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Hunderte Todesopfer, Zehntausende auf der Flucht – im äthiopischen Krieg leiden die Opfer der neoliberalen Zwangsmodernisierung: Die Zivilbevölkerung

Bild von Internationale der Kriegsdienstgegner/innen, IDK e.V.Siegesmeldungen beiderseits, die Betonung nationaler Souveränität angesichts von Vorschlägen internationaler Vermittlung, Ablehnung von Verhandlungen mit der Gegenseite: Sowohl die äthiopische Zentralregierung, als auch die Regierung der nördlichen Provinz Tigray fahren das gesamte übliche Arsenal der Bellizisten auf – und kümmern sich keinen Deut um das Leben der von den Kriegshandlungen getroffenen Zivilbevölkerung. Die ihrerseits über die Berechtigung dieses Krieges längst mit den Füßen abstimmt und zu Zehntausenden in den Sudan flieht, wohl wissend, dass dort die Bedingungen zum Überleben keinesfalls gut sind. Der Krieg hat aber auch eine seiner Quellen in den sogenannten Entwicklungsmodellen, die von verschiedenen Regierungen auf verschiedene Weise verfolgt werden und wurden – und die in der Regel vor allem Zwangsmodernisierung auf Kosten der Bevölkerung bedeuteten – immer mit der Bodenfrage im Zentrum. Was auch für die neoliberale Wende gilt, die die gegenwärtige Regierung unter großem Jubel aus Europa und den USA eingeschlagen hat. Zu Vorgeschichte und Kriegsursachen und zu den Reaktionen auf den Krieg im In- und Ausland unsere aktuelle Materialsammlung vom 22. November 2020 – in der auch der keineswegs ethnisch bestimmte Widerstand gegen die neoliberale Offensive in Äthiopien eine wesentliche Rolle spielt, der jetzt eben auch mit der nationalen Kriegsmobilisierung beendet werden soll:

„UN: Tausende Menschen flüchten jeden Tag vor Gewalt aus Äthiopien“ am 17. November 2020 bei den Welt-Sichten externer Link meldet: „… Die Vereinten Nationen haben vor einer eskalierenden Flüchtlingskrise in Äthiopien und dem Sudan gewarnt. Die Gewalt in der äthiopischen Tigray-Region zwinge jeden Tag im Durchschnitt 4.000 Menschen zur Flucht in den benachbarten Sudan, betonte ein Sprecher des Hilfswerks UNHCR am Dienstag in Genf. Insgesamt seien seit Dienstag vergangener Woche schon mehr als 27.000 Menschen aus Äthiopien in den Sudan geflüchtet. Die rasch größer werdende Flüchtlingsbevölkerung überfordere die Behörden im Sudan zunehmend, betonte UNHCR-Sprecher Babar Baloch. Das Hilfswerk habe mit Lieferungen von Trinkwasser, Seife und anderen Hilfsgütern begonnen. Die geflohenen Menschen seien erschöpft und hätten nur wenige Wertsachen bei sich. Der UNHCR-Sprecher erinnerte an die rund 100.000 Flüchtlinge aus Eritrea, die in der Tigray-Region leben. Auch sie könnten Opfer der Vertreibung werden. Die äthiopische Zentralregierung und die Regionalregierung, die von der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) gestellt wird, liefern sich seit Tagen heftige Kämpfe. Laut Amnesty International wurden bei einem Massaker in Tigray wahrscheinlich Hunderte Menschen getötet…“

