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Solidarität mit Rozbrat: Seit 25 Jahren besetztes soziales Zentrum in Poznan von Räumung bedroht!

Dossier

Plakat zum 25. Jahrestag der Besetzung des kulturellen Zentrums Rozbrat in Poznan - das im Juni 2019 mit Räumung bedroht wirdSeit 1994 sind Gelände und Gebäude in Poznan besetzt – als politisches, soziales und kulturelles Zentrum und als Wohngebäude. Jetzt soll diese traditionelle Anlage versteigert werden – und entsprechend steht die Räumung „im Raum“. Die Räumung droht dabei unter anderen Gruppierungen wie Food not Bombs, dem Free Caucasus Committee oder dem Anarchistischen Schwarzen Kreuz und der Workers Initiative Trade Union. Das Zentrum war während seiner ganzen bisherigen Existenz – und wird es auch in Zukunft sein – auch als ein Modell gegen die Reprivatisierung von Wohnraum gedacht und gemacht, was auch in Poznan, wie überall in Polen, eine wichtige Auseinandersetzung der sozialen Bewegungen des Landes mit der Politik kapitalistischer Restauration war und ist. In dem Beitrag „One of the oldest European squats calls for solidarity in face of eviction threat“ am 06. Juni 2019 bei Freedom News externer Link dokumentiert, stellen die Autoren aus dem Kreis der Aktiven Geschichte und Gegenwart des Projektes dar – unter dem Motto „Wir waren hier, wir sind hier und wir werden hier sein. Und sie rufen zur finanziellen Solidarität auf, angesichts einer anstehenden längeren juristischen Auseinandersetzung (Angaben dazu im Text). Siehe dazu weitere Informationen und nun die deutsche Übersetzung des Solidaritätsaufrufes:

  • Solidaritäts-Kundgebung mit Rozbrat am 2. September 2019 in Berlin – wichtig auch wegen der besonderen Rolle, die dieses Zentrum innehat 
    „… Die Regierungspartei PiS versucht seit Jahren, nicht nur Medien und Justiz für sich zu vereinnahmen, sondern bekämpft auch aktiv die kritische Zivilgesellschaft in Polen. Unter der PiS-Herrschaft wurde ein umfassender autoritärer Umbau von Staat und Gesellschaft in Angriff genommen, von dem bereits vieles verwirklicht wurde. Die katholische Kirche erwies sich dabei als wichtiger Bündnispartner der Regierung: Denn es ist die Kirche, die vor allem in ländlichen Regionen in der Lage ist, das Wahlverhalten der Bevölkerung zugunsten der PiS zu beeinflussen. Während der letzten vier Jahre konnte die PiS-Regierung ihre Macht ausbauen. Oppositionelle Kräfte sind, wie die Europawahlen in diesem Jahr gezeigt haben, derzeit nicht in der Lage, eine ernsthafte Alternative zu bieten. Zudem sind sie weitgehend zerstritten. Am 13. Oktober 2019 finden in Polen erneut Parlamentswahlen statt, bei denen im schlimmsten Fall die PiS die absolute Mehrheit im polnischen Parlament erringen könnte. Düstere Aussichten also (…) In der westeuropäischen Linken heute weitestgehend in Vergessenheit geraten, gab es in Polen in den 80er Jahren starke anarchistische Bewegungen. An diese Tradition anknüpfend hat sich das soziale und kulturelle Zentrum Rozbrat in den vergangenen Jahrzehnten als wichtige politische Plattform und Ausgangspunkt für Widerstand etabliert: Im Rozbrat wurden und werden unterschiedliche Kämpfe, ob Anti-Kriegs-Aktionen, Antifaarbeit, feministische oder ökologische Strukturen, Proteste der Mieter-Bewegung und Arbeiter*innenkämpfe vorbereitet, durchgeführt und zusammengeführt. Das Rozbrat ist damit auch weit über die Szene und über die Stadt Poznan hinaus als wichtige politische und kulturelle Institution bekannt…“ – aus dem Artikel „Das anarchistische Herz Polens“ von Stanis Love und Marek Jakubowski am 31. August 2019 im re:volt Magazin externer Link – in dem auch abschließend aufgerufen wird zur Kundgebung in Berlin: Am Montag, 02.September 2019 um 16.00 Uhr, Ort: Polnisches Institut Berlin Burgstraße 27, 10178 Berlin. Zur Solidarität mit Rozbrat auch ein Interview mit 2 Aktivisten, sowie ein Mobilisierungsvideo zur Protestkundgebung in Berlin – und zur Demonstration am 14. September in Poznan:

    • „»Es wäre ein dramatischer Verlust«“ am 22. August 2019 in der jungle world online externer Link ist ein Interview von Peter Nowak mit Marek Jakubowski und Stanislaw Kowalski zur Solidarität mit Rozbrat, in dem die beiden Aktiven der Gruppe Postkom unter anderem unterstreichen: „… Im Gegensatz zu manch einem autonomen Zentrum in Deutschland handelt es sich beim Rozbrat nicht nur um einen Ort linker Subkultur, wo verschiedene Veranstaltungen und Konzerte stattfinden, sondern es ist als soziales Zentrum enorm wichtig für die politischen Bewegungen. Nicht nur politische Initiativen nutzen das Rozbrat, es beherbergt auch die größte anarchistische Bibliothek in Polen und bringt verschiedene Generationen der polnischen Linken zusammen. Wer ins Rozbrat geht, trifft auch viele sogenannte normale Leute, die aus der Stadt kommen und am Geschehen im Zentrum teilnehmen. Das Rozbrat könnte somit auch eine Vorbildfunktion für viele linke Zentren in Deutschland haben. (…) Das Rozbrat ist nach 25 Jahren erfolgreichen Wirkens aus der Stadt nicht mehr wegzudenken und besitzt in Poznań einen ähnlichen Stellenwert wie die Rote Flora in Hamburg, ohne eine touristische ­Attraktion zu sein. Zahlreiche Kulturschaffende aus ganz Polen und Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt haben sich inzwischen mit dem Rozbrat solidarisch erklärt. Sollte das Zentrum zwangsgeräumt werden, wäre das ein dramatischer Verlust für die gesamte Region. Für den 14. September ist eine große Solidaritätsdemonstration in Poznań geplant…“
    • „Rozbrat bleibt! Das älteste besetzte Haus in Polen steht vor der Zwangsräumung“ von Left Vision am 27. August 2019 bei You Tube externer Link eingestellt, ist ein Solidaritätsaufruf-Video, in dessen Begleittext es unter anderem heißt: „… Ähnlich wie in Berlin ist auch in Polen zu beobachten, dass alternative Einrichtungen aus politischen und ökonomischen Gründen verdrängt werden sollen. Weit über die Szene und über Poznan hinaus, ist das Rozbrat eine wichtige kulturelle und politische Institution in Polen. Mehrere Generationen von Aktivist*innen, die bei vielen bedeutenden Mobilisierungen und Debatten über gesellschaftliche Themen eine entscheidende Rolle spielten, haben sich hier organisiert. Wer echte Opposition sucht und das konservative und neoliberale politische Lager in Polen genauso hasst wie die faschistische Rechte, ist dazu aufgerufen das Rozbrat und andere autonome Projekte mit allen verfügbaren Mitteln aktiv zu unterstützen“.
  • „Rozbrat  bleibt! – Das älteste besetzte Haus in Polen steht vor der Zwangsräumung“ / Spendenaufruf 
    Im Oktober feiert das Rozbrat-Squat sein 25. Jubiläum, doch seine Zukunft ist ungewiss. Ein Gerichtsvollzieher plant die Versteigerung des von uns besetzten Grundstücks. Doch wir werden es nicht kampflos hergeben!
    Vor einigen Jahren reichte Rozbrat eine Klage ein, um wegen offensichtlicher Inbesitznahme die Rechte an dem von uns besetzten Grundstück zu bekommen. Der Fall ist weiterhin offen. Trotzdem hat der Gerichtsvollzieher am 15. Mai 2019 einen Schätzwert für das von uns besetzte Grundstück festgelegt, was eine Versteigerung und potentielle Zwangsräumung von Rozbrat drohen lässt. Das Datum der Versteigerung ist noch unbekannt, doch das kann sich schnell ändern.
    Die Geschichte des Geländes ist komplex: Es wurde 1948 verstaatlicht, aber mit dem Übergang zum Kapitalismus wurde es in einer zweifelhaften Reprivatisierung durch ein privates Unternehmen übernommen. Diese Firma nahm hohe Kredite auf doch ging bankrott. Die Bank verkaufte das Darlehen an ein Schuldenhandelsunternehmen, das nun den Verkauf des Grundstücks durch den Gerichtsvollzieher fordert. Der Wert des Grundstücks wurde jetzt auf 6 Millionen PLN (1,4 Millionen Euro) geschätzt.
    Der Bürgermeister von Poznan hat verkündet, dass er keine Instrumente habe, um die Bank zu zwingen, auf den Anspruch auf das Grundstück zu verzichten und den Anarchist*innen den Besitz zu belassen. Doch wir wissen, dass die staatlichen und lokalen Regierungen Möglichkeiten haben, den sozialen Besitz des Grundstücks zu verteidigen. Sie weigern sich schlichtweg, von diesem Recht Gebrauch zu machen und die Bodenspekulation zu stoppen. Der Gerichtsvollzieher, die Immobilienspekulanten und ihre politischen Verbündeten haben wieder einmal rechtliche Schritte eingeleitet, um uns loszuwerden.
    Es ist unsere Überzeugung, dass dieses Areal nach nun 25 Jahren Nutzung der Rozbrat-Community gehört und kollektives Eigentum der Bewegung bleiben muss. Wir werden es nicht ohne Kampf aufgeben. Rozbrat hat sich unzählige Male als gemeinnützig erwiesen – im Gegensatz zu den Behörden, die sich in den Dienst der privaten Interessen von Wohnungsunternehmen stellen.
    Im Laufe der letzten 25 Jahre wurden bei Rozbrat Tausende Veranstaltungen organisiert: Konzerte, Ausstellungen, Theateraufführungen, Vorträge, Seminare und Workshops. Rozbrat hat etliche Graswurzelinitiativen unter einem Dach vereint: die anarchistische Bibliothek und den dazugehörigen Verlag, die kostenlose Fahrradwerkstatt, verschiedene autodidaktische Initiativen, eine Druckwerkstatt, einen Sportverein, die Küche von Food not Bombs, einen Proberaum für Musiker*innen und vieles mehr.
    Rozbrat ist auch das Zuhause mehrerer Generationen von Aktivist*innen, die bei vielen bedeutenden Mobilisierungen und Debatten über gesellschaftliche Themen eine entscheidende Rolle gespielt haben. Aktivist*innen von Rozbrat und der Poznaner Anarchistischen Föderation haben offensiv die am meisten ausgegrenzten Bewohner*innen unserer Stadt verteidigt. Sie haben Dutzende von Arbeits-, Mieter- und Umweltprotesten unterstützt und angestoßen. Wir waren es, die die Wielkopolskie Stowarzyszenie Lokatorów, den regionalen Mieterverein, mitgegründet haben. Wir waren es, die das Problem der illegalen Vertreibungen ans Licht brachten, indem wir Zwangsräumungsblockaden organisierten, die es unmöglich machten, kranke, oft behinderte Menschen, ältere Menschen und Eltern mit Kindern auf die Straße zu werfen. In Rozbrat fanden vor 15 Jahren die ersten Treffen der Basisgewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (IP) statt, an denen der legendäre Gewerkschafter Marcel Szary teilnahm. Rozbrat war auch der Ausgangspunkt für unzählige Demonstrationen zur Verteidigung von Parks und Grünanlagen in unserer Stadt.
    Wir haben Tausende durch Kapitalismus und Staat Geschädigte organisatorisch, rechtlich und moralisch unterstützt und auch anderen unabhängigen Gruppen in Polen zur Seite gestanden. Wir haben Hunderte Kundgebungen und Demonstrationen organisiert, die die Verachtung von Menschen mit niedrigerem materiellen Status, einer anderen Hautfarbe oder abweichenden Sichtweisen verurteilten. Dieser Ort ist zudem zu einem temporären und dauerhaften Zufluchtsort für zahlreiche Menschen ohne Obdach geworden. WIR BRAUCHEN GELD FÜR DIE JURISTISCHE VERTEIDIGUNG. UM UNS ZU UNTERSTÜTZEN BITTE SPENDEN AN:
    Kontoinhaber: Wielkopolskie Stowarzyszenie Lokatorów
    IBAN: PL03 1160 2202 0000 0002 3589 7475
    BIC/SWIFT: BIGBPLWXXX
    Name der Bank: Bank Millennium S.A.
    Verwendungszweck: Donation to defend Rozbrat
  • #rozbratzostajeexterner Link ist der Hashtag, unter dem erste Solidaritäts-Aktivitäten gesammelt wurden.
  • @kapturakexterner Link liefert auch zum Kampf um Rozbrat laufend deutschsprachige Informationen.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=149976
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