Eine Welt ohne Kapitalismus?

Kapitalismuskritik„Die Kapitalismusgegner hatten ein miserables Jahr. Aber der Kapitalismus auch. Wer weitere Krisen wirklich vermeiden und die liberale Demokratie retten will, muss auf neue Formen der Umverteilung setzen. Denn ein Leben nach dem Kapitalismus wäre möglich. Und nötig. (…) Handelbare Aktien ermöglichen es Privatunternehmen, größer und mächtiger als Staaten zu werden. Die fatale Heuchelei des Liberalismus bestand darin, die rechtschaffenen Metzger, Bäcker und Brauer in der Nachbarschaft zu feiern, um die schlimmsten Feinde freier Märkte zu verteidigen: all jene Ostindien-Kompanien, die kein Gemeinschaftsgefühl kennen, keine moralischen Standards respektieren, Preise fixieren, Wettbewerber verschlingen, Regierungen korrumpieren und die Freiheit verhöhnen. (…) Erst wenn wir bereit sind, die 1599 eingeführten handelbaren Aktien und Gesellschaftsanteile zu verbieten, können wir die heutige Verteilung von Reichtum und Macht entscheidend ändern. Und um zu verstehen, was es in der Praxis bedeuten würde, den Kapitalismus zu überwinden, müssen wir über die Eigentümerstruktur von Konzernen nachdenken. Stellen wir uns vor, Aktien ähnelten Wählerstimmen, die weder gekauft noch verkauft werden dürfen. Wie Studenten, die bei ihrer Einschreibung eine Karte für die Bibliothek bekommen, erhalten neue Arbeitnehmer eine einzelne Stimme, die bei allen Aktionärsabstimmungen über alle Angelegenheiten des Konzerns eingesetzt werden kann – von Management- und Planungsthemen bis hin zur Verteilung der Nettoeinkünfte und Boni…“ Beitrag von Yanis Varoufakis vom 3. Januar 2020 bei der DGB-Gegenblende externer Link – und weiter aus den Text:

  • „(…) Plötzlich ergibt die Unterscheidung zwischen Gewinnen und Löhnen keinen Sinn mehr, und die Konzerne werden zurechtgestutzt, was den Marktwettbewerb vergrößert. Wird ein Baby geboren, erhält es automatisch von der Zentralbank einen Treuhandfonds (oder ein persönliches Kapitalkonto), das von Zeit zu Zeit mit einer universellen Grunddividende aufgestockt wird. Wird das Kind zum Jugendlichen, spendiert die Zentralbank ein kostenloses Girokonto. Arbeitnehmer bewegen sich frei von Unternehmen zu Unternehmen und nehmen dabei ihr Treuhandfondskapital mit, das sie ihrem Arbeitgeber oder anderen Firmen leihen können. Da es keine Wertpapiere gibt, um durch massives fiktionales Kapital den Turbolader einschalten zu können, wird die Finanzierung wunderbar langweilig – und stabil. Die Staaten schaffen alle Einkommens- und Verkaufssteuern ab und besteuern nur noch Unternehmenseinkünfte, Land und Aktivitäten, die sich gegen das Gemeinwesen richten…“
  • Eine interessante, wenn auch sicher diskussionswürdige Konzeption, die vor allem mal in das Privateigentum an gesellschaftlichen Werten eingreift, statt sich nur mit deren Folgen herumzuschlagen.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160840
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