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Verhältnisse „wie früher“: Wieder hilft Kroatien bei der Menschenjagd. Diesmal auf Flüchtlinge, für die EU

Dossier

Rund 20 Flüchtlinge besetzten kurzzeitig die nigerianische Botschaft„… Amnesty International hat dokumentiert, wie Flüchtlingen Gliedmaßen gebrochen und Zähne ausgeschlagen wurden beim Versuch, nach Kroatien zu gelangen. Am Samstag hat ein kroatischer Grenzbeamter am Berg Tuhobić, nahe der Grenze zu Slowenien, auf einen Geflüchteten geschossen und ihn lebensgefährlich verletzt. (…) Kroatische Grenzbeamte nehmen den Menschen, die es über Bosnien-Herzegowina nach Kroatien schaffen, das Geld und häufig auch die Schuhe ab und zerstören deren Handys, damit sie nicht so schnell wiederkommen. Das Netzwerk Border Violence Monitoring hat über 400 Berichte gesammelt, die von einem systematischen Vorgehen der kroatischen Polizei zeugen. Beamte berichteten kroatischen Medien, ihnen werde mit Sanktionen gedroht, wenn sie sich weigerten, gewaltsam gegen Flüchtlinge vorzugehen. Die Schläge, Tritte, Demütigungen und der tägliche Bruch des EU-Rechts und der Genfer Flüchtlingskonvention sind keine Exzesse von Einzelpersonen, sondern von den Behörden angeordnet…“ aus dem Kommentar „»Musterschüler der EU«“ von Krsto Lazarević bereits am 21. November 2019 in der jungle world externer Link, worin auch noch die Situation nach ihrer Verjagung Richtung Bosnien-Herzegowina Thema ist. Siehe dazu:

  • Menschenrechtsverletzungen zum Trotz: Deutsche Unterstützung des kroatischen Grenzschutzes und Aufnahme Kroatiens in den Schengenraum New
    Kroatien verletzt an den EU-Außengrenzen systematisch und auf brutalste Weise internationales Recht. Dennoch erhält Kroatien Millionen an Unterstützung und politische Rückendeckung – gerade von Deutschland. In einer Recherche geht das Border Violence Monitoring Network (BVMN), unterstützt durch PRO ASYL, der Zusammenarbeit nach. 24 deutsche Verbindungsbeamt*innen, 129 Bundespolizist*innen mit Frontexmandat, fast 90 Seminare und technische Ausrüstung im Wert von rund 2,8 Millionen Euro: Das ist die Bilanz der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem kroatischen Grenzschutz innerhalb von fünf Jahren. Hinzu kommen weitere Frontex-Trainingseinheiten, die Deutschland finanziell unterstützte. Mit dem Bericht »German Funding To Croatian Border Enforcement« externer Link legt das Border Violence Monitoring Network (BVMN) die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Kooperation zwischen Deutschland und Kroatien im Zeitraum von 2016 bis 2021 vor. Begünstigt wurden nachweislich auch solche Einheiten, die an gewaltsamen Pushbacks und Misshandlungen beteiligt sind. Unrechtmäßige Zurückweisungen – Pushbacks – an den kroatischen EU-Außengrenzen werden seit Ende 2016 von Aktivist*innen, zivilgesellschaftlichen Akteuren, Journalist*innen und zwischenstaatlichen Organisationen akribisch dokumentiert externer Link. Diese kontinuierliche Arbeit hat zu Urteilen europäischer Gerichte beigetragen, die bestätigen, dass Pushbacks an den kroatischen EU-Außengrenzen durch staatliche Akteure durchgeführt werden.
