[AfD-Rentenkonzept] Der national-soziale Anstrich der AfD

Dossier

"... Wer als Erwerbsloser oder Arbeiter die AfD wählt, wählt gegen seine eigenen Interessen!"In einem Interview von Stephan Hebel bei der Frankfurter Rundschau vom 17. Juli 2019 mit dem Rentenexperten Gerd Bosbach externer Link, stellt dieser zum AfD-Rentenkonzept u.a. fest: „… Leider haben Höcke & Co. meine soziale Argumentation zu Demografie und Rente einfach kopiert. Vor allem die Belege zur These „Produktivität schlägt Demografie“. Da rechne ich genau vor, wie mit höheren Löhnen mehr Rentner gut versorgt wurden und in Zukunft auch werden können, wenn die Arbeitgeber bei Löhnen und Beiträgen nicht weiter geschont werden. Allerdings hat die AfD dieses Konzept durch nationalistische Forderungen verdreht. (…) Mich erinnert das an die Taktik der Nationalsozialisten vor 1933. Mit sozialen Forderungen von Gewerkschaften und KPD, teilweise auch von Sozialdemokraten, wurden die Arbeiter geködert, und anschließend wurden Juden vergast, die Entwickler der sozialen Forderungen in den KZs getötet und es wurde ein fürchterlicher Weltkrieg entfesselt. (…) Durch die Übernahme der Begründungen aus der sozialen Bewegung – und tatsächlich gut geschrieben – erscheint das Papier erst einmal attraktiv für Leute, die ohnehin weniger Ausländer im Land haben wollen. Aber bei gründlicher Lektüre müsste auch denen vieles unangenehm auffallen. (…) Die Thüringer AfD will die Beitragsbemessungsgrenze zunächst beibehalten. Das ist unsozial, auch für Deutsche, denn Spitzenverdiener zahlen einen geringeren Anteil ihrer Einkommen in die Rentenkasse ein als Arbeitnehmer mit geringeren Einkommen. (…) Als Nutznießer der Veränderungen der letzten Jahrzehnte wird fast nur „das internationale Versicherungskapital“ oder an anderer Stelle „das grenzenlose internationale (Finanz-)Kapital“ genannt. Da schimmern schon die rechten Feinde durch, das Ausland und das Geldkapital – bei Rechten oft mit Juden assoziiert. Dass die Hauptnutznießer und Betreiber der Rentenreformen alle Arbeitgeber sind, also auch die deutschen, die bei ihren Beiträgen zur Rente massiv sparen, das haben die AfDler beim Abschreiben aus der sozialen Bewegung bewusst „übersehen“…“ Siehe dazu:

  • AfD-Positionen zur Rentenpolitik im sogenannten „Sozialkonzept der AfD“ New
    “ Von einem rentenpolitischen Programm der AfD, welches sie in Kalkar verabschiedet hätte, kann nicht die Rede sein. Es handelt sich vielmehr um einzelne, weitestgehend unzusammenhängende Reformvorhaben, über deren Finanzierung rein gar nichts gesagt wird. Die rentenpolitischen Reformvorhaben sind nicht isoliert von den gesamten sozialpolitischen Leitlinien der AfD zu betrachten, die auf dem „Sozialparteitag“ am 28.11.2020 diskutiert und abgestimmt wurden. In den Leitlinien wird gleich zu Beginn dargelegt, dass das zentrale sozialpolitische Problem der Bundesrepublik Deutschland die angeblich zu niedrige Geburtenziffer sei. Mit 1,5 bis 1,6 Kindern je Frau liege diese „weit unterhalb des Niveaus von 2,1 Kindern, welches zum Bestandserhalt erforderlich wäre“. Die gegenwärtige Geburtenrate hingegen „schrumpft ein Volk um ca. 30% pro Generation, was zu einem Zusammenbruch der Sozialversicherungssysteme führen muss und den kulturellen Erhalt gefährdet“. Auf die Rentenpolitik bezogen impliziert dieser Befund, dass die immer weiter absinkenden Renten und der damit einhergehende