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Nach der erstmaligen Beteiligung am großen Generalstreik vom 26. November 2020: Indiens Kleinbauern kämpfen weiter gegen den rechtsradikalen Neoliberalismus Modis

Generalstreik Indien 26.11.2020Der Generalstreik in Indien am 26. November 2020 ist (diesmal nur in den Medien des bürgerlichen Mainstreams weitgehend unbeachtet – Qualitätsjournalismus erfordert eben Investitionsförderung) hatte – als neue Entwicklung – mit den gleichzeitigen landesweiten Protesttagen der Kleinbauern einen mächtigen Verbündeten hinzu gewonnen (siehe den Verweis auf unseren Bericht vom 27. November am Ende dieses Beitrags). Und diese Massenmobilisierung gegen das neoliberale Diktat der rechtsradikalen Modi-Regierung auch in der Landwirtschaft geht ungebrochen weiter. Das Problem, das die regierenden Verfassungsfeinde in Indien mit diesem Massenprotest haben, ist ein doppeltes: Sie hat sich in ländlichen Gebieten entwickelt – und dies erst recht in den eher nördlichen Landesteilen. Beides bisher Hochburgen des Hindu-Fundamentalismus, deren Bestand nunmehr allmählich in Frage gestellt ist. Siehe zum Kampf der Kleinbauern in Indien und seiner Bedeutung sechs aktuelle Beiträge:

„Punjabs Kleinbäuer*innen vs. Modis Agrargesetze“ von Rohit Lohia am 24. November 2020 bei Progressive International externer Link berichtete vom Auftakt der Proteste unter anderem: „… Seit dem 1. Oktober haben Hunderttausende von Bäuer*innen überall im indischen Bundesstaat Punjab durch Demonstrationen, das Verbrennen von Nachbildungen und Blockaden gegen drei neue Landwirtschaftsgesetze mobilisiert, von denen sie sagen, dass sie ihr Leben und ihre Existenzgrundlage aufs Spiel setzen. Die unter dem Sammelbegriff “Farm Bills” bekannten “Farmers Produce Trade and Commerce (Promotion & Facilitation) Act”, der “Farmers (Empowerment & Protection) Assurance and Farm Service Act” und der “Essential Commodities (Amendment) Act” wurden im September von der indischen Zentralregierung unter viel Lob von Premierminister Narendra Modi und viel Angst und Wut von Kleinbäuer*innen und landlosen Bäuer*innen im ganzen Land verabschiedet. Die Agrargesetze sind ein drastischer und verhängnisvoller Schritt zur Privatisierung des indischen Agrarsektors, wodurch im Namen der so genannten Markteffizienz langjährige staatliche Schutzmaßnahmen aufgehoben werden. Unter anderem schaffen die Gesetzesvorlagen Anreize für das private Horten lebenswichtiger Güter, untergraben das “Mandi”-System, in dem Kleinbäuer*innen ihre Waren zu gesicherten Preisen an staatlich betriebene Großmärkte verkaufen konnten, und setzen die Bäuer*innen auf andere Weise den Launen und Brutalitäten des privaten Marktes aus. Während das alte System vielleicht nicht perfekt war, kommen die neuen Gesetze einem Todesurteil für die Bäuer*innen gleich. Obwohl die “Farm Bills” das ganze Land betreffen, war der Widerstand im Punjab am stärksten, wo das Mandi-System eine besonders kritische Rolle für die lokalen Bäuer*innen gespielt hat. Landwirt*innen haben im ganzen Bundesstaat Sitzstreiks gestartet und blockieren Eisenbahnlinien, Mautstellen sowie Tankstellen und Einkaufszentren, die den milliardenschweren Geschäftsleuten Mukesh Ambani und Gautam Adani gehören. Sie stecken tief im großen Agrargeschäft und gelten als einige der wichtigsten Kräfte hinter den Gesetzentwürfen. Zu den Protesten im Punjab riefen alle 31 Bauernverbände im Bundesstaat auf, darunter das “Kisan Majdur Sangarsh Committee”, die “Bharti Kisan Union (Ugrahan)” und die “Bharti Kisan Union (Dakonda)”, die unter dem Dach des “All India Kisan Sangarsh Coordination Committee” zusammenarbeiten…“

