Für die Klimakrise gibt es eine einfache Lösung: Weniger arbeiten!

Dossier

Bericht der Kommission "Arbeit der Zukunft": Arbeit transformieren!Klimaschutz und die 40-Stunden-Woche passen nicht gut zusammen. Ein Wissenschaftler hat jetzt berechnet, wie viel Arbeit in der Woche ökologisch verträglich wäre. (…) Der niederländische Historiker und Journalist Rutger Bregman geht noch weiter, oder vielmehr einen Schritt zurück, zu den Überlegungen von Keynes. Er behauptet, die Zeit sei reif für die 15-Stunden-Woche. (…) Der Thinktank Autonomy hat jetzt in einem »The Ecological Limits of Work« betitelten Arbeitspapier, das vor allem in den britischen Medien großes Aufsehen erregte, nun aber noch einen ganz anderen Grund dafür gefunden, warum eine Reduzierung der Arbeitszeit unausweichlich ist: die ökologische Krise. Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Arbeitszeit mag auf den ersten Blick ein wenig konstruiert erscheinen. Doch bei genauerem Hinsehen erscheinen die Aussagen des Autors Philipp Frey, der am Karlsruher Institut für Technologie forscht, völlig logisch. Der Grund dafür ist unser auf Beschleunigung und Wachstum ausgerichtetes Wirtschaftsmodell, das ein hohes Maß an Arbeitskraft verlangt…“ Artikel von Stefan Boes vom 2. Juli 2019 bei Perspective Daily externer Link. Siehe dazu eine Studie und weitere Beiträge zu einem neuen Argument für eine schon immer gute Forderung:

  • [Buch „Generation Anspruch: Arbeit ist nicht alles – und das ist auch gut so“] Arbeitskult ade: Work-Life-Balance für alle! New
    „… Das laufende Experiment zur Vier-Tage-Woche in Deutschland kann nur gutgehen, wo die Arbeitsverdichtung noch nicht den äußersten Rand des Erträglichen erreicht hat: 45 Unternehmen und Organisationen testen ein halbes Jahr lang die Variante „100-80-100“: Die Beschäftigten sollen 100 Prozent der bisherigen Leistung in 80 Prozent der bisher vorgesehenen Zeit erbringen und dafür 100 Prozent ihres bisherigen Lohns erhalten. Initiiert hat das Experiment bezeichnenderweise keine Gewerkschaft, sondern eine Unternehmensberatung namens Intraprenör. Aber immerhin: Acht von zehn Beschäftigten im Alter zwischen 18 und 42 Jahren in Deutschland sind sicher, an vier Tagen dieselbe Arbeit wie an fünf Tagen schaffen zu können. Auf eine entsprechende Untersuchung des Karriereportals Jobteaser von 2023 verweist auch David Gutensohn, 30 Jahre alt und Befürworter der Vier-Tage-Woche, in seinem Buch „Generation Anspruch: Arbeit ist nicht alles – und das ist auch gut so“. (…) Allerdings beschreibt der hauptberufliche Zeit-Online-Redakteur auch die Arbeitssituation derjenigen, die das nicht schaffen dürften: Fast ein Fünftel aller Beschäftigten in Deutschland, nämlich 18 Prozent, geben demnach in Umfragen an, im Job keine richtigen Pausen einlegen zu können. Das führe auf die Dauer zu Fehlern, Unfällen und Burnouts, betont er. Was er ablehnt, ist eine Vier-Tage-Woche ohne tatsächliche Arbeitszeitverkürzung, also mit mehr Arbeitsstunden pro Tag. Grundsätzlich geht er davon aus, dass vor allem bei Jüngeren mit der Vier-Tage-Woche eine deutlich höhere Arbeitsproduktivität pro Stunde erreicht werden kann – es kommt eben auch darauf an, wie unverbraucht oder ausgeruht die Beteiligten zu Beginn der Umstellung sind. (…) Es ist seiner Meinung nach Zeit, mit dem „Arbeitsfetisch“ aufzuräumen, den er im Kapitalismus genauso kritisiert wie im nominell kommunistisch regierten China, wo sich der „passive Widerstand“ dagegen „Tangping“ nenne. (…) Als einen der wesentlichen Gründe nennt er darin die ökologische Krise – denn der kapitalistische Wachstumszwang zerstöre „den Planten, der in seiner Endlichkeit die Ressourcen für unendliches Wachstum nicht zur