Anstieg der Altersarmut in Deutschland gewissermaßen Naturgesetze seien. Und der Grund dafür sei die unterstellte ausgesprochene Gebärfaulheit deutscher Frauen. Die marktradikale Rentenkürzungspolitik der vergangenen 20 Jahre wird hingegen interessanterweise nicht mit einem Wort erwähnt. Das ist absurd. Damit rechtfertigt die AfD die arbeitnehmer:innenfeindlichen und marktradikalen (sehr häufig auch fälschlicherweise „neoliberal“ genannten) Rentenreformen von SPDGRÜNENFDPCDUCSU seit der Jahrtausendwende mit ihrem völkischen und patriarchalischen Gedankengut. Das ist in jeglicher Hinsicht völlig inakzeptabel. Als Gründe für den festgestellten Kindermangel werden zwar auch die universal anerkannten Erklärungen der durch den wissenschaftlichen Fortschritt leichter gewordenen Familienplanbarkeit (Pillenknick) sowie der allgemeine Wohlstand in Deutschland anerkannt; allerdings schimpft die AfD auch auf Abtreibungen und auf eine vermeintlich abschätzige gesellschaftliche Bewertung von Familienarbeit, auf den allgemeinen gesellschaftlichen Hedonismus, sowie auf einen „`Feminismus ́, der den Wert von Frauen ausschließlich an ihrer beruflichen Karriere bemisst und abweichende Lebensentwürfe als `altbacken ́ und `rückständig ́ diffamiert“. (…) Mehr Zuwanderung als Antwort auf die demografischen Herausforderungen der Bundesrepublik Deutschland lehnt die AfD explizit ab. Abgesehen von unerwünschten „kulturellen und zivilisatorischen Änderungen“, die diese mit sich brächte, seien die Einwander:innen nach Deutschland allesamt geringqualifiziert und eine einzige Belastung ür die Sozialsysteme und sie verschlimmerten somit die sozialen Probleme. Statt Zuwanderung benötige Deutschland in eindeutiger Abgrenzung dazu eine „Willkommenskultur für Kinder“. Maßgeblich für die Ablehnung jeglicher Zuwanderung dürfte der in allen Lagern der AfD zu findende Rassismus sein, denn die Versichertenzahlen der Deutschen Rentenversicherung sprechen deutlich eine andere Sprache: Am Ende des Jahres 2018 waren bei steigender Tendenz rund 6,4 Millionen Menschen mit ausländischer Staatangehörigkeit aktiv versichert, was 17 Prozent aller aktiv Versicherten entspricht. Objektiv betrachtet ist die Nettoeinwanderung nach Deutschland also ein absoluter Glücksfall für die Rentenversicherung. Ähnlich wie bei dem geplanten weitgehenden Ausschluss der Frauen von Erwerbsarbeit verfolgt die AfD hier also Vorhaben, die bei ihrer Umsetzung die Finanzsituation der Rentenversicherung klar torpedieren würden…“ Aus der Darstellung, Einordnung und Bewertung der AfD-Positionen zur Rentenpolitik von Matthias W. Birkwald vom 22. März 2021 externer Link
  • AfD-Rentenkonzept: Der Berg kreißte und gebar eine vergiftete Maus. 
    „Nach etlichen Jahren Streit zwischen dem völkischen und dem neoliberalen Flügel der AfD beschloss der Parteitag am letzten Wochenende ein Rentenkonzept. Ergebnis: ideologischer Sieg für Höcke und Co.; rentenpolitischer Punktsieg für Meuthen und Mitstreiter. Das auf gerade einmal zwei Seiten beschriebene Rentenkonzept wird auf satten zwölf Seiten eingeleitet. Die enthalten durchgängig deutsch-nationalistische und chauvinistische Aussagen und führen gesellschaftspolitisch in die Zeiten von vor 50 bis 90 Jahre zurück. (…) Das AfD Rentenkonzept hat zum Ziel , die gesetzliche Rentenversicherung weiter zu schwächen und die Beitragsgelder auf die Konten von Finanzkonzernen umzuleiten. Insofern