Warum die Polizei die „Mitarbeit der Medien“ so dringend braucht: Weil die eigene Propaganda (noch?) ein bisschen „arg plump“ ist…

Strafanzeigen gegen Verantwortliche & Beteiligte “Europäischer Polizeikongress 2014” in Berlin„… Durfte sich in der dpa-Meldung noch die Gewerkschaft der Polizei über „eine neue Dimension, was die Schwelle der Gewalt angeht“, beklagen, ist dies beim genauen Blick auf die Zahlen nicht zu halten. Von den gut 6.650 gezählten Gewaltopfern entfallen nur 700 Fälle auf einfache sowie schwere beziehungsweise gefährliche Körperverletzung, etwa im gleichen Verhältnis. Während die Zahl der schweren Körperverletzungen auf dem Vorjahresniveau ist, ist bei der Zahl der einfachen Körperverletzungen laut Polizei „ein deutlicher Rückgang“ festzustellen; 2018 wurden hier noch 949 Opfer registriert. Die korrekte Schlagzeile hätte also lauten können: 2019 gab es täglich etwas weniger als zwei Gewalttaten gegen Polizeibeamte. Als Gewalttaten gezählt werden außerdem Bedrohungen und Nötigung. Die überwältigende Mehrheit der 2019 erfassten Fälle entfällt mit etwa 5.500 aber auf die Delikte Widerstand und tätlicher Angriff – der einzig erfasste relevante Anstieg in der Statistik. Beide sind unterhalb der einfachen Körperverletzung angesiedelt, weil sie eine Verletzung nicht intendieren. Das Delikt „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ war erst im Jahr 2017 als eigenständiger Paragraf ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden. Kritiker sprechen von einer Lex Polizei und von einem „Schubsgesetz“. Während ein Schubsen gegen Vollstreckungsbeamte als Straftat gewertet wird, ist eine solche Tat gegen alle anderen Menschen nicht strafbar. In der Praxis reicht neben dem Schubsen auch sich loszureißen, sich gegen eine Tür zu stemmen oder eine ruckartige Bewegung, damit Polizisten von Widerstand oder tätlichem Angriff sprechen können. Dass der Gesetzgeber und die Polizei diese Delikte als Gewalttaten zählen, ist Ausdruck eines politischen Interesse…“ – aus dem Beitrag „Zahlen, die knallen“ von Erik Peter am 28. Januar 2020 in der taz online externer Link über wie die selbe Frau Oberpolizistin, die bei Todesschüssen in Friedrichshain alles voll normal findet, die unglaublichen Leiden ihrer Truppe ein ganz klein wenig aufgebauscht hat, mit medialer Unterstützung, versteht sich. Und wir können aus der Dortmunder Nordstadt, einer Sonderzone mit Freiheit zur Polizeiwillkür, hinzufügen: Von den letzten 325 Polizisten, die wir gesehen haben, ist keiner blutüberströmt auf allen Vieren zurück ins Revier gerobbt… Zu verschiedenen Dimensionen polizeilicher Propagandaarbeit zwei weitere aktuelle und sehr unterschiedliche Beiträge:

  • „@polizeiberlin – Instrument zur politischen Einflussnahme“ am 28. Januar 2020 beim AKK Berlin externer Link weist auf eine weitere Form der Polizeipropaganda hin – den Einsatz sozialer Netzwerke. Darin heißt es unter anderem: „… Ein transdisziplinäres Team aus zwei Dutzend Forschenden um das Berliner „Institut für Protest- und Bewegungsforschung“ veröffentlichte 2018 eine Studie zur Ergründung der „Dynamiken der Gewalt“ im Umfeld des G20-Gipfels in Hamburg und wertete dabei auch die Twitter-Arbeit der Polizei aus. Schon im sogenannten Rahmenbefehl für die Protest-Tage hatte die Polizei demnach die Devise ausgegeben, über Online-Plattformen „Bürgernähe zu erzeugen“. Der Bericht hält fest: „Mit der Nutzung von Twitter bringt die Polizei ihre Perspektive in Echtzeit in die Debatte über das sich entwickelnde Protestgeschehen ein. Sie vollzieht damit eine problematische Gratwanderung, sobald sie aktiv in die politische Deutung der Ereignisse eingreift, in denen sie zudem Konfliktbeteiligte ist.“ Nach der Auswertung von 700.000 Twitter-Meldungen hält das Forschungsteam fest, dass die Polizei Hamburg dort eine „zentrale Stellung“ hatte und „besonders in Phasen der Gewalteskalation zum wichtigsten Bezugspunkt für große Medienakteur*innen“ geworden sei. (…) An diesem Tag wurde im Berliner Stadtteil Neukölln das selbstverwaltete Soziale Zentrum „Friedel 54“ von 770 Polizeibeamt_innen zu Gunsten einer luxemburgischen Briefkastenfirma geräumt, die das Haus zuvor gekauft hatte. Dagegen protestierten rund 150 Menschen mit einer Sitzblockade vor dem Haus und im Innenhof. Weitere hunderte solidarische Menschen standen an den Polizeiabsperrungen. Das zu räumende Ladenlokal war unter anderem mit einer Betonwand verbarrikadiert. Das öffentliche Interesse war groß, was während der Räumung auch im Internet seinen Ausdruck fand. In diese Diskussion wollte die Polizei intervenieren, um so vor allem der Darstellung der überzogenen und unnötigen Polizeigewalt entgegenzuwirken. In einem Tweet behauptete sie, ein Türknauf sei „unter Strom gesetzt“ worden, so dass „Lebensgefahr“ für die Beamt_innen bestanden habe. Obwohl vor Ort und online sofort Zweifel an dieser Meldung aufkamen und die Polizei nichts belegte, übernahmen viele Medien die Nachricht, der Protest habe zu einem lebens­gefährlichen Anschlagsversuch auf die Polizei geführt. Die Hintergründe der polizeilichen Fehlinformation, die durch die parlamentarische Aufarbeitung ans Licht gekommen sind, sind skandalös: Schon 70 Minuten nach der Veröffentlichung der Meldung wusste die Polizei, dass an keiner Tür des Hauses Strom anlag, gab aber diese Information nicht weiter. Erst nach über 24 Stunden nahm sie die Behauptung zurück…“
  • Siehe auch: Journalistenverband kritisiert die Polizeipropaganda in den Medien: „Polizeiberichte kritisch hinterfragen“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=161989
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