„Äthiopien will keine AU-Vermittlung im Tigray-Konflikt“ am 21. November 2020 bei der Deutschen Welle externer Link zum Kriegskurs der äthiopischen Zentralregierung unter anderem: „… Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed – Friedensnobelpreisträger von 2019 – hat ein Vermittlungsangebot der Afrikanischen Union (AU) ausgeschlagen. Entgegen früheren Meldungen werde die Delegation nicht zu Gesprächen zwischen der Führung in Äthiopien und der Volksbefreiungsfront TPLF anreisen, hieß es aus Abiys Büro in Addis Abeba. Die AU hatte drei frühere Staatspräsidenten des afrikanischen Kontinents, Ellen Johnson-Sirleaf aus Liberia, Joaquim Chissano aus Mosambik und Kgalema Motlanthe aus Südafrika zu Sondergesandten ernannt. Sie sollten sich um eine diplomatische Initiative im Kampf um Tigray bemühen. Abiy will jedoch erst die TPLF-Führungsspitze festnehmen lassen, bevor verhandelt wird, wie ein Sprecher bekräftigte. Die Regierung bezeichnete die TPLF-Vertreter als „kriminelle Elemente“. Der äthiopische Ministerpräsident wirft der in der nördlichen Tigray-Region regierenden TPLF vor, einen bewaffneten Aufstand angezettelt zu haben. Die Partei dagegen hält Abiy vor, er verfolge sie und vertreibe ihre Politiker von Regierungs- und Sicherheitsposten. Abiy hatte am 4. November erste Luftangriffe in Tigray angeordnet. Seither liefern sich beide Seiten schwere Gefechte um die Region im Norden des Landes. Hunderte Menschen wurden bisher getötet.Tausende Bewohner sind auf der Flucht. Der Regierungschef wiederholte in den vergangenen Tagen, die Armee werde bald eine Entscheidung herbeiführen. Da die Region weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es keine unabhängigen Berichte über die Lage. Internet- und Telefonverbindungen dorthin sind eingeschränkt. Mehr als 33.000 Menschen sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) bislang ins Nachbarland Sudan geflohen und auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Falls die Kämpfe anhalten, rechnen die UN mit bis zu 200.000 neuen Flüchtlingen im Sudan...“

„Ethiopians fleeing Tigray war recount horrors as fighting rages“ am 14. November 2020 bei Al Jazeera externer Link war die erste Meldung über große Flüchtlingsströme in den Sudan und ließ dabei auch eine Reihe von Betroffenen zu Wort kommen – Aussagen, bei denen beide kriegsführende Seiten nicht eben gut wegkommen…

„Camps for Ethiopians fleeing Tigray region to Sudan ‚lack basic necessities’“ ebenfalls vom 14. November 2020 bei Radio Dabanga externer Link (Sudan) meldet die Ankunft zehntausender Flüchtlinge im Sudan und weist darauf hin, dass das Land keinerlei Ressourcen hat, die eine normal-menschliche Behandlung der Flüchtigen ermögliche – die ersten provisorischen Camps haben: Gar nichts.

„‘Hundreds dead’ as conflict in Ethiopia’s Tigray worsens“ bereits am 09. November 2020 bei Al Jazeera externer Link war – vor Beginn der großen Fluchtwelle, die erste Meldung über die zu jenem Zeitpunkt bereits Hunderten von Todesopfern des neuen Krieges.

„Ethiopia: Media crackdown amid military offensive in Tigray region“ am 16. November 2020 bei der IFJ externer Link ist die Meldung (und Protest) der Internationalen Föderation der Journalistengewerkschaften gegen die Maßnahmen der äthiopischen Zentralregierung, eine totale Nachrichtensperre über Tigray zu verhängen.

„Äthiopiens Militär rückt weiter vor in Tigray“ am 19. November 2020 bei der Deutschen Welle externer Link meldet unter anderem: „… WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus unterstütze die Rebellen in der abtrünnigen Provinz Tigray und versuche, sie mit Waffen zu versorgen, sagte Äthiopiens Armeechef General Birhanu Jula in einer Rede im Fernsehen. Beweise für seine Anschuldigungen lieferte der General nicht, bezeichnete den Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation aber als „Kriminellen“ und forderte dessen Rücktritt. Von der WHO gibt es bislang keine Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen Tedros, der seit 2017 an der Spitze der Organisation steht und zuvor in Äthiopien Gesundheits- und Außenminister war. Tedros selbst veröffentlichte bei Twitter ein Statement, in dem er bestreitet, in dem Konflikt in seinem Heimatland Partei für eine der kämpfenden Parteien zu ergreifen...“

