizisten verletzt. Einer von ihren erlitt durch den Angriff von knapp dreißig Personen schwere Gesichts- und Kopfverletzungen. Die beiden anderen sind erheblich leichter verletzt externer Link. Bei der Demonstration kam es zu einem für Griechenland denkwürdigen Ereignis. Die Fan-Clubs der Fußballvereine der Hauptstadt hatten sich vereint auf die Seite der Demonstranten gestellt. Die Fan-Clubs in Griechenland sind normalerweise untereinander verfeindet und prügeln sich bei jeder Gelegenheit. Ebenso vereint traten die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und zahlreiche anarchistische Gruppen des Landes zur Demonstration an. Auch hier sind die internen Feindschaften zwischen diesen politischen Gruppen legendär. An der Demonstration, die am Tag mit den bislang höchsten Infektionszahlen für 2021, mit 3.215 Neuinfizierten, stattfand, nahmen zahlreiche Bewohner von Nea Smyrni teil, die ansonsten nicht zu Demonstrationen gehen. (…) Vorangegangen war am Sonntag eine nach bisherigen Erkenntnissen vollkommen ungerechtfertigte Prügelattacke mehrerer Polizisten auf einen jungen Mann. Dessen „Vergehen“ bestand darin, dass er die Polizisten ansprach und dafür kritisierte, dass sie zwei mit ihren Kindern im Park auf dem zentralen Platz von Nea Smyrni spazierenden Müttern Bußgeldbescheide in Höhe von jeweils 300 Euro verpassten. Die beiden Mütter hatten ihren Spaziergang regelkonform per SMS mit dem Code 6 an die zentrale Nummer 13033 angemeldet. Die Reaktionen der Regierung auf die massive Kritik waren mehr als unglücklich. Statt auf die auch vom staatlichen Obmann registrierte, wachsende Polizeigewalt zu reagieren, wurde Victim-Blaming praktiziert. Die Parlamentarier der Regierungspartei erhielten in einem non-paper sämtliche persönliche Daten des Verprügelten. Der Abgeordnete Konstantinos Kyranakis, ein studierter Jurist, gab diese Daten in Live-Sendungen im Fernsehen bekannt und folgerte aus der politischen Gesinnung des Opfers, der autonomen Gruppierungen nahesteht, eine Rechtfertigung der Prügelattacke. Ein Vorgehen, das von der Regierungssprecherin Aristia Peloni beim Briefing ausdrücklich gerechtfertigt wurde. Die Griechen hörten von mehreren Abgeordneten der Regierungspartei, dass es keinen Datenschutz für Personen gebe, die sich auf öffentlichen Plätzen zeigen. Dies brachte die Gemüter umso mehr zum Kochen...“
  • „Polizeigewalt und kein Ende“ am 09. März 2021 in der jungen welt externer Link meldet: „… Ein Fall von Polizeigewalt bei einer Kontrolle der Coronaauflagen hat in Athen wütende Proteste ausgelöst. Am Sonntag nachmittag hatte sich in Onlinenetzwerken ein Video verbreitet, das zeigt, wie ein Mann von einer Gruppe Polizisten wiederholt mit Schlagstöcken traktiert wird, während er immer wieder »Es tut mir weh!« schreit. Als Reaktion versammelten sich am Abend mehrere hundert Menschen in Nea Smyrni, einer Vorstadt Athens, um gegen Polizeigewalt und die »Junta« – die Regierung – zu protestieren. Beamten setzten Tränengas und Blendgranaten gegen die Protestierenden ein. Die Polizei erklärte zu dem Vorfall, sie habe eine Motorradpatrouille zu dem Platz in Nea Smyrni geschickt, nachdem es zahlreiche Beschwerden über die Missachtung der Coronaauflagen gegeben hätte. Die Beamten seien dort aus einer Menge von 30 Menschen attackiert worden. Zwei Polizisten seien verletzt, elf Menschen festgenommen worden. Das griechische Nachrichtenportal ekathimerini.com zeichnete anhand weiterer veröffentlichter Videos ein anderes Bild. Demnach hätten sich friedlich verhaltende Menschen mit der Polizei unterhalten, als sie plötzlich von Beamten mit Schlagstöcken angegriffen wurden…“
  • „Politik mit dem Knüppel“ von Hansgeorg Hermann am 10. März 2021 ebenfalls in der jungen welt externer Link dazu unter anderem einleitend: „… Die griechische Regierungspolitik unter dem rechten Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis erinnert eine wachsende Zahl älterer Griechen an die Jahre der Militärdiktatur, die von 1967 bis 1974 das Land unter ihre Gewehre und Polizeiknüppel gezwungen hatte. Die Prügelorgien der Uniformierten, die am Wochenende vor allem in der Athener Vorstadt Nea Smyrni den Zorn der Bewohner anfachten, sind längst keine »Ausrutscher« mehr, wie Mitsotakis’ Parteifreunde von der Nea Dimokratia es in den üblichen Plauderstunden des Frühstücksfernsehens glauben machen wollen. Sie sind ganz offenbar gewollte Symptome eines neuen griechischen Faschismus, den der Spross der steinreichen Politikerdynastie seit seiner Wahl im Juli 2019 seinen Landsleuten ohne Scheu als »Wiederherstellung der Demokratie« verkaufen will. In keinem anderen Land Europas gibt es derzeit eine rund 1.000 Mann starke Spezialtruppe uniformierter Aufpasser, Spitzel und gewaltbereiter »Ordnungshüter«, die in den Universitäten für Grabesruhe sorgen sollen. In den Hochschulen von Athen und Thessaloniki ist dieser Zustand inzwischen Normalität, die Studierenden protestierten bisher vergeblich. Selbst die Junta und deren Geldgeber aus den USA hatten es in den sieben Jahren ihrer Herrschaft nicht gewagt, Polizei direkt in die Hörsäle und auf den Campus zu schicken. Als das Militär die Revolte der jungen Menschen am 17. November 1973 mit Gewalt beendete, musste es den Zaun des Athener Polytechnions mit Panzern niederwalzen – die Bruchstücke sind heute noch im Eingang der Universität zu besichtigen. Die unabhängige Athener Tageszeitung Efimerida ton Syntakton (Efsyn) machte ihre Ausgabe vom Montag mit dem Titel auf: »Erst prügeln, dann nachfragen …«. In der Tat zeigen Videoaufnahmen aus Nea Smyrni, wie bewaffnete Polizisten einer Motorradstaffel auf einem der kleinen Plätze der Vorstadt einige friedlich diskutierende junge Männer und Frauen bedrängen und – als diese offenbar nach dem Grund für den Einsatz fragen – sofort mit Gummiknüppeln schlagen. Diskussion? Nicht erwünscht unter Mitsotakis…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=187542
nach oben