Verfügung stellen kann“. Zum Kapitalismus gehöre der Wille, die Produktivität und den Profit über alles andere zu stellen – und dadurch werde auch die Klimakrise in vieler Hinsicht verschärft. (…) Eine klare Vorstellung, wie der hier als sinnvoll und letztlich auch ökologisch notwendig beschriebene Systemwechsel vonstatten gehen soll, vermittelt das Buch allerdings nicht. (…) Es werden verschiedene Modelle eines bedingungslosen Grundeinkommens vorgestellt, über die Gewerkschaftslinke nächtelang diskutieren könnten. Die Frage, wie die Macht der Banken und Konzerne tatsächlich gebrochen werden könnte, bleibt aber unbeantwortet. Worte wie Vergesellschaftung oder Enteignung kommen nicht vor. Die Stärke des Buches ist eine andere: Letztendlich geht es darum, Wohlstand und Lebensqualität neu zu definieren. Mehr Zeitwohlstand, weniger überflüssige Produkte, die ohne entsprechende Werbung kein Mensch vermissen würde, die aber beim Online-Shopping für kurzfristige Ersatzbefriedigung sorgen, wenn für Sozialkontakte zu wenig Zeit übrig ist. Diese Botschaft ist wichtig, um überhaupt Mehrheiten davon zu überzeugen, dass ein ökologisch nachhaltiges Leben nicht vor allem Verzicht bedeutet, sondern durchaus ein besseres Leben sein kann.“ Rezension von Claudia Wangerin vom 21. Februar 2024 bei Telepolis externer Link von David Gutensohn’s „Generation Anspruch: Arbeit ist nicht alles – und das ist auch gut so“ erschien am 6. Februar 2024 im Oekom-Verlag (192 Seiten für 22 Euro)

  • [Sara Weber: „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“] „Weniger arbeiten ist gut fürs Klima“
    Sara Weber hat während der Pandemie ihren Job bei LinkedIn gekündigt und ein Buch geschrieben: „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ Im Interview von Alina Saha vom 8.02.2023 im Freitag 06/2023 externer Link erläutert Sara Weber ihre Entscheidung: „… Dieses Pausemachen ist etwas, was ganz vielen Menschen leider nicht offensteht. Ich konnte so viel darüber nachdenken: Was will ich eigentlich? Wie könnte es anders sein? Ich habe aber erst so richtig gemerkt, was die Punkte sind, die ich mir in der Arbeitswelt anders wünschen würde, als ich raus war. Man gewöhnt sich daran, wie es läuft. Die Überlegung, dass es vielleicht nicht so sein muss, kam stärker, als ich ein bisschen Abstand hatte. (…) Die Lösung wäre, dass wir einfach alle ein bisschen weniger arbeiten. Seit den 1960ern hat sich bei der Arbeitszeit nicht viel getan. Eine Reduktion würde bei allen Druck rausnehmen, um ein bisschen mehr Freiraum zu schaffen. Die Klimakrise führt bei manchen zu einem Handlungsdrang, bei anderen löst sie lähmende Angst aus. Aber die meisten wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Also machen sie einfach so weiter. Das ist ein Problem, denn wir können die Klimakrise nicht ignorieren. Aber wenn alle zu kaputt sind, um sich damit auseinanderzusetzen, ist es schwierig, Forderungen an die Politik zu stellen oder sich zu engagieren und all das zu tun, was wir eigentlich tun müssten. (…) Historisch sehen wir: Wenn die Arbeitszeiten zurückgehen, fallen die Gehälter nicht im gleichen Maße. Andere Länder, die eine Vier-Tage-Woche bereits testen, reduzieren die Arbeitszeit bei gleichem Gehalt. Und diese Tests zeigen, dass die Produktivität in den meisten Fällen gleich bleibt. Gleichzeitig verlassen weniger Leute den Job. Man muss weniger Leute suchen, weniger Leute fallen krank aus. Ich finde es absurd, dass die Produktivität ansteigt, Technologie besser wird, wir mehr Menschen haben, die erwerbstätig sind – und trotzdem mehr arbeiten! (…) Ich würde mir wünschen, dass die Gewerkschaften stärker dahinter sind, dass wir von ihnen und Betriebsräten fordern, diese