„Nun, die Mörder haben inzwischen zugeschlagen, …“ Stellungnahmen der Linken zu dem mörderischen Anschlag auf das jüdische Altenheim in München in den Abendstunden des 13. Februar 1970

Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e. V. für AntisemitismusVor 50 Jahren wurden in München in dem jüdischen Altenheim in der Reichenbachstraße sieben Menschen bei einem Brandanschlag ermordet. Dieser Terrorakt hatte in der bundesdeutschen Erinnerungskultur lange Zeit keinen Ort. Er konnte als vergessen gelten. (…) Da sowohl in der vergangenen wie auch in der aktuellen Diskursanordnung die zeitgenössischen Positionen der politischen Linken zu dem mörderischen Anschlag entweder gar nicht oder nur in einem politisch verdreht-verkürzten – und zuweilen auch explizit verfälschten – Sinne zur Kenntnis genommen werden, haben wir uns dazu entschlossen sie in Form von 20 Texten in einer Materialdatei der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es handelt sich dabei um Stellungnahmen aus der DDR, den Organisationen des palästinensischen Widerstands, sowie aus der Alten und der Neuen Linken aus der Bundesrepublik. Die Materialzusammenstellung wurde von Markus Mohr besorgt (…) Die Überschrift zu diesem Blog „Nun, die Mörder haben inzwischen zugeschlagen, …“ wurde dabei einem zeitgenössischen Beitrag aus der von den Verfolgten des Naziregimes (VVN) publizierten Zeitung „die tat“ entnommen…“ Materialzusammenstellung von Markus Mohr vom Februar 2020 – wir danken! Siehe im Beitrag noch zwei weitere zum Thema:

  • Ungeheures Fragezeichen. Sieben Tote, keine Aufklärung: Vor 50 Jahren brannte in München ein jüdisches Altenheim
    Was am späten Abend des Freitags, den 13. Februar 1970, im Altenheim der israelitischen Kultusgemeinde zu München geschah, ist bekannt: Jemand drang ins Treppenhaus ein, verschüttete Benzin aus einem Aral-Kanister und steckte es an. Sieben Menschen – mit David Jakubovicz (60), und Eliakim Georg Pfau (63) zwei Überlebende der Nazilager – fanden den Tod. Doch jenseits des Ablaufs bleibt das Verbrechen ein Rätsel: Niemand hat es je für sich reklamiert, aufgeklärt ist es auch nicht. Der Terrorakt fiel mit einer Kette von Gewaltereignissen zusammen. Binnen zwei Wochen gab es in München zwei Paketbombenanschläge auf Flugzeuge mit Ziel Israel und zwei versuchte Flugzeugentführungen einer palästinensischen Splittergruppe. Es starben 48 Menschen. Israel bombardierte bei Kairo eine Metallfabrik mit 70 Toten, laut Verteidigungsminister Moshe Dayan ein «Versehen». Zugleich stand ein Besuch des israelischen Außenministers Abba Eban bevor. Anlässlich dieser ersten offiziellen Visite eines hochrangigen Regierungsvertreters aus Tel Aviv planten Linke und arabische Studierende in München eine Demo: Seit dem «Sechstagekrieg» 1967 und der Besetzung des Westjordanlandes galt Israel der Neuen Linken – nicht nur, aber auch hierzulande – als imperialistischer Frontstaat gegen Befreiungsbewegungen in Nahost und «der Zionismus» als dessen Ideologie. Zugleich reüssierte der Rechtsradikalismus: Seit 1965 war die NPD in sieben Landtage eingezogen, in Bayern hatte sie 15 Mandate. In diesem Umfeld waren, wie Eckart Spoo in der «Frankfurter Rundschau» (FR) festhielt, zunächst vier Täterkreise verdächtig: antiisraelische Organisationen aus Nahost, arabische Gruppierungen vor Ort, sympathisierende deutsche Linksradikale – oder aber Neonazis. Doch in der zu Recht erregten Öffentlichkeit verengte sich dieses Feld sehr rasch. (…) Sofort schoss sich Boenisch auf Linksradikale ein. Er zog eine Linie von Aktionen gegen den Springer-Verlag nach dem Attentat auf Rudi Dutschke bis zum Münchner Feuer (…) Auch die Linksradikalen und die arabischen Studierenden distanzierten sich sofort. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS), die Frankfurter Trikont-Gruppe, das Israelische Revolutionäre Aktionskomitee im Ausland (ISRACA), die Generalunion Palästinensischer Studenten (GUPS), die Vereinigung arabischer Studenten und die Iranische Studentenvereinigung verurteilten die Tat gemeinsam. Die FR las aus dieser Erklärung eine klare Absage an «derartige antisemitische Aktionen». Doch anders als selbst bei militanten Gruppen aus Nahost war Deutschland damals wenig geneigt, Linksradikalen irgendetwas zu glauben…“ Artikel von Markus Mohr von 08.02.2020 in neues Deutschland online externer Link
  • Nur noch Randerinnerung: Anschlag auf das jüdische Altersheim in München vor 50 Jahren
    Er ist einer der schwersten Angriffe auf die jüdische Gemeinschaft nach 1945: der bis heute nicht aufgeklärte Anschlag vom 13. Februar 1970 in München mit sieben Toten. Aus dem öffentlichen Bewusstsein ist er aber nahezu verschwunden. (…) Der 13. Februar 1970 markiert bis heute einen der schwersten Anschläge auf die jüdische Gemeinschaft im Nachkriegsdeutschland. Die Täter werden nie ermittelt. Trotz dieser Tragweite: Aus dem öffentlichen Bewusstsein ist der Anschlag so gut wie verschwunden. Kein öffentliches Mahnmal erinnert an das Geschehen. Am 50. Jahrestag soll es nun eine Gedenkfeier im Alten Rathaus München geben (…) Dass es nach der „Stunde Null“ immer noch antisemitische Angriffe gab – das habe nicht ins Selbstbild des neuen und demokratischen Deutschlands gepasst, erklärt die Leiterin der städtischen Fachstelle für Demokratie, Miriam Heigl. Deshalb würden solche Anschläge oft als „Einzeltaten“ abgetan und verschwänden schnell aus dem öffentlichen Fokus. Das sei kein Phänomen von München, sondern typisch für Nachkriegsdeutschland, betont Heigl. Ihre Fachstelle organisiert die Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag unter anderen mit der Israelitischen Kultusgemeinde. (…) Die Frage, warum und von wem vor 50 Jahren sieben Menschen im jüdischen Altersheim getötet wurden, wird wohl nie beantwortet werden. Nachdem neue Hinweise auf mögliche Täter aufgetaucht waren, wurden 2013 die Ermittlungen wieder aufgenommen – und 2017 ergebnislos eingestellt.“ Artikel von Christiane Ried vom 12.02.2020 beim Migazin externer Link
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