reiht es sich ein in die Regierungspolitik der vergangenen 20 Jahre und den Empfehlungen der Rentenkommission. Das Konzept beinhaltet eine Reihe von absurden Punkten. Es kam wohl mehr auf wohlfeil klingende Versprechen als auf verlässliche Aussagen an. Das völkische, deutsch-nationalistische Fundament ist sehr deutlich dokumentiert. Mit der Behauptung, dass nur eine aktivierende Politik für deutsche Familien die Finanzierung des Sozialstaates gewährleisten kann, wird an unsägliche Traditionen angeknüpft.“ Analyse von Reiner Heyse vom 3. Dezember 2020 beim Seniorenaufstand externer Link
  • Konservativer Kompromiss. Sozialpolitik der AfD geprägt durch reaktionäres Gesellschaftsverständnis 
    „… Stilisiert wurde der mehrfach verschobene Parteitag zur Entscheidungsschlacht zwischen der neoliberalen Forderung von Koparteichef Jörg Meuthen, die umlagefinanzierte gesetzliche Rente zugunsten eines steuerfinanzierten Modells mit deutlich stärkerer privater Komponente abzuschaffen, und dem vor allem von Björn Höcke favorisierten Festhalten an der gesetzlichen Rente, verbunden mit Zuschlägen für deutsche Staatsbürger und einem gesonderten Zuschlag für Kinder. Im mit großer Mehrheit verabschiedeten Leitantrag wird an der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente festgehalten. Der von Meuthen favorisierte Systemwechsel kommt nur in Form eines unverbindlichen Ausblicks vor. Dennoch hat sich keineswegs die als »völkisch-sozial« beschriebene Position der Höcke-Leute durchgesetzt. Von Sozialpolitikern und Wissenschaftlern wird der Leitantrag als klassischer Kompromiss und keineswegs als »Linksverschiebung« bewertet. Demographie, Familie und Antifeminismus sind »Klammerthemen« der sonst auseinander strebenden AfD-Parteiflügel. So ist auch die Frage der ­Demographie zentral im Leitantrag. Die Steigerung der Geburtenrate auf 2,1 Kinder pro Frau sei die »einzige Möglichkeit zur Stabilisierung und zum Erhalt unserer Sozialsysteme, aber auch zur Bewahrung unserer Kultur und zum Fortbestand unseres Volkes«. Das Rentenniveau müsse auf Grundlage der Lebenserwartung und des Beitragsaufkommens »kontinuierlich angepasst werden«, was eine Umschreibung für kontinuierliches Absenken ist. In der Gesundheitspolitik will die AfD am »dualen System« aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung und damit an der Zweiklassenmedizin festhalten. Dennoch finden sich Punkte im Konzept, mit denen die AfD bei Familien und abhängig Beschäftigten punkten könnte. So fordert sie die Rückzahlung bzw. Freistellung von Rentenbeiträgen in Höhe von 20.000 Euro für jedes Kind und eine Zahlung von 100 Euro pro Monat für jedes Kind bis zum 18. Lebensjahr. Der Renteneintritt soll flexibilisiert werden. Im Duktus der Neoliberalen heißt es weiter, die Sozialversicherungen seien »dringend reformbedürftig« und »erhebliche Einschnitte« stünden bevor. Die Vorschläge beim Thema Altersarmut dienten vor allem dazu, »auch Tätigkeiten mit geringem Einkommen anzunehmen«. Soziale Gerechtigkeit muss aus AfD-Sicht »immer auch zur Eigenverantwortung« anregen – eine beliebte Umschreibung für die Privatisierung sozialer Risiken.“ Artikel von Gerd Wiegel in der jungen Welt vom 02.12.2020 externer Link (im Abo), siehe auch:
  • Ist die große Leerstelle der AfD bei der Rentenfrage jetzt mit Antworten beseitigt worden? Und ist der national-soziale Rententiger als Bettvorleger gelandet?
