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Fortgesetzte Massenproteste in Libyen: Erste Regierung tritt zurück…

Vor allem Jugendliche waren es, die im August 2020 gegen alle Bürgerkriegsparteien in Libyen protestierten - viele Jugendliche...„… Seit Wochen protestieren überwiegend junge Menschen in unterschiedlichen Städten Libyens auf den Straßen, nun scheint immerhin eine von zwei miteinander rivalisierenden Regierungen darüber eingeknickt zu sein: Unter dem Eindruck der Proteste bot das Kabinett im ostlibyschen Tobruk am Sonntag (12.9.) seinen Rücktritt an. Bis zur nächsten Sitzung des Parlaments – dieses muss dem Rücktritt noch zustimmen – werde die Regierung allerdings im Amt bleiben, erklärte ein Sprecher. Wann dies geschehen soll, blieb zunächst freilich offen. Das Land besteht seit Jahren aus zwei unterschiedlichen Machtzentren, die sich feindlich gegenüber stehen und von unterschiedlichen auswärtigen Mächten unterstützt und militärisch aufgerüstet werden. Das Kabinett in Tobruk war 2014 nach gewaltsamen Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Gruppen aus der westlich gelegenen Hauptstadt Tripolis in den Nordosten geflüchtet. In Tripolis hat sich seitdem eine zweite, von dem Politiker Fajis as-Sarradsch geführte Regierung gebildet. Diese ist zwar international anerkannt, aber nicht durch Wahlen legitimiert. Die Demonstranten protestieren gegen eine ganze Reihe von Missständen. Insbesondere wenden sie sich gegen die grassierende Korruption sowie verschlechternde Lebensumstände. Dazu gehören häufige, oft über Stunden anhaltende Stromausfälle und eine ungenügende Wasserversorgung. Zudem steckt das Bankensystem in einer Krise, mit der Folge, dass viele Menschen kaum mehr Bargeld abheben können…“ – aus dem Beitrag „Libyen: Jugend hat genug von Gewalt und Korruption“ von Kersten Knipp und Khaled Salameh am 15. September 2020 bei der Deutschen Welle externer Link über erste Ergebnisse der andauernden und anwachsenden sozialen Proteste in ganz Libyen – woraus deutlich wird, dass dieser Rücktritt erst einmal ein „Angebot“ ist. Woraus aber (nahe liegend) nicht deutlich wird, wie Berlin und Brüssel hier „mitmischen“… Zu den anwachsenden Protesten in Libyen drei weitere aktuelle Beiträge (auch zum Thema der Rolle von Brüssel und Berlin in Libyen) – und der Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zu den neuen sozialen Protestwellen in Libyen:

  • „Was als Waffe gilt und was nicht“ von Philip Malzahn am 14. Januar 2020 in nd online externer Link hat eben – unter anderem – die bundesdeutsche Rolle in Libyen zum Thema: „… Doch dass es nicht genügend Treibstoff in Ostlibyen gibt, liegt nicht nur an der Politik des Parlaments in Tobruk, sondern auch an der EU-Mittelmeermission Irini. Deren Aufgabe ist es eigentlich, das für das gesamte Bürgerkriegsland verhängte Waffenembargo durchzusetzen. Doch was daraus wurde, ist so ziemlich das Gegenteil. Nämlich eine Art parteiergreifende Sanktionsmaßnahme, die vor allem die Seite des Generals Khalifa Haftar benachteiligt. Waffen werden weiterhin en masse in das Land gespült, vor allem von der Türkei. Deren Transportschiffe können problemlos die Fregatten der EU-Mittelmeermission passieren. Stattdessen feiert man es – wie vergangene Woche – als riesigen Erfolg, wenn die Bundeswehr einen Treibstofftanker aufhält. Das dort geladene Kerosin sollte »vermutlich« für militärische Zwecke verwendet werden. Ob die Bundeswehr diese Unterscheidung aus politischer Befangenheit fällt oder ob man schlichtweg unfähig ist, Erdogan aufzuhalten, darüber lässt sich nur spekulieren...“
  • „Bengasi brennt“ von Mirco Keilberth am 14. September 2020 in der taz online externer Link eben zum Thema, dass die Proteste in beiden Machtzonen Libyens sich ausbreiten: „… Nach tagelangen Protesten gegen Stromausfälle, Arbeitslosigkeit und Korruption hat die ostlibysche Regierung, die dem dort mächtigen General Chalifa Haftar nahesteht und die international anerkannte Regierung in der libyschen Hauptstadt Tripolis bekämpft, am Sonntag ihren Rücktritt angeboten. In Bengasi, Beida und anderen Städten der an Ägypten angrenzenden ostlibyschen Cyrenaika-Provinz hatten meist junge Leute seit Donnerstag erst Reifen angezündet und am Sonntag auch das Büro der Parlamentsverwaltung und den Sitz der Regierung. Während die Parlamentarier die Demonstrationen unkommentiert ließen, solidarisierte sich die Führung von Haftars Armee LNA (Libysch-Arabische Nationalarmee) vage mit dem Volkszorn. Doch auch unweit des Hauptquartiers der LNA in der Kleinstadt al-Marj fanden am Wochenende Demonstrationen statt. Die Menschenrechtsorganisation „Libyan Crime Watch“ berichtet, dass ein Demonstrant dort von Sicherheitskräften erschossen und fünf Menschen verletzt wurden. (…) Proteste für bessere Lebensbedingungen gab es zuerst in Tripolis, vor zwei Wochen. Vermummte Angehörige der Nawasi-Miliz hatten damals in die Menge geschossen und einige Demonstranten verschleppt. Der international anerkannte Premier Fayez Serraj verurteilte die Milizengewalt. Die ostlibysche LNA scheint hingegen die Unzufriedenheit der Bevölkerung für sich nutzen zu wollen, obwohl die sich genauso gegen Haftars Truppen richtet…“
  • „Regierung im Osten Libyens dankt ab“ von Emre Sahin am 15. September 2020 in der jungen welt externer Link zum Rücktrittsangebot unter anderem: „… Die Demonstrationen, die am Donnerstag in der zweitgrößten Stadt Benghasi begonnen hatten, nahmen am Sonnabend ihren vorläufigen Höhepunkt an, als Regierungsgebäude in der 650.000-Einwohner-Stadt in Brand gesteckt wurden. Die international anerkannte »Konsensregierung« (GNA) unter Ministerpräsident Fajes Al-Sarradsch hat ihren Sitz in Tripolis. Das Parlament in Tobruk billigt diese allerdings nicht. Zu wütenden Protesten kam es erstmals auch in der Stadt Al-Mardsch. Diese gilt als Hochburg Haftars und der von ihm geführten »Libysche Nationalarmee« (LNA). Videos aus Benghasi zeigten, wie auch Bilder Haftars verbrannt wurden. Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) erklärte am Samstag, die LNA hätte gegen die Demonstranten Gewalt eingesetzt. In Tripolis sah sich auch die »Konsensregierung« am Sonnabend mit Protesten konfrontiert. Hunderte Demonstranten forderten Reformen und bessere Lebensbedingungen. GNA und die Regierung in Tobruk werfen sich gegenseitig vor, Schuld an der wirtschaftlichen Situation des Landes zu haben. Die LNA behauptet, das staatliche Ölunternehmen NOC in Tripolis habe nicht genug Brennstoff für die Kraftwerke importiert. Das Unternehmen sagte wiederum, die Probleme seien durch die Ölblockade der LNA verursacht worden. Diese hatte seit Januar den Export verboten…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=178082
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