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Sudan

Der Kampf um den „Übergang“ im Sudan geht weiter – die Massenproteste erst recht

Zur Ikone der Bewegung im Sudan geworden: Der Zug aus Atbara bringt Demostranten nach KhartumIn den festgefahrenen Verhandlungen zwischen Demonstranten und Militärführung im Sudan haben Vermittler die Gründung zweier Übergangsräte vorgeschlagen: einen unter Leitung des Militärs, der andere unter Leitung der Zivilisten. Der neue Militärrat solle demnach für die Sicherheit zuständig sein, sagte Omar al-Digeir, der der Allianz für Freiheit und Wandel angehört, einer der einflussreichsten Gruppen der Protestbewegung, am Sonntag. Welche Aufgaben die beiden Gremien hätten, müsse noch entschieden werden, sagte al-Digeir. Bei den Vermittlern handelt es sich um Geschäftsmänner, Journalisten und Prominente der sudanesischen Gesellschaft. Ob beide Seiten dem Vorschlag zustimmen oder an einem gemischt besetzten Komitee festhalten, war unklar. Ende April hatten die Protestbewegung und die Militärführung ein gemischtes Gremium zur Beratung über einen Ausweg aus der politischen Krise des Landes beschlossen, konnten sich aber nicht über dessen Zusammensetzung einigen. Ein Vertreter der Protestbewegung erklärte bereits, er sei gegen zwei Räte. Die Bewegung wolle nur einen «symbolischen Regierungsrat» mit Militärvertretern, sagte Siddig Jussef, Chef der kommunistischen Partei. Die Entscheidungsgewalt müsse beim Parlament und beim Kabinett liegen…“ – aus der (afp)-Meldung „Im Sudan schlagen Vermittler zwei Übergangsräte vor“ am 05. Mai 2019 bei der NZZ online externer Link, wobei nichts dazu gesagt wird, wie diese „Vermittlung“ zustande gekommen ist… Siehe zur Auseinandersetzung um den „Übergang“ zwei weitere aktuelle Beiträge, sowie zwei Berichte über die Proteste und Auseinandersetzungen im Alltag sowie ein Appell – und natürlich der Hinweis auf den bisher letzten unserer zahlreichen Beiträge zum Sudan:

  • „Armee soll mitregieren“ von Gerrit Hoekman am 06. Mai 2019 in der jungen Welt externer Link zu diesem Vorschlag: „… Das neue Vermittlungskomitee besteht nach AA-Informationen aus dem Geschäftsmann Osama Dawud, dem Aktivisten Nasreddin Salkani und dem 91jährigen Mahdschub Mohammed Salih. Salih hat sich als Journalist den Ruf erworben, die unerschrockene Stimme des Sudan zu sein. Dem militärischen Übergangsrat schlägt das Komitee laut AA einen provisorischen Präsidialrat vor, der zehn Personen umfassen soll. Sieben Zivilisten und drei Militärs. Vorsitzender soll General Abdel Fattah Burhan werden, der aktuelle Chef des Militärrats. Gleichzeitig wird ein Rat für Sicherheit und Verteidigung eingerichtet, in dem die Generäle mit sieben von zehn Sitzen die Mehrheit haben. Die Kommunistische Partei im Sudan lehnt den Vorschlag ab. Sie besteht auf einem rein zivilen Präsidialrat. Alles andere öffne die »Tür für eine Konterrevolution«, zitierte die Sudan Tribune am Sonnabend aus eine Stellungnahme der Partei. »Die Anwesenheit von Militärs in einem zivilen Gremium festigt den Eindruck eines Militärputsches.«…“
  • „Mit Geduld in die Freiheit“ von Ilona Eveleens am 03. Mai 2019 in der taz externer Link ist eine Alltagsreportage, die einen Schwerpunkt in Gesprächen mit aktiven Frauen hat – und auch auf die Aktivitäten islamistischer Kräfte hinweist: „… Plötzlich kommt ein Mann herein: Hassan Ahmed Hassan, ein 26-jähriger Ingenieur. Er schaut verdattert um sich. Nach einiger Zeit sagt er zuversichtlich: „Das hier wird bald ein Ende haben. Die islamische Bewegung starb nicht mit dem Abzug von Bashir. Wir werden wieder an die Macht kommen.“ Mit „wir“ meint er die Islamisten. Hassan ist Mitglied der Muslimbrüder, sein verstorbener Vater habe Zeit mit Osama bin Laden in Afghanistan verbracht. Über sich selbst sagt er: „Ich bin ein Terrorist, und meine Waffe ist der Koran, der Angst erzeugt in Menschen.“ Aus einer nahen Moschee ertönt der Ruf zum Gebet. Hassan geht in eine Ecke des Restaurants, wo einige Teppiche zum Beten auf dem Boden liegen. Als er an den Tisch zurückkehrt, erklärt er, dass Bashir die islamistische Revolution verraten habe. 1989 kam Omar al-Bashir per Putsch an die Macht, unterstützt vom islamistischen Ideologen Hassan al-Turabi, ein Freund von Bin Laden. Aber später brach Bashir mit Turabi, um sich dem Westen anzubiedern. „Nachdem Turabi unter Hausarrest gestellt wurde, ging alles schief“, lautet Hassans Version dieser Entwicklung. „Der Koran wurde viel weniger beachtet in der Gesellschaft. Unter Turabi war Koranunterricht Pflicht. Schüler und Studenten lernten auch, wie man mit Waffen hantiert. Das alles verschwand, und jetzt nehmen Studenten Drogen, haben Sex vor der Ehe und folgen der westlichen Kultur.“ Hassan ist sich sicher: Die Islamisten werden sich zusammenschließen und den Volksaufstand beenden. Aber wie wollen sie das machen? Vor Kurzem versuchten sie, eine eigene Demonstration in Khartum zu organisieren. Einige Hundert von ihnen kamen. Junge Unterstützer der Opposition griffen sie an. Dutzende Islamisten wurden verletzt, die Armee musste eingreifen und sie in einem Armeetransporter evakuieren. Viele bejubelten diesen Vorfall, aber die Organisatoren des Volksaufstandes sehen es als Warnsignal, die Islamisten nicht zu unterschätzen, sie nicht frühzeitig abzuschreiben…“
  • „Sudan uprising; Mass action continues to grow“ am 03. Mai 2019 bei Radio Dabanga externer Link ist ein knapper Überblick über die weiterhin anwachsenden Mengen an Menschen, die sich quer durchs Land an den Protesten beteiligen und eine zivile Regierung fordern. Dabei wird über Massenaktionnen in El Gedaref, Port Sudan, Suakin, Senga, El Obeid, Zalingei, und El Azaza berichtet – und immer wieder auch von Konvois, die nach Khartum fahren, um vor dem Hauptquartier der armee den Protest zu unterstützen.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=148266
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