Diskussion anzustoßen. Wir sind in einer Situation, in der Unternehmen immer mehr Gewinn machen müssen, was ja von der wirtschaftlichen und politischen Struktur vorgegeben ist. Das wird selten hinterfragt, auch mit Blick auf die Klimakrise. Können wir einfach für immer so weitermachen wie bisher? Diese Diskussionen müssen auch politisch geführt werden. (…) Wir versuchen das Ganze oft individuell zu lösen, dabei ist es nicht für alle Leute gleichermaßen einfach, Grenzen zu ziehen. Da braucht es Strukturen dafür, zusammenzukommen und gemeinsam darüber zu reden. Wegzukommen von: Du musst für dich selbst herausfinden, wie du deine Arbeit besser in den Griff kriegen kannst. (…) Das ist die Wurzel allen Übels: das Gefühl, wir müssen mehr arbeiten, mehr leisten, damit wir es wert sind, diesen Job zu haben. Wenn wir weniger und anders arbeiten, ist das auch gut fürs Klima. Es wird sehr schwierig, die Klimakrise einzudämmen, wenn wir weder Zeit noch Energie dafür haben.“ („Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ von Sara Weber erschien dieses Jahr bei KiWi (240 Seiten) zum Preis von 18 Euro)
  • 4-Tage-Woche für alle?! Neues Dossier zu Arbeitszeitverkürzung 
    Warum ist die 40h-Woche eigentlich noch immer Standard der Lohnarbeitswelt? Wie hängt die ungerechte Aufteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern damit zusammen? Und wie können wir Arbeit, persönlich verfügbare Zeit und Einkommen umverteilen? All diesen Fragen ging das Konzeptwerk in den letzten Monaten zusammen mit Gewerkschafter*innen, Umweltbewegten, Wissenschaftler*innen und Feminist*innen nach. Mittels einer Transformationswerkstatt entwickelten wir ein starkes Dossier für Arbeitszeitverkürzung externer Link. Herausgegeben wird es zusammen mit attac, dem Institut für Solidarische Moderne, sanktionsfrei und 350.org. Wir schlagen eine kollektive Arbeitszeitverkürzung auf 28h und eine 4-Tage-Woche vor. Durchgeführt bei vollem Lohnausgleich und mit Personalausgleich, gestaltet und erkämpft von den Beschäftigten, ist sie ein essentieller Teil eines sozial-ökologischen Umbaus…“  Mitteilung des Konzeptwerks Neue Ökonomie e.V.  – das Dossier gibt es auch als Kurzfassung externer Link

  • Zeitenwende: Weniger arbeiten ist besser? 
    Weniger Zeit mit Arbeit verbringen und mehr leben, ist seit den Corona-Lockdowns öfter zu hören. Ein Resultat dieser Entwicklung ist der vielfach beklagte Fachkräftemangel – nicht das einzige Problem. (…) Mit der Corona-Pandemie und den ersten Lockdowns wurden Unternehmen die Möglichkeit gegeben, ihre Mitarbeiter in staatlich unterstützte Kurzarbeit zu schicken. Sie mussten in dieser Situation mit weniger Lohn auskommen, erfuhren aber auch, dass sie weniger Gelegenheit hatten, Geld auszugeben und lernten, sich in der gewonnenen zusätzlichen Freizeit nicht nur einzurichten, sondern auch wohlzufühlen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kippte bei einem beträchtlichen Teil der betroffenen Bevölkerung die althergebrachte deutsche Grundeinstellung, man lebe, um zu arbeiten, in ihr südländisch angehauchtes Gegenteil: Dass man nur noch so viel arbeiten will, wie man für das Leben benötigt. Plötzlich machten Ideen wie Work-Life-Balance mit neu gestiegener Beachtung die Runde und verdrängten mehr und mehr das zuvor verbreitete „Hamsterlaufrad“ der beruflichen Karriere. Die Arbeitswelt erhielt in den Lebensentwürfen mächtige Konkurrenz in der Selbstverwirklichung außerhalb der direkten beruflichen Aktivität. (…) Eine direkte Folge der reduzierten Arbeitszeiten ist die Verminderung der Arbeitsvolumina, die von den Beschäftigten erbracht werden können. Bei kleineren Betrieben fängt das Problem damit an, dass man kaum neue Mitarbeiter findet und erst recht keine, welche flexibel die frei werdenden Arbeitsvolumina füllen wollen. (…) Arbeit muss wieder Spaß machen dürfen, dann freut man sich auch nicht ab 45 auf die Rente und ist sauer, wenn das Renteneintrittsalter immer weiter in die Zukunft verschoben werden soll. Der Fachkräftemangel geht erst wieder zurück, wenn die Fachkräfte auch für ihre Arbeit geachtet werden und man ihre Arbeit wertschätzt…“ Kommentar von Christoph Jehle vom 17. Dezember 2022 in Telepolis externer Link
