Kriminalitätsrate historisch niedrig – trotzdem Polizeirechtsverschärfung in Schleswig-Holstein

Dossier

PolizeigesetzSH: Polizeirechtsverschärfung in Schleswig-HolsteinDie Änderungen für das neue Landesverwaltungsgesetz in Schleswig Holstein haben den Weg ins Landesparlament gefunden und sollen demnächst in Parlament und Ausschuss beraten werden. Zu dem vorherigen Entwurf des Ministeriums gibt es nur minimale Änderungen, es bleibt eine drastische Verschärfung. Einsatzbefugnisse werden erweitert, die Schwelle für polizeiliche Eingriffe herabgesetzt und das Waffenarsenal vergrößert. Unter anderem werden die Möglichkeiten Menschen vorzuschreiben wo sie sich aufhalten sollen erweitert (Meldeauflagen, Aufenthaltsge- und verbote), der Einsatz von Sprengmitteln gegen Menschen sowie das Schießen auf Kinder erlaubt und eine Fülle an neuen Möglichkeiten eingeführt, mit denen die Polizei Daten erheben, speichern und in Datenbanken hin und her transferieren kann. Auch das Waffenarsenal der Polizei vergrößert sich. Neben Schlagstöcken und Schusswaffen sollen nun auch Distanz-Elektroimpulsgeräte zum Einsatz kommen. (…) Polizist*innen sollen außerdem mit sogenannten Bodycams ausgestattet werden. Zwar filmen die Kameras erstmal alles, was gespeichert wird, entscheidet allerdings der*die Beamt*in. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.  Die Eingriffschwelle wird drastisch heruntergesetzt, so sind Kontrollen, wie Personalienfeststellungen, an sämtlichen Stellen des internationalen Verkehrs möglich und Fußfesseln können angeordnet werden, wenn die Polizei das „individuelle Verhalten“ einer Person für Terrorverdächtig hält…“ Pressemitteilung vom 13. Mai 2020 von und bei NoPolgSH –  siehe dazu:

  • Schlesiwg-Holstein: Bündniss gegen das neue Polizeirecht überlegt weitere rechtliche Schritte New
    „Die Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes in S-H am 26.02. dieses Jahres ist für das Bündnis gegen eben dieses Gesetz kein Grund, nun Frieden mit dem geschaffenen Status Quo zu machen und ihren Protest dagegen nicht mehr zu artikulieren. Insbesondere am Tag der internationalen Polizeigewalt, den 15.03. 2021 muss auf die Gefahren für Bürgerinnen und Bürger hingewiesen werden, die durch die Einführung dieser rechtlich bedenklichen und massiv erweiterten Befugnisse für Polizeibeamte entstehen. Auch in Deutschland hat Polizeibrutalität ein lange Tradition und ist in der medialen Öffentlichkeit ausreichend dokumentiert. Die Festnahmegriffe sind schon lange gesundheitsgefährdend und unerträglich brutal. Die breite Gesellschaft lässt es zu, auch wenn es nicht selten ihre eigenen Kinder betrifft und das Vorgehen in keinem Verhältnis zum Anlass steht. Das Bewusstsein, dass es jede/n anlasslos und verdachtsunabhängig treffen kann, wird sich in der Anwendung der neuen Gesetze erst allmählich – und vielleicht zu spät – durchsetzen. Die rechtliche Gegenwehr ist schon immer kaum möglich gewesen und hat jetzt eine deutliche Schwächung erfahren. (…) Insbesondere diese Handhabe ruft üble Erinnerungen gerade aus der deutschen Geschichte wach, und so verwundert es nicht, dass ausgerechnet die AfD dieses Gesetz begrüsst. Insbesondere die massiven Grundrechtsverletzungen durch den Wegfall der Unschuldsvermutung müssten eigentlich alle Rechtsschützer auf Alarmstellung bringen. Das Bündnis, dass sehr verschiedenen aktiven Gruppen in S-H vereinigt, arbeitet weiter gegen das Gesetz und überlegt sich weitere rechtliche Schritte.“ Meldung vom 16. März 2021 vom und beim untergrundblättle externer Link über NoPolgSH – Nein zum Polizeigesetz – gegen Repression und Überwachung! externer Link
  • „Auf Kinder schießt man nicht“. Am Freitag beschließt der Kieler Landtag ein Polizeigesetz, das den Beamt*innen mehr Befugnisse im Einsatz einräumt 
