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Wie man in China heute lebt: Unter Bedingungen autoritärer Herrschaft, des Virus-Notstands und weltweiter rassistischer Hetze

Protest in Hongkong gegen die Vorgehensweise der Behörden bei CoronavirusEs fällt schon bei einem flüchtigen Vergleich auf: Die Art der Berichterstattung über den Virusausbruch in China unterscheidet sich extrem von der üblichen Vorgehensweise der Medien in der BRD (und anderswo) in Fällen von „Katastrophen“. Keine „einfühlsamen“ Berichte zur Lage der betroffenen Menschen – stattdessen Ausbreitungs-Statistiken (vor allem im jeweiligen Ausland, und damit naheliegend, über Opfer der „gelben Gefahr“). Und dass die chinesische Regierung sowieso nichts richtig machen kann, ist Basis-Grundkonsens nicht nur europäischer Berichterstattung – was die Frage keineswegs überflüssig macht, wie deren Aktivitäten zu bewerten sind, welche Auswirkungen ihre Maßnahmen auf die Ausbreitung des Virus und die Lebensbedingungen der Menschen haben. Und ebenso wenig überflüssig ist die Frage, welche Alternativen es zu dem von der Regierung verfolgten Kurs denn gäbe… Siehe dazu unsere Materialsammlung vom 19.2.2020 über den Alltag der Menschen in China unter den Bedingungen des faktisch ausgerufenen Virus-Notstandes:

„Zahl der Infektionen steigt in China auf mehr als 70.000“ am 17. Februar 2020 in Spiegel online externer Link meldet unter anderem zum aktuellen Stand der Verbreitung: „… Die nachgewiesenen Ansteckungen nahmen um 2048 zu und erreichten 70.548. Besonders schwer ist in Zentralchina die 60 Millionen Einwohner zählende Provinz Hubei mit der Metropole Wuhan betroffen. In der weitgehend abgeschotteten Krisenregion sind allein rund 58.000 Infektionen und 1696 Todesfälle durch das Sars-CoV-2 genannte Virus bestätigt. Experten befürchten auch eine hohe Dunkelziffer. Nach der Entdeckung einer Infektion unter den Passagieren des Kreuzfahrtschiffs „Westerdam“, die zum Teil schon in Kambodscha an Land gegangen waren, sind nach Angaben der Reederei bislang zumindest keine Symptome der Lungenkrankheit aufgetreten. Allerdings gibt es eine Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen, bis sich Symptome zeigen, und Infizierte können dann auch schon ansteckend sein. Zuvor war eine 83-jährige Amerikanerin bei der Weiterreise in Malaysia positiv getestet und ins Krankenhaus gebracht worden, wie die malaysische Gesundheitsbehörde mitteilte…“

„Coronavirus: Endlich umfassende Daten aus China“ von Alexander Freund am 18. Februar 2020 bei der Deutschen Welle externer Link über die neusten Informationen bezüglich der Gefährdung von Älteren und Krankenhauspersonal aus China: „… Wirklich gefährdet sind vor allem die über 80-Jährigen. Hier liegt die Sterblichkeitsrate bei 14,8 Prozent. Betroffen sind vor allem Patienten mit chronischen Vorerkrankungen. An der Spitze stehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gefolgt von Diabetes, chronischen Atemwegserkrankungen und Bluthochdruck. Zwischen 70 und 79 Jahren liegt die Sterblichkeitsrate bei 8 Prozent, bei den 60- bis 69-Jährigen bei 3,6 Prozent. Jüngere sind dagegen deutlich geringer gefährdet. Zwischen 10 und 50 Jahren steigt die Sterblichkeitsrate mit zunehmendem Alter von 0,2 auf 0,4 Prozent. Bei 50- bis 59-Jährigen liegt die Sterberate bei 1,3 Prozent. Kleinkinder bis neun Jahre erkranken kaum an dem neuartigen Virus, bislang sind keinerlei Sterbefälle in dieser Altersgruppe bekannt. Interessanterweise ist die Sterblichkeitsrate bei Männern (2,8 Prozent) deutlich höher als bei Frauen (1,7 Prozent). In der besonders betroffenen Provinz Hubei liegt die Sterblichkeitsrate bei 2,9 Prozent, außerhalb davon aber bei 0,4 Prozent, wodurch sich eine Gesamtsterblichkeitsrate von 2,3 Prozent ergibt – wobei hier nicht bestätigte infizierte Fälle nicht einberechnet sind. Nach Angaben der chinesischen Behörden haben sich inzwischen aber auch mehr als 12.000 Menschen von der Infektion erholt. Besorgniserregend ist, wie hoch das hohe Risiko für das medizinische Personal in den betroffenen Provinzen ist. Laut vorliegender Studie sind insgesamt 3019 Beschäftigte im Gesundheitswesen infiziert worden, davon 1716 bestätigte Fälle. Fünf davon waren im Beobachtungszeitraum der Studie an dem Virus gestorben...“

„Lack of proper protective clothing: Chinese medical staff paying ‘too high a price’ in battle to curb coronavirus“ von Josephine Ma und Zhuang Pinghui am 14. Februar 2020 bei Europe Solidaire externer Link dokumentiert (ursprünglich in der South China Morning Post) ist ein Beitrag, der sich insgesamt mit der Gefährdung des medizinischen Personals befasst. Bis dahin waren bereits über 1.700 Beschäftigten im Gesundheitswesen erkrankt – wobei von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen wird, dass dies überall ein Problem sei, das allerdings weitgehend gelöst werden könnte, wenn es die grundlegende Sicherheitsausrüstung gibt.

