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Die Proteste gegen Bolsonaros Amazonas-Politik: Nicht nur die „üblichen Verdächtigen“…

Brasilien: Wahlplakat von 2018 gegen BolsonaroNicht nur in Brasilien selbst, sondern auch in zahlreichen anderen Ländern wurde Ende letzter Woche und am Wochenende gegen die Agrarpolitik der rechten brasilianischen Regierung protestiert, die unter anderem das Mittel der Brandrodung von Beginn an gefördert hat – und jede Menge anderswo verbotener Pestizide frei gegeben hat: Diese Gesamtheit der Politik, die natürlich auch wirtschaftliche und steuerliche Förderung des Agrarkapitals umfasst, wie auch die Beseitigung etwaiger institutioneller Schranken (die schon bisher nicht besonders hoch waren), rückt nun in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte und das ist für die Rechtsregierung eine kritische Situation. Denn, betrachtet man die zahllosen Videos nicht nur über die Demonstrationen selbst, sondern beispielsweise auch Reaktionen auf seine Fernsehansprache in Mittelklasse-Lokalen, dann kann man schnell zur Feststellung kommen, dass auch ein Teil seiner Wählerinnen und Wähler diese Kritik teilt.  Ein Aufbrechen der „Lager“, die sich seit längerem in Brasilien gegenüber stehen, wäre aber ohne Zweifel ein Rückschlag für die rechte Regierung. Was aber bei Menschen, die Bolsonaro gewählt haben – etwa, weil sie seine Versprechungen, besser: Drohungen, gut fanden, notfalls mit „Feuer und Schwert“ für mehr Sicherheit im Land zu sorgen – nun durchaus passieren kann, wenn sie sehen, dass eine Giftwelle auf sie zu rollt, die von dieser Regierung freigegeben wurde. Siehe dazu zwei Videoberichte von Protesten aus Brasilien und Irland als Beispiele sowie zwei Hintergrundbeiträge, die die Brände in die brasilianische Agrarpolitik einordnen – und die Rolle der BRD dabei mit betrachten…

  • „Brände im Amazonasgebiet“ am 26. August 2019 bei German Foreign Policy externer Link über bundesdeutsche Beteiligung am Raubbau: „… Freilich kooperieren Deutschland und die EU schon lange mit Brasiliens Agrarindustrie, ohne sich durch deren brutales Vorgehen gegen Umwelt und indigene Bevölkerung abschrecken zu lassen. So importiert die EU seit vielen Jahren große Mengen an brasilianischem Rindfleisch. Im Jahr 2018 stieg das Volumen nach einem Einbruch, der durch einen Gammelfleischskandal verursacht worden war, wieder an und erreichte laut brasilianischen Statistiken 118.317 Tonnen. Über 80 Prozent der deutschen Sojaeinfuhren kommen aus Südamerika, insbesondere aus Brasilien. Das Land ist insgesamt der größte Agrarlieferant der EU, deren Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr 14,5 Milliarden Euro für Produkte der brasilianischen Agrarindustrie bezahlten. Die Bundesregierung fördert die Agrarkooperation bereits seit Jahren. So kommt seit 2003 die deutsch-brasilianische Arbeitsinitiative Agribusiness und Innovation einmal pro Jahr im Rahmen der deutsch-brasilianischen Wirtschaftstage zusammen. Forschungseinrichtungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft kooperieren mit brasilianischen Institutionen in der Agrarforschung, während im Rahmen des deutsch-brasilianischen Energieabkommens auch eine Arbeitsgruppe Biokraftstoffe tätig ist. Gegen die enge deutsch-brasilianische Agrarkooperation werden schon seit Jahren immer wieder Proteste laut. So protestierten etwa am 11. August 2016 rund 200 Angehörige diverser indigener Gemeinschaften aus ganz Brasilien vor dem Gebäude der Deutschen Botschaft in Brasília…“
  • „Aufregung über die Tausenden von Waldbränden in Brasilien“ von Florian Rötzer am 26. August 2019 bei telepolis externer Link ist ein Beitrag, der neben der Brandrodung noch eine andere Thematik von Bolsonaros Politik im Dienste des Agrarkapitals behandelt – auch hier mit bundesdeutscher Beteiligung: „… In den Hintergrund ist eine weitere Folge der Politik von Bolsonaro gerückt, die den Umweltschutz zugunsten der Großgrundbesitzer zurückdrängt, was so weit geht, dass dies nicht nur negative Folgen für das Klima hat, sondern auch direkte für die menschliche Gesundheit. Unter Bolsononaro wurde Brasilien zum größten Einkäufer von Pestiziden, schon unter seinem Vorgänger Temer wurden mehr und mehr Pestizide zugelassen. Seit Amtsantritt von Bolsonaro wurden Verkäufe von 290 Pestiziden genehmigt, 27 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon profitierten Produkte der brasilianischen Unternehmen Cropchem und Ouro Fino, aber auch Arysta Lifescience, Syngenta, BASF und Monsanto. Letztes Jahr hob auf Antrag der Regierung ein Gericht das Verbot des Einsatzes von Glyphosat wieder auf. Nach Greenpeace Unearthed wurden in Brasilien in den letzten 3 Jahren über 1200 Pestizide und Unkrautvernichter zugelassen. Von den 169 bis 21. Mai zugelassenen Pestiziden enthalten 78 Inhalte, die nach dem Pesticide Action Network als hochgiftig eingestuft werden, 24 enthalten Inhalte, die in der EU verboten sind. Von den 1270 Pestiziden und Herbiziden, die seit Temers Amtsantritt vor drei Jahren zugelassen wurden, enthalten 193 Wirkstoffe, die in der EU verboten sind. Eine Folge könnte das Massensterben brasilianischer Bienen sein, von dem Imker berichten. Innerhalb von drei Monaten sind im Süden Brasiliens eine halbe Milliarden Bienen gestorben. Nach Analysen scheint meist Fipronil verantwortlich zu sein, ein Pestizid, das in der EU verboten ist und in den USA vom Umweltministerium als möglicherweise krebserregend eingestuft wurde, sowie Neonicotinoide, in der EU sind Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam seit 2018 verboten. Das deutsche Unternehmen Helm darf nun das Herbizid Paraquat, das auch von Syngenta und anderen vertrieben wird, in Brasilien verkaufen. Das hochgiftige Herbizid ist in vielen Ländern, auch in der EU seit 2007, verboten und wird allein in Zentralamerika für den Tod von Tausenden von Menschen verantwortlich gemacht. Neben sieben weiteren Pestiziden wurde für Brasilien von Helm auch Diquat zugelassen, das letztes Jahr in der EU verboten wurde…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153565
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