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Die Offensive der griechischen Rechtsregierung zielt auf: Alles, was unternehmerische Freiheiten einschränken könnte – und alles, was einem Polizeistaat entgegen steht

Polizeiaufmarsch gegen Anarchisten in Athen - Anfang August 2019„… Vroutsis Tropologia greift tief ins Arbeitsrecht ein, und erfüllt eine der brennenden Forderungen des Industriellenverbands SEV. So müssen Arbeitgeber künftig keine schriftliche Begründung für eine Entlassung eines Angestellten angeben und diesem auch nicht mitteilen, warum er seinen Arbeitsplatz verliert. Die entsprechende gesetzliche Regelung war von Syriza aus Gründen der Konformität zur Europäischen Charta eingeführt worden. Darüber hinaus nimmt Vroutsis eine Regelung zurück, welche vor allem die Rechte von Leiharbeitern betraf. Stellte eine Firma Leiharbeiter ein, so musste sie sich versichern, dass für diese Lohn und Sozialbeiträge auch tatsächlich gezahlt werden. Diese Pflicht hat künftig nur der Auftragnehmer einer Arbeitskraftüberlassung beziehungsweise eines mit Arbeitskräfteeinsatz verbundenen Unterauftrags. Das entsprechende Gesetz wurde als Reformgesetz im Jahr 2018 eingeführt. Es sollte dazu dienen, den Leiharbeitern die Lohnforderungen zu erleichtern, sowie verhindern, dass Firmen die Risiken für die Beschäftigung von Leiharbeitern zum Teil auch auf eigene Tochterunternehmen übertragen. Schließlich werden Fristen eingeführt, nach deren Ablauf ein Arbeitnehmer nicht mehr gegen eine illegale Entlassung vorgehen kann. Mit diesen Änderungen des Arbeitsrechts, argumentiert die Regierung, würden die Arbeitnehmer leichter an gut bezahlte Festanstellungen kommen….“ – aus dem Beitrag „Mitsotakis Regierung demonstriert ihre konservative Ideologie“ von Wassilis Aswestopoulos am 09. August 2019 bei telepolis externer Link, worin auch noch berichtet wird, dass die Vorgehensweise des neuen Arbeitsministers selbst nach parlamentarischen Regeln so fragwürdig war, dass die linke Opposition schlichterdings die gesamte Abstimmung boykottierte. Siehe dazu auch weitere aktuelle Beiträge zu anderen zentralen Punkten der Vorgehensweise der neuen Regierung Griechenlands: Der Abschaffung des Universitäts-Asyls und dem Angriff auf die anarchistische Gemeinde – und den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zur neuen griechischen Regierung und dem beginnenden Widerstand gegen ihre Politik:

  • „Kein Schutz mehr auf dem Campus“ von Theodora Mavropoulos am 09. August 2019 in der taz online externer Link, worin unter anderem zur Geschichte des Gesetzes hervor gehoben wird: „… Griechenlands Universitätsgesetz ist weltweit wohl einmalig. Es besagt, dass Griechenlands Polizei staatliche Hochschulen nicht ohne die offizielle Einwilligung von Rektorat und Studentenvertreter betreten darf. Selbst bei der Verfolgung von Kriminellen ist beim Eingang der Universität Schluss. Das strikte Universitäts-Asyl hat eine blutige Geschichte. Es wurde in seiner letzten Form im Jahr 1982 beschlossen. Damals war die Zeit der Militärdiktatur vielen noch sehr präsent. Das Gesetz wurde zum Schutz gegen Polizeiinterventionen mit politischem Hintergrund eingeführt. Denn während der Obristenherrschaft von 1967 bis 1974 wurde ein Studentenaufstand am 17. November 1973 blutig niedergeschlagen. Es gab Tote und Verletzte...“ – um anschließend zu argumentieren, wie und warum Verständnis für diese Maßnahme aufgebracht werden könne…
