BGH stellt klar: Härtere Strafen bei rassistischem Motiv – auch bei kleinen Delikten

Pro Asyl: Rassismus führt zum Verlust Ihres MitgefühlsWenn ein Täter aus rassistischen Motiven handelt, muss er härter bestraft werden. Darauf wies jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) hin und hob ein Strafurteil aus Koblenz auf, das diesen Grundsatz missachtete. Konkret ging es um Vorfälle im Jahr 2011. Eine Gruppe junger Männer aus dem Umfeld des neonazistischen Aktionsbüros Mittelrhein besprühte vier Schulgebäude in Rheinland-Pfalz mit Graffitiparolen wie “Hitzefrei statt Völkerbrei” oder “Die Deutsche Jugend wehrt sich”. Das Landgericht Koblenz wertete dies acht Jahre später in einem Urteil gegen einen der Täter als gemeinschädliche Sachbeschädigung. Der Mann soll außerdem in Düsseldorf an einem Marsch der “Unsterblichen” teilgenommen haben. Dabei zogen Nazis mit weißen Masken, dunkler Kleidung und Fackeln durch die Stadt. Der Aufmarsch unter dem Motto “Volkstod stoppen” erinnerte an Fackelmärsche im „Dritten Reich“. Dabei habe der Mann gegen das Uniformverbot verstoßen, befand das Landgericht Koblenz. (…) Auf Revision der Staatsanwaltschaft hat nun der dritte BGH-Strafsenat, der für Staatsschutz zuständig ist, das Koblenzer Urteil teilweise aufgehoben. Die Verurteilung des Mannes bleibt zwar bestehen, aber das Landgericht Koblenz muss über die Strafe neu entscheiden. Der BGH begründete die Aufhebung damit, dass die Koblenzer Richter in ihren Überlegungen zur Strafhöhe nur mildernde Aspekte erwähnt hatten, die “fremdenfeindliche Tatmotivation” des Mannes aber nicht beachteten…“ Artikel von Christian Rath vom 21.08.2020 bei RND externer Link – siehe die PM des Bundesgerichtshof zum Urteil vom 20. August 2020 – 3 StR 40/20:

  • Bundesgerichtshof entscheidet zu den Strafzumessungsumständen der fremdenfeindlichen Beweggründe und Ziele – Urteil vom 20. August 2020 – 3 StR 40/20
    „Das Landgericht Koblenz hat den Angeklagten wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung sowie Verstoßes gegen das Uniformverbot nach dem Versammlungsgesetz verurteilt. Von Strafe hat es abgesehen. Zuvor hatte es das Verfahren wegen der gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung eingestellt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Bundesgerichtshof das Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen besprühten der Angeklagte und seine Komplizen in der Nacht vom 19. auf den 20. Juli 2011, um Propaganda für ihre politische Anschauung zu betreiben, vier Schulgebäude mit zahlreichen Graffitiparolen an, so etwa mit „Hitzefrei statt Völkerbrei“, „Die Deutsche Jugend wehrt sich“ und „Bad G. bleibt deutsch“. In den späten Abendstunden des 8. November 2011 beteiligte sich der Angeklagte an dem sog. „Marsch der Unsterblichen“, einer damals neuen Aktionsform der rechten Szene. Hinter einem Banner mit der Aufschrift „Volkstod stoppen“ marschierten die Teilnehmer mit brennenden Fackeln durch eine Innenstadt und skandierten Parolen, unter anderem „frei, sozial und national“. Absprachegemäß trugen sie weiße Gesichtsmasken und dunkle Kleidungsstücke, die aufgrund der Lichtverhältnisse einheitlich schwarz wirkten. Der Aufmarsch erweckte den Eindruck einer Militärformation und erinnerte an Fackelzüge des „Dritten Reichs“. Der für Staatsschutzstrafsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Strafzumessung als durchgreifend rechtsfehlerhaft beanstandet, weil die Staatsschutzkammer keine Gesamtabwägung der strafzumessungsrelevanten Umstände vorgenommen hat. Vielmehr hat sie allein strafmildernde Gesichtspunkte in den Blick genommen, insbesondere die Belastungen für den Angeklagten infolge der langen Verfahrensdauer und die mit der Untersuchungshaft verbundenen besonderen Nachteile. Dagegen hat sie eine fremdenfeindliche Tatmotivation des Angeklagten unberücksichtigt gelassen. Wie die Vorschrift des § 46 Abs. 2 StGB in der Fassung vom 12. Juni 2015 nunmehr ausdrücklich regelt, sind rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele indes regelmäßig strafzumessungsrechtlich beachtlich. Das gilt auch für Taten, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzesänderung begangen wurden, weil diese lediglich klarstellende Bedeutung hatte. Berücksichtigung kann allerdings nicht die Gesinnung als solche finden. Die Einstellung des Täters ist vielmehr nur dann von Bedeutung, wenn sie in der Tat zum Ausdruck kommt. Dies war hier nach den Feststellungen der Fall. Über die Rechtsfolgen der Taten muss infolgedessen durch eine andere Strafkammer des Landgerichts neu entschieden werden…“ BGH-Pressemitteilung 110/2020 zum Urteil vom 20. August 2020 – 3 StR 40/20 externer Link
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