Wer alles gefährlich lebt im alltäglichen Polizeistaat? Zum Beispiel Bettler. Oder: Fußballfans. Oder Spatzen… und künftig „darf“ man dafür auch noch bezahlen…

100 Vermummte gegen ein Transparent in Meuchefitz am 20.2.2018„… Sie sind auf einer Auswärtstour ihres Lieblingsvereins und fahren mit dem Zug in der Stadt des Erzfeindes ein. Vor lauter Begeisterung zünden Sie einen Bengalo. Wenn es schlecht läuft, erwischt sie die an Bahnhöfen zuständige Bundespolizei. Sie werden festgehalten, ihre Personalien aufgenommen, im schlimmsten Fall sogar noch auf die Wache mitgenommen und bis nach Spielende festgehalten. Sie müssen sich auf eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz einstellen. Strafe genug. Sollte man denken. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) denkt aber anders. Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat das Bundesinnenministerium (BMI) diesem Szenario noch etwas hinzugefügt: eine Strafe vor der Strafe. In einer im Oktober in Kraft getretenen Verordnung wurde festgelegt, dass sie für die nicht bestellte Polizeidienstleistung auch noch zahlen müssen. Die Identitätsfeststellung: 53,75 Euro. Die Anordnung zur Gewahrsamnahme: 74,15 Euro. Eine Viertelstunde Fahrt auf die Wache: 15,69 Euro. Erkennungsdienstliche Behandlung mit Fotos und Fingerabdrücken: 59,50 Euro. Jede Viertelstunde in Gewahrsam: 6,51 Euro…“ – aus dem Beitrag „Bezahlte Repression“ von Erik Peter am 04. Februar 2020 in der taz online externer Link, worin aber nicht informiert wird, was es kostet, erschossen zu werden. Siehe dazu vier Artikel über polizeiliche Aktivitäten aus dem Alltag, die vielleicht künftig auch noch bezahlt werden müssen:

  • „Kritik zur konzertierten Aktion im Frankfurter Bahnhofsviertel“ am 27. Januar 2020 bei der Graswurzelrevolution externer Link informiert zu einem Protest von SozialarbeiterInnen gegen die Aktionen der Ordnungskräfte: „… Anlass war die “konzertierte Aktion” im Frankfurter Bahnhofsviertel, eine mehrmonatige gemeinsame Aktion von Drogenreferat, Trägern der Drogenhilfe im Bahnhofsviertel, Polizei und Stadtpolizei, der Geschäftsstelle des Präventionsrats und der Stabstelle Sauberes Frankfurt. Das Ziel war, “für mehr Rücksichtnahme im öffentlichen Raum und ein verträgliches Zusammenleben im Bahnhofsviertel einzutreten.” Der Sinn des Vorgehens und vor allem die Nachhaltigkeit der Aktion müssen allerdings bezweifelt werden…“ und dokumentiert auch mehrere Links zum Thema, inklusive eines Videos.
  • „Streit übers Betteln in Frankfurt“ von Oliver Teutsch am 05. Dezember 2019 in der FR online externer Link war ein Artikel über den „Umgang mit Bettlern“, worin es unter anderem heißt: „… Nach Einschätzung von Frank Diergardt, Sprecher des Vereins „Neue Zeil“, ist die Stadt zu nachsichtig mit Bettlern auf der Zeil. Wobei der Geschäftsmann gleich einschränkte: Gegen die Bettler sei ja nichts zu sagen, nur gegen diejenigen, die das organisiert täten – und vor allem gegen jene Trunkenbolde, die auf der Zeil ohne Hemmungen ihre Notdurft verrichteten. „Wie gehen die Bettler mit Frankfurt um?“, hielt der Zeil-Lobbyist entgegen. Betrinken könne man sich doch auch in Grünanlagen und nicht auf der schönen Einkaufsmeile. Das sorgte für höhnische Lacher im voll besetzten Giebelsaal. (…) Frank regte derweil an, im Kaisersack einen Ort zu schaffen, wo Menschen unterkommen könnten, die zu viel getrunken haben. Bruder Michael Wies, Leiter des Franziskustreffs in der Innenstadt, geht das alles nicht weit genug. Sein Treff in der Innenstadt gibt hungrigen Menschen zu essen, aber Wies sagt: „Brot ist nicht die Lösung.“ Die Lage in der Innenstadt sieht er durchaus differenziert. „Die Zeil ist ein Hotspot geworden.“ Die Liebfrauenkirche brauche mittlerweile einen Sicherheitsdienst. Andererseits sehe er täglich einen Obdachlosen, der gegenüber der Kirche wohne. Es brauche mehr Wohnungen in Frankfurt...“
  • „Schlag gegen Werders Ultra-Szene: Razzien nach Attacken in Bremen“ am 16. Dezember 2019 bei Buten und Binnen externer Link meldete folgende sicher künftig auch noch teure Aktion: „… Rund 200 Polizisten haben heute in Bremen, Niedersachsen und Hessen 19 Objekte durchsucht. Es geht um zwei Angriffe, die sich in den vergangenen Wochen in Bremen ereignet hatten. Die Polizei hat am Montagmorgen insgesamt 19 Wohnungen in Bremen, Niedersachsen und Hessen durchsucht. Hintergrund sind Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung und schweren Landfriedensbruchs. Es geht bei den Ermittlungen um zwei Vorfälle: Anfang Oktober hatte eine Gruppe an der Bremer Schlachte randaliert und dort nach buten-un-binnen-Informationen Rechtsextreme angegriffen. (…) Die Staatsanwaltschaft spricht von neun Beschuldigten im ersten und 14 im zweiten Fall. Gegen drei Personen wird in beiden Fällen ermittelt. Die Ermittler rechnen die mutmaßlichen Täter der Bremer Ultra-Szene zu. In den durchsuchten Wohnungen konnte die Polizei am Morgen mögliche Beweismittel wie Sturmhauben, Handys und Pyrotechnik sicherstellen. Einige Verdächtige wurden vernommen…
  • „Brand-Katastrophe im Affenhaus: Polizist erschießt Gorilla mit Maschinenpistole“ am 15. Januar 2020 bei der FR online externer Link meldet zu Kanonen nach Spatzen – ohne zu berichten, ob das Tier ein Messer hatte, noch, ob der Zoodirektor das bezahlen muss: „… Besonders belastend sei der Einsatz für einen 34 Jahre alten Polizisten gewesen, der einen schwer verletzten Gorilla mit mehreren Schüssen einer Maschinenpistole töten musste. Das Tier habe großflächige Hautverbrennungen am ganzen Körper gehabt, sodass die Überdosis Narkotikum nicht mehr seine volle Wirkung entfalten konnte. Zwei weitere Gorillas konnten von der Tierärztin eingeschläfert werden. Den Angaben zufolge war Zoodirektor Wolfgang Dreßen über den Schusseinsatz informiert, zum emotionalen Schutz der beteiligten Tierärztin, Tierpfleger und der Polizei habe er dies aber anders als der Ministeriumsbericht nicht öffentlich gemacht. Die Polizei erklärte, die Polizei sei zur Schussabgabe verpflichtet gewesen, weil sich die Kollegen ansonsten nach dem Tierschutzgesetz strafbar hätten machen können…“. Immerhin war der Gorilla zumindest anschließend nicht mehr belastet…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=162356
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