    „Nach mittlerweile mehrjähriger Verzögerung hat die AfD ihren Parteitag zur Positionierung in der Sozialpolitik nun endlich und passend zur Zeit mit der Auflage, das Thema unter Mund-Nase-Schutz verhandeln zu müssen, im nordrhein-westfälischen Kalkar abgehalten. Mehrmals war der verschoben worden – Björn Höcke hatte einen Sonderparteitag zur Sozialpolitik bereits vor zwei Jahren auf dem Bundesparteitag in Augsburg beantragt und zugestanden bekommen. Der Bedarf war und ist mehr als offensichtlich, denn gerade in der Rentenfrage stehen sich zwei völlig konträre Positionen gegenüber: Zum einen die vor allem aus Ostdeutschland um den mittlerweile offiziell angeblich nicht mehr existenten „Flügel“ vorangetriebene Konzeption einer national-sozialen Rentenpolitik, zum anderen die marktliberale Variante einer Abwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und der irrlichternden Vorstellung einer Privatisierung der Alterssicherung, wie sie vom Parteichef Meuthen vertreten wird. (…) Um das, was nun in Kalkar als offizielle AfD-Position zur Rentenpolitik beschlossen worden ist, richtig einordnen und bewerten zu können, muss man sich die Grundzüge des national-sozialen Rentenkonzepts von Höcke & Co. in Erinnerung rufen und sich anschauen, was davon übrig geblieben ist. »Die neoliberale Ideologie, die von allen Altparteien getragen wird und Staaten zu Wurmfortsätzen global agierender Konzerne gemacht hat, entzieht den Volkswirtschaften dringend benötigtes Investitionskapital und senkt in den westlichen Industrienationen die Löhne zugunsten der Kapitalrendite.« Und weiter: »Die Folgen für den Sozialstaat und die Renten sind verheerend.« Die gesetzliche Rentenversicherung sei zugunsten von privaten Versicherungen und Banken ausgehöhlt worden. CDU und SPD haben mit der Ausweitung der Leiharbeit Niedriglöhne auf breiter Front etabliert und das Lohngefüge zugunsten der Kapitalrendite gedrückt. Und die private Vorsorge war ein Irrweg. (…) Höcke fordert mehr Solidarität und staatliche Sozialleistungen – aber nur für deutsche Staatsbürger. Er setzt auf einen „Sozialpopulismus nationalistischer bis völkischer Prägung.“ (…) Die AfD-Positionierung zur Rentenpolitik besteht aus sieben Punkten und einem „Ausblick“: 1. Freiheit beim Renteneintritt, 2. Altersarmut verhindern, 3. Abschaffung der Politikerpensionen, 4. Einbeziehung neu eingestellter Staatsbedienster durch Reduzierung des Beamtenstatus auf originär hoheitliche Aufgaben, 5. Altersvorsorge für Selbständige, 6. Lastengerechtigkeit zwischen Familien und Kinderlosen herstellen und 7. Private Vorsorge stärken. (…) Und während der Höcke-Flügel anerkennen muss, dass wesentliche Bestandteile seiner ursprünglichen Rentenkonzeption geschreddert wurden, man aber an einzelnen Punkten dann immer wieder darauf hinweisen kann, dass das Gedankengut in den sieben Punkten hier und da eingebaut wurde bzw. man das so lesen könnte, verbleibt dem marktliberalen Flügel um Meuthen vor allem am Ende der Konjunktiv. Die Möglichkeitsform hat man in einen „Ausblick“ geschrieben und semantisch etwas aufgehübscht – soweit, dass sich auch national-soziale Kräfte darauf im Prinzip beziehen könnten. (…) Aber bevor jetzt bei dem einen oder anderen die Gäule durchgehen, baut man gleich vor: »Ein derartiges System kann aber nur zusammen mit einer umfassenden Steuerreform realisiert werden, welche die unüberschaubaren Steuerarten und -ausnahmen durch ein einfaches Grundsystem mit wenigen Steuerarten und fast ohne Ausnahmetatbestände ersetzt. Die Alternative für Deutschland wird sich der Diskussion über eine weitergehende Steuer- und Rentenreform nicht verschließen.« Eine „umfassende Steuerreform“ in Deutschland? Bevor das passiert, so wird der professionelle Zyniker anmerken, wird der Papst evangelisch. Hier muss selbst der Konjunktiv kapitulieren.“ Kommentar von Stefan Sell vom 30. November 2020 auf seinem Blog „aktuelle Sozialpolitik“ externer Link
  • AfD-Rentenkonzept: Flexibler Renteneintritt, weniger Beamte, mehr Kinder – Zuwanderung sei „keine Lösung“, eher » Solidarität und gegenseitige Hilfe innerhalb unseres Volkes«
