Weiterbildung ohne Sinn. Was sich bei Hartz IV ändern muss – Früherer Jobcenter-Mitarbeiter packt aus: „Da kursiert die Angst“

Buch von Joachim Zelter: "Schule der Arbeitslosen"Die Jobcenter sollen Langzeitarbeitslose für den Arbeitsmarkt fit machen. Viele Hundert Millionen Euro geben sie für diese Maßnahmen aus. Viele zweifeln mittlerweile an dem Sinn solcher Kurse: Manche Erwerbslose müssen Tierbilder ausmalen oder Murmelbahnen bauen. Selbst der Bundesrechnungshof kritisiert, dass ein Großteil solcher Maßnahmen die Eingliederung der Erwerbslosen nicht fördere, sondern gar behindere. Anstatt sich um einen Job zu kümmern, rauben diese Kurse den Erwerbslosen Zeit und Energie, sagen Experten. Dennoch nehmen die Teilnehmerzahlen an solchen Maßnahmen seit Beginn des Jahrzehnts zu. Obwohl es immer weniger Arbeitslose gibt. Für Prof. Stefan Sell von der Hochschule Remagen ist dies das Ergebnis einer vollkommen verfehlten Förderpolitik. Denn während immer mehr Erwerbslose scheinbar „Sinnlos-Kurse“ besuchen, bekommen immer weniger Erwerbslose Weiterbildungen mit anerkannten Abschlüssen gefördert. Der Staat spare damit Geld, denn die kurzfristigen Maßnahmen seien wesentlich günstiger als eine monatelange Weiterbildung, sagt Sell. Experten vermuten dahinter eine konkrete Absicht: Denn indem möglichst viele Arbeitslose in kostengünstige Bildungskurse gesteckt werden, erscheinen diese nicht mehr in der offiziellen Arbeitslosenstatistik.“ Film von Patrick Stegemann (28 min) am 25.09.2019 gesendet bei ZDFzoom externer Link , siehe dazu einen Beitrag über den Film:

  • Früherer Jobcenter-Mitarbeiter packt aus: „Da kursiert die Angst“
    Seit 2005 gibt es Hartz IV. Die Devise der umstrittenen Maßnahme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Deutschland lautet: Fördern und Fordern. Dazu gehört auch, dass Hartz-IV-Bezieher sogenannte „Bildungsmaßnahmen“ absolvieren, um weiterhin ihre vollen Hartz-IV-Sätze zu beziehen. Doch diese Maßnahmen stehen immer wieder in der Kritik. Unnötig, entwürdigend – das sagen Betroffene über die Bildungsmaßnahmen, für die die Bundesregierung im Jahr 2017 laut ZDF eine Milliarde Euro bezahlte. In dem ZDF-Film „Weiterbildung ohne Sinn: Was sich bei Hartz IV ändern muss“ beschäftigte sich der Journalist Patrick Stegemann am Mittwochabend mit dem Thema. (…)In Deutschland kämpfen rund 8000 Anbieter um die Vergabe der Bildungsmaßnahmen – in der Branche herrscht ein hoher Preisdruck. Und auch die Jobcenter-Mitarbeiter haben zu kämpfen: In der ZDF-Sendung ist zu sehen, wie Mitarbeiter unter Druck gesetzt werden, die von den Agenturen gebuchten Kurse mit Arbeitslosen zu füllen. Ob die Maßnahmen für die Betroffenen geeignet sind, scheint dabei in den Hintergrund zu rücken. Wolfgang Meyer arbeitete früher in einem Jobcenter. Er kündigte, als er in ein Team versetzt wurde, in dem er neue Arbeitslose in Bewerbungskurse bringen sollte. Ganz egal, ob diese Kurse für die Arbeitslosen überhaupt geeignet sind. Meyers Erklärung für das Vorgehen der Jobcenter: „Jeder Maßnahmen-Teilnehmer erscheint nicht in der Arbeitslosenstatistik – und das sind viele Menschen.“ Auch Meyer und seine Mitarbeiter seien unter Druck gesetzt worden, behauptet der frühere Jobcenter-Mitarbeiter: „Da kursiert die Angst, wir machen, was man von uns verlangt. Egal, wie sinnhaftig das Ganze ist.“ Meyers früherer Arbeitgeber, das Jobcenter Bremen, wehrt sich. Im ZDF meint die Geschäftsführerin der Behörde, Susanne Ahlers: Die von Meyer geschilderten Vorgaben seien „nicht zielführend“, die Behörde wolle einfach das ihr zur Verfügung gestellte Budget ausschöpfen…“ Beitrag vom 26.09.19 bei watson.de externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=154968
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