„Vorrücken auf Tigrays Hauptstadt“ von Dominic Johnson am 19. November 2020 in der taz online externer Link zur aktuellen Kriegsentwicklung: „… Bis Mittwochabend sind 36.000 Menschen aus Tigray nach Sudan geflohen, täglich kamen zuletzt durchschnittlich 4.000 dazu. Eine unbekannte Anzahl von Menschen ist innerhalb der äthiopischen Grenzen auf der Flucht. In der Region Amhara südlich von Tigray sind mehrere tausend Fliehende angekommen. (…) Wie in den 1980er Jahren erleidet Tigray nun äthiopische Luftangriffe. Die Hauptstadt Mekelle wurde am Donnerstag zum wiederholten Mal getroffen. Angehörige und Freunde von Bewohnern Mekelles berichten der taz von verzweifelten Versuchen, die Menschen dort in Sicherheit zu bringen. Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) in Mekelle hat dafür eine Hotline eingerichtet und wurde nach eigenen Angaben bereits über 1.000-mal kontaktiert. „Der Telekommunikationsblackout in Tigray macht es Menschen praktisch unmöglich, ihre Familienangehörigen zu kontaktieren“, erklärt das IKRK in Addis Abeba dazu und weist zudem darauf hin, dass die Blockade Tigrays durch die Zentralregierung lebensnotwendige medizinische Lieferungen verhindere. Nachrichten aus Tig­ray berichten außerdem von rapide steigenden Lebensmittelpreisen...“

„„Danach wird es keine Gnade geben““ ebenfalls von Dominic Johnson am 22. November 2020 in der taz online externer Link – zur nunmehr offenen Drohung der Zentralregierung gegen die Zivilbevölkerung: „… Die Warnung ist unmissverständlich. „Die nächsten Phasen sind der entscheidende Teil der Operation“, erklärte Äthiopiens Militärsprecher Dejene Tsegaye am Sonntagmorgen im Staatsfernsehen an die Bevölkerung von Mekelle gerichtet, Hauptstadt der umkämpften nordäthiopischen Region Tigray. Er kündigte die Einkesselung der 500.000-Einwohner-Stadt durch Äthiopiens Armee an und fügte hinzu: „Wir möchten der Öffentlichkeit in Mekelle eine Botschaft senden.“ Die Menschen hätten jetzt noch Zeit, sich vor Artilleriebeschuss in Sicherheit zu bringen und sich vor der „Junta“ zu retten, wie Äthiopiens Zentralregierung die Regionalregierung von Tigray bezeichnet. „Die Öffentlichkeit muss sich von der Junta trennen. Danach wird es keine Gnade geben.“ (…) Die Universität von Mekelle wurde am Donnerstag bombardiert. Nach Angaben von Augenzeugen gegenüber der taz, durch Fotos unterstützt, wurden 22 Studenten und vier weitere Zivilisten verletzt. Andere Quellen sprechen von 50 Verletzten. In einer Botschaft, die die taz erreichte, listete Universitätspräsident Fetien Abay auch Luftangriffe auf ein Wasserkraftwerk, eine Zuckerfabrik und ein Lebensmittellager auf. „Wie kann eine Regierung ihr eigenes Volk bombardieren?“, fragt er…“

