[Presseschau] Wie sich die Schuldenbremse als „heilige Kuh“ der Union angesichts der Krise aufzulösen begann

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 30.1.2021 – wir danken!

Ulrike Herrmann in der TAZ zu Helge Brauns (Kanzleramt) Zweifel an der Schuldenbremse (https://taz.de/Das-Kanzleramt-und-die-Schuldenbremse/!5743286/ externer Link) – ich habe sie noch mit Rudolf Hickel zusammengespannt, der als unermüdlicher Kämpfer gegen diese Schuldenbremse (https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-politik/145842/schuldenbremse externer Link) diesen „Tabubruch im Kanzleramt“ nicht verstreichen lassen wollte, ohne den ökonomischen „Nicht-Sinn“ dieser – eher der Ideologie geschuldeten – Beschränkung noch auszubreiten. (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/tabubruch-aus-dem-kanzleramt-aufgreifen-von-der-infizierten-schuldenbremse-zurueck-zu-goldenen-regel.de externer Link)

So kann man das „Politisch-Pragmatische“ (Herrmann) mit der Klarheit der Ökonomie (Hickel) zusammensehen – und so kann jeder sehen, wie er jetzt mit dem Schuldendogma zurecht kommen will… – deshalb falls du daran Gefallen finden kannst, dass ökonomisch Erforderliches nur noch in einem „Drum-Herum“ in der Politik eventuell möglich sein wird – hier auch ein paar Gedanken zu einem auch ökonomisch erforderlichen Weg, der nicht allzu schnell der Ideologie z.B. einer auf Sparsamkeit versessenen schwäbischen Hausfrau geopfert werden muss!

Wer über Jahre diese – allein für Deutschland in Europa einen Sinn machende ideologische Figur angezweifelt hatte – wie z. B. Rudolf Hickel (siehe auch noch weiter unten) – kann erstaunt auf ihr jetziges Ende blicken, wie mit einem Nachruf – auf das Ende dieser Karriere der schwäbischen Hausfrau (https://www.freitag.de/autoren/pep/ende-einer-karriere externer Link).

Wie sagte doch der alte Lateiner „mundus vult decipi“ (Die Welt will getäuscht werden) Und so hatte man lange Zeit diese auf Sparsamkeit versessene Hausfrau, die jeder Frau – und wohl auch jedem Mann – so nahe nahesteht, als Symbol benötigt. Aber wohl dem Politiker, der noch weiß, inwieweit er täuscht – wie jetzt die Kanzlerin, die jedoch Helge Braun aus dem Kanzleramt vorpreschen ließ.

Aber wenn die Grundlage für die deutsche Dominanz durch Sparen in Europa durch diese Krise entschwindet, entsteht doch auch die Möglichkeit wieder sich auf das Gemeinsame für Europa zu erinnern – ohne diese Schuldenbremse.

Sven Giegold aus dem Europa-Parlament hat diesen Ball aus dem Bundeskanzleramt auch gleich aufgegriffen – und gefordert, wer über die nationale Schuldenbremse redet, darf über die europäische Schuldenbremse nicht schweigen! (https://sven-giegold.de/schuldenbremse-braun-reform-schuldenregeln/ externer Link)

Nun wackelt also die deutsche Schuldenbremse (https://lostineu.eu/nun-wackelt-auch-die-schuldenbremse/ externer Link) – hoffentlich auch angemessen systemisch, damit die Ökonomie weiter rund läuft.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman – und mit ihm viele Ökonomen im angelsächsischen Raum – hatten die strangulierende Wirkung der Schuldenbremse schon lange angeprangert. (https://meta.tagesschau.de/id/144412/oekonom-krugman-deutschland-sollte-schulden-machen externer Link)

Jetzt steht Deutschland mit seiner Bundesregierung vor der Entscheidung Schuldenbremse als „heilige Kuh“ der Union – oder doch den Tabubruch aus dem Kanzleramt aufnehmen (https://www.tagesschau.de/inland/braun-schuldenbremse-kritik-101.html externer Link).

Von der infizierten Schuldenregel zurück zur goldenen Regel – erklärt der Ökonom Rudolf Hickel (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/tabubruch-aus-dem-kanzleramt-aufgreifen-von-der-infizierten-schuldenbremse-zurueck-zu-goldenen-regel.de externer Link)

Ulrike Herrmann bringt es noch genauer auf den Punkt: Unter der Überschrift: „Lob der Ehrlickeit“ schreibt sie über den Vorstoß aus dem Kanzleramt zur Schuldenbremse: „Es ist ein Sturm im Wasserglas: Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat nur ausgesprochen, was alle wissen, als er feststellte, dass die Schuldenbremse nicht einzuhalten ist.“ (https://taz.de/Das-Kanzleramt-und-die-Schuldenbremse/!5743286/ externer Link) Die Fakten sind nämlich unerbittlich. Man muss also kein Genie sein, um zu erkennen, dass neue Schulden anfallen werden. „Die eigentliche Frage ist nur noch,“ setzt Ulrike Herrmann fort, „wie man diese Tatsache mit dem Grundgesetz vereinbart, das eine Schuldenbremse vorsieht. Helge Braun hat jetzt vorgeschlagen, genau hineinzuschreiben, wie diese neuen Schulden jährlich „degressiv“ sinken sollen.