  • »Bündnisbildungen sind zwingend nötig«. Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung könnte die Gewerkschaften mit der Klimabewegung zusammenbringen 
    Oft stehen die Ziele von Gewerkschaften und Klimabewegung in Konflikt zueinander, doch der Kampf um eine Verkürzung der Arbeitszeit ist ein Feld, auf dem sie zusammenarbeiten könnten, argumentiert der Arbeitssoziologe“ Steffen Liebig im Interview von Tobias Prüwer vom 16. Juni 2022 aus Jungle World 2022/24 externer Link: „… Die gegenseitige Distanz geht darauf zurück, dass bei großen Teilen der Klimabewegung die Konsum- und die Wachstumskritik im Fokus stehen, ­weniger die Interessen von Lohnabhängigen und betriebliche Konflikte. Auf der anderen Seite haben die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren große Teile ihrer Mitglieder- und Machtbasis und ihres gesellschaftlichen Gestaltungsanspruchs eingebüßt. (…) Die einen sind machtlos und verfolgen eher individuelle Ansätze, die anderen verknüpfen arbeitsmarktpolitische Ziele zu zögerlich mit der sozialökologischen Transformation. (…) Arbeitszeitverkürzung sichert Beschäftigung, aber nicht wie üblich primär über Wirtschaftswachstum. Da wirtschaftliche Aktivitäten mit Ressourcenverbrauch und Emissionen einhergehen, ist dies ökologisch vorteilhafter als der klassische Wachstumspfad. (…) Grundsätzlich kann Arbeitszeitverkürzung aber nur ein Baustein einer ökologischen Politik sein.(…) Die gewerkschaftlichen Kämpfe für Arbeitszeitverkürzungen haben ihre systemische Grenze im Erhalt beziehungsweise der Steigerung der Konkurrenzfähigkeit der Einzelkapitale auf dem Markt. Dem konkurrenzgetriebenen »Heißhunger nach Mehrarbeit«, wie Marx es nennt, und der immer »dichteren Ausfüllung der Poren der Arbeitszeit« sollte die radikale Perspektive einer bedürfnisorientierten Absenkung der Arbeitszeit entgegengestellt werden – auch aus ökologischen Gründen. Diese Perspektive scheint in der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung immer durch. Das absolute Arbeits­volumen könnte abgesenkt werden. Dabei müssten zeitliche und materielle Umverteilungen sicherstellen, dass das nicht wie bisher zu Erwerbslosigkeit und sozialer Existenzangst führt.“
  • Die Freizeit ist reif. Weniger arbeiten und damit Gutes für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft tun 
    Weniger arbeiten und damit Gutes für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft tun – klingt zu schön, um wahr zu sein? Wissenschaftler:innen der Universität Bern zeigen: Eine andere Arbeitswelt wäre möglich. Die junge Generation sei faul und würde lieber arbeitslos als unzufrieden mit ihrer Arbeit sein, monieren Gegner:innen einer allgemeingültigen Reduktion der Erwerbstätigkeit. Doch was ist es, das eine Arbeitszeitreduktion so attraktiv macht? (…) Was paradox klingt, ist in der Schweiz Normalität. Die Bewahrung des Wohlstands durch individuellen Fleiss und mehr Arbeit gilt als Schweizer Selbstverständlichkeit. Nun aber bringt die Wissenschaft selbst diese Erzählung ins Wanken: Das Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern veröffentlichte kürzlich ein Paper zum Thema Arbeitszeitreduktion. Dieses zeigt, dass