Eine Art Stockholm-Syndrom. Arbeit im agilen Kapitalismus: Alle kämpfen darum, dazugehören zu dürfen innerhalb einer Maschinerie, die sie gleichzeitig quält und gefangenhält

isw-Wirtschaftsinfo 52 vom 27. November 2017„… Statt von Dressur sprechen wir, wenn es um Menschen bei der Arbeit geht, lieber von Human Relations, sanfter Führung und derlei Euphemismen mehr. Dessen ungeachtet geht es beim Management aber schlicht um Zurichtung und Beherrschung der Arbeiterinnen und Arbeiter. (…) Um Kontrolle im Sinne einer nachträglichen Überprüfung, zum Beispiel bei der Ausweis- oder Qualitätskontrolle, geht es bei Control gar nicht in erster Linie. Control beinhaltet namentlich die Überwachung von Prozessen in Echtzeit, zum Beispiel bei Kontroll- oder Überwachungsmonitoren. Control bedeutet auch schlicht und einfach Ausübung von Herrschaft. (…) In der Arbeitswelt wird digitale Technologie zum Instrument des Managements, zum automatisierten Kontrolleur und Manager. Dieses Phänomen wird auch als »algorithmischer Chef« bezeichnet, digitale Technologie füllt die entstandene Führungslücke aus. (…) Das Paradox sich selbst managender Arbeiterinnen tritt ein, die sich in zwei Persönlichkeiten aufspalten, in Selbstunternehmerinnen einerseits und Selbstproletarier andererseits, in Dompteur und dressierte Kreatur in einer Person. (…) Der Chef ist verschwunden, Hindernis und Gegner wird das eigene Unvermögen, die Tickets zu bewältigen, Empathie und Kommunikation zu bewältigen. Die Grenzen zwischen Management und Arbeitern verschwimmen ebenso wie die zwischen Arbeit, Identität und Leben…“ Redaktionell gekürzter Vorabdruck in der jungen Welt vom 6. Oktober 2020 von »Wo ist bloß der Chef geblieben?« von Timo Daum externer Link aus „Agiler Kapitalismus. Das Leben als Projekt“, Edition Nautilus, Hamburg 2020, 208 Seiten, 16 Euro

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