    • AfD-Parteitag einigt sich auf Rentenkonzept
      Flexibler Renteneintritt und weniger Beamte – die AfD hat auf dem Bundesparteitag ein sozialpolitisches Konzept beschlossen und damit eine Lücke im Parteiprogramm geschlossen. Die AfD hat mehr als sieben Jahre nach ihrer Gründung ihr erstes Rentenkonzept beschlossen. Der Parteitag in Kalkar stimmte am Samstag mit 88,6 Prozent für einen entsprechenden Leitantrag zur Sozialpolitik. Auf radikale Forderungen wird weitgehend verzichtet. Am umlagefinanzierten Rentensystem hält die AfD fest, Familien sollen bei den Beiträgen entlastet werden. Der Großteil der Staatsbediensteten soll in die gesetzliche Rente einzahlen, die Verbeamtung soll auf rein hoheitliche Aufgaben beschränkt werden. Der Einigung vorausgegangen war jahrelanger Streit. Das Konzept ist geprägt von dem Bemühen, grundlegend gegensätzliche Positionen von AfD-Chef Jörg Meuthen und Partei-Rechtsaußen Björn Höcke zusammenzubringen. In dem beschlossenen Konzept wird kritisiert, dass „in absehbarer Zeit die Funktionsfähigkeit großer Teile unseres Sozialstaats in Gefahr“ sei. Insbesondere die Rentenversicherung sei „dringend reformbedürftig“, Zuwanderung sei „keine Lösung„…“ Beitrag vom 28.11.2020 beim ZDF externer Link
    • Siehe im Artikel von Severin Weiland vom 28.11.2020 beim Spiegel online externer Link: „… Im Leitantrag bekennt sich die AfD zum Sozialstaat, der sozialen Marktwirtschaft und »zur Solidarität und gegenseitigen Hilfe innerhalb unseres Volkes«. Im eigentlichen Kern des Papiers wird das Rentenkonzept umrissen, dazu zählt unter anderem: Die AfD will einen flexiblen Renteneintritt. »Wer länger arbeitet, bekommt entsprechend mehr Rente«, heißt es.; Politiker sollen künftig in die gesetzliche Rente einzahlen.; Beim Kampf gegen die Altersarmut will sie Menschen mit geringem Einkommen besserstellen als »Personen, die größtenteils arbeitslos waren«.; Beim Thema Familien sollen die Eltern für jedes Kind 20.000 Euro ihrer eigenen Rentenbeiträge aus Steuermitteln »erstattet« bekommen. Mit einem »steuerlichen Familiensplitting« solle an dieser Stelle ein »Paradigmenwechsel« eingeleitet werden, ergänzt durch einen früheren Renteneintritt »in Abhängigkeit der Kinderzahl«.; Im Kapitel »Private Vorsorge stärken« heißt es, für jedes Kind »mit deutscher Staatsangehörigkeit und Lebensmittelpunkt in Deutschland« solle der Staat eine »zusätzliche Einzahlung« von 100 Euro pro Monat bis zum 18. Lebensjahr »in die Spardepots« der jeweiligen Kinder vornehmen.; Auch die Einzahlungen der Beamten in die Rentenkasse will die AfD neu regeln. Beamtentätigkeiten sollen »zum Beispiel auf Bundeswehr, Zoll, Polizei, Finanzverwaltung und Justiz« beschränkt bleiben. Der »Großteil der künftigen Staatsbediensteten« hingegen solle in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, heißt es im Leitantrag…“
    • Streit um Rentenkonzept: Höcke entscheidet AfD-Machtkampf mit Meuthen für sich
      „… Abkehr vom Wirtschaftsliberalismus: Denn nun, so hat es den Anschein, widmet sich die Partei ganz Höckes vorgeblichen Plänen, „die sozialen Errungenschaften von 150 Jahren Arbeiterbewegung gegen die zerstörerischen Kräfte des Raubtierkapitalismus zu verteidigen“, wie er es 2017 bereits formulierte. Der Bruch mit dem Rentensystem, wie ihn die Partei einstmals anstrebte, ist vom Tisch: An seine Stelle sollen Reformpläne treten, die „Sozialstaat“, „soziale Marktwirtschaft“ und „Solidarität und gegenseitige Hilfe innerhalb unseres Volkes“ favorisieren. Die Wurzeln dieser Reformpläne hat die Tageszeitung „Welt“ in der Marx-Rezeption der Neuen Rechten ausgemacht: Die habe mit „den Emanzipationsvorstellungen der Linken“ nichts gemein, vielmehr sehe sie in einer zentralen Figur des spanischen Faschismus ihren Gewährsmann für die „Überwindung der gesellschaftlichen Teilung, auf die es wieder hinzuarbeiten gelte“. Auch wenn die Idee von „Enteignung und Verstaatlichung“ in der Partei weiterhin Widerspruch hervorrufe, sei sich die