„Indiens Bauern protestieren: auf Traktoren gegen Modi“ von Andreas Babst am 03. Dezember 2020 in der NZZ online externer Link berichtet in der nicht eben als „Neoliberalismus-kritisch“ bekannten NZZ vom aktuellen Stand der Proteste unter anderem: „… Die neuen Gesetze sollen Indiens hoch regulierte Landwirtschaft liberalisieren. Bis anhin fahren viele von Indiens Bauern ihre Produkte auf einen staatlich kontrollierten Markt, dort erhalten sie einen Mindestpreis. Teil des neuen Gesetzes ist es, den Markt für private Käufer zu öffnen, damit würden die Zwischenhändler wegfallen – aber, so fürchten die Bauern, auch die garantierten Mindestpreise. Experten referieren derzeit in Indiens Medien, sie sind sich uneinig, was die neuen Gesetze tatsächlich bringen. Einerseits braucht Indiens starre Landwirtschaft dringend Reformen, der Mindestpreis erhöht auch den Kaufpreis für Lebensmittel für die Ärmsten. Andererseits könnten vor allem Kleinbauern, und das sind die meisten, bei einer Liberalisierung in Existenznot geraten. Auf dem National Highway 1 sind sich alle einig: Sie wollen nicht an Adani und Ambani verkaufen. Die zwei Unternehmer dienen als Bösewichte, ihre Namen werden mehr ausgespuckt denn ausgesprochen. Mukesh Ambani und Gautam Adani sind die beiden reichsten Inder, ihre Konglomerate werden von Modis Regierung bevorteilt – die Bauern haben Angst, bald zu Dumpingpreisen an solche Grossunternehmer verkaufen zu müssen. Auch Anti-Modi-Gesänge dröhnen immer wieder aus den Lautsprechern. (…) Mittlerweile hat die Regierung den Bauern einen alternativen Protestort vorgeschlagen, eine Fläche neben der Autobahn weit weg vom Parlament, wohin die Bauern eigentlich marschieren wollten. Es stehen bereits riesige Zelte dort. Aber noch blockieren die Bauern lieber die Strassen und damit fast den gesamten Verkehr rund um Delhi. Sie drohen, auch noch die restlichen Zugänge zur Stadt zu versperren. In Punjab hat sich der Koalitionspartner der Regierungspartei BJP aus der Koalition verabschiedet und sich auf die Seite der Bauern gestellt. Derzeit finden Gespräche statt zwischen Modis Regierung und den Gewerkschaften, am Donnerstag wollen beide Seiten die Ergebnisse präsentieren. Dass Modis Regierung mit den Bauern verhandelt, offenbart das Gewicht dieser Protestbewegung…“

“This Is a Revolution, Sir” von Thomas Crowley am 01. Dezember 2020 im Jacobin Magazine externer Link ist ein Beitrag, in dem die Besonderheit des jüngsten Generalstreiks, eben das Bündnis mit den Kleinbauern, hervor gehoben wird und darin insbesondere die sich ändernde Rolle der linken Parteien in Indien – im Ergebnis der Wendung vor allem der KPI-ML Liberation hin zur parlamentarischen Teilnahme auf der Grundlage ihrer jahrzehntelangen Arbeit auf dem Land und insbesondere unter den Dalits, was immer auch bedeutet, den Kampf gegen das Kastensystem zu führen…

„Palghar protests: ‘We won’t back down today“ von Shraddah Agarwal am 01. Dezember 2020 bei Lefteast externer Link dokumentiert, berichtet von den Bauernprotesten im Bundesstaat Maharshtra – wo am 26. November über 60.000 Bauern an den Protesten beteiligt waren, wie an vielen Orten in Solidarität mit den zentralen Protesten in Delhi und mit denselben Forderungen – oftmals ergänzt um eigene Forderungen aus der Region und ihren besonderen sozialen Fragen.

„In Defence of Democracy and the Farmers’ Movement“ am 02. Dezember 2020 bei Focus on the Global South externer Link ist eine Solidaritätserklärung zahlreicher sozialer, ökologischer und feministischer Organisationen mit dem aktuellen Kampf der Bauern gegen Modis Agrargesetze, in der die zentralen Forderungen unterstützt werden und ein sofortiges Ende der zahlreichen Repressionsmaßnahmen gefordert wird.

„Farmers‘ Protests: Next Meeting Proposed on Saturday as Talks With Centre Yield No Resolution“ am 03. Dezember 2020 bei The Wire externer Link ist eine Meldung, in der berichtet wird, dass die Gespräche von drei Modi-Ministern mit einer 40-köpfigen Delegation der Bauern am Donnerstag ohne Ergebnis endeten, weil die Versprechungen der Regierung, man werde alle Anliegen der Protestierenden berücksichtigen, der Delegation nicht glaubwürdig erschienen. Am Samstag soll en weiteres Treffen stattfinden.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=182663
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