    „Der Auftakt der schleswig-holsteinischen Haushaltsberatungen sorgte am Mittwoch für Protest: drei Demonstrationen auf einmal erschwerten das Abstandhalten vor dem Kieler Landtag. Die Protestierenden plädierten für eine bessere Finanzierung der schleswig-holsteinischen Frauenhäuser, ein Atomwaffenverbot und gegen die geplante und umstrittene Änderung des Polizeigesetzes, die der Landtag am Freitag mit den Stimmen der Jamaika-Koalition beschließen will. Unter dem Motto „Gegen Repression und Überwachung“ hatte das „Bündnis gegen das Polizeigesetz“ zum „coronagerechten Protest“ aufgerufen, was in der Praxis hieß: Maskengebot statt Vermmumungsgebot! Das Bündnis formuliert auf seiner Homepage eine fundamentale Kritik gegen die Novelle. Plakativ unterstellt es den Urheber*innen des Entwurfes, den „unerklärlichen Wunsch, auf Kinder schießen zu dürfen.“ Es spielt damit auf einen Passus des Gesetzes an, nachdem Polizist*innen gezielt auch auf Jugendliche unter 14 Jahre schießen dürfen um Extremlagen aufzulösen. (…) Neben dem „Kindstötungs-Paragraphen“ ist vor allem die Einschränkung von Freiheitsrechten, die das Gesetz schon im Verdachtsfall vorsieht, umstritten. Zur Vermeidung von terroristischen Anschlägen darf die Polizei in Zukunft ihr verdächtig vorkommende Personen dazu zwingen, sich nicht nur regelmäßig in einer Dienststelle zu melden, sondern – wenn ein*e Richter*in dem zustimmt – bei Terrorverdächtigen auch eine elektronische Fußfessel anlegen, um den Aufenthaltsort permanent zu überwachen. „Damit wird Menschen, die gegen kein Gesetz verstoßen haben, die Bewegungs- und Handlungsfreiheit weitgehend entzogen“, kritisiert das Bündnis. (…) Das neue Polizeigesetz rüstet die schleswig-holsteinischen Einsatztruppen zudem mit Elektroschockern und Bodycams sowie mit erweiterten Festnahmebefugnissen aus. Die Ausweitung der polizeilichen Instrumentarien ist für die Grünen schwer mitzutragen. „Natürlich konnten wir uns nicht mit allem durchsetzen.“, räumt Peters ein. Ihm sei vor allem wichtig, dass in dem Polizeigesetz Racial Profiling untersagt werde. „Da sind wir uns mit der Polizei einig und haben mit der Formulierung im Gesetz ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung gesetzt“, freut sich der Grüne. Das Bündnis gegen das Gesetz sieht das ganz anders: Dass in der Praxis von der Polizei überdurchschnittlich häufig People of Color kontrolliert und durchsucht werden, liege nicht an den Gesetzesgrundlagen, sondern an den rassistischen Stereotypen in den Köpfen der Polizist*innen.“ Artikel von Marco Carini vom 24. Februar 2021 in der taz online externer Link
  • Viele Schwächen im Polizeigesetz-Entwurf von Gutachter*innen und Expert*innen bestätigt
    Im Juni wurde der Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften im Landesverwaltungsgesetz“ – kurz das sog. Polizeigesetz – im schleswig-holsteinischen Landtag diskutiert und dem Innen- und Rechtsausschuss überwiesen externer Link Audio Datei. Gestern tagte dieser nun im Landeshaus zum neuen Polizeigesetz und lud erstaunlich viele Gäste vor, trotz Corona-Lockdown. Vor dem Parlament demonstrierte das Bündnis gegen das neue Polizeigesetz in Schleswig-Holstein, das von circa 20 UnterstützerInnen-Gruppen getragen wird. Wir haben die Gutachten und Stellungnahmen im Ausschuss über den gesamten Tag hinweg verfolgt und präsentieren hier eine (unvollständige) Zusammenfassung.“ Beitrag vom 5. November 2020 bei Freie Radio Neumünster externer Link Audio Datei
  • Auch Schüsse auf Kinder möglich. Die schleswig-holsteinische Landesregierung will ihr Polizeigesetz verschärfen. Bürgerrechtler sehen viele Punkte kritisch
    Die Landesregierung in Schleswig-Holstein arbeitet seit langem an einem neuen Polizeigesetz. Die Kritik am bisher vorgelegten Regierungsentwurf ist massiv. Insbesondere die Option einer rechtlichen Verankerung des Schusswaffengebrauchs gegen Kinder im Gefahrenfall sorgt für Empörung. Eine mehrstündige Anhörung im Kieler Landtag thematisierte einige Einwände noch einmal. Eine heftige Kontroverse ist auch aufgekommen, in welcher Art und Weise Schleswig-Holstein als vorletztes Land neben dem Stadtstaat Berlin nun den finalen Rettungsschuss im Polizeirecht verankern will. Insbesondere der Kinderschutzbund in Person von Eberhard Schmidt-Elsaeßer sieht sich in dem umstrittenen Vorhaben als Anwalt für nicht strafmündige Kinder und lehnt den Passus strikt ab. In der Begründung zur vermeintlichen Notwendigkeit der von der Jamaika-Koalition getragenen Maßnahme wird stets das Beispiel von Kindern präsentiert, die von Terroristen zur Ausübung von Anschlägen instrumentalisiert werden. Das ist ein Szenario, das hierzulande