Parteirechte einig, den Staat in zentralen Bereichen stärken zu wollen. (…) Vielmehr soll das bestehende Rentensystem mit Familienpolitik gestärkt werden. Jede Frau, so stellt es sich die Partei vor, solle dafür künftig im Schnitt 2,1 Kinder bekommen, um das Problem der immer weniger werdenden Beitragszahler bei gleichzeitig immer mehr Empfängern zu beheben. Dann sei auch keine Zuwanderung von Menschen aus dem Ausland notwendig, da ohnehin – so die Behauptung – „der überwiegende Teil dieser Migranten (…) dauerhaft auf staatliche Transferleistungen angewiesen sein“ werde. Die angepeilte Steigerung der Geburtenrate sei hingegen die „einzige Möglichkeit zum Erhalt unserer Sozialsysteme, aber auch zur Bewahrung unserer Kultur und zum Fortbestand unseres Volkes“, wie es der Leitantrag formuliert. Der völkische Nationalismus von Höckes vorgeblich aufgelöstem „Flügel“ wäre mit dem Antrag also endgültig in der Programmatik der Partei angekommen. Das würde Meuthens Position enorm schwächen…“ Artikel von Jonas Mueller-Töwe vom 28.11.2020 bei t-online.de externer Link
  • Verändert sich die sozialpolitische Programmatik der AfD? Und in welche Richtung? Einschätzungen zum anstehenden „Sozialparteitag“ der AfD am 28./29.11.2020 in Kalkar auf Grundlage des Leitantrags
    Befragt man die politikwissenschaftliche Forschung zu den sozialpolitischen Strategien rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa, so fällt ein theoretisches Narrativ ins Auge, welches eine hohe Verbreitung gefunden hat: Vor allem im Zuge der ökonomischen Krisen ab 2008 hätte „eine ideologische Transformation“ diese rechtspopulistischen Parteien  „für die Wähler der Arbeiterklasse stetig attraktiver gemacht“ (Adorf 2017: 504). Auch aufgrund der „Neoliberalisierung“ einiger sozialdemokratischer Parteien hätten immer mehr Wähler*innen aus der „Arbeiterklasse“ rechtspopulistisch gewählt. Das hätte rechtspopulistischen Parteien schlussendlich keine andere Wahl gelassen, als „ihre marktliberalen Standpunkte weitestgehend aufzugeben“ (Adorf 2017: 504). Rechtspopulistische Parteien hätten „die Verteidigung des Wohlfahrtsstaats für sich entdeckt“ (Adorf 2017: 506) Dies gelte auch für die AfD in Deutschland: „Mit dem Ausscheiden des Lucke-Flügels hat aber auch die AfD einen grundsätzlichen Kurswechsel vollzogen. Innerhalb der Partei haben Politiker und Aktivisten, die sich nie mit den ordoliberalen Standpunkten des Grundsatzprogramms identifizieren konnten, erheblich an Einfluss gewonnen“ (Adorf 2017: 505f.). Im Folgenden Artikel soll vor dem Hintergrund dieses in Wissenschaft, Politik und Medien populären Narrativs, die eventuelle programmatische Veränderung der AfD durch den „Sozialparteitag“ am 28./29.11.2020 abgeschätzt werden. In einem ersten Teil wird zunächst der programmatische Status Quo in den sozialpolitischen Positionen der Bundespartei herausgearbeitet. In einem zweiten Teil wird dieser bestehende Status Quo mit den Inhalten des Leitantrags für den bevorstehenden „Sozialparteitag“ der AfD verglichen. Welche Veränderungen in der sozialpolitischen Positionierung der AfD zeichnen sich ab, wenn der vorliegende Leitantrag eine Mehrheit findet? In einem abschließenden Fazit wird auf eine vermutete zukünftige Ausrichtung der Sozialpolitik der AfD eingegangen…“ Artikel von Tobias Kaphegyi vom 26. November 2020 externer Link bei Promotionskolleg Rechtspopulistische Sozialpolitik und exkludierende Solidarität – Aus dem Tazit: „… Entgegen dem eingangs erläuterten Narrativ, entdeckt die AfD mit dem bevorstehenden „Sozialparteitag“ nicht den herkömmlichen Sozialstaat für sich. Als Synthese aus ordoliberalen und völkischen Positionen, entwickelt sie eine partikulare und moralisierende Sozialpolitik, deren Ziel die Zerstörung des professionellen, grundrechtsbasierten und bedarfsorientierten Sozialstaats zu Gunsten einer nationalistischen und wettbewerbsorientierten Bevölkerungspolitik darstellt.“
  • National-sozial oder nationalneoliberal? Zum Rentenparteitag der AfD am 25. und 26. April 2020 