eine gesamtgesellschaftliche Reduktion der Erwerbsarbeit grosses Potential für positive Einflüsse auf Umwelt, Lebenszufriedenheit und eine funktionierende Wirtschaft haben könnte. „Bis vor kurzem wäre eine Reduktion der Wochenarbeitszeit in der Schweiz eine Sache der Unmöglichkeit gewesen“, sagt Christoph Bader, Wissenschaftler am CDE, der an besagtem Paper beteiligt war. Auch die Pandemie habe vor Augen geführt, wie schnell die Politik zu reagieren fähig sei – zum Beispiel durch die Finanzierung der Kurzarbeit, meint Bader. Dies habe den Weg geebnet zur erneuten Auseinandersetzung mit der Arbeitszeitreduktion. (…) Die positiven Auswirkungen auf das Klima sind ein essentieller Grund, der für eine Reduktion der Erwerbsarbeitszeit spricht. Gemäss Studien zu OECD-Ländern würde sich unser CO2-Fussabdruck im Durchschnitt um ganze 14,6 Prozent reduzieren, wenn wir unsere Arbeitszeit um zehn Prozent verringern würden. Eine Verringerung um 25 Prozent entspräche sogar einem um 36,6 Prozent geringerem ökologischen Fussabdruck. Diese Reduktion beinhaltet einerseits die gesparte Energie durch weniger Produktion, aber auch das Wegfallen von Pendelstrecken. „Natürlich ist das nur eine Modellrechnung“, kontextualisiert Bader die genannten Zahlen. Der Zusammenhang von geleisteten Arbeitsstunden und CO2-Emissionen ist ausserdem nicht für alle Länder gleich. „Für weniger stark entwickelte Volkswirtschaften ist ein steigendes Wachstum möglicherweise immer noch sinnvoll, während wir in der Schweiz mit unserem Konsum deutlich runter sollten“, erklärt der Wissenschaftler. Ausschlaggebend sei das Zusammenspiel des Arbeitszeit- und Einkommensniveaus und die Art und Weise, wie die neu gewonnene Zeit genutzt wird. Studien zeigen, dass wir gerade in unserer Freizeit die meisten Emissionen verursachen, insofern wir das Geld dazu haben. Denn je mehr wir verdienen, desto grösser werden unser Klima-Fussabdruck und Ressourcenverbrauch. Der Zusammenhang liegt auf der Hand: Wer mehr Geld hat, lebt tendenziell auf grösserem Fuss, verreist öfter und kauft sich mehr Dinge, als Personen mit weniger Geld. (…) Christoph Bader: „Wir führen diese skurrile Diskussion über Produktivität. Aber in der Bildung oder der Gesundheit wird nichts produziert, das immer noch effizienter geleistet werden könnte, sondern man bietet eine möglichst gute Dienstleistung an. Wir müssen also ein anderes Mass als die Arbeitsproduktivität finden, eine Art von Qualitätsmass. Es braucht ein anderes Ziel als das Wachstum der Wirtschaft als Selbstzweck.“ Die Wirtschaft stecke in der sogenannten Produktivitätsfalle, so Bader…“ Beitrag von Kira Kynd vom 26. April 2022 bei Das Lamm externer Link
  • Lasst uns Arbeitszeit verlieren! HEISSE ZEITEN – über den Zusammenhang von Arbeitszeiten und Umweltfragen 
    „Noch nie konnte eine kleine Gruppe von Klimaaktivist*innen über Wochen so die Schlagzeilen dominieren wie der »Aufstand der letzten Generation«. Die Aktivist*innen lösen zielsicher die maximalen Empörungsreflexe aus, indem sie sich einfach täglich vor Autos setzen – auf dem Arbeitsweg oder gar im Arbeitseinsatz. Autos, Arbeit: gleich zwei deutsche Sakrilege auf einmal. Über die Aktionen, Reaktionen und den Autokult ist schon allerlei gesagt worden, aber die Sache mit den Deutschen und der Arbeit verdient aus Klimasicht einen zweiten Blick. Denn eine allgemeine Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit wäre der mächtigste Türöffner für eine klimagerechte Transformation. (…) Nun wäre durch kürzere Normarbeitszeiten und entsprechende Umverteilung von Arbeit jede Menge zu gewinnen. Die bisher auf dem Arbeitsmarkt Ausgeschlossenen hätten größere Chancen auf materielle und gesellschaftliche