so noch nie vorgekommen ist. (…) Große Bedenken erweckt auch der von der Polizei gewünschte Einsatz von Bodycams in Wohnungen oder Geschäftsräumen, weil damit die grundgesetzlich geschützte Unversehrtheit der Wohnung tangiert werde. Zweifel ob der grundsätzlichen Wirksamkeit des Bodycam-Einsatzes hegt das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen. Experte Tillmann Bartsch führte aus, dass es bis dato keine belastbaren Studien gibt, die eine Deeskalationswirkung durch das filmende Hilfsequipment in Form zurückgehender Straftaten gegen Polizeibeamte belegen. Schleswig-Holsteins CDU will trotzdem am Bodycam-Einsatz auch in Wohnungen festhalten und beruft sich auf den rot-rot-grünen Gesetzentwurf aus Bremen. Bijan Moini von der Gesellschaft für Freiheitsrechte wies auf mögliche Mängel im Gesetzentwurf bezüglich der Vorverlagerung eines Gefahrenverdachts hin. (…) Auch die Gewerkschaft der Polizei und die konkurrierende Deutsche Polizei-Gewerkschaft kamen in der Anhörung zu Wort. Es überraschte dabei nicht, dass beide mehr Befugnisse in der Vorratsdatenspeicherung und bei der Telekommunikationsüberwachung forderten. Außerdem auf dem Wunschzettel: Eine Harmonisierung der föderalen Polizeirechte der Länder…“ Artikel von Dieter Hanisch vom 05.11.2020 im ND online externer Link
  • Proteste und Anhörung im Landtag
    In den letzten Wochen nehmen die Proteste gegens Polizeigesetz SH stetig an Fahrt auf. Bei einer Demo von FFF, Seebrücke, KOA und anderen Akteur_innen am 24.10. haben mehrere hundert Menschen teilgenommen und zogen lautstark vom Hauptbahnhof aus durch die Innenstadt. Im Anschluss schlossen sich die Demonstrant_innen einer weiteren Demo gegen Polizeigewalt in Nigeria an. Am 4.11. ging es mit dem Protest weiter. Im Landtag tagte der Innen- und Rechtsausschuss zum neuen Polizeigesetz – draußen demonstrierte das Bündnis gegens neue Polizeigesetz SH. Für Stellungnahmen wurden dabei ausschließlich Befürworter:innen des neuen Polizeigesetzes wie bspw. Vertreter:innen der Polizeigewerkschaft eingeladen. Auf Grund von Corona haben wir dieses mal keine große Menschenmenge mobilisiert, sondern waren nur mit knapp zwei dutzend Menschen vor Ort, um die Abgeordneten direkt mit unserer Kritik zu konfrontieren.“ Meldung vom 4. November 2020 bei NoPolgSH externer Link
  • Nein zum Polizeigesetz – gegen Repression und Überwachung!
    Am kommenden Mittwoch, 04.11.2020, wird im Innen- und Rechtausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages ein Änderungsantrag des Landesverwaltungsgesetz diskutiert, das neue Polizeigesetz für Schleswig-Holstein. Ziel des „Gesetzes zur Änderung polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften im Landesverwaltungsgesetz“ sind massive Ausweitungen der landespolizeilichen Kompetenzen. Minimale Änderungsanträge werden daran nichts ändern. Wir fordern die Abgeordneten deshalb dazu auf, das neue Gesetz zu verhindern. Wir rufen auf zur #NoPolgSH-Bündnis-Kundgebung! Beteiligt Euch am Widerstand gegen das Polizeigesetz und kommt am 04.11.2020 um 09.00 Uhr vor das Landeshaus in Kiel! In Anbetracht der sich verschärfenden Pandemiesituation bitten wir Euch, einen Mund-Nasenschutz mitzubringen, Abstand zu halten, den gesamten Platz am Landtag zu nutzen und aufeinander aufzupassen. (…) Konkret bedeutet das Polizeigesetz: Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Die Befugnisse Menschen vorzuschreiben, wo sie sich aufzuhalten haben, sollen ausgeweitetwerden, gleiches gilt für die Anwendung einer elektronischen Fussfessel. Mehr Racial Profiling durch die Ausweitung der Schleierfahndung. Ausweitung des Sprengmittel- und Schusswaffengebrauch, sowie die Nutzung von Tasern. Ausweitung der Überwachung. Die geplante Bewaffnung der Polizei mit Tasern (Distanz-Elektro-Impulsgeräte) ist keinesfalls so ungefährlich wie behauptet wird…“ Aufruf vom 31. Oktober 2020 bei NoPolgSH externer Link
  • Synopse zum Gesetzesentwurf externer Link
  • NoPolgSH auf Twitter externer Link und die Homepage der Initiative externer Link
  • siehe auch unser Dossier: Neue Polizeigesetze, überall – eine Bestandsaufnahme
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=180881
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