„We stand with the health and medical Workers of Wuhan“ am 11. Februar 2020 im Jinbo-Net externer Link ist eine (seltene) Solidaritätserklärung (beziehungsweise: Ein Solidaritäts-Plakat) der koreanischen Gewerkschaft im Gesundheitswesen KHMWU mit den Kolleginnen und Kollegen in Wuhan im Kampf gegen den Virus – und für sichere Arbeitsbedingungen.

„The workers striving behind the scenes to combat the coronavirus in Wuhan“ am 04. Februar 2020 im China Labour Bulletin externer Link ist ein Beitrag über die alltäglichen Anstrengungen der Beschäftigten andrer Branchen im Kampf gegen die Virusgefahr: Hier geht es unter anderem um die Essensfahrer, die in einem Freiwilligen-Kollektiv die Belegschaften von fünf Krankenhäusern Wuhans mit Essen versorgen. Aber auch die besonderen Anstrengungen etwa der Stadtreinigung werden dargestellt, wie auch anderer städtischer Beschäftigter, die etwa zu Desinfektionsaktionen rekrutiert werden.

„Construction workers under pressure as more cities rush to build hospitals“ am 06. Februar 2020 ebenfalls im China Labour Bulletin externer Link berichtet aus verschiedenen chinesischen Städten, die möglichst schnell neue Krankenhäuser bauen wollen, und den sich daraus ergebenden besonderen Belastungen für die Bauarbeiter. In Zhengzhou, Guangzhou und Shenzhen etwa ist der Bau des neuen Huoshenshan Krankenauses in Wuhan, das im Rekordtempo fertiggestellt wurde, das Vorbild. Dort hatten dies rund 7.000 Bauarbeiter geleistet – die rund um die Uhr in 12-Stunden-Schichten arbeiteten.

„Diary of a Wuhan native: A week under coronavirus quarantine“ von Shawn Yuan am 31. Januar 2020 bei Al Jazeera externer Link berichtet vom „Tagebuch eines Eingeborenen“ von Wuhan über die alltäglichen Lebensbedingungen unter Quarantäne. Was immerhin rund 9 Millionen Menschen in der Kernregion der Virus-Ausbreitung betrifft. Von den Anstrengungen, Atemmasken zu erstehen bis hin zu Blicken auf Straßen, die so menschenleer aussahen, wie in einem Zombie-Film werden darin eben die Alltagserlebnisse unter diesen Bedingungen geschildert – inklusive der Ängste, die dabei immer wieder auftreten.

„Between the Quarantine and Quakes: Coronavirus Life in China“ von Emily Jane O’Dell am 07. Februar 2020 bei Counterpunch externer Link berichtet über die Erlebnisse einer Amerikanerin, die in China von der Seuche „überrascht“ wurde. Wobei sie – in heftiger Kritik an den amerikanischen Medien und ihrer Darstellung – vor allem Nachdruck legt auf die Hilfsbereitschaft ihr gegenüber von ganz verschiedenen Seiten der Bevölkerung Wuhans, was wohl sehr viele der ausländischen Bürger bestätigen.

„Pandemics – Coronavirus demands international solidarity, not authoritarianism“ von Sarah Garnham am 13. Februar 2020 bei Europe Solidaire externer Link dokumentiert (ursprünglich in der australischen Red Flag) ist ein Beitrag, der zum Einen die auch in Australien verbreitete Hetze gegen China kritisiert, und darauf beharrt, dass stattdessen internationale Solidarität entscheidend wäre (wie sie auch in zahlreichen Bekundungen aus Wuhan eingefordert wird) und eben nicht die autoritären Maßnahmen verschiedener Regierungen – eben auch und gerade der Regierung Chinas…