„Abiy Ahmed, der „Friedensengel“ von Äthiopien, bombardiert seine Bevölkerung“ von Shuwa Kifle am 09. November 2020 bei telepolis externer Link zum Kriegsbeginn unter anderem: „… Seit dem 4. November ist Abiy Ahmed Ali dazu übergegangen, Ziele in Tigray zu bombardieren. Damit beginnt der Friedensnobelpreisträger einen Krieg gegen das eigene Volk. Willkommener Vorwand ist eine Rebellion in einer Kaserne in Mekelle der Hauptstadt Tigrays. Kurz vor dieser Intervention hat sich Abiy Ahmed Ali noch mit dem eritreischen Diktator Isayas Afewerki getroffen und anscheinend abgestimmt. Eine Beurteilung der gegenwärtigen Lage ist insofern schwierig, da Abiy Ahmed Ali nicht nur alle Medien gleichgeschaltet hat, sondern auch sämtliche Kommunikation etwa über Internet und Telefon in die Region Tigray gekappt hat. Die Welt soll nicht mitbekommen, was hier passiert bzw. soll nur seine Version der Geschehnisse an die Öffentlichkeit gelangen. Ziel ist es offensichtlich, die unliebsame Regierung des Bundeslandes Tigray zu stürzen und damit dem Anspruch einer autokratischen Regierung ohne nennenswerte Opposition ein Stück näher zu kommen. Für Tigray ist es auch insofern eine schwierige Situation, weil die Region einerseits durch die Zentralregierung und anderseits durch Eritrea kommunikativ, wirtschaftlich und in der Infrastruktur blockiert ist. Hinzu kommt, dass auch der angrenzende Sudan – beeinflusst durch Abiy Ahmed Ali – seine Grenzen geschlossen hat. Damit ist Tigray regelrecht eingekesselt und kann von lebenswichtiger Versorgung ausgeschlossen werden. Unterstützung erfährt Abiy Ahmed hier vor allem durch die Ethnie der Amharen, die einzige Ethnie, die noch relativ geschlossen hinter der Zentralregierung steht. International löst die Situation große Besorgnis aus. Es wird eine Destabilisierung der ohnehin fragilen Situation am Horn von Afrika befürchtet, da der Konflikt auf Nachbarländer wie Sudan und Somalia ausstrahlen könnte und vor allem auch Eritrea – möglicherweise ermuntert durch den Friedensnobelpreisträger – in den Konflikt hineingezogen werden könnte. Der einst international gefeierte PM Abiy Ahmed Ali zeigt mehr und mehr sein wahres Gesicht. Er entpuppt sich zunehmend als Autokrat und Diktator, schaltet die Medien gleich, untergräbt jede Gewaltenteilung, schürt Konflikte entlang der Ethnien, wirtschaftet das einstmals ökonomisch erfolgreiche Äthiopien herunter während er sich die Zustimmung etwa der USA durch Liberalisierungsmaßnahmen, Ausverkauf wichtiger Wirtschaftszweige und Zurückdrängen des chinesischen Einflusses erkauft. Der Friedensschluss mit dem diktatorisch regierten Eritrea scheint nicht nur eine neue Männerfreundschaft zweier Brüder im Geiste zu begründen, sondern dient anscheinend eher dem Machterhalt, als dass er dem Friedenswillen geschuldet ist...“. Dabei ist auch die Lektüre der dazu gehörenden zahlreichen Kommentare dringend zu empfehlen, in denen nicht nur kritisiert wird, dass in dem Beitrag die Provinzregierung von Tigray „ausgespart“ werde, sondern auch die Regierungspropaganda („Krieg gegen Terroristen“) kontrovers diskutiert.

The section of Ethiopian society cheering for war is the section of society that does so everywhere in the world: uncompromising, right wing, nationalist, middle aged men who wouldn’t send their own sons to battleam 08. November 2020 im Twitter-Kanal von Zecharias Zelalem externer Link kritisiert die Unterstützer des Feldzuges der Zentralregierung als jene Kräfte, die sich überall in der Welt so verhalten: Rechte mittelalterliche Männer, nationalistisch und kompromisslos, die stets verhindern würden, ihre eigenen Söhne in solch einen Krieg zu schicken. Einige von denen melden sich auch im dazugehörenden Thread zu Wort…

