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Bei einer der italienischen Regionalwahlen ist Salvini, trotz enormen Aufwandes, gescheitert: An den „Sardinen“. Und wer (mit Salvinis Dekreten) da noch im Trüben fischt…

Von den drei Fragen, die vor allem angesichts der Berichterstattung bundesdeutscher Medien im Zusammenhang mit den Regionalwahlen in der Emiglia Romana auftreten, lässt sich nur eine relativ leicht beantworten: Die politische Niederlage, die Duce Salvini mit seiner persönlich auf Hochtouren geführten Kampagne ohne Zweifel erlitten hat, „verdankt“ er vor allem den „Sardinen“, die seit Wochen antifaschistische Massenmobilisierung der gelungenen Art praktizierten. Die anderen beiden Fragen sind da schwieriger zu beantworten: Wie links ist denn diese Linke, die da gewonnen haben soll – wenn ihre Amtsträger gerade eben in der Toskana (na ja, unmittelbar daneben) mit Salvinis infamem Sicherheitsdekret gegen gewerkschaftliche Aktionen vorgehen? Und: Wie groß ist dieser Sieg denn, wenn Salvinis Lega immer noch ein sehr starke Partei in der Region ist? Dass die drei großen Gewerkschaftsverbände dieses Wahlergebnis begrüßen, ist wenig überraschend, bei den alternativen Gewerkschaften beschränkt man sich darauf, Salvinis Niederlage zu begrüßen. Mit einigen Beiträgen wollen wir darüber informieren, wie Alternativgewerkschaften, radikalere Linke und soziale Bewegungen auf diese Entwicklungen reagieren und wie die „Sardinen“ gesehen werden:

„Die Emilia-Romagna bleibt »rot«“ von Wolf H. Wagner am 27. Januar 2020 in neues deutschland online externer Link kennt noch Anführungszeichen und hebt außerdem hervor: „… Wäre Mitte-Links in Bologna gescheitert, hätte ein Sieg Salvinis auch das Ende der Regierung von Giuseppe Conte bedeuten können. Bei den zeitgleich abgehaltenen Wahlen in Kalabrien setzte sich die Forza-Italia-Kandidatin Jole Santelli durch. Mit ihrem Sieg ging eine weitere Region an das Mitte-Rechts-Lager. Das politische Bild Italiens hat sich seit dem letzten Wahlzyklus 2014 deutlich verändert. Vor sechs Jahren dominierten noch 16 Mitte-links-regierte Regionen drei der Mitte-Rechts-Kräfte. 2020 hat sich das Verhältnis umgekehrt: 13 Regionen werden nun von Lega und Forza Italia regiert, nur noch sechs verblieben in den Händen der Linksbündnisse. Umso wichtiger war der jetzige Triumph in der Emilia-Romagna. Zu diesem Sieg hat die überraschend hohe Wahlbeteiligung in der Zentralregion beigetragen. 67 Prozent der Wahlberechtigten sind am Sonntag zu den Urnen gegangen, fast 30 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Ausschlaggebend für diese hohe Wahlbeteiligung war – so sind sich alle Beobachter hier einig – die Protestbewegung der »Sardinen«. Im November hatte die von vier ehemaligen Studierenden aus Bologna in Leben gerufene Bewegung eine Gegenveranstaltung zu Salvinis Wahlkundgebung organisiert. »Wir wollten zeigen, dass die Populisten nicht die Mehrheit des italienischen Volkes bilden«, erklärte Sardinen-Mitbegründer Mattia Santori die Motive. Seither initiierte die Bewegung überall Gegenauftritte zu den Veranstaltungen des Lega-Chefs und ehemaligen Innenministers – und jedes Mal kamen mehr »Sardinen« auf den Platz, als Anhänger der inzwischen über ganz Italien sich erstreckenden populistischen Rechtspartei…“

