Das Innenministerium reagiert auf die demokratische Forderung nach Auflösung des Verfassungsschutzes: Mit einem Ausbauplan – bis ins Kinderzimmer. Und steht dank Brandenburg damit nicht alleine…

Verfassungsschutz auflösen!Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will das Verfassungsschutzgesetz reformieren, dabei aber Befürchtungen ausräumen, der Staat dringe immer tiefer ins Privatleben seiner Bürger ein. Um Terrorgefahren, aber auch Rechts- und Linksextremismus früher abwehren zu können, sollen Verfassungsschützern Onlinedurchsuchungen auf Smartphones und Rechnern erlaubt werden. Bisher darf das nur das Bundeskriminalamt. Auch die Infiltration von Messengerdiensten und Gamingplattformen müsse dem Dienst möglich werden, hieß es am Dienstag im Bundesinnenministerium. Besonders kontrovers ist das Vorhaben, auch Daten von Kindern unter 14 Jahren beim Verfassungsschutz zu speichern. Bisher ist das nur bei Jugendlichen ab 16 Jahren erlaubt. „Nach unserer Erfahrung sind immer mehr Kinder und Jugendliche beispielsweise im dschihadistischen Umfeld unterwegs“, sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Hans-Georg Engelke, am Dienstag in Berlin. Er verwies auf die „erhebliche Zahl“ von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern sich radikalisiert oder der Terrormiliz Islamischer Staat angeschlossen hätten…“ – so beginnt der Artikel „Überwachung im Kinderzimmer“ von Constanze von Bullion am 27. März 2019 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link über die Ausbaupläne für die V-Männer Vereinigung des Innenministeriums. Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Beitrag – und einen Bericht samt Kommentar über den Ausbau des Verfassungsschutzes in Brandenburg, wo Seehofer nicht regiert:

  • Jugendliche unter Überwachung stellen? Macht der Verfassungsschutz auch ohne Gesetz New
    Während Bundesinnenminister Horst Seehofer die Beobachtung von Kindern vorantreibt, speichert der Verfassungsschutz längst die Daten hunderter Minderjähriger. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat Daten zu insgesamt 820 Minderjährigen im Alter von 14 bis 18 Jahren gespeichert. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums hat der Inlandsgeheimdienst zurzeit 51 Akten mit Daten von 14- bis 16-Jährigen sowie 769 Akten mit Daten von 16- bis 18-Jährigen angelegt. Die genaue Zahl der gespeicherten Daten von unter 14-Jährigen liege nicht vor. Es sei im zeitlichen Rahmen der Beantwortungsfrist „technisch nicht möglich, die betreffenden Daten automatisiert auszuwerten“, heißt es in einer Stellungnahme von Innen-Staatssekretär Günter Krings. Die Gesamtzahl der im Bundesamt angelegten Akten liege „im hohen fünfstelligen Bereich“. Diese müssten „händisch auf das Alter der gespeicherten Personen hin geprüft werden“. Anfang April war bekanntgeworden, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) plant, künftig den Verfassungsschutz zu ermächtigen, Daten von Minderjährigen zu speichern, wenn sie Verbindungen zu Extremisten oder Terroristen haben…“ – aus dem Bericht „Geheimdienst speichert Daten von 820 Minderjährigen“ von Jörg Köpke am 15. April 2019 bei der FR online externer Link – darüber, was der aufzulösende Verein so alles auch ohne gesetzliche Grundlage treibt
  • „Die Kleinsten bespitzeln“ am 26. März 2019 in der jungen welt externer Link meldet unter anderem: „Der Verfassungsschutz soll nach dem Willen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Zukunft auch Kinder ausspionieren dürfen. Sachverhalte, bei denen es um Minderjährige geht, dürfen jetzt schon in den Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) festgehalten werden. Ein Eintrag im Nachrichtlichen Informationssystem (NADIS) ist allerdings bislang nicht erlaubt. Erst 2016 war das gesetzliche Mindestalter für Beobachtungen von 16 auf 14 Jahre abgesenkt worden. Auf eine Anfrage der Innenpolitikerin Ulla Jelpke (Linke) hatte die Bundesregierung mitgeteilt, dass das BfV zum Stichtag 27. Mai 2016 Informationen zu acht 14-Jährigen und 27 Jugendlichen im Alter von 15 Jahren gespeichert hatte: Drei von ihnen waren dem Rechtsextremismus zuzuordnen, die anderen dem Bereich Islamismus und Islamistischer Terrorismus. Bayern hatte die Mindestaltersgrenze für die Speicherung bereits im Juni 2016 komplett gestrichen. Die jetzt geplante bundesweite Neuregelung ist Teil eines Entwurfs des Bundesinnenministeriums zur »Modernisierung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)«, der bereits vor einigen Tagen an die anderen Ressorts zur Stellungnahme weitergeleitet worden war. »Nicht Kinder, sondern ein außer Kontrolle geratener Inlandsgeheimdienst stellen eine Gefahr für die Gesellschaft dar«, sagte Jelpke…“
  • „Mehr Personal für Spitzelei“ von Andreas Fritsche (ohne Datumsangabe) in neues dDutschland externer Link zu Brandenburgs Aufrüstung: „… Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Verfassungsschutzchef Frank Nürnberger sind schon lange der Ansicht gewesen, dass der Geheimdienst in Brandenburg um 35 auf 128 Stellen aufgestockt werden muss. In den Beratungen über den Ende vergangenen Jahres verabschiedeten Doppelhaushalt 2019/20 hat ihnen der Landtag das noch abgeschlagen. Nun sollen sie aber sogar 37 zusätzliche Stellen erhalten. Darauf hat sich das rot-rote Kabinett am Dienstag verständigt. Der Landtag soll dies noch beschließen – zusammen mit einem neuen Verfassungsschutzgesetz. Zwar spielte der brandenburgische Verfassungsschutz im Skandal um die Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) und in anderen Affären eine unrühmliche Rolle. Doch im Gesetzentwurf, der dem »nd« vorliegt, heißt es, dass »ungeachtet der Versäumnisse verschiedener Sicherheitsbehörden« bei den Ermittlungen zum NSU-Trio und zu den von diesem Trio begangenen Morden »der Verfassungsschutz bei der Verteidigung der liberalen Demokratie und des Rechtsstaats nach wie vor eine wichtige Rolle spielt«. Weiterhin steht da: »Um künftig die im Geheimen operierenden extremistischen und terroristischen Netzwerke entdecken zu können«, bedürfe es eines Verfassungsschutzes, der in der Lage sei, im Vorfeld polizeirechtlicher Eingriffsschwellen Informationen zu beschaffen und auszuwerten…“
  • „Unkontrollierte Schnüffelei“ von Andreas Fritsche am 26. März 2019 in neues Deutschland externer Link kommentiert den Bericht aus Brandenburg unter anderem so: „… Der Verfassungsschutz gehört abgeschafft. Geheimdienste haben in einer demokratischen Gesellschaft nichts zu suchen. Für dieses prinzipielle Erfordernis war der NSU-Skandal ein zusätzlicher Beleg. Dass sich die Abschaffung gegenwärtig politisch nicht durchsetzen lässt, liegt bei realistischer Betrachtung auf der Hand. Aber muss nicht wenigstens ein Personalzuwachs verhindert werden? Wenn am Ende wie jetzt geplant herauskommt, dass die rot-rote Koalition den brandenburgischen Verfassungsschutz um 37 auf 130 Stellen aufstockt, dann hätte sich der Landtag seinen NSU-Untersuchungsausschuss sparen können…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=146473
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