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Maquila-ArbeiterInnen in Mexiko: Viele an Corona erkrankt? Die werden ersetzt – hauptsache, die Produktion geht weiter, denn diese Unternehmen sind überlebenswichtig. Für die Profitjagd

Demonstration gegen Gewalt in Piebla (Mexico) - ein zentrales Thema der Wahl am 1. Juli 2018„… Als der Gesundheitsnotstand im März ausgerufen wurde, hat die Regierung angeordnet, dass alle Betriebe geschlossen werden müssen, die nicht systemrelevant sind – also rund 90 Prozent aller Fabriken in Mexiko. Offen bleiben sollten nur Unternehmen aus der Lebensmittelbranche und Gesundheitsbedarf, später wurde auf Druck der USA hin auch die Automobilindustrie als systemrelevant eingestuft. Aber in den Grenzstädten Ciudad Juárez und Matamoros haben fast alle Maquiladoras einfach weitergemacht. Viele haben auf wundersame Weise angeblich plötzlich medizinische Produkte produziert und den Arbeitern vorgemacht, dass sie zum Beispiel Teile für Beatmungsgeräte in New York zusammenschrauben würden. (…) Die Lieferketten sind durch die Pandemie unterbrochen worden, in den USA wurden viele Autofabriken und Zuliefererbetriebe zeitweise geschlossen. Jetzt müssen sie die Ausfälle wieder aufholen – und auch die Betriebe in Mexiko produzieren über, um die Nachfrage aus den USA zu bedienen. Sie beschäftigen gerade mehr Menschen als in normalen Zeiten, zwingen die Belegschaft oft, fünf oder sogar sieben Tage nacheinander zwölf Stunden pro Tag zu arbeiten. Wenn die Leute keine Überstunden machen wollen, werden sie entlassen. Und auch Arbeiter, die sich mit Corona anstecken oder sterben, werden oft einfach durch jüngere ersetzt. Sie sortieren Leute aus und entlassen diejenigen, die anfälliger sind, weil sie älter sind oder Krankheiten wie Diabetes haben. Offiziell ist von 10.000 bis 15.000 Kündigungen die Rede, aber ich gehe davon aus, dass es allein in Ciudad Juárez zwischen 20.000 und 30.000 Entlassungen gab. Gleichzeitig haben alle Fabriken neue Jobs ausgeschrieben. Sie feuern Arbeiter, die älter als 40 Jahre sind, und ersetzen sie durch ihre Kinder, die schneller sind…“ – aus dem Beitrag „»Arbeiter, die sich anstecken oder sterben, werden einfach durch jüngere ersetzt«“ am 05. Dezember 2020 in Spiegel online externer Link – ein Interview von Sonja Peteranderl mit der Anwältin und Aktivistin Susana Prieto Terrazas über die tödlichen Arbeitsbedingungen in Mexikos Weltmarkt-Schwitzbuden. Siehe dazu auch einen Hintergrundbeitrag und den Hinweis auf unsere Berichterstattung über die Festnahme Terrazas im Juni 2020:

  • „Maquila-Industrie als Gesundheitsrisiko in Zeiten von Covid-19“ von Clara G. Meyra Segura im August 2020 bei der Rosa Luxemburg Stiftung externer Link zu den Arbeitsbedingungen in Ciudad Juarez unter anderem: „… In Ciudad Juárez arbeitet mindestens ein Mitglied pro Haushalt in der sogenannten Maquila – das sind Montagebetriebe oftmals transnationaler Großkonzerne in zollfreien Produktionszonen, in denen Einzelteile und Halbfertigwaren für den Export weiterverarbeitet werden. Durch die expandierende Manufakturindustrie nehmen seit mehr als sechs Jahrzehnten Gewalt, Migration, Vertreibungen und die per se schon hohen Zahlen der Feminizide und prekären Beschäftigungsverhältnisse stetig zu. Juárez, wie viele die Stadt einfach nennen, ist durch zahllose Schlagzeilen zum Sinnbild der allgegenwärtigen Gewalt geworden. In diesem Jahr bestimmen die Bedingungen für die Arbeiter*innen aufgrund von Covid-19 die Berichterstattung. (…) Am 29. April kritisierte Chihuahuas Gesundheitsministerium, dass sich 57 nicht systemrelevante Unternehmen im Bundesstaat geweigert hätten zu schließen, und appellierte an sie, die staatlich angeordnete Quarantäne (die inzwischen bis zum 30. Mai verlängert worden war) umzusetzen. Zudem informierte das Ministerium darüber, dass bis zu diesem Zeitpunkt 17 Covid-19-Tote und 26 Ansteckungen unter den Beschäftigten der Maquila-Industrie in Ciudad Juárez bestätigt waren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Dunkelziffer weit höher lag. Mónica erzählt, dass es in den Fabriken Informationen über sehr viel mehr Infektionen und Sterbefälle gebe, als das Gesundheitsministerium in seinen sehr niedrigen Fallschätzungen verlautbarte. Nur wenige Wochen später beorderte die Lear Corporation inmitten der Pandemie ihre Beschäftigten zurück in die Fabrik Río Bravo. Das Unternehmen rechtfertigte die Wiederaufnahme des Betriebs mit einem neu erlassenen Dekret der mexikanischen Regierung vom 18. Mai, das «die Aktivitäten der Bauindustrie, des Bergbaus und der mit der Transportausrüstung verbundenen Industrie» für systemrelevant erklärte. Die Entscheidung der Regierung Andrés Manuel López Obrador, im Mai neue systemrelevante Aktivitäten zu definieren, fiel nach einer Aufforderung von Bill Long, dem Vorsitzenden der US-amerikanische Motor & Equipment Manufacturers Association (MEMA) an den Außenminister der USA, Mike Pompeo. Darin verlangte er, Leitlinien für die Systemrelevanz der Autoindustrie «anzuregen», damit die entsprechenden Unternehmen ihren Betrieb in den mexikanischen Montagebetrieben sogar noch vor der Öffnung der Produktion des Industriezweigs im nördlichen Nachbarland aufnehmen könnten. In Ciudad Juárez sind etwa 80 Prozent der Maquila-Betriebe in US-amerikanischem Besitz...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=182796
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