„Was der Corona-Virus mit Privatisierungen zu tun hat“ von Daniel Fuchs am 11. Februar 2020 im Mosaik-Blog externer Link zur Entwicklung des Gesundheitswesen in der VR China unter anderem: „… Die Reform des Gesundheitswesens in den 1980er und vor allem 1990er Jahren war mit einem deutlichen Rückgang der staatlichen Zuschüsse an öffentliche Krankenhäuser sowie mit Privatisierungen verbunden. Bis Ende der 1990er Jahre machten Regierungszuschüsse zum Beispiel nur noch weniger als zehn Prozent des Einkommens von Krankenhäusern aus. Das hat zu einem zunehmenden Wettbewerb zwischen den jeweiligen Einrichtungen und in der Folge auch zu steigenden Preisen für Medikamente und Behandlungen geführt. Es gibt in China zwar eine allgemeine Grundkrankenversicherung, aber diese deckt nur einen geringen Teil der Kosten. Schwerwiegende Erkrankungen bedeuten daher oft auch finanzielle Notsituationen für gesamte Familien. Die ländliche Bevölkerung und WanderarbeiterInnen sind davon am härtesten betroffen. Ausgaben im Bereich Gesundheit stellen für chinesische Haushalte, nach Ausgaben für Lebensmittel und Bildung, die drittgrößte Belastung dar. Diese allgemeine Situation und der staatliche Umgang mit Krisenfällen in der Vergangenheit haben auch dazu geführt, dass das Vertrauen in das staatliche Krisenmanagement im Bereich Gesundheitspolitik und -versorgung relativ schwach ausgeprägt ist. [Inwieweit stellt die vorhin angesprochene Kritik in der Bevölkerung eine Gefahr für die Legitimtät der politischen Führung dar?] Ich denke, das muss man differenzierter betrachten. Auf der einen Seite gibt es die angesprochene und zum Teil auch bemerkenswert weit verbreitete Kritik an der Informationspolitik und dem bisherigen Krisenmanagement. Der Tod des Arztes Li Wenliang, der Ende Dezember bereits auf die Gefahr durch den neuen Virus hingewiesen hatte und deshalb gemeinsam mit sieben weiteren „Whistleblowern“ von den lokalen Polizeibehörden festgenommen worden war, hat dazu geführt, dass sich diese Kritik und Wut in weiten Teilen der Bevölkerung deutlich zugespitzt hat. Mittlerweile haben sich auch staatliche Medien kritisch geäußert und sogar die höchste Führungsebene hat Fehler eingestanden. Zum anderen ist die Kritik bisher zumindest noch vor allem an lokale Parteikader und Regierungsvertreter auf Stadt- und Provinzebene adressiert. Das kennt man auch von anderen Konfliktfällen in China. Die Parteiführung unter Xi Jinping blieb bisher aber weitgehend davon verschont. Dennoch ist klar: Das Krisenmanagement stellt für die KP eine große Herausforderung dar. Die stark fallenden Kurse an den Aktienmärkten in Shanghai und Shenzhen verdeutlichen auch eine ökonomische Verunsicherung. In China stehen weiterhin viele Betriebe still. Bereits jetzt gibt es erste Berichte aus anderen Teilen Ostasiens, wo die Wirtschaft wegen Engpässen in der Zulieferkette lahmt. Die längerfristigen wirtschaftlichen Implikationen – nicht nur in China, auch global – sind daher noch schwer abzuschätzen…“

 „Wo bleibt die Empathie?“ von Fabian Kretschmer am 14. Februar 2020 in der taz online externer Link kommentiert das Wirken der westlichen Medien und die Reaktion der Betroffenen unter anderem so: „… Oder wäre vor zehn Jahren ein Medium auf die Idee gekommen, bei der Vogelgrippe „Made in USA“ zu titeln? Insbesondere bei den Artikeln der Peking-Korrespondent*innen aus dem englischsprachigen Raum schimmert nicht selten Schadenfreude darüber durch, dass die Kommunistische Partei in Peking nun angesichts des Virusausbruchs politisch in Bedrängnis gerät. Natürlich gibt es genügend Grund zur Kritik: Die chinesische Regierung sorgt durch Unterdrückung der Meinungsfreiheit und unabhängiger Berichterstattung für ein Klima der Verunsicherung. Die Parteikader aus Wuhan haben gar durch Verschleierungsaktionen den Virusausbruch deutlich verschlimmert. Und dennoch ist der Mangel an Empathie gegenüber der Bevölkerung geradezu erschreckend: Für das Gros an Chines*innen ist die Situation belastend bis existenziell gefährdend. Die Quarantänemaßnahmen und massiven Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zerren an den Nerven, rauben Kleinunternehmern und Arbeitsmigrant*innen die wirtschaftliche Grundlage. Die Opfer, die die Leute mit teils beeindruckender Disziplin erbringen – auch weil die Regierung sie mit ihren drastischen Maßnahmen angeordnet hat –, sollten gewürdigt werden. Die Quarantäne einer Provinz mit rund 60 Millionen Menschen ist schließlich einmalig in der Menschheitsgeschichte. Allzu schnelle Schuldzuweisungen sind da unangebracht...“

„Chinese in UK report ’shocking’ levels of racism after coronavirus outbreak“ von Lucy Campbell am 09. Februar 2020 bei Europe Solidaire externer Link soll hier als Beispiel dafür stehen, wie die mediale Behandlung des Virus in zahlreichen Ländern allmählich dazu führt, dass dieses mediale Wirken (endlich) in die Kritik gerät – hier eben am Beispiel Großbritanniens, von wo asiatische Menschen, oder solcher Abstammung von einem regelrechten Ausbruch des Rassismus berichten.

„China, “el hombre enfermo de Asia” 2.0 : la “militarización” del Coronavirus“ von  Ferrán Pérez Mena am 12. Februar 2020 im Observatorio Politico China externer Link stellt die Frage, wohin anders Regierungen Flugzeuge entsenden würden zur Evakuierung und kritisiert die militaristische Attitüde der Krisenbewältigung sowohl in China, als auch anderswo.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=163154
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