Teilhabe. Den Überarbeiteten winken freie Zeit und Jobsicherheit. Privatisierte Sorgearbeit könnte so geschlechtergerechter verteilt werden, auch wenn das kein Automatismus wäre. Die gewonnene Zeit erleichterte auch reale politische Teilhabe und damit Demokratisierung. Ökologisch bedeutete das unmittelbar weniger Verkehr und langfristig bessere Voraussetzungen für den Abbau überflüssiger Produktion. Abbauen ließen sich auch klimapolitische Widerstände: Nur bei Arbeitszeitverkürzung wären deutsche Exportindustrien wirklich nachhaltig umbaubar, ohne Zigtausende Jobs zu streichen. Dieser Ansatz könnte das Spielfeld für diverse – damit freilich noch nicht gewonnene – politische Konflikte gründlich umgraben. Statt Klimaschutz defensiv über endlose Verzichtsdebatten zu diskutieren, könnten wir hier ein ehrliches Versprechen auf mehr Lebensqualität milieuübergreifend anschlussfähig machen. Die lange Liste von Gewinner*innen eröffnet Bündnismöglichkeiten, auch zwischen Akteur*innen, die sonst schwierig zueinanderfinden, wie Klimabewegung und Gewerkschaften. (…) Bei niedrigeren Einkommen muss es natürlich mindestens um vollen Ausgleich gehen. Auch müsste die verhärtete Arbeitsideologie dafür mindestens aufgeweicht werden, zuerst in den Gewerkschaften selbst – in Deutschland schon eine mitteltiefe Kulturrevolution. Aber ohne eine solche ist Klimagerechtigkeit nicht vorstellbar…“ Kommentar von Lasse Thiele vom 27. Februar 2022 in neues Deutschland online externer Link
  • Wie die 30-Stundenwoche unser Klima und unsere Gesundheit rettet 
    „… Die Kolleg:innen der Berliner Krankenhausbewegung streiken momentan für ein Tarifvertrag Entlastung. Zentrale Forderungen sind ein Belastungsausgleich in Form von freien Tagen, aber auch der Kampf für mehr Personal. (…) Die Durchsetzung von Forderungen nach mehr Personal kann nur gehen, wenn der Pflegeberuf überhaupt wieder attraktiver wird für junge Menschen. Die Verkürzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden die Woche für alle ohne Ausnahmen bei vollem Lohnausgleich ist dabei ein wichtiger Schritt. Ungenügendes Personal führt dazu, dass seit Jahren Krankenhäuser geschlossen werden, Betten gestrichen werden und so die Gesundheitskrise weiter verschärft wird, um ihre Profite zu sichern. Solch eine Kampagne muss vor allem von den Gewerkschaften getragen werden. (…) Denn der Strukturwandel in der Industrie hat für viele Beschäftigte fatale Folgen. Nicht etwa, weil ihre Arbeit nicht mehr nötig ist, sondern weil die Bosse – oft in Zulieferbetrieben zu großen Konzernen – die Produktion ins Ausland verlagern wollen, letztlich um billiger zu produzieren. Die Kolleg:innen bei Bosch in München wehren sich jedoch gegen solche Pläne. Statt der Verlagerung der Produktion im Sinne der Bosse müssen die Gewerkschaften dafür kämpfen, dass es Umschulungen für alle Beschäftigten auf Kosten der Bosse gibt. Das muss verbunden werden mit einem Verbot von Schließungen und Massenentlassungen. (…) Natürlich ist es günstiger für die Bosse, irgendwelche Sozialpläne auszuhandeln, als die Kosten Umschulungen aller Beschäftigten und die Umstellung auf umweltfreundliche Produktion zu übernehmen. Gerade deshalb muss diese Umstellung von Beschäftigten selbst in Planungskommissionen in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und der Klimabewegung organisiert werden. Nicht nur, um Arbeitszeitverkürzungen durchzusetzen, sondern auch um klimafreundlich zu produzieren, ohne Rücksicht auf die Profite der Bosse. (…) Dabei bedeutet es für uns vor allem, die Produktion grundsätzlich im Interesse von uns Arbeiter:innen umzustellen und nicht weiter für die Profite der Bosse zu schuften – egal wie umweltfreundlich sie sich geben. Die Umstellung der Produktion in der Industrie kontrolliert von Planungskommissionen der Kolleg:innen sowie eine Pflege allein im Interesse unser Gesundheit kontrolliert von Beschäftigten und Patient:innen wären beides wichtige Schritte um diesen Übergang hin zu einer sozialistischen Gesellschaft zu schaffen.“ Beitrag von Bastian Schmidt vom 25. September 2021 bei ‚Klasse gegen Klasse‘ externer Link
