100 Jahre Betriebsrätegesetz – Ist das BetrVG noch zeitgemäß? [War es je?]

Dossier

Erfüllt Eure Pflicht - wählt einen gewerkschaftlichen BetriebsratDas Betriebsrätegesetz – Vorläufer des BetrVG – wäre am 4. Februar 2020 genau 100 Jahre alt geworden. Doch wie steht es um die Betriebsverfassung? Ist sie noch zeitgemäß oder muss sie reformiert werden? Als das BetrVG 1972 geschaffen wurde, sah die Arbeitswelt noch völlig anders aus. Den Dienstleistungssektor gab es im heutigen Umfang noch nicht, »Digitalisierung« existierte nicht einmal als Wort. Über die Zukunft des BetrVG wird deshalb kontrovers diskutiert. Unsere Fragen beantwortet Prof. Dr. Wolfgang Däubler im Interview…“ Interview vom 29. Januar 2020 beim Bund-Verlag externer Link, siehe zum Jubiläum einige weitere Beiträge – auch aus unserem Archiv:

  • „Betriebsräte zetteln keine Revolution an“ – 100 Jahre Betriebsrätegesetz New
    „Der Düsseldorfer „Industriekurier“ schrieb 1968: „Die Demokratisierung der Wirtschaft ist so unsinnig wie eine Demokratisierung der Schulen, der Kasernen und der Zuchthäuser“. Für Ludwig Erhard waren Mitbestimmung und eine „Demokratisierung der Wirtschaft“ Teufelswerk, das den „Schutz und die Verfügung über Eigentum entgegen den moralischen und rechtlichen Normen der gesitteten Welt in Frage“ stellt. Der gegenwärtige Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, beschreibt in einem FAZ-Interview Anfang 2020 seine Sicht auf 100 Jahre Betriebsverfassungsgesetz wie folgt: „Betriebsräte waren und sind für uns keine Einrichtungen zum Anzetteln einer Revolution. […] Für viele Unternehmen heute lässt sich sagen, dass auch sie Betriebsräte als Errungenschaft ansehen – auch im Hinblick auf ihre eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. […] Das geht nicht immer konfliktfrei. Aber dafür gibt es e in geregeltes Verfahren des Interessenausgleichs. Dass es trotzdem noch immer Unternehmer gibt, die in Betriebsräten einen Angriff auf ihre Dispositionsfreiheit sehen, ist völlig unverständlich“. Dem ist entschieden zu widersprechen. Alle Errungenschaften der Arbeiterbewegung mussten und müssen erkämpft und danach immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Im ungleichen Kampf Arbeiterinteressen gegen Kapitalmacht gingen die arbeitenden Menschen allzu oft nur als zweiter Sieger vom Kampfplatz. Vermeintliche Siege entpuppten sich oft als Pyrrhussiege. So erging es schon der Rätebewegung nach der Novemberrevolution von 1918. Mit der Schaffung des Betriebsrätegesetzes wurden aus Arbeiter-Räten, die die Macht im Land beanspruchten, gezähmte Betriebsräte. Diese sollten zwar die „gemeinen Interessen der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber“ wahrnehmen. Doch ebenso wurden sie auf die „Unterstützung des Arbeitgebers in der Erfüllung der Betriebszwecke“ verpflichtet. Gegen die Verabschiedung des Betriebsrätegesetzes hatten am 13. Januar 1920 100.000 Arbeiter und Arbeiterinnen vor dem Berliner Reichstag vergeblich demonstriert. Der Grund: Der in Berlin tagende „Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte“ hatte sich zwar im Dezember 1918 mit 344 zu 98 Stimmen gegen eine Räterepublik ausgesprochen, aber an der Forderung zum „Ausbau der Betriebsräte zu selbstständigen revolutionären Organen neben den Gewerkschaften“ festgehalten. Im Gesetzentwurf hieß es dann aber nur noch: „Die Arbeiter und Angestellten erhalten zur Wahrnehmung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen gesetzliche Vertretungen in Betriebsarbeiterräten sowie in nach Wirtschaftsgebieten gegliederten Bezirksarbeiterräten und in einem Reichsarbeiterrat.“ Bloß „mitwirken“ zu können war ihnen zu wenig, sie erstrebten das „volle Kontrollrecht über die Betriebsführung“…“ Beitrag von Manfred Dietenberger vom 3. Juni 2020 beim Gewerkschaftsforum.de externer Link
  • 100 Jahre Betriebsräte – Ein Grund zum Feiern? Die Geschichte der Betriebsräte ist ein Grund zum Nachdenken und zum Handeln! 
    100 Jahre Betriebsräte. Der DGB „feiert“ diese Zahl. Dabei sind es schon mal nicht 100 Jahre sondern maximal 88 Jahre, denn in den 12 Jahren des tausendjährigen Reiches der Nazis gab es keine Betriebsräte sondern das Prinzip Betriebsführer und Gefolgschaft. Doch auch das Betriebsrätegesetz von 1920 war gegen den erbitterten Widerstand vieler kämpfender Arbeiter zustande gekommen. Die damaligen Betriebsräte waren nur noch eine Karikatur des Rätegedankens der die Novemberrevolution von 1918 beherrscht hatte. Nach 1945 waren es Betriebsräte die die Produktion in den Betrieben wieder ankurbelten und sie hatten auf der Grundlage des alliierten Kontrollratsgesetzes weit mehr Rechte als heute. Als 1952 die Regierung Adenauer das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) durchpeitschte, war der DGB dagegen und die Gewerkschaft IG Druck und Papier organisierte im Auftrag des DGB den ersten (und letzten) POLITISCHEN STREIK g e g e n dieses Gesetz. Die Gründe dafür sind heute noch aktuell, denn damals versuchte Adenauer eine Politik des BETRIEBSFRIEDENS und der VERTRAUENSVOLLEN ZUSAMMENARBEIT von Arbeitgebern und Betriebsräten zur Norm zu erheben. (…) Doch bei veränderten Kräfteverhältnissen setzte sich das Prinzip der Zusammenarbeit immer mehr durch. Betriebsräte vereinbaren heute NAMENSLISTEN, mit denen die Entlassung von Beschäftigten erleichtert wird. Betriebsräte vereinbaren „Bündnisse“ mit denen tarifliche Standards zugunsten der Arbeitgeber unterlaufen werden. (…) Doch selbst die wichtigen Rechte auf Information und Beteiligung werden immer weiter zurückgefahren durch Ausgliederung und Outsourcing. Ganz zu schweigen von der offenen Bekämpfung von Betriebsräten durch Betriebsratsbusting. Am schlimmsten aber ist der mangelnde VOLLZUG des Gesetzes, der inzwischen nur noch bei 9 % (!!) der betriebsratsfähigen Unternehmen liegt. Kein Arbeitsgesetz ist so wenig sanktioniert und vollzogen wie das BetrVG. Das ist kein Grund zum Feiern sondern zum Nachdenken über reale Gegenmacht in den Betrieben!Kommentar vom 2.2.2020 von und bei Dr. Rolf Geffken externer Link