„»Abiy bleibt nicht mehr viel Zeit«“ am 17. November 2020 bei nd online externer Link ist ein Interview von Philipp Hedemann mit Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik, worin sie zu den Ausgangsbedingungen der aktuellen Entwicklung unter anderem unterstreicht: „… Äthiopien ist auf ethnischer Grundlage in neun Regionen eingeteilt. Auch weil das Selbstbestimmungsrecht der Ethnien über 25 Jahre unterdrückt wurde, spielt die Ethnisierung eine zunehmende und sehr schwierige Rolle. Jede Woche kommt es in Äthiopien zu ethnisch motivierten Morden und Massakern. Fast alle Ethnien in Äthiopien stellen das Wohl ihrer eigenen Gruppe über das nationale Wohl. Abiy wollte das überwinden. Als er vor zwei Jahren ins Amt kam, fühlten sich viele der alten Kader der TPFL gedemütigt. Sie hatten beim Sturz des kommunistischen Diktators Mengistu 1991 eine wesentliche Rolle gespielt und hatten deshalb seitdem einen überproportionalen politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Diesen Einfluss hat Abiy zurückgedreht. Die TPFL hat das nie akzeptieren wollen. Die jetzige militärische Eskalation ist deshalb auch ein »revenge war«, ein Krieg aus Rache. Mehr Autonomie oder eine Sezession – bislang ist nicht klar, was die TPFL überhaupt erreichen will. Ihr scheint es zunächst vor allem um die Diskreditierung Abiys zu gehen. Sie will sein messianisches, friedensliberales Image zerstören und zeigen, dass er nicht in der Lage ist, Äthiopien zusammenzuhalten. // Trägt also Tigray die Schuld am Krieg? // Nein, die Schuld tragen beide Seiten! Sowohl Addis Abeba als auch Tigray haben den Krieg mit einer extrem hasserfüllten Sprache, die nur die Zerstörung des anderen im Blick hat, heraufbeschworen. Beide Seiten waren an einer Deeskalation nicht interessiert…“

„The Legacy of the Past on Ethiopia’s Modern Political Life“ von John Markakis am 12. März 2020 im Roape.net externer Link (Review of African Political Economy) war (vor dem aktuellen Krieg, aber zu einem Zeitpunkt, da die Spannungen bereits wieder akut wurden) ein Beitrag, der der Frage nachging, welche grundsätzlichen Probleme in Äthiopien angegangen werden müssten, um dauerhaft eine Veränderung hi zu friedlichem Leben erreichen zu können. Er geht dabei von der besonderen Geschichte des Landes aus mit dem Eroberer-Staat des christlichen Imperiums der die bis heute zentrale Frage der äthiopischen Geschichte aufs Tapet gebracht habe: Der Besitz an Boden. Die unterschiedlichen Entwicklungskonzepte der diversen Regierungen seien alle von dieser Grundsatzfrage ausgegangen und hätten diese auch immer wieder in den Fokus der Auseinandersetzung gebracht, auch die Privatisierungspolitik des aktuellen neoliberalen Ministerpräsidenten.

„Etiopía. Guerra en el norte“ von Mark Aguirre am 18. November 2020 bei Resumen Latinoamericano externer Link ist ein Beitrag, in dem unterstrichen wird, dass die EU nicht nur aktuell zum Feldzug schweigt (im besten Fall „Bedenken äußert“) sondern auch keine der vielen Millionen, die an Äthiopien zur Förderung europäischer Investitionen ausbezahlt wurden zurück gefordert habe, da sie ja zu Feldzügen benutzt würden…