Das Kanzleramt will also Ehrlichkeit und Verbindlichkeit. Das ist sympathisch – aber zu wenig! Es reicht eben nicht die Schuldenbremse zu modifizieren – sie muss ganz weg! (https://taz.de/Das-Kanzleramt-und-die-Schuldenbremse/!5743286/ externer Link)

Damit hat Rudolf Hickel als Ökonom schon angefangen, um es auch ökonomisch wieder rund laufen zu lassen. (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/tabubruch-aus-dem-kanzleramt-aufgreifen-von-der-infizierten-schuldenbremse-zurueck-zu-goldenen-regel.de externer Link)

In aller Kürze hat auch Ulrike Herrmann insbesondere zwei Gründe aufgezählt, warum die Schuldenbremse in dieser Form weg muss: Zum einen besteht für die Bürger bei ihrem Willen zu sparen, die Notwendigkeit, dass andere Kredite aufnehmen – also Schulden machen. Sonst verliert das Geld seinen Wert. Zum anderen: Deutschland will klimaneutral werden. Dies kann aber nur gelingen, wenn investiert wird, ob im Nahverkehr oder in der Wärmedämmung. Ohne diese staatliche Förderung kann das nichts werden! (https://taz.de/Das-Kanzleramt-und-die-Schuldenbremse/!5743286/ externer Link)

Herrmann schließt jedoch – ein wenig auch resignativ – ihr Resümee zur Schuldenbremse: Allerdings zeigen die hysterischen Reaktionen zu Brauns Vorstoß, dass man formal die Schuldenbremse nicht wird abschaffen können, deshalb bleibt nur als Ausweg für den Staat Schattenhaushalte zu schaffen – mit so klingenden Namen wie „Zukunftsfonds“.

Doch auch der DGB nimmt Stellung zur schädlichen Wirkung der Schuldenbremse! (https://www.dgb.de/themen/++co++101291d2-5fe6-11eb-9f9b-001a4a160123 externer Link)

Ohne ökonomische Klarheit besteht also die Gefahr, für eine sinnvolle Zukunft „drum-herum“ diskutieren müssen. Aber um nicht bei der bloßen Verneinung dieses ökonomisch jetzt allzu sinnlos erscheinenden Instrumentes Schuldenbremse stehen bleiben zu müssen (vgl. einen umfassenden Überblick zur Kritik der Schuldenbremse bei Labournet https://www.labournet.de/?p=147365) soll perspektivisch eine genauere Einordnung des Umganges mit Schulden noch erfolgen: Zunächst gibt es ja darüberhinaus in den Gewerkschaften auch jetzt diese Vorstellung eines Transformationsfonds. (https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-staatlicher-beteiligungsfonds-29918.htm externer Link und https://www.arbeit-umwelt.de/ein-transformationsfonds-fuer-deutschland/ externer Link)

Öffentliche Investitionen dürfen gerade nicht ausgeschlossen, sondern in diesem „schuldenfreundlichen“ Umfeld (Null-Zinsen) besser vorangetrieben werden, sonst wird es bloße Ideologie!! Oder allein im Interesse des dann dominanten Finanzkapitals hin zur weiter verschärften Ungleichheit!

Und bezüglich einer Finanzierung ist sich der ökonomische Sachverstand lagerübergreifend einig, die Schuldenbremse ist zu starr.  Aber die Union scheint festgehalten in ihren alten „Dogmen“ (siehe die erste Seite der SZ vom Januar 21 „Schuldenbremse entzweit Union“ – sowie den Kommentar von Cerstin Gammelin: „Finanzpolitik – Richtig radikal“ auf der vierten Seite).

Aber dann folgt doch auch der heftige Widerstand gleich bei CDU und SPD (= Justizministerin) wieder (https://www.tagesschau.de/inland/braun-schuldenbremse-kritik-101.html externer Link). Deshalb ist es wertvoll, dass sich auch noch der DGB gleich zur schädlichen Wirkung der Schuldenbremse geäußert hatte. (https://www.dgb.de/themen/++co++101291d2-5fe6-11eb-9f9b-001a4a160123 externer Link)

Die Schuldenbremse als heilige Kuh der Union… (https://www.labournet.de/?p=147365) … könnte jetzt einfach doch im Wege stehen (https://www.deutschlandfunk.de/vorstoss-zur-schuldenbremse-die-union-tut-helge-braun.720.de.html?dram:article_id=491531 externer Link), aber erst einmal polarisiert dieser Vorstoß zur Aussetzung der Schuldenbremse aus dem Kanzleramt die Union (CDU und CSU) (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/schuldenbremse-braun-aussetzung-100.html externer Link)

Dabei haben schon Wissenschaftler ausgelotet, wie die „heilige Kuh“ Schuldenbremse nicht gleich ganz geschlachtet werden muss – und man dennoch zu Zukunfts-Investionen kommt. (https://www.imk-boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=9095 externer Link)

Und auch das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hatte die dogmatische Anwendung – gegen gesamtwirtschaftlich Sachverstand – zusammen mit dem IMK – kritisiert (https://www.iwkoeln.de/themen/finanz-und-sozialpolitik/staatsverschuldung/schuldenbremse.html externer Link)

Deshalb sollte die Schuldenbremse für den nötigen Spielraum modifiziert werden: https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/beitrag/hubertus-bardt-michael-huether-schuldenbremse-fuer-noetigen-spielraum-modifizieren.html externer Link

Für eine Investitionsoffensive – raus aus der Krise – solle die Schuldenbremse also geöffnet werden können! Und damit Klarheit herrscht kann auch das Grundgesetz soweit am besten auch geändert werden! (etwas weiter noch als es Helge Braun aus dem Bundeskanzleramt vorschlägt) (https://www.imk-boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=8848 externer Link)

Und wenn die CDU schon wieder gleich so blockiert ist, könnte ja Söder für diese so pragmatische Öffnung für unsere angemessene ökonomische Zukunft offen sein? (https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-staatlicher-beteiligungsfonds-29918.htm externer Link)

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 30.1.2021 – wir danken!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=185762
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