  • Mitbestimmung: 100 Jahre Betriebsräte – Ein Meilenstein. – Die Gewerkschaften wollen es weiterentwickeln: mehr Mitbestimmung für Betriebsräte
    „… Am 4. Februar 1920 verabschiedete der Reichstag das Betriebsrätegesetz. Das heutige Betriebsverfassungsgesetz ist die Weiterentwicklung des Betriebsrätegesetzes von 1920 auf und enthält noch viele ähnliche Regelungen. Das anfangs noch umstrittene Betriebsrätegesetz verankerte erstmals die demokratische Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrem Betrieb. (…) Die DGB-Gewerkschaften machen konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsgesetzes: Die Mitbestimmung des Betriebsrats soll erweitert werden, insbesondere bei der Personalplanung und bei der Weiterbildung. Eine Beschäftigtenbefragung der IG Metall hat ergeben, dass es in jedem zweiten Betrieb keine systematische vorausschauende Personalplanung gibt. „Hier droht in der Transformation ein immenses Beschäftigungsrisiko, da sich viele Tätigkeiten und Anforderungen durch Digitalisierung und neue Antriebstechnik grundlegend verändern werden“, warnt Benner. „Es ist notwendig, Beschäftigte vorausschauend für neue Tätigkeiten weiterzubilden. Wir wollen faire Chancen durch Weiterbildung für alle.“ Zudem machen Trends wie Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data ein Update der Mitbestimmung erforderlich. Betriebsräte brauchen aus Sicht der Gewerkschaften stärkere Rechte bei der Einführung von KI und beim Datenschutz. Zusätzlich soll der Arbeitnehmer- und Betriebsbegriff erweitert werden auf neue Formen der globalen, digitalen Arbeit wie „Clickwork“. (…) Die Wahl von Betriebsräten soll erleichtert werden. Bereits die Initiatoren einer Betriebsratswahl sollen besser vor Angriffen durch den Arbeitgeber geschützt werden. Dazu gehört auch eine konsequente Strafverfolgung. Laut Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes wird die Behinderung der Wahl und der Arbeit eines Betriebsrats mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft. Passiert ist das noch nie. (…) Studien belegen, dass mitbestimmte Unternehmen stabiler und erfolgreicher sind, sowie auch Schwächephasen besser meistern. In Betrieben mit Betriebsrat sind die Arbeitsplätze sicherer, die Entgelte höher und die Arbeitsbedingungen besser. Und es gibt mehr Gerechtigkeit, auch bei der Bezahlung von Männern und Frauen…“ Statement der IG Metall vom 3. Februar 2020 externer Link
  • 100 Jahre Betriebsräte – Ein Grund zum Feiern? Die Geschichte der Betriebsräte ist ein Grund zum Nachdenken und zum Handeln! 
    100 Jahre Betriebsräte. Der DGB „feiert“ diese Zahl. Dabei sind es schon mal nicht 100 Jahre sondern maximal 88 Jahre, denn in den 12 Jahren des tausendjährigen Reiches der Nazis gab es keine Betriebsräte sondern das Prinzip Betriebsführer und Gefolgschaft. Doch auch das Betriebsrätegesetz von 1920 war gegen den erbitterten Widerstand vieler kämpfender Arbeiter zustande gekommen. Die damaligen Betriebsräte waren nur noch eine Karikatur des Rätegedankens der die Novemberrevolution von 1918 beherrscht hatte. Nach 1945 waren es Betriebsräte die die Produktion in den Betrieben wieder ankurbelten und sie hatten auf der Grundlage des alliierten Kontrollratsgesetzes weit mehr Rechte als heute. Als 1952 die Regierung Adenauer das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) durchpeitschte, war der DGB dagegen und die Gewerkschaft IG Druck und Papier organisierte im Auftrag des DGB den ersten (und letzten) POLITISCHEN STREIK g e g e n dieses Gesetz. Die Gründe dafür sind heute noch aktuell, denn damals versuchte Adenauer eine Politik des BETRIEBSFRIEDENS und der VERTRAUENSVOLLEN ZUSAMMENARBEIT von Arbeitgebern und Betriebsräten zur Norm zu erheben. (…) Doch bei veränderten Kräfteverhältnissen setzte sich das Prinzip der Zusammenarbeit immer mehr durch. Betriebsräte vereinbaren heute NAMENSLISTEN, mit denen die Entlassung von Beschäftigten erleichtert wird. Betriebsräte vereinbaren „Bündnisse“ mit denen tarifliche Standards zugunsten der Arbeitgeber unterlaufen werden. (…) Doch selbst die wichtigen Rechte auf Information und Beteiligung werden immer weiter zurückgefahren durch Ausgliederung und Outsourcing. Ganz zu schweigen von der offenen Bekämpfung von Betriebsräten durch Betriebsratsbusting. Am schlimmsten aber ist der mangelnde VOLLZUG des Gesetzes, der inzwischen nur noch bei 9 % (!!) der betriebsratsfähigen Unternehmen liegt. Kein Arbeitsgesetz ist so wenig sanktioniert und vollzogen wie das BetrVG. Das ist kein Grund zum Feiern sondern zum Nachdenken über reale Gegenmacht in den Betrieben!Kommentar vom 2.2.2020 von und bei Dr. Rolf Geffken externer Link
  • Infopaket: 100 Jahre Betriebsrätegesetz
    1920 wurde das Betriebsrätegesetz erlassen. Das Gesetz schuf eine Grundlage für die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir haben Daten und Analysen zur Mitbestimmung in Deutschland zusammengetragen…“ Infopaket der HBS externer Link
  • Mitbestimmung: Auf ins nächste Jahrhundert
    Der Bedarf nach betrieblicher Mitbestimmung ist zeitlos. Darum sollte die Einführung des Betriebsrätegesetzes vor 100 Jahren als Anlass genommen werden, um die Betriebsverfassung an die anstehenden Herausforderungen anzupassen, findet die Mitbestimmungsexpertin Johanna Wenckebach…“ einblick vom Februar 2020 am 28.01.2020 beim DGB externer Link

Siehe auch:

Und ältere Artikel:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=162203
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