„Deutsche Firmen sollen von Arbeitswucher im Ausland nicht mehr profitieren“ am 03. Dezember 2019 im Migazin externer Link meldete zu einer Reaktion der Bundesregierung auf die wachsende Kritik an den dunklen Geschäften deutscher Unternehmen in Äthiopien unter anderem: „… Die Kabinettskollegen stellten am Montag in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba ein gemeinsames Positionspapier vor, das gegebenenfalls eine Haftung vorsieht, wenn deutsche Firmen mit ausländischen Partnern zusammenarbeiten, die Armutslöhne zahlen. Ferner plädieren sie für die Abschaffung der Kaffeesteuer für fair angebaute und verarbeitete Produkte, um Betriebe zu unterstützen, die sich an Mindeststandards halten. Äthiopien wurde offiziell in den Kreis der Reformpartner Deutschlands aufgenommen. (…) Bei dem Treffen, zu dem keine ausländische Schriftpresse zugelassen war, wurde die bereits vereinbarte Reformpartnerschaft per Unterschrift besiegelt. Damit ist Äthiopien eines von sechs Ländern, die von Deutschland mit privaten Investitionen unterstützt werden, wenn sie im Gegenzug Demokratisierung, den Kampf gegen Korruption und Wirtschaftsreformen vorantreiben“.

„Miracle ou mirage? L’échec du modèle de développement éthiopien“ am 04. Mai 2016 bei Afriques en Lutte externer Link war ein Betrag über das Scheitern der Entwicklungspolitik der Vorgänger-Regierungen – dessen Ursache in dem Beitrag ausführlich zusammen gefasst werden: In erster Linie der vielfältige Widerstand der Betroffenen.

„Äthiopien: Aufbruch in den Neoliberalismus mit dem neuen Premierminister Abiy Ahmed?“ von Shuwa Kilfe am 14. August 2018 bei telepolis externer Link hielt bereits zum damaligen Amtsantritt der neuen Zentralregierung fest, was von Tigray aus heute verschiedentlich angeführt wird: „… Den Unternehmen ist dabei das Bestreben der bisherigen Regierungen, die Kontrolle über wesentliche Bereiche der Wirtschaft zu behalten, ein Dorn im Auge. Die USA sehen die Kooperationen mit China als störend und die Nähe zum Nahen Osten macht Äthiopien für sie geostrategisch interessant. Nicht umsonst ist Äthiopien das einzige Land Afrikas, welches neben Kenia von Obama besucht wurde. Wurde die alte Regierung wegen Landgrabbing kritisiert, deutet sich jetzt eine ganz andere Dimension des Ausverkaufs an. Gewinnbringende staatliche Unternehmen aus Stromversorgung und Telekommunikation sowie Ethiopian Airlines sollen verkauft und privatisiert werden. Den globalen geopolitischen Machtkampf zwischen China und den USA/Europa/ (arabische Länder) darf man über dem Jubel nicht aus dem Blick verlieren. Alle diese Machtblöcke haben eigene Interessen gegenüber Äthiopien und nehmen Einfluss. Was also tun, wenn äthiopische Regierungen nicht gewillt sind, das Land westlichen Unternehmen und westlicher Machtpolitik bedingungslos auszuliefern? Ein beliebtes Rezept ist die Destabilisierung der missliebigen Regierung und die Unterstützung von Kräften, die den eigenen Interessen näher liegen. In der Regel passiert dies gerne unter dem Propagandadeckmäntelchen der sogenannten westlichen Werte und man versucht die eigene Einflussnahme auch gerne zu verbergen. Der US-Botschafter Raynor ist bekannt für seine Einflussnahme. Kommt da ein Premierminister wie Dr. Abiy Ahmed vielleicht gerade recht? Dass der neue PM nun derartig bejubelt wird von eben den Seiten, die offensichtlich ihren Einfluss auf Äthiopien ausdehnen wollen, passt gut ins Bild. Vorher kritisierte Menschenrechtsverletzungen und Militarisierung einer ganzen Gesellschaft in Eritrea sind für eben jene Propagandisten plötzlich auch kein Thema mehr. Zwei neue Friedensengel sind geboren. Auffällig ist auch die Intransparenz und Eile in der diese Politik und dieser „Friedensschluss“ vorangetrieben wird. Es scheint, als ob die Blaupause für diese Veränderungen außerhalb Äthiopiens bereits fertiggestellt wurde und nun ohne Konsultation aller gesellschaftlich wichtigen Kräfte vom neuen Erfüllungsgehilfen umgesetzt wurde. China und die Vereinigte Arabische Emirate (VAE) rivalisieren um Kontrolle und Investitionen in Häfen in der Region, vornehmlich Dschibuti, Eritrea und Somalia, vor allem die VAE sind im Hintergrund ebenfalls in die Friedensgespräche involviert und üben in ihrem Interesse Einfluss auf die eritreischen Machthaber aus. Welche Beweggründe hat eigentlich der Präsident Eritreas Isayas Afewerki, dass er seine Politik gegenüber Äthiopien ändert? Welche Länder waren vorher seine Geldgeber und was hat sich daran geändert? Vielleicht spielen hier auch europäische Interessen eine Rolle, die es gerne sähen, wenn sie Eritrea zum sicheren Herkunftsland erklären könnten (ohne dass sich in Eritrea wirklich etwas geändert hätte), um die Migrationsbewegung einzudämmen…“

