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Die neue Welle sozialer Proteste im Irak erkämpft Erfolge: Gefangene frei gelassen

Bagdad und der ganze Irak erleben neue Proteste - Polizei erschießt zwei Menschen„… Das Coronavirus hat das korrupte System vorübergehend vor den Protesten gerettet. Wegen der Ausgangssperren konnten wir nicht mehr auf die Straße gehen, und auch die Protestcamps die wir auf besetzten Plätzen in vielen Städten errichtet haben um zu diskutieren und Forderungen zu erarbeiten, sind leerer geworden. In dem Camp auf dem Tahrir-Platz in Bagdad, auf dem wir aktiv sind, sind nur noch ein kleiner Teil der Leute. Aber langsam füllt er sich wieder. Der Staat droht uns zwar mit Gewalt und auch die Miliz des Schiitenführers Muqtada al-Sadr hat Kräfte zusammengezogen um uns einzuschüchtern. Aber sie, noch Corona werden unsere Revolution stoppen! Was uns besonders motiviert ist, dass gerade auch immer mehr Frauen auf die Straße gehen. Es geht einerseits um die schlechte wirtschaftliche Lage. Die Arbeitslosigkeit liegt in Teilen des Landes bei rund 50 Prozent. Und auch die Versorgung der Menschen ist schlecht, und das in vielen Bereichen: Es gibt zu wenig Trinkwasser, der Strom fällt oft aus und die Schulen sind kaputt. Unser Widerstand richtet sich aber andererseits auch gegen die ökonomische und militärische Einflussnahme anderer Länder im Irak. Die wollen das Land kontrollieren und ausrauben, vor Allem das Öl. (…) Wir sind nicht nur gegen die iranische Einflussnahme sondern auch gegen die Präsenz der USA. Wir sagen auf unseren Demos ganz klar: Wir wollen hier weder die USA noch den Iran, wir wollen eigenständig sein. Die USA haben dem Irak nur schlechtes gebracht. Sie haben das Land 2003 im Krieg gegen Saddam Hussein zerstört. Aber es ging ihnen nicht um Demokratie, sondern ums Öl. Und sie haben das neue korrupte politische System aufgebaut, auf das der Iran sich heute stützt...“ – aus dem Beitrag „Proteste im Irak: „Ich bin nicht Sunnit, sondern arbeitslos!““ von Anselm Schindler am 16. Mai 2020 bei telepolis externer Link – ein Gespräch mit Qasim Ali und Sami Adnan über die aktuelle Entwicklung der neuen irakischen Proteste. Zur Freilassung der Gefangenen im Irak und weiteren Zugeständnissen der neuen Regierung an die Protestbewegung zwei weitere Meldungen – und der Hinweis auf unseren ersten Beitrag zu den Protesten gegen die neue Regierung:

  • „Judiciary backs release of prisoners ordered by Iraq’s new prime minister“ am 10. Mai 2020 bei Express and Star externer Link meldet, dass die irakische Justiz den Erlass des neuen Premierministers Mustafa al-Kadhimi umsetzt, die Gefangenen der Proteste seit dem vergangenen Herbst frei zu lassen. Der neue Regierungschef hatte sein Dekret mit dem § 38 der Verfassung begründet, der das Recht auf Protest beinhaltet – und all jene gemeint, die nicht „wegen Gewaltanwendung“ festgenommen worden seien. Das Ergebnis dieses Schritts allerdings waren, so die Meldung  – neue Proteste, die sich sowohl prinzipiell gegen jede Regierung richten, die aus Absprachen des „Establishments“ hervor gehen, als auch gegen die Einschränkung der Freilassung auf „friedliche“ Demonstranten. Demgegenüber unterstrichen die Protestierenden ihre Forderungen, es müsste ganz im Gegenteil das Vorgehen der Repressionskräfte juristisch aufgearbeitet werden.
  • „New Iraq PM releases protesters; promotes respected general“ am 10. Mai 2020 bei Al Jazeera externer Link meldet darüber hinaus, dass der neue Premier in der Verlautbarung der Freilassung auch „Gerechtigkeit“ und Entschädigung für die Angehörigen der Todesopfer (verschiedene Quellen rechnen mit ungefähr 600 Toten durch den Einsatz von Repressionskräften – also Polizei, Armee und Milizen) versprochen habe. Und wie alle Meldungen zu den Verlautbarungen informiert auch diese zur Rückkehr des früheren Oberkommandierenden der Anti-Isis-Einheiten auf seinen Posten – dessen damalige Entfernung im September 2019 durch die Vorgänger-Regierung einer der Auslöser der Proteste gewesen war.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=172556
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