»
USA »
»

[Jane McAlevey] Machtaufbau durch Organizing – Erfahrungen aus den USA inspirieren deutsche Gewerkschaften

Dossier

[Buch] Geheimnisse einer erfolgreichen OrganizerIn„… Schon seit einigen Jahren belebt die Auseinandersetzung mit den Organizing-Methoden der US-amerikanischen Gewerkschaften die gewerkschaftliche Diskussion und Praxis in Deutschland. Eine systematische Kampagnenführung unter Einschluss gesellschaftlicher Bündnispartner, neue Formen der Ansprache betrieblich Aktiver, die gezielte Erschließung unorganisierter Bereiche und der Fokus auf den Aufbau betrieblicher Strukturen haben viele Gewerkschafter hierzulande inspiriert. (…)  Das Organizing stieß in Deutschland wegen der weitverbreiteten Wahrnehmung der Krise des bisherigen sozialpartnerschaftlichen Modells auf großes Interesse. Während es von einigen nur als Methode zur Stärkung der Organisationsmacht in bisher gewerkschaftsfreien Randbereichen angesehen wurde, ohne die strategische Grundausrichtung der Gewerkschaften zu tangieren, waren andere von der Notwenigkeit einer umfassenderen strategischen Neuausrichtung der Gewerkschaften überzeugt.“ Vorabdruck des leicht gekürzten Vorworts von Florian Wilde aus »Keine halben Sachen. Machtaufbau durch Organizing« von der US-amerikanischen Gewerkschafterin Jane McAlevey in der jungen Welt vom 6. Februar 2019 externer Link. Siehe mehr daraus und zu ihren Büchern sowie weiteres zur Debatte:

  • [USA] Macht durch Beteiligung: Wie Gewerkschaften mit offenen Tarifverhandlungen mehr erreichen New
    „… Die Art und Weise, wie Gewerkschaften Tarifverträge verhandeln, ist eine strategische Frage. Die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber*innen und gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten finden meistens hinter verschlossenen Türen statt. Nur selten nehmen die Gewerkschaftsmitglieder direkt daran teil, obwohl die Verhandlungen entscheidenden Einfluss auf ihr Leben haben können. (…) Während meiner gewerkschaftlichen Arbeit im privaten Gesundheitswesen des Bundesstaats Nevada habe ich äußerst positive Erfahrungen mit einer Öffnung der Verhandlungen gemacht. Wir konnten feststellen, dass es immer eine gute Idee ist, im Verhandlungsraum möglichst viele Kolleg*innen dabei zu haben. Dadurch wird es möglich, die Behauptungen des Arbeitgebers in Echtzeit zu überprüfen. Wenn Beschäftigte verschiedener Branchen und Statusgruppen vor Ort sind, lassen sich Entscheidungen zudem schneller und besser treffen. Anfänglich öffnete ich einfach den Verhandlungssaal. Später setzte ich mir das Ziel, dass jeder und jede Beschäftigte einmal bei einer Verhandlung anwesend war und sei es nur für eine Stunde während des Schichtwechsels. In Nevada öffneten wir die Tarifverhandlungen auch für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Diese Gruppe einzubinden, für die der Tarifvertrag ja auch Geltung hat, war zuerst umstritten. Unser Ziel war es, die informellen Schlüsselpersonen in der Belegschaft anzusprechen, unter ihnen viele Nicht-Mitglieder, und sie aktiv darauf aufmerksam zu machen, wie ihre Kolleg*innen über die Tarifauseinandersetzungen eine neue Gewerkschaft aufbauten. Dies ist uns auch gelungen: Nachdem die Kolleg*innen den Verhandlungsraum verlassen hatten, traten sie eine nach dem anderen der Gewerkschaft bei. (…) Tarifverhandlungen sind ein mächtiges politisches Instrument. Seit Jahrzehnten wird über die Erneuerung der Gewerkschaften diskutiert. Verstehen wir uns als Organizing- oder als Dienstleistungsgewerkschaften? Arbeiten wir Top-down oder Bottom-up? Der Prozess der Tarifverhandlung an sich bleibt in diesen Debatten meist unterbelichtet. Nur wenige aktuelle Studien beleuchten, wie