„Ethiopia: Massive protests in Oromia region suspend gold mining operations“ von Mark Harman am 11. Mai 2018 bei libcom.org externer Link berichtet von massiven – und erfolgreichen – Protesten gegen ein Projekt des Goldbergbaus in der Oromo-Region, das, vor allem wegen extremen gesundheitlichen Auswirkungen immer wieder Proteste hervor gerufen hatte und dessen Lizenz nun erneuert werden sollte. Die betreibende MIDROC-Gesellschaft hat vor allem Aktionäre aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und ist der einzige Goldexporteur Äthiopiens.

„Neoliberal Shock Therapy in Ethiopia“ von Tebeje Molla am 25. Juni 2019 beim Roape.net externer Link ist ein Beitrag zur Privatisierungs-Offensive der neuen Regierung: Privatisiert werden soll – schlichtweg alles, was irgendwie wirtschaftlich wichtig sein könnte…

„Éthiopie : Viols, exécutions extrajudiciaires et maisons incendiées lors des opérations de sécurité dans les régions Amhara et Oromia“ am 01. Juni 2020 bei Afriques en Lutte externer Link berichtet von einer massiven und brutalen Repressionswelle in zwei (ethnisch sehr unterschiedlichen) Regionen Äthiopiens, die ausführlich bei amnesty international dokumentiert wurde.

„Kidnapping, torture, and stolen land: The brutal reality of Ethiopia’s new sugar wars“ am 27. März 2020 bei Farmlandgrab externer Link berichtet von den Repressionskampagnen gegen jene, die Widerstand leisten gegen den Landraub, der für die Entwicklung der Zucker-Exporte organisiert wird.

„Ethiopia Arrests Nine Air Traffic Controllers On Strike“ am 04. September 2018 bei All Africa externer Link dokumentiert meldete zur Vorgehensweise der neuen Regierung im Sinne der Investoren, dass neun der streikenden Fluglotsen am Airport Bole International festgenommen wurden – der Flughafen, der mit den internationalen Geschäften explodiert ist, was Passagierzahlen betrifft…

„$26 a month: Ethiopians are being paid world’s lowest wages to make your Calvin Kleins“ von James Purtill am 09. Mai 2019 beim ABC.net externer Link berichtet vom Hauptgrund für die jüngere internationale Beliebtheit Äthiopiens: Das neue billigste Billiglohnland vor allem für die Textilindustrie. Im Beitrag des australischen Senders kommen auch eine ganze Reihe von Textilarbeiterinnen und Textilarbeitern (auch hier: Unterschiedlicher Ethnien) zu Wort, die sehr deutlich machen, dass man auch in Äthiopien mit einem Monatslohn von 26 Dollar kaum überleben kann. Weswegen sich bei ihnen die Beliebtheit der Regierung auch in Grenzen hält…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=181809
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