    „Seit längerer Zeit gibt es in der AfD eine Auseinandersetzung um die sozialpolitische Ausrichtung der Partei. Im Mittelpunkt steht dabei die Rentenpolitik. Insbesondere wegen der Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Herbst 2019, wurde ein Sozialparteitag immer wieder verschoben. Der Bundesparteitag am 25. und 26. April in Offenburg soll nun eine Klärung herbeiführen. (…) Die National-neoliberalen in der AfD, um den Bundessprecher Jörg Meuthen möchten nach wie vor die sozialen Sicherungssysteme privatisieren. Sie plädieren dafür, die umlagenfinanzierte Alterssicherung abzuschaffen. Lediglich eine steuerfinanzierte Mindestrente knapp über der Existenzsicherung soll es geben. Alles was darüber liegt, soll über die private Alterssicherung finanziert werden, was natürlich einen enormen Gewinn für die Versicherungswirtschaft bedeuten würde. (…) Höckes Konzept steht ganz in der Tradition einer völkischen Sozialpolitik, manchmal auch „Antikapitalismus“ von rechts genannt. Diese Linie  greift soziale Missstände auf, in diesem Fall die Altersarmut, um dafür völkische Lösungen zu präsentieren. Es werden zwar Zugeständnisse an abhängig Beschäftigte gemacht, wie in diesem Fall den Erhalt der gesetzlichen Rentenversicherung. Doch über solche Zugeständnisse hinaus werden die gegensätzlichen Interessen zwischen Unternehmen und abhängig Beschäftigten nicht thematisiert. Im Gegenteil, das Ziel ist die Versöhnung der beiden Lager im Sinne einer Volksgemeinschaft. (…) Gemeinsam ist den Rentenkonzepten der AfD, dass sie unsolidarisch sind. Ohnehin eint die beiden Flügel mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich. Eine gemeinsame Bande ist eine rückwärtsgewandte Familienpolitik, die auf mehr (deutsche) Kinder abzielt und mit Sozialpolitik verbunden wird. (…) Die soziale Frage ist bei der AfD außerdem immer der nationalen Frage untergeordnet. Deutschland soll eine homogene Gesellschaft mit möglichst wenig „störenden“ Migrant*innen sein. Das verbindende Element der verschiedenen Flügel ist vor allem Rassismus, auch wenn „Der Flügel“ dies besonders drastisch äußert. Dementsprechend werden soziale Probleme von der AfD meistens auf Flucht und Migration zurückgeführt. Damit hat sie nicht nur einen Sündenbock, sondern verschleiert auch die Ursachen dieser Probleme. Dies ist Konsens zwischen den verschiedenen Flügeln…“ Analyse von Dirk Schwarzer vom März 2020 bei ‚Aufstehen gegen Rassismus‘ externer Link
  • Die Rentenfrage als große Leerstelle der AfD 
    Von „parteischädigenden“ neoliberalen Abbau- und national-sozialen Umbauphantasien sowie einer Verschieberitis der Klärung des Unvereinbaren (…) Nun ist das Jahr 2019 vorbei, auch die Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern sind gelaufen – aber der interessierte Beobachter wird sich an keinen Sonderparteitag zur Sozialpolitik, insbesondere zur Positionierung der AfD in der Rentenpolitik, erinnern können. Die vorher schon beobachtbare Verschieberitis – man muss daran erinnern, dass bereits auf dem Bundesparteitag der AfD im Dezember 2017 der radikal-rechte Flügel um Höcke den Vorstand verpflichten wollte, für die Erarbeitung einer „klaren sozialpolitischen Programmatik“ im Laufe des Jahres 2018 zu sorgen – hat sich bruchlos im Jahr 2019 fortgesetzt. Wenn immer von dem „Flügel“ in der AfD gesprochen wird, der das völkisch-national ausgerichtete Lager markieren soll, dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass am anderen Ende des Spektrums ebenfalls ein Flügel zugange ist, für den Meuthen und auch die Fraktionsvorsitzende Weidel stehen: der neoliberalen Flügel, bei deren Vertretern von einer Abschaffung der umlagefinanzierten Rentenversicherung in einer Art und Weise phantasiert wird, dass Hardcore-Vertreter des Kapitals ihren Freudentränen nicht Einhalt gebieten können. Das hat sich ja nicht einmal die alte FDP getraut. Die rentenpolitischen Forderung des völkischen AfD-Flügels kulminieren hingegen in dem Vorschlag einer Art „Staatsbürgerrente“. Konkret wird gefordert: Das Rentenniveau soll generell auf 50 Prozent