  • Free day for future! Arbeiten schadet dem Klima. Also lassen wir es doch. Ein Plädoyer für die Viertagewoche 
    Ich weiß nicht, was Sie denken, aber ich sehe es so: Der deutsche Klimaschutz steckt in einer Sackgasse. Nachdem vor einem Jahr noch so etwas wie Wechselstimmung in der Luft lag, stellt sich nun Resignation ein: Die Politiker mit ihren Klimapaketchen handeln zu zaghaft. Die Wirtschaft ist offenbar zu mächtig, um sich reglementieren zu lassen. Die Fridays-for-Future-Aktivisten, die im Grunde nicht mehr als die Einhaltung vereinbarter Ziele fordern, gelten manchen als nörgelnde Asketen, die dem kleinen Mann das Schnitzel und den Malle-Urlaub streichen wollen. (…) Sie kennen das alles schon; danke, dass Sie noch weiterlesen. Jetzt kommt etwas Neues, versprochen. Ich habe nämlich die Lösung: Wir müssen den Verzicht nicht dort suchen, wo er wehtut – sondern dort, wo er erträglich ist. Was, wenn es eine Beschränkung gäbe, die regelrecht Freude bringen könnte, um nicht zu sagen: Freiheit! Sind Sie bereit? Deutschland muss auf das verzichten, was niemandem Spaß macht – arbeiten! Ich fordere: Free day for future! Einen Wochentag frei für alle. Bei vollem Lohnausgleich. (…) In einer Zeit, in der viele Bullshit-Jobs mehr einer Beschäftigungstherapie als wertschöpfender Arbeit gleichen, in der durch die Digitalisierung ganze Berufssparten wegfallen, in der eine Burn-out-Phase im Lebenslauf fast schon zum Standard gehört und in der Wünsche nach einer gleichberechtigten Familien- und Karriereplanung das Vollzeitmodell ins Wanken gebracht haben, wäre eine geringere Arbeitszeit für alle keine radikale Zukunftswette – sondern die überfällige Anpassung der Arbeit an die Lebenswelt von Millionen Menschen. (…) Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass es einen Zusammenhang zwischen Arbeitsstunden und Emissionen gibt. Erste Hinweise darauf lieferte 2005 die Bostoner Soziologieprofessorin Juliet Schor. Sie verglich die durchschnittlichen Arbeitsstunden verschiedener Staaten mit deren ökologischem Fußabdruck – und stellte eine positive Korrelation fest. Die Ökonomen David Rosnick und Mark Weisbrot skizzierten 2006 zwei verschiedene Beschäftigungsmodelle: das amerikanische (viele Arbeitsstunden) und das europäische (im Schnitt weniger bei ähnlicher Leistung). Sie empfahlen der US-Wirtschaft, sich die kürzeren Arbeitszeiten in der EU als Vorbild zu nehmen. So ließen sich 20 Prozent Energiekosten einsparen. Die Ökonomen überschlugen auch, was passieren könnte, wenn alle Menschen so lange arbeiten würden wie die Amerikaner: eine Erwärmung des Planeten um zusätzliche ein bis zwei Grad…“ Beitrag von Quentin Lichtblau vom 16. Januar 2020 bei der Zeit online externer Link
  • [Nur noch sechs Stunden pro Woche?] Studie: Arbeitszeit und Klimawandel
