Ausgeliefert oder widerständig? Die miesen Arbeitsbedingungen in der Paketbranche – nicht nur zu Weihnachten

Arbeitsunrecht: Der Weihnachtsmann bestellt NICHT bei Amazon„… Im gesamten Postsektor haben sich seit der Postprivatisierung die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung massiv verschlechtert. Mit dem Boom des Online-Handels hat sich diese Entwicklung noch verschärft. Zwischen 2009 und 2017 ist der mittlere Bruttolohn in der Brief- und Paketbranche nominal um über 13 Prozent gesunken. Der mittlere Lohn in der Branche liegt so mittlerweile 30 Prozent unter dem mittleren Lohn in der Gesamtwirtschaft. Besonders dramatisch ist die Entwicklung in der Paketzustellung. Aber auch hier ist die Entwicklung keineswegs einheitlich. Während es bei DHL und UPS noch Tarifverträge gibt und DHL seine Pakete weitestgehend von eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zustellen lässt, lassen Hermes, DPD und GLS ihre Aufträge von Subunternehmen erledigen. Zum Teil haben sich dort richtige Subunternehmerketten gebildet, die im Extremfall auch vor offen kriminellen Praktiken nicht zurückschrecken. Am Ende solcher Subunternehmerketten arbeiten oft aus dem Ausland nach Deutschland entsandte Beschäftigte oder Scheinselbständige und diese zu teilweise skandalösen Bedingungen. Insgesamt ist der Alltag der Paketzustellerinnen und Paketzusteller von einer hohen Arbeitsbelastung gekennzeichnet. Oft müssen sie täglich zwischen 150 und 230 Pakete sortieren, einräumen, zustellen und am Ende des Tages die nicht zustellbaren Pakete zurück in die jeweiligen Paketshops bringen…“ Interview mit Pascal Meiser vom 20.12.2019 bei der Rosa Luxemburg Stiftung externer Link

  • Darin auch: „… Das sogenannte Paketboten-Schutz-Gesetz, das am 15. November 2019 in Kraft getreten ist, schreibt fest, das künftig die großen Paketdienstleister für die ordnungsgemäße Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bei ihren Subunternehmen haften. Für die ordnungsgemäße Zahlung des Mindestlohns gilt diese Nachunternehmerhaftung ja bereits von Anfang an und auch die Neuregelung in der Paketbranche ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber sie lässt weiterhin eine Reihe von Schlupflöchern. So fehlt zum Beispiel eine Verpflichtung für die Paketunternehmen, die geleisteten Arbeitszeiten tagesaktuell dokumentieren und vor Ort zur Einsicht mitführen zu müssen. Ohne eine solche Verpflichtung lassen sich die bestehenden Pflichten des Arbeitgebers aber überhaupt nicht wirkungsvoll kontrollieren. Deshalb hatte zuletzt auch der Bundesrat eine strenge Dokumentationspflicht gefordert. Unabhängig davon ist aber auch klar, dass die Nachunternehmerhaftung für die Branche bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein bleibt. Wir brauchen dringend effektive Instrumente zur Durchsetzung bestehender Lohnansprüche wie zum Beispiel ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften, um diejenigen Paketbotinnen und Paketboten, die ihre Rechte nicht aus eigener Kraft geltend machen können. Wir müssen die ausufernde Scheinselbständigkeit in der Branche eindämmen, indem hier die Beweislast umgekehrt und somit bei entsprechenden Anhaltspunkten erst einmal davon ausgegeben wird, dass es sich um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=159798
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