Gewerkschaften Verhandlungen führen und wie sie es tun sollten. (…) Verhandlungen, die mit hoher Beteiligung der Beschäftigten geführt und gewonnen werden, machen deutlich, wie Beschäftigte ihre Interessen durchsetzen können. Sie lassen Solidarität lebendig werden und bauen Macht auf. Das zeigt, dass Belegschaften das scheinbar Undenkbare erreichen können, wenn man ihnen zutraut, ihre eigenen Tarifverhandlungen mitzugestalten und auch mit schlechten Chancen gewinnen können. Ob in Deutschland oder in Alabama: Wollen Arbeiter*innen ein würdiges Leben führen, müssen sie genug Macht aufbauen, um den Arbeitgeber in die Schranken zu weisen. Tarifverhandlungen sind ein zentrales Mittel dafür.“ Beitrag von Jane McAlevey vom Mai 2023 aus der Zeitschrift Luxemburg externer Link

  • Keine Blaupause. Wert und Grenzen von Organizing-Erfahrungen. Kritische Anmerkungen zu Jane McAleveys Buch »Macht. Gemeinsame Sache« 
    „Kaum etwas wurde unter Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern in den vergangenen Jahren so intensiv diskutiert wie das Thema »Organizing«. Und Organizing wird auch breit praktiziert. Entsprechende Konzepte kamen in der einen oder anderen Form unter anderem bei IG Metall und Verdi zur Anwendung. Zum Beispiel bei den erfolgreichen Streiks der Berliner Krankenhausbewegung 2021. Dabei fällt immer ein Name: Jane McAlevey. Die US-amerikanische Gewerkschafterin und Organizerin ist unter linken Gewerkschaftern in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Bezugsperson geworden. Zwei ihrer Bücher wurden von der Rosa-Luxemburg-Stiftung im VSA-Verlag veröffentlicht. Auch in der jungen Welt fanden McAleveys Konzepte bisher eine durchgängig positive Rezeption. Dieser Text setzt sich kritisch mit McAleveys Positionen auseinander und bezieht sich dabei vor allem auf die jüngste deutschsprachige Buchveröffentlichung »Macht. Gemeinsame Sache«. Das Buch befasst sich mit mehreren konkreten Erfahrungen von erfolgreichen gewerkschaftlichen Organisierungskampagnen und Arbeitskämpfen in den USA und stellt gleichzeitig Aspekte der Geschichte der US-Gewerkschaftsbewegung und das Phänomen »Union Busting« dar, also professionell organisierte gewerkschaftsfeindliche Kampagnen.Es enthält zweifelsfrei viele wichtige Erfahrungen und Tips für Arbeiterinnen und Arbeiter, die in ihren Betrieben eine Gewerkschaftsorganisation aufbauen oder Tarifverträge erkämpfen wollen. McAlevey spricht sich für bestimmte Methoden aus und berichtet, wie diese Methoden bei Reinigungskräften, Krankenhausbeschäftigten und Lehrern wichtige Voraussetzungen für gewerkschaftliche Erfolge schufen. Leider verabsolutiert sie diese Methoden und stellt sie nicht in einen klaren Zusammenhang zu politischen Faktoren, wie den Charakter von Forderungen, das Verhältnis der Gewerkschaften zu politischen Parteien oder die Rolle und politische Ausrichtung der Gewerkschaftsführungen. Auch wenn McAlevey eine zumindest kapitalismuskritische Haltung einnimmt und sich für demokratisierte Gewerkschaften ausspricht, in denen es eine starke Mitgliederpartizipation geben soll, entwickelt sie keine über das kapitalistische System hinausgehende Perspektive und kein Programm für eine grundlegende Veränderung der Gewerkschaften zu kämpferischen, demokratischen und antikapitalistischen Organisationen. Sie vermittelt aber eine klare Botschaft: Gut organisierte Belegschaften können gewinnen! Das ist eine wertvolle und wichtige Aussage, die in der Gewerkschaftsbewegung verbreitet gehört. (…) Jane McAlevey hat wertvolle Erfahrungen zu Papier gebracht, und das Buch ist zu empfehlen. Ihr Organizing-Konzept verabsolutiert jedoch organisatorische Methoden und legt zuwenig