    Um beim gegenwärtigen Emissionsniveau der Klimakrise effektiv zu begegnen, dürften Menschen in Deutschland künftig nur noch sechs Stunden pro Woche arbeiten. Zu diesem Ergebnis kommt Philipp Frey vom ITAS in seiner Studie „The Ecological Limits of Work“. Arbeit schafft Werte, Güter, Dienstleistungen – und Treibhausgasemissionen. Wieviel dürften wir also arbeiten, um die Klimaerwärmung und ihre potenziell dramatischen Folgen noch aufzuhalten? Dieser Frage ist Philipp Frey nachgegangen, der am ITAS als Doktorand zum Themenfeld Technik und Arbeit forscht. Das Ergebnis seiner Studie: Um bei heutigem Emissionsniveau das 2-Grad-Ziel – die offizielle Zielsetzung der Europäischen Union – einzuhalten, dürften deutsche Beschäftigte nur noch sechs Stunden pro Woche arbeiten. In Großbritannien wären zur Einhaltung desselben Ziels noch neun, in Schweden 12 Wochenarbeitsstunden möglich. (…) Dass in Deutschland die geringste Arbeitszeit pro Woche „erlaubt“ wäre, liege, so Frey, an dem starken industriellen Sektor. Großbritannien habe einen vergleichsweise starken Dienstleistungsbereich, in Schweden würden dank des großen Anteils erneuerbarer Energien die Emissionen pro Arbeitsstunde geringer ausfallen. „Es wäre zu eindimensional gedacht, für die Lösung der Klimakrise ausschließlich bei der Arbeitszeit anzusetzen, hier sind vielfältige Maßnahmen gefragt“, stellt Philipp Frey klar. Das Ziel seiner Studie sei es vielmehr, die Herausforderungen in Bezug auf die Klimakrise anschaulich zu machen und für den Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und CO2-Emissionen zu sensibilisieren. Bei der Umstellung auf eine nachhaltigere Wirtschaft müsse auch über eine Reduzierung von Arbeitszeit nachgedacht werden. Andernorts werde darüber bereits intensiv diskutiert, beispielsweise über eine Vier-Tage-Woche in Großbritannien...“ Mitteilung vom 03.07.2019 des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse externer Link (ITAS) und die Studie The Ecological Limits of Work: on carbon emissions, carbon budgets and working time externer Link von Philipp Frey
  • Wenn du was gegen den Klimawandel tun willst, geh weniger arbeiten
    Wenn wir unseren Planeten retten und die Klimakrise eindämmen wollen, sollten wir dringend weniger arbeiten. Hier steht, warum. (…) In seiner Studie kommt Frey zu dem Schluss: Wenn wir etwas ausrichten wollen, müssen wir unsere Arbeitszeit reduzieren. Anstelle der üblichen 40 Stunden wäre laut des Papers eine neun-Stunden-Woche nachhaltig. So sagte auch der Leiter des Think Tanks, Will Stronge, dem britischen Guardian: „Der Weg zu einer grünen, nachhaltigen Gesellschaft erfordert ein Reihe von Strategien – eine kürzere Arbeitswoche ist nur eine davon.“ Dabei sind andere positive Auswirkungen von weniger Arbeit auf unseren Planeten – wie beispielsweise geringeres Verkehrsaufkommen durch weniger Pendler*innen, niedrigere Produktion von Gütern und weniger Transport durch weniger Konsum – nicht mal berücksichtigt. (…) Warum genau weniger Arbeitszeit, auch über das nachhaltige BIP hinaus, so wichtig ist, erklärt die österreichische Klimaforscherin und emeritierte Professorin Helga Kromp-Kolb genauer: „Die Klimakrise ist ein Symptom für die Übernutzung der Ressourcen unseres Planeten. Diese Übernutzung hängt einerseits mit der Zahl der Menschen zusammen; andererseits auch mit unserem Lebensstil und mit den Energieträgern und Materialien, die wir nutzen, um ihn zu ermöglichen“, sagte Kromp-Kolb zu ze.tt. „Wenn wir unsere materiellen Ansprüche zurückschrauben – und das müssen wir, auch mit einer Kreislaufwirtschaft – dann muss weniger produziert werden, dadurch wird der Planet entlastet und die Arbeitszeit sinkt.“ Weniger arbeiten, weniger Dienstleistungen einkaufen und stattdessen wieder mehr selbst machen – dazu gehören beispielsweise Reparaturen, Gartenarbeit und Gemeinschaftsdienst – all das kann auch dabei helfen, Ressourcen zu schonen. „Es ist nicht die Arbeitszeit per se, auf die es ankommt – es ist die Frage, was wir in dieser Zeit machen“, sagt auch die Klimaforscherin…“ Artikel von Jessica Wagener vom 03. Juni 2019 bei ze.tt externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=151185
nach oben