 „Sardinen gegen Pinguine“ von Catrin Dingler berichtete am 28. November 2019 in der jungle world externer Link über den Beginn der „Sardinen-Bewegung“ und die verschiedenen folgenden Positionierungen dazu unter anderem: „… Die Stummheit des Symboltiers Sardine dürfe nicht als sprach­lose Fassungslosigkeit gedeutet werden, der Fisch stehe für eine bewusste Abgrenzung von der simplen Kommunikation der populistischen Wortführer. Abschließend heißt es mit einem Vers des 2012 verstorbenen Liedermachers Lucio Dalla: »Wer denkt, ist stumm wie ein Fisch.« Die Verfasser des »Manifests« verzichten auf eine explizite Solidarisierung mit denjenigen, die die rechts­extreme, rassistische Abschottungspolitik nie geduldet und trotz staatlicher Repression auf den Rettungsbooten und in den Häfen bekämpft oder in Stadtteilprojekten für Geflüchtete Unterstützung und Integration organisiert haben. So versuchten parallel zum ersten Flashmob der »Sardinen« mehr als 2 000 Personen aus dem Umfeld der linken centri sociali, zur Wahlkampfveranstaltung der Lega vorzudringen, doch die Demonstration wurde von ­einem großen Polizeiaufgebot mit Wasserwerfern zurückgedrängt. Vorbehalte der radikalen Linken gegen die Bewegung der »Sardinen« speisen sich auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit. Die verbreitete Ablehnung des früheren Ministerpräsidenten Berlusconi hatte immer wieder zivilgesellschaftlichen Protest hervorgerufen, der kurzfristig mediale Aufmerksamkeit erzeugen, aber keine dauerhafte politische Wirkung entfalten konnte…“ – siehe die Sardine Alliance bei Twitter externer Link

„»Sardinen« gegen Salvini“ von Gerhard Feldbauer am 16. Dezember 2019 in der jungen welt externer Link über die bis dahin größte Aktion des „Schwarms“ in Rom: „… Um eine Machtergreifung des Lega-Führers Matteo Salvini zu verhindern, versammelten sich auf der Piazza San Giovanni in Laterano nach Angaben der Veranstalter über 100.000 Menschen, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA. Die Bewegung hatte sich am 14. November als Flashmob in Bologna gebildet, als Salvini dort eine Wahlkampfkundgebung hielt. Auf der Piazza San Giovanni hatten sich im Oktober 200.000 Anhänger der Lega, unter ihnen die faschistischen Sturmtrupps Casa Pound und Forza Nuova, die in den Wochen vorher Sinti und Roma aus ihren Unterkünften vertrieben und gedroht hatten, sie zu »verbrennen«, zum Sturz der Regierung der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) mit den Sozialdemokraten (PD) zusammengerottet. Danach formierte sich von der traditionellen »roten Hochburg« Bologna in der Region Emilia Romagna ausgehend die Bewegung, die sich nach den kleinen Fischen nennt, die im Schwarm auftreten. In Rom demonstrierten sie wieder ihr Motto: »Wo Salvini ist, sind auch wir«. Es sei gelungen, etwas »in der Wahrnehmung der Politik zu verändern«, erklärte der Sprecher der Sardinen, Mattia Santori, Sportlehrer aus Bologna, der die Manifestation als »ein kollektives, antifaschistisches und antirassistisches Ereignis« wertete. Gekommen waren Menschen unterschiedlicher politischer oder weltanschaulicher Richtungen, unter ihnen viele Migranten. Katholische Straßenprediger standen neben Kommunisten und Sozialdemokraten oder Gewerkschaftern, darunter die langjährige CGIL-Vorsitzende Sussana Camusso. Anwesend waren die Präsidentin des Partisanenverbandes ANPI, Carla Nespolo, der EU-Parlamentarier, Arzt und Flüchlingshelfer aus Lampedusa, Pietro Bartolo, der bekannte Schriftsteller, Filmemacher und Theaterautor Erri de Luca. Er war in den 70er Jahren Mitglied der radikalen Linkengruppe »Lotta Continua« (Ständiger Kampf), die entschieden gegen die schon damals drohende faschistische Gefahr Widerstand leistete. Die als Patti Smith bekannte US-amerikanische Rocksängerin Patricia Lee übermittelte solidarische Grüße: »Sardinen, wir sind im Geiste mit euch«. Premier Giuseppe Conte würdigte, dass die Bewegung »im Namen der Verfassung und des Antifaschismus« Front macht gegen die »von Salvini geführte Rechte« und erklärte sich zu einem Treffen bereit. Da dürfte Conte laut ANSA unter anderem mit der Forderung Santoris konfrontiert werden, die »Sicherheitsverordnungen« Salvinis aufzuheben...“