Wert auf die Frage der politischen Ausrichtung und des Charakters der Gewerkschaften. Die Begriffe Bürokratie und Sozialpartnerschaft kommen nicht vor. Aus ihren Beispielen wird zwar deutlich, dass sie für eine konfliktorientierte Gewerkschaftspolitik und demokratische Strukturen steht, und sie verweist auch auf das Positivbeispiel der Gewerkschaftsorganisation Local 1199 NE, in der die hauptamtlichen Funktionäre nicht mehr verdienen dürfen als den durchschnittlichen Tariflohn der Gewerkschaftsmitglieder. Aber sie leitet daraus kein politisches Programm für die Veränderung der Gewerkschaften zu kämpferischen und demokratischen Organisationen ab und definiert nicht die Existenz einer in das kapitalistische System integrierten Gewerkschaftsbürokratie als Problem, das überwunden werden muss. Folglich kommen die Frage der Vernetzung von kämpferischen, linken Aktivisten und die Notwendigkeit des Aufbaus innergewerkschaftlicher Oppositionsstrukturen in McAleveys Buch nicht vor. (…) Organisierte Zusammenschlüsse kämpferischer und linker Gewerkschafter können eine wichtige Voraussetzung sein, die Macht und die politische Ausrichtung der prokapitalistischen Gewerkschaftsbürokratie herauszufordern und politische und personelle Alternativen zu formulieren. In der Bundesrepublik waren das in der Vergangenheit oftmals nur auf betrieblicher Ebene Gruppen, wie die »Gewerkschafter ohne Grenzen (GOG)« bei Opel Bochum oder die Alternative-Gruppen in Daimler-Niederlassungen. Mit der »Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften« (VKG) existiert seit 2019 ein, wenn auch noch bescheidener, Ansatz für eine solche Struktur auch in deutschen Gewerkschaften. Obwohl McAlevey die Gewerkschaften als gesellschaftspolitische Akteure betrachtet, die zum Beispiel auch im Kampf gegen den Klimawandel eine zentrale Rolle spielen sollen, zieht sie keine konsequenten politischen Schlussfolgerungen. So sehr sie zum Beispiel den offen neoliberalen »Wall Street«-Flügel der Demokratischen Partei kritisiert, stellt sie die grundsätzliche Verbindung vieler US-Gewerkschaften zu den Demokraten nicht in Frage und wirft die Notwendigkeit einer politischen Interessenvertretung der Arbeiterklasse, also einer Arbeiterpartei, nicht auf. McAleveys Ideen und Vorschläge sollten diskutiert, aber nicht einfach eins zu eins übernommen werden. Dann kann die Auseinandersetzung mit ihnen einen Beitrag zum Wiederaufbau der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung leisten.“ Rezension von Sascha Stanicic in der jungen Welt vom 23. Januar 2023 externer Link (Jane McAleveys ‚Macht. Gemeinsame Sache. Gewerkschaften, Organizing und der Kampf um die Demokratie‘ erschien 2021 beim VSA-Verlag, 216 Seiten zum Preis von 14,80 Euro)
  • Buch von Jane McAlevey: Macht. Gemeinsame Sache. Gewerkschaften, Organizing und der Kampf um die Demokratie  „In ihrem neuen Buch zeigt Jane McAlevey, warum und wie die potenziell wichtigste Kraft im Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und den Rechtsruck gestärkt werden kann: «In einer Welt der massiven Einkommensungleichheit und ausufernder sexueller und ethnischer Diskriminierung ergreife ich mit diesem Buch für die Gewerkschaften Partei. Die Auswirkungen wirtschaftlicher, politischer und sozialer Ungleichheit sind real, gefährlich und unbestreitbar. Dieses Buch handelt davon, wie wir mithilfe der Gewerkschaften aus dem Schlamassel herauskommen können, in dem wir uns gegenwärtig befinden.» Welche gesellschaftliche Kraft könnte in der Lage sein, die Umverteilung des Reichtums von unten nach oben umzukehren, dem Klimawandel und der Umweltzerstörung Einhalt zu gebieten und sozial und ökologisch nachhaltige Verhältnisse zu erkämpfen? Für die Autorin gibt es darauf eine klare Antwort: Die Gewerkschaften. Die US-amerikanische Organizerin zeichnet die großen Erfolge der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung in den 1930er Jahren nach, als es unter schwierigsten Bedingungen gelang, einen «New Deal» durchzusetzen und so deutliche Erfolge für arbeitende Menschen zu erreichen: «der amerikanische Traum» konnte für viele Realität werden. Sie schildert aber auch, wie die großen Konzerne begannen, einen zunächst heimlichen, später offenen und immer rücksichtsloseren Krieg gegen die Arbeiterbewegung zu führen. Systematisch wurden die Gewerkschaften in die Defensive gedrängt, immer aggressiver wurde und wird noch heute Union Busting praktiziert. Jede Schwächung ihrer Organisationsmacht bedeutete mehr Ungleichheit und Ungerechtigkeit für die Beschäftigten und Arbeitslosen. Trotz dieser massiven Behinderungen blieben und bleiben die Gewerkschaften die wichtigsten Organisationen, um sich erfolgreich gegen die Klasse der Superreichen zu wehren. Sie haben das Potenzial, der sexuellen Belästigung und rassistischen Diskriminierung am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft ein Ende zu setzen und sich der Zerstörung von Klima und Umwelt entgegenzustellen. Dafür muss die Macht der arbeitenden Klasse und ihrer Organisationen in den Betrieben genutzt und das politische Mandat der Gewerkschaften offensiv in Anspruch genommen werden. Die Gewerkschaften – so das Fazit vieler Jahre Organinzig-Erfahrungen der Autorin – haben nichts an Aktualität und ihr Kampf nichts an Relevanz verloren. Hoffnung machen ihr Erfolge der vergangenen Jahre, an denen sie oft federführend beteiligt war…“ Hinweis auf die von Stefanie Holtz und Florian Wilde beim VSA August 2021 herausgegebene Veröffentlichung von Jane McAlevey in der Übersetzung von Jan-Peter Herrmann externer Link mit Link zur PDF-Version externer Link des Buchtextes
  • Sag mir, wo du stehst! Starke Gewerkschaften stärken die Demokratie 
    „… Trotz der sich von Jahr zu Jahr verschlechternden Bedingungen haben die nationalen Gewerkschaften viel zu oft dem Versprechen der Demokraten vertraut, dass sie das nationale Arbeitsrecht schon in Ordnung bringen würden. Doch die Mainstream-Demokraten taten es selbst dann nicht, als sie über ausreichend Sitze verfügten, um eine entsprechende Reform umzusetzen: Carter tat es in den 1970ern nicht, Clinton nicht in den 1990ern und auch Obama nicht in den 2010ern, obwohl viele einfache Beschäftigte und ihre Gewerkschaften oft übermenschliche Anstrengungen für ihre Wahl bzw. Wiederwahl unternommen hatten. Die Verantwortlichen für die Wahl Donald Trumps sitzen in jenem Flügel der Demokratischen Partei, der mit dem Silicon Valley und der Wall Street verbunden ist: Sie hatten nichts gegen die so weit verbreitete Resignation vieler Beschäftigter unternommen, vor deren Hintergrund Trump 2016 die Wahlen gewinnen konnte. Viele dieser arbeitenden Menschen hatten geglaubt, dass der erste schwarze Präsident sie retten würde, so wie er die Wall Street gerettet hatte – doch das tat er nicht. Einige wenige von ihnen setzten daraufhin auf Trump, die meisten jedoch nicht. Es waren vor allem die Reichen und die Mittelschicht, die Trump wählten. Aber die meisten einfachen Arbeiter hatten auch den Glauben an Hillary Clinton verloren, für die »America already great« war. Es ist eben nicht »great«, wenn man in seinem Auto lebt, wenn man sich notwendige medizinische Behandlung nicht leisten kann, oder wenn man keine Rente erhält. Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit waren der Grund, warum viele von ihnen den Wahlurnen fernblieben. Trump jedenfalls lieferte, was die Superreichen wollten: drastische Steuererleichterungen. Und er schaffte derart viele von den Beschäftigten mit ihren Gewerkschaften erkämpfte Errungenschaften wieder ab, dass man gar nicht hinterherkam. Umso wichtiger ist, von jenen Beschäftigten zu lernen, die trotz denkbar ungünstiger Bedingungen noch immer Erfolge vorweisen können, wo Gewerkschaftsorganizer und Beschäftigte auf den Aufbau betrieblicher Mehrheiten durch eine Stärkung der Beteiligung setzen. Wie das gelingen kann, haben die Beispiele der Pfleger in Philadelphia beim Gewerkschaftsaufbau und die Lehrergewerkschaft von Los Angeles mit ihren Streikvorbereitungen gezeigt. In beiden Fällen investierten die Organizer viel Zeit, um mit der Ermittlung der organischen Führungspersonen und mit Strukturtests die Unterstützung einer großen Mehrheit der Beschäftigten aufzubauen. So konnten sie präzise einschätzen, wer bereit war, sich trotz aller von den Arbeitgebern betriebenen Zuspitzungen an risikoreichen Aktionen zu beteiligen. Dieses Vorgehen macht den Unterschied: Man glaubt oder wünscht sich nicht nur, dass man die Unterstützung einer großen Mehrheit hat, sondern weiß es ganz genau. Umfragen, Tweets oder Posts auf Facebook und anderes bequemes »Engagement« von zu Hause aus sind wesentlich weniger effektiv als partizipative Aktionen, in denen die Bereitschaft zum Engagement sichtbar wird. Dass in den Blasen der sozialen Medien oft der Eindruck erweckt wird, die meisten Menschen, die in ihnen als vereinzelte Individuen unterwegs sind, würden mit einem übereinstimmen, ist ein großer Trugschluss. Deshalb setzen effektive Organizer besagte »Strukturtests« ein, also zum Beispiel die öffentlichen Petitionen, die von den Lehrern in Los Angeles unterzeichnet wurden. Immer wenn Menschen sich auf diese Weise öffentlich zu ihrem Engagement bekennen, verstärkt es ihre Bereitschaft für notwendige weitere Aktionen und erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie acht Stunden vor einem Wahllokal stehen, bei starkem Schneefall oder Regen streiken oder sich den Demonstranten anschließen, die ihre Wut öffentlich kundtun. Jeder dieser Tests zeigt, wo die Einheit und Organisation stark ist oder wo noch Schwachstellen beseitigt werden müssen. In einer Gewerkschaftskampagne ist ein strategischer Umgang mit den problematischsten Bereichen entscheidend, denn wegen der begrenzten Ressourcen erfordern sie die meiste Aufmerksamkeit. Das bedeutet mitunter, erst einmal diejenigen ausfindig zu machen, die noch zu keinen der bisherigen Treffen gekommen sind und überhaupt nicht mit uns sprechen wollten. Mit ihnen müssen dann die besonders schwierigen Gespräche geführt werden. (…) Nur wenn die Kollegen dabeibleiben und nach ersten Erfolgen auch weiterhin Druck ausüben, können trotz der Intervention von Wirtschaftslobbyisten und Union Bustern die erforderlichen Veränderungen durchgesetzt werden. Auch wenn manche glauben, man könne die Zukunft anständigen Politikern anvertrauen: Wir müssen die großen Themen wie die soziale Ungleichheit und die Klimakrise von unten angehen. Daher ist die Methode zum Aufbau breiter Mehrheiten bei betrieblichen Auseinandersetzungen auch wichtig für gesellschaftliche und politische Veränderungen. (…) Die Macht der einfachen, arbeitenden Leute kann nur von ihnen selbst aufgebaut werden, indem sie mit ihren Mitteln für ihre eigenen Belange kämpfen. Sie stellen damit zugleich das Dogma des Individualismus auf den Kopf und setzen statt dessen auf kollektive Intelligenz und Einfallsreichtum, bauen Solidarität auf und erkämpfen Menschenwürde…“ Beitrag von Jane McAlevey als Vorabdruck in der jungen Welt vom 14.07.2021 externer Link aus dem Buch: Jane McAlevey: Macht. Gemeinsame Sache. Gewerkschaften, Organizing und der Kampf um die Demokratie. Hrsg. von Stefanie Holtz und Florian Wilde. Aus dem Amerikanischen von Jan-Peter Herrmann. VSA-Verlag, Hamburg, 2021, 200 S., 14,80 Euro
  • Organizing an Schulen: Lernen, Mehrheiten zu gewinnen 
    Die Impulse der US-Organizerin Jane McAlevey für ein „tiefes“ Organizing werden in Deutschland zu Recht mit großem Interesse diskutiert und ausprobiert. Eine Auseinandersetzung in der GEW Berlin hat gezeigt, welches Potential eine ermächtigende, von McAlevey inspirierte Basiskampagne haben könnte. (…) Seit vielen Jahren belegen Studien die hohe Arbeitsbelastung von PädagogInnen an Schulen. Dies betrifft sowohl Lehrkräfte als auch Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst. Die Möglichkeiten der GEW, durch Streiks eine Verkürzung der Arbeitszeit der Lehrkräfte herbeizuführen, sind dabei sehr begrenzt. (…) Für eine Reduzierung der Arbeitszeit durch „legale“ Streiks der angestellten Lehrkräfte bestehen zur Zeit sehr ungünstige Rahmenbedingungen. Die Forderungen der pädagogischen Berufsgruppen können aber auch in anderer Form durchgesetzt werden, zum Beispiel durch politischen Druck auf die jeweilige Landesregierung für Verbesserungen in den beamtenrechtlichen Verordnungen oder für Entlastung durch Dienstvereinbarungen im Sozial- und Erziehungsdienst. In der GEW Berlin starteten wir nach mehreren vergeblichen Versuchen, Entlastung zu erreichen, im Frühjahr 2019 einen neuen Anlauf, der auch von den US-amerikanischen Erfahrungen inspiriert wurde. (…) In den folgenden Wochen entwickelten wir die Petition „Aktiv für Entlastung“. Sie verband die GEW-Forderungen mit der Zusage, dafür aktiv zu werden, sofern sich die Mehrheit der PädagogInnen an den Berliner Schulen ebenfalls dazu bereit erklären würde. Inspiriert wurde dies von McAleveys „Mehrheitspetition“ und den von ihr propagierten „Streiks einer sehr großen Mehrheit“. (…) Die Aussicht, dass die Gewerkschaft eine Mehrheit organisieren würde, motivierte 1348 Beschäftigte an 29 Schulen, die Petition zu unterschreiben. Das waren knapp 63 Prozent der an diesen Schulen beschäftigten PädagogInnen. Getragen wurde dieser Kampagnenschritt durch ein Unten-Mitte-Bündnis der gewerkschaftlichen Hierarchie (betrieblich Aktive und Teile der Bezirksleitungen), während der Geschäftsführende Landesvorstand umso vehementer gegen uns vorging, je erfolgreicher wir den Stein ins Rollen brachten. Er warf uns vor, den LDV-Beschluss falsch auszulegen und zudem eine geplante Tarifkampagne für kleinere Klassen zu gefährden, deren parallele Durchführung zu der von uns angeschobenen Kampagne rechtlich nicht möglich sei. Den Versuch, unser Vorgehen durch einen Beschluss des Landesvorstands auszubremsen, konnten wir abwehren: Wir gewannen eine Mehrheit im Landesvorstand. (…) In der entscheidenden Abstimmung gewannen wir leider nur 38 Prozent der Delegierten für diese Perspektive. Die Landesspitze hatte ein Oben-Mitte-Bündnis gegen uns geschmiedet, die Tarifkommission der angestellten Lehrkräfte und Teile der Bezirksleitungen hinter sich gebracht. Sie konfrontierte die Delegierten mit der Expertise der GewerkschaftsjuristInnen, die belegen sollte, dass unser Weg gefährlich sei. Hier ist nicht der Platz, die juristische Debatte nachzuzeichnen. Entscheidend war für uns, dass wir um die Ausweitung unserer Handlungsoptionen kämpfen müssen. (…) Deshalb resümierte ein beteiligter Kollege auch, wir müssten aus den Erfahrungen der Chicagoer Lehrkräfte, die McAlevey beschreibt, lernen: Für diese wurde ein Organizing, das entschieden auf Kampf orientiert, erst möglich, nachdem sie ihre Führung ausgetauscht hatten.“ Artikel von Christoph Wälz in der SoZ 2/2021 externer Link – der Autor ist Vorsitzender des GEW-Bezirksverbands Berlin-Pankow
  • Die Umkehrung des „Modells“. Gedanken von Kim Moody zu Jane McAleveys Vorstellungen zum Aufbau von Gewerkschaftsmacht 
    „Wenn Jane McAlevey über Organizing spricht, hören die Leute zu. Im Herbst 2019 führte McAlevey über Zoom eine Organizingschulung mit Übersetzung für rund 1.400 Personen in vierundvierzig Ländern durch. Als sie unter den Bedingungen der Covid-19-Isolation weitere wöchentliche Sitzungen veranstaltete, loggten sich über 3.000 Menschen ein. Angesichts der Tatsache, dass sich die organisierte Arbeiterschaft weltweit im Niedergang und in einer Krise befindet, ist es kein Wunder, dass sich so viele siegeshungrige Führer*innen, Aktivist*innen und Sympathisant*innen einschalteten, um zu hören, wie diese erfahrene Gewerkschafterin ihr Heilmittel gegen die seit langem bestehenden Leiden der Arbeiterschaft erläutern konnte. McAlevey, eine Community-Organizerin, die sich zur Gewerkschafts-Organizerin, Akademikerin und Gewerkschaftsberaterin gewandelt hat, hat viel über die Krankheiten der Arbeit und das Handwerk des Organisierens zu sagen. Wer die Zoom-Reihe verpasst hat, kann in den drei Büchern, die sie in den letzten Jahren geschrieben hat, sehr ausführlich darüber lesen. Anstatt sie einzeln durchzugehen oder zu versuchen, sich mit über 800 Seiten Erzählung auseinanderzusetzen, werde ich versuchen, McAleveys grundlegende Themen, Methoden und Analysen zusammenzufassen und kritisch zu analysieren, wenn auch nicht unbedingt in der Reihenfolge, in der sie in den drei Büchern erschienen sind. (…) Von zentraler Bedeutung für alle drei Bücher und für ihren Ansatz zur Wiederbelebung der ArbeiterInnenbewegung ist ihr Modell des Organizing. Dieses Modell, und sie beharrt darauf, dass es ein Modell ist, findet sich in schematischer Form in No Shortcuts. Es wird aber in allen Werken mit packenden Geschichten über ihre Erfahrungen als Organizerin, Funktionärin und Beraterin der Gewerkschaften vorgestellt, die das Modell zum Leben erwecken. Es muss erwähnt werden, dass die Organizing-Kampagnen, Vertragsverhandlungen, die sie auf diesen vielen Seiten anführt, im Gegensatz zu vielen anderen in den letzten Jahrzehnten am Ende erfolgreich waren. Das Modell, für das sie eintritt, existiert nicht im Vakuum. Es steht ausdrücklich im Gegensatz zu dem engeren Ansatz, den sie dem legendären Community Organizer Saul Alinsky zuschreibt, der laut McAlevey bei vielen US-Gewerkschaften eingesetzt wird. (…) Trotz der bildhaften Erzählung und der guten Anregungen wurde mir beim Durchlesen dieser drei Bücher immer bewusster, dass McAlevey in praktisch jeder Phase des Gewerkschaftslebens die Betonung auf die Initiative des professionellen Organizers (oder Funktionärs oder Beraters) legt. (…) Simple Berechnungen und gesunder Menschenverstand gebieten, dass Gewerkschaften unmöglich allein durch die Initiative professioneller Organizer und anderer Mitarbeiter wiederbelebt, demokratisiert und massiv ausgeweitet werden können. Sie können unmöglich alles tun und überall und jeden Tag in einer Bewegung von Millionen von Menschen sein, die versuchen, Dutzende von Millionen zu organisieren. (…) Ohne die tagtägliche Basisinitiative zahlloser unbekannter Organizer am Arbeitsplatz – seien es organische Führungspersönlichkeiten, Aktivisten oder interessierte Mitglieder mit Funktionen, die nicht größer sind als die von Betriebsratsmitgliedern oder örtlichen Gewerkschaftsfunktionären – können Gewerkschaften nicht funktionieren, geschweige denn wachsen. McAleveys Idee, gewerkschaftlich organisierte Arbeiter*innen zu