über das Jahr 2045 hinaus festgeschrieben werden. Darüber hinaus erhalten deutsche Staatsbürger einen steuerfinanzierten Aufschlag, wenn sie weniger als 1.500 Euro Rente erhalten und mindestens 35 Jahre in die Beitragskasse eingezahlt haben. Diesen Aufschlag sollen sie ohne Prüfung durch das Sozialamt erhalten. Ausländer haben keinen Anspruch, auch wenn sie in die Beitragskasse eingezahlt haben. „Familienpolitische“ Aspekte dürfen in so einem Konzept nicht fehlen: In Zukunft sollen von Unternehmen und abhängig Beschäftigten paritätisch drei zusätzliche Prozentpunkte eingezahlt werden. (…) Sozialpolitisch (von rechtlichen Aspekten im engeren Sinne wollen wir hier gar nicht sprechen) ist das alles ein Trauerspiel. Man kann nur unter der Gefahr von bleibenden Dauerschäden den Kopf schütteln über die hier skizzierten Irrungen und Verwirrungen in der Rentenpolitik. Aber man sollte zugleich nicht unterschätzen, welche Bedeutung das vor dem Hintergrund haben kann, dass sich zunehmend eine kritische Diskussion und Berichterstattung über die für einen Teil der Älteren steigenden Altersarmut entwickelt und welche Gefahren der Instrumentalisierung damit verbunden sein können. Insofern sollte man weiter intensiv verfolgen, ob und wann die AfD rentenpolitisch auch auf offener Bühne die Hosen runterlässt.“ Artikel von Stefan Sell vom 1. Februar 2020 bei Aktuelle Sozialpolitik externer Link – siehe auch unser neues Dossier: Vor dem rechten Karren: „Fridays gegen Altersarmut“
  • Antisozialer Patriotismus: Die Rentenpläne der AfD 
    „Vor den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September beziehungsweise Oktober inszeniert sich die ostdeutsche AfD als Fürsprecherin der Benachteiligten – und all jener, die sich benachteiligt fühlen. Allerdings zeigt sich die vermeintliche „Kümmererpartei“ gerade hinsichtlich ihres Rentenkonzepts nicht nur zutiefst gespalten, sondern auch hochgradig unsozial. Dort, wo vielen Menschen aufgrund längerer Arbeitslosigkeit und/oder schlecht bezahlter (Leih-)Arbeit künftig Altersarmut droht, plädiert der völkisch-nationalistische und in weiten Teilen rechtsextreme Parteiflügel um Björn Höcke, dem Landes- und Fraktionsvorsitzenden der thüringischen AfD, für einen „solidarischen Patriotismus“, der all jenen zugutekommen soll, die eine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Dagegen setzt der national- bzw. wirtschaftsliberale Flügel um Bundessprecher Jörg Meuthen und die Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel weniger auf staatliche Interventionen als auf den (Finanz-)Markt, das Prinzip Eigenverantwortung und individuelle Selbstvorsorge. Obwohl die Richtungsgruppierungen innerhalb der AfD in vielen Politikbereichen konträre Positionen vertreten, gelang es ihnen bisher fast immer, zugunsten einer möglichst breiten Akzeptanz in der Wählerschaft für alle Strömungen tragbare Kompromisse zu schließen. Dabei bildet die „Massenmigration“ von Flüchtlingen das Schlüsselthema, mit dem die Partei alle übrigen Themenkomplexe zu verbinden und die konträren Lager zu einen versucht. (…) Bis auf die Diskriminierung von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft und von Kinderlosen haben die vorgestellten AfD-Rentenkonzepte wenig gemeinsam: Während Jörg Meuthen die Gesetzliche Rentenversicherung zerschlagen und durch eine steuerfinanzierte Minimalrente sowie eine finanzmarktabhängige Altersvorsorge ersetzen will, tritt der völkisch-nationalistische Flügel um Björn Höcke vordergründig für eine Stärkung der Gesetzlichen Rentenversicherung ein. Zugleich schont er Spitzenverdiener und andere Hocheinkommensbezieher. Folglich bleibt die AfD selbst dann, wenn sich der völkisch-nationalistische Flügel mit seinem Rentenkonzept durchsetzen sollte, in diesem Kernbereich des sozialen Sicherungssystems eine Partei der Privilegierten…“ Beitrag von Christoph Butterwegge aus Blätter für deutsche und internationale Politik 9/2019 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=152123
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