„Cgil, Cisl e Uil E. Romagna: una vittoria della democrazia“ am 27. Januar 2020 bei Rassegna Sindacale externer Link dokumentiert die kurze gemeinsame Erklärung der drei großen Gewerkschaftsverbände zum Wahlergebnis – ein Sieg der Demokratie. Zu der Auseinandersetzung, die am Ende des vorherigen Beitrags angedeutet wird – und die keineswegs nur von Linken geführt wird – nämlich, wie mit den Dekreten Salvinis aus seiner Zeit als Innenminister umzugehen sei, wird hier nichts ausgesagt. Obwohl die Rücknahme dieser Dekrete eine Position ist, die von den allermeisten irgendwie demokratisch gesinnten Menschen Italiens vertreten wird…

„MULTE DA 4.000 EURO AGLI OPERAI IN SCIOPERO: LA QUESTURA APPLICA IL DECRETO SALVINI CONTRO IL BLOCCO STRADALE“ am 21. Dezember 2019 bei Operai Contro externer Link war ein Artikel, der am Beginn einer gerade laufenden Auseinandersetzung stand. In Prato (also in „Sichtweite“ der gerade stattgefundenen Wahl) haben die Behörden gegen Gewerkschaftsaktivisten der Basisgewerkschaft SI Cobas Bußgelder bis zu 4.000 Euro verhängt – weil sie im Zusammenhang mit einem Streik eine Straße blockiert hatten, was nach Salvinis Dekreten verboten ist. Das „Problem“ bei diesem vorgehen: Die Präfektur in Prato ist von der sozialdemokratischen PD geführt, die hin und wieder gesagt hatte, sie sei gegen die Dekrete…

„La Prato degli operai sfruttati che si ribella alle sanzioni. E il Pd che invoca ordine e repressione“ am 19. Januar 2020 bei Controlacrisi externer Link ist, einen Monat später und eine Woche vor der Wahl in der Emiglia Romana ein Beitrag, der über die wachsenden Proteste gegen diese Maßnahmen der PD-Präfektur berichtet, die immer wieder auf die angebliche Opposition der PD gegen die Dekrete verweisen – und deutlich machen, dass das, was in Prato geschehe, keineswegs ein Einzelfall sei, sondern nur das offenste Vorgehen, gegen eine Basisgewerkschaft, deren Wachstum in der Region in dem Beitrag ebenfalls kurz skizziert wird.

„A fianco dei lavoratori della Superlativa di Prato, per il ritiro dei decreti sicurezza“ am 21. Januar 2020 bei der SI Cobas externer Link dokumentiert eine Stellungnahme der organisierten Opposition in dem größten Gewerkschaftsbund CGIL in der Region Prato, der die eigene Gewerkschaft dafür kritisiert, in diesem Kampf um gewerkschaftliche Prinzipien unsolidarisch zu bleiben. Darin wird der Kampf in einer örtlichen Großwäscherei nachgezeichnet – der Streik dieser Belegschaft war es, der mit einer Straßenblockade geführt wurde – und berichtet, wie massiv die Solidaritätsdemonstration gegen die Strafen war (und wie viele CGIL Mitglieder teilnahmen, trotz der offiziellen Ablehnung) – und wie offen reaktionär die Stellungnahmen der sozialdemokratischen Regierungspartei.

„Emilia Romagna. Ha vinto il partito trasversale degli affari“ von Marta Collot am 27. Januar 2020 bei Contropiano externer Link ist eine Bewertung der Wahl auf der kommunistischen Webseite, die zum Thema „bleibt rot“ darauf beharrt, dass die PD nicht nur die Dekrete Salvinis umsetze, sondern auch massiv eine Politik der Privatisierung und des Sozialabbaus betreibe. (Interessant auch unter den zahlreichen Kommentaren solche, die die PD in der Region mit dem ökonomisch und politisch allmächtigen Parteiapparat der Demokratischen Partei der USA in Chicago vergleichen).

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=161984
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