    Trotz der offenkundigen Verstöße gegen internationale und europäische Rechtsstandards, nicht zuletzt auch festgehalten im Schengener Grenzkodex, wurde die Aufnahme Kroatiens in den Schengenraum am gestrigen Donnerstag beschlossen externer Link. Als langjähriger und strategischer Partner Kroatiens in Sachen Grenzschutz gilt Deutschland. Amtsträger*innen haben Kroatien seit 2016 nicht nur offenkundig für die Grenzabwehr gedankt, sondern standen dem EU-Außengrenzstaat auch mit großzügiger personeller, materieller und logistischer Unterstützung zur Seite…“ Meldung vom 09.12.2022 bei Pro Asyl externer Link
  • Sechs Jahre Menschenrechtsverletzungen: Kroatien soll mit Schengen-Beitritt belohnt werden 
    „Der Schengen-Beitritt Kroatiens steht auf der Tagesordnung des heutigen Treffens des EU-Innenminister*innen. Stimmen die Minister*innen für die Aufnahme Kroatiens, ignorieren sie damit die umfangreichen Belege von systematischen Menschenrechtsverletzungen an Kroatiens Grenzen sowie Verletzungen des Schengener Grenzkodex selbst. Seit 2016 dokumentieren die unterzeichnenden Organisationen, internationale Medien und  zwischenstaatliche Organisationen fortlaufend  die eklatanten Menschenrechtsverletzungen Kroatiens an den EU-Außengrenzen. Die systematischen Rechtsverletzungen und die Fälle von Grenzgewalt werden durch die Polizei und andere staatliche Akteure verübt. Dennoch haben die zuständigen kroatischen Behörden bisher keine effektiven Ermittlungen eingeleitet, vielmehr werden die Vorfälle beharrlich geleugnet. Die unterzeichnenden Organisationen (darunter PRO ASYL) fordern, dass diese Rechtsverletzungen und das Versagen Kroatiens, minimale Rechtsstandards einzuhalten, nicht mit dem Schengen-Beitritt belohnt werden darf. Die Freizügigkeit von kroatischen Staatsbürger*innen innerhalb des Schengen-Raums ist wünschenswert, doch in dem Aufnahmeprozess offenbart sich das wahre Gesicht von „Schengen“: Die Freizügigkeit im Innern bedeutet die Abschottung nach außen – im Zweifel durch ein brutales Grenzregime. (…) Auch einzelne Mitgliedstaaten wie Deutschland haben durch die politische und logistische Unterstützung des kroatischen Grenzschutzes den Aufnahmeprozess mit vorangetrieben. Vor einem Jahr hat die neue deutsche Regierungskoalition noch erklärt, „die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen“ beenden zu wollen. Eine Zustimmung Deutschlands zum Schengen-Beitritt Kroatiens würde mit diesem Vorhaben brechen. Pushbacks und Polizeigewalt gegen Schutzsuchende in Europa muss mit entschlossenen rechtlichen und politischen Konsequenzen begegnet werden. Nichts zu unternehmen untergräbt die Rechtsstaatlichkeit in der EU und ermutigt Mitgliedstaaten, europäische Rechtsstandards zu missachten.“ Pressemitteilung vom 8. Dezember 2022 bei Pro Asyl externer Link
  • Illegale Pushbacks: Kroatien schiebt Schutzbedürftige ab 
    „… „Ich habe Schmerzen“, sagt die junge Frau aus Afghanistan leise. Ihr Blick ruht auf den Jungen, die neben ihr stehen, drei, fünf, sechs und sieben Jahre alt. Ihr runder Bauch ist unter dem roten Blusenkleid deutlich zu sehen – sie ist im achten Monat schwanger und steht ausgelaugt auf einem Waldweg im kroatisch-bosnischen Grenzgebiet. Die Gruppe aus Kabul ist von der kroatischen Polizei illegal abgeschoben worden. Sie seien fast bis nach Zagreb gelaufen, erzählen sie. Polizisten hätten sie dort aufgriffen. Die Bitte, die Schwangere ins Krankenhaus zu bringen und geäußerte Asylabsichten hätten die kroatischen Polizisten ignoriert, erzählen sie erschöpft. Stattdessen nehmen die Polizisten den Familien Mobiltelefone, Powerbanks und Geld ab und fahren sie an die EU-Grenze mit Bosnien und Herzegowina zurück – mit ihnen ein acht Monate altes Baby. (…) Der Pushback dieser afghanischen Familie ist kein Einzelfall. An der grünen Grenze nahe dem bosnischen Ort Glinica filmte das Rechercheteam von ARD-Studio Wien, Lighthouse Reports, SRF Rundschau, „Der Spiegel“ und „Novosti“ insgesamt sechs illegale Gruppenabschiebungen, sogenannte Pushbacks. Betroffen: Rund 65 Menschen, darunter 20 Kinder. Die Aufnahmen von Ende Mai 2021 zeigen erstmals, wie kroatische Polizisten ganze Familien durch den Wald eskortieren. Zu sehen sind Mütter mit Kindern, ein Vater mit Baby. Auch die hochschwangere Afghanin sowie ein alter herzkranker Mann mit Krücke. (…) Flüchtenden und Migranten werden nicht nur systematisch Kleidung, persönlicher Besitz, Handys und Geld abgenommen. Auch Gewalt ist gut dokumentiert, etwa durch NGOs wie „Border Violence Monitoring“: Schläge, Hundebisse, Elektroschocks, sexualisierte Gewalt oder Erniedrigungen wie der Befehl, sich gegenseitig zu schlagen. Das Anti-Folter-Komitee des Europarates untersuchte im Sommer 2020 unangekündigt, wie die kroatische Polizei Flüchtende und Migranten behandelt…“ Reportage von Andrea Beer und Srdjan Govedarica vom 23. Juni 2021 bei tagesschau.de externer Link
  • Türsteher Kroatien: Brutale Menschenrechtsverletzungen im Namen Europas 
    „Mit exzessiver Gewalt und völkerrechtswidrigen Zurückschiebungen (Pushbacks) setzt Kroatien die EU-Abschottungsagenda um – Schutzsuchenden wird der Zugang verwehrt. Statt Sanktionen gibt es dafür Anerkennung von der EU. (…) Die neue EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, setzt die Linie ihres Amtsvorgängers Juncker fort und bekräftigt den Vorbildcharakter, den Kroatien – speziell Ministerpräsident Plenković – einnehme. Ähnliches Lob hatten zu anderer Gelegenheit bereits Regierungsmitglieder aus EU-Mitgliedsstaaten übrig. Etwa lobte Horst Seehofer die umstrittene kroatische Polizei für ihre Arbeit. »Wir stehen Kroatien als Partner zur Seite. Die aktuellen Migrationsbewegungen stellen uns alle vor gewaltige Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können.« Ansonsten herrscht beredtes Schweigen: Auf dem informellen Treffen der EU-Innenminister*innen zum Thema Migration am 24. Januar 2020 war die Menschenrechtssituation an der kroatischen Außengrenze kein Thema. (…) Das Schweigen ist so groß, wie das Fülle an Beweisen, die ihm dank Aktivist*innen, Menschenrechtsorganisationen, Journalist*innen und betroffenen Personen entgegensteht: Videoaufnahmen zeigen den Ablauf von Pushbacks. Fotos und Berichte belegen die Gewalt der kroatischen Polizei. Handyortungen lassen das Geschehene geographisch verorten. Es besteht kein Zweifel, dass kroatische Grenzpolizist*innen Schutzsuchende systematisch an der Flucht in die EU hindern und sie gewaltvoll nach Bosnien und Herzegowina zurückbringen, ihnen somit das Recht auf Asyl verweigern. Regelmäßig kommt es dabei zu Misshandlungen. Auch vor dem Einsatz von Schusswaffen schrecken die Grenzpolizisten nicht zurück. (…) Bei der Gewalt handelt es sich nicht um die Willkür einzelner Beamt*innen. In einem Schreiben vom März 2019 an die kroatische Ombudsfrau legten Polizist*innen anonym die Befehle ihrer Vorgesetzten offen. »Anweisungen des Polizeichefs, der Leitung und der Verwaltung sind, jeden ohne Papiere zurückzuführen, keine Spuren zu hinterlassen, ihr Geld zu nehmen, ihre Handys zu zerstören oder selbst einzustecken und die Flüchtlinge gewaltsam nach Bosnien zu bringen«…“ Pressemitteilung von Pro Asyl vom 15. Februar 2020 externer Link
  • „Nigerianische Studenten und ihr Albtraum in Kroatien“ von Zoran Abutina am 05. Dezember 2019 bei der Deutschen Welle externer Link zu den Erfahrungen zweier Studenten aus Nigeria, die eigentlich an einem Tischtennis-Turnier teilnehmen wollten: „… Kurz bevor die nigerianischen Studenten Eboh Kenneth Chinedu und Abia Uchenna Alexandro über die grüne Grenze aus Kroatien nach Bosnien/Herzegowina abgeschoben wurden, mussten sie irgendwelche Dokumente unterschreiben – in kroatischer Sprache. „Der Wagen hielt an. Man führte uns nach draußen und ein Polizist sagte mir: Unterschreib! Ich sagte, das will ich nicht, man kann nicht von mir erwarten, dass ich etwas unterschreibe, was ich gar nicht verstehe. Dann zog einer der Polizisten die Pistole und sagte, er wird mich erschießen, wenn ich nicht unterschreibe. Ich hatte Angst, und habe unterschrieben.“ So beschreibt Eboh Kenneth einer Journalistin des bosnischen Portals „Žurnal“ wie er und sein Kommilitone unter Gewaltandrohung nach Bosnien abgeschoben wurden. Nachdem beide die Dokumente unterschrieben hatten, nahmen ihnen die Polizisten ihr Geld und zwangen sie auf einem Waldweg die Grenze zu überqueren. In der Gruppe waren auch mehrere Migranten. Wie die beiden Nigerianer wurden auch sie gezwungen, Kroatien zu verlassen. Sie landeten im Flüchtlingscamp „Miral“ in Velika Kladuša. Dabei hätte der Kroatienbesuch für beide Studenten der „Federal University of Technology Owerri“ so schön sein können. Zusammen mit zwei anderen Studenten und einer Professorin kamen sie als Teil der nigerianischen Tischtennismannschaft, um in der kroatischen Küstenstadt Pula vom 13. bis 17. November an der fünften Weltmeisterschaft internationaler Universitäten (IUSC) teilzunehmen…“

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=158748
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