Abschiebepraxis in der BRD: Gewalt auf allen Ebenen. Psychotherapeuten beklagen Umgang mit traumatisierten Geflüchteten

Tödliche Folgen der Flüchtlingspolitik„Bei Abschiebeflügen setzt die Bundespolizei immer öfter sogenannte »Hilfsmittel körperlicher Gewalt« ein. Allein im ersten Halbjahr 2019 wurden 1.289 ausreisepflichtige Migrantinnen und Migranten mit Hand- oder Fußfesseln, Gurten oder Klettbändern wie Pakete verschnürt. Das sind bereits mehr Fälle als im gesamten letzten Jahr. Diese Zahlen nannte die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke über Abschiebungen und Ausreisen im ersten Halbjahr 2019. Der verstärkte Einsatz solcher Zwangsmaßnahmen sei »unter anderem darauf zurückzuführen, dass mehr Personen im Rückführungsverfahren Widerstandshandlungen vornehmen«, rechtfertigte die Bundesregierung dieses Vorgehen. Zu Fesselungen kam es insbesondere bei Migranten aus Algerien und Marokko sowie den westafrikanischen Staaten Nigeria und Gambia. Die Verzweiflung vieler Abgeschobener ist nachvollziehbar. So hat der Bundestag Algerien und Marokko zu »sicheren Herkunftsstaaten« erklärt. Zwar steht bislang eine notwendige Zustimmung des Bundesrates noch aus. Doch Geflüchtete aus diesen Ländern haben praktisch keine Chance auf Anerkennung ihrer Asylanträge, obwohl es in beiden Staaten zur Verfolgung von Oppositionellen, nationalen Minderheiten und Homosexuellen kommt. Mehr als 2.000 Abschiebungen auf dem Luftweg scheiterten in den ersten sechs Monaten 2019. Als Grund dafür wurden in 869 Fällen »Widerstandshandlungen« genannt, in 335 Fällen verweigerten die Fluggesellschaft oder der Pilot die Mitnahme. 64 Mal musste eine Abschiebung wegen eingelegter Rechtsmittel abgebrochen werden. In 20 Fällen führten versuchte Suizide oder Selbstverletzungen zum Abbruch…“ Artikel von Ulla Jelpke in der jungen Welt vom 13.08.2019 externer Link und ein weiterer Beitrag zur angesprochenen Kritik:

  • Ärzte kritisieren Umgang des Bamf mit traumatisierten Flüchtlingen
    „… Im Umgang mit psychisch erkrankten Flüchtlingen haben Ärzte und Psychotherapeuten Kritik am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geübt. „Wir erkennen in den Zurückweisungen von traumatisierten Geflüchteten, dass das Bamf für seine Schreiben oftmals Textbausteine nutzt, um psychiatrische Gutachten und ärztliche Stellungnahmen als nicht ausreichend begründet abzuweisen“, sagte die Vorsitzende der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF), Elise Bittenbinder, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Ihrer Meinung nach wirkt dies, „als würden sich die Bamf-Mitarbeiter nicht mehr professionell mit jedem Einzelfall auseinandersetzen, sondern pauschal und manchmal sogar sehr differenziert unsachgemäß urteilen“. Es entstehe der Eindruck, dass es vor allem darum gehe, „politische Interessen durchzusetzen“, statt den „bestmöglichen Schutz von Opfern von Gewalt“ sicherzustellen. Die BAfF ist der Dachverband für bundesweit rund 40 Psychosoziale Zentren. Nach eigenen Angaben haben Ärzte und Psychotherapeuten 2013 etwa 10.000 traumatisierte Flüchtlinge versorgt, 2018 waren es laut Bittenbinder schon mehr als 20.000. (…) Deutliche Kritik am Vorgehen der Behörden äußerte auch der Menschenrechtsbeauftragte der hessischen Landesärztekammer, Ernst Girth. „Die Regierungen, das Bamf und die Ausländerbehörden versuchen in vielen Fällen, kritische Ärzte aus den Abschiebeverfahren rauszuhalten“, sagte er. Das Bamf wies die Vorwürfe zurück…“ Agenturmeldung vom 12. August 2019 bei der Zeit online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153020
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