  • „Athen will Polizei Zutritt zu Universitäten erlauben“ von Christiane Schlötzer am 08. August 2019 in der SZ online externer Link berichtet über entsprechende Stimmen aus Kreisen der Professorenschaft: „… Bildungsministerin Niki Kerameus, geboren 1980, spricht von einem „Asyl für Kriminelle“, einem Refugium für Radikale aller Art. Auch viele Rektoren klagen über den „Anachronismus“ und sind für die Abschaffung des Polizeibanns. „Der schützt nicht länger die Meinungsfreiheit, sondern im Gegenteil, er behindert sie“, sagte der Rektor der Universität von Kreta, Odysseas Zoras, der Zeitung Kathimerini. Professoren können Schauergeschichten erzählen, wie zum Beispiel ein Geowissenschaftler aus Thessaloniki: Studenten hätten ihm gedroht, ihn aus dem siebten Stock zu werfen. Mary Bosi, Professorin für Internationale Beziehungen an der Universität von Piräus, wurde während einer Vorlesung 2018 mit roter Farbe besprüht. Bosi ist dennoch gegen die Abschaffung des Banns, sie hält ihn weiter für „ein wichtiges Symbol“, aber sie verlangt eine Debatte darüber, wie der Gewalt Grenzen zu setzen seien. Bildungsministerin Karameus stellt sich das so vor: „Mit einem einfachen Telefonanruf.“ Rufe ein Student oder ein Bürger die Polizei, dann könne die den Campus betreten...“
  • „Exarchia – it’s all fucked up!“ von Theresa Bauer am 09. August 2019 im Lower Class Magazin externer Link zum alternativen Stadtteil Athens: „… Schon bevor Kyriakos Mytsotakis am 7. Juli mit seiner rechtskonservativen NeaDemokratia die Parlamentswahlen in Griechenland gewann, wurde in der griechischen Öffentlichkeit hart daran gearbeitet das Feinbild „Anarchistische Szene“ auszubauen. Die Zeitungen sind in langer, bürgerlicher Tradition, voll von Berichten über unerträgliche, gewaltvolle Auseinandersetzungen im Stadtteil Exarchia in Athen, über die Terroristen, die zusammen mit der Mafia Unschuldige angreifen und über den Drogenhandel, der von den Unversitäten aus gesteuert werden soll. Am Wahlabend klauten dann auch noch Vermummte die Wahlurne des Viertels und sollen sie auf der Platia, dem Platz in der Mitte von Exarchia, verbrannt haben. „Sauber machen“ werden sie das geschichtsträchtige Viertel, „alles räumen“ und die ein oder andere anarchistische Gruppe „jagen“, versprechen Mytsotakis und seine Minister. Dafür haben sie schon die ersten Anpassungen vorgenommen. 2.000 neue Polizist*innen sollen eingestellt werden. 1500 werden die sogenannte Delta Einheit wiederaufbauen, die berüchtigte Motorradstaffel, die vor allem für ihr brutales Vorgehen bekannt ist. Das Universitätsasyl soll abgeschafft werden und den ersten Squats wurde der Strom und das Wasser abgestellt. Auch ein Gesetz, welches es ermöglicht, Menschen ohne gültige Papiere bis zu 12 Monaten einzusperren, ist schon auf den Weg gebracht. Das Ministerium für Migration wurde abgeschafft, der Mindestlohn soll gesenkt werden, eine 7 Tage Woche eingeführt und die Krankenversorgung reformiert werden. Doch es formiert sich Widerstand. Auch wenn es die letzten Jahre viele Spaltungs- und Konfliktmomente gab, hoffen alle darauf, die Kräfte und den Willen ein weiteres Mal zu sammeln um die aufgebauten Strukturen und das Projekt eines „befreiten“ Viertels vor Repressionen beschützen zu können. In Exarchia tummelt sich viel. Dichter neben Junkies, Oma neben jungem Polittourist*innen. Menschen, die sich aussuchen hier zu leben und Menschen, die nirgendwo anders hinkönnen. Weil sie keine Papiere haben und weil Griechenland immer noch eines der Hauptankunftsländer für Geflüchtete in der EU ist. Hier sitzt man fest, hier wartet man und langweilt sich. Hier gibt es keine Arbeit, dafür Menschen die miteinander reden. Der Alltag im Viertel ist sehr konfliktreich, es wird an vielen Fronten gekämpft. Und der gemeinsame Konflikt ist der mit dem Staat und dem geltendem Recht. Zumindest von vielen, denn Exarchia hat eine lange Tradition politischer Kämpfe. Schon in den 70er Jahren war es die Polytechnio, die technische Hochschule, von der aus die Studierendenproteste gegen die herrschende Militärdiktatur organisiert wurden. Über mehrere Wochen hinweg besetzten damals Studierende und Sympathisant*innen aus dem Viertel und der ganzen Stadt die Hörsäle, planten Demos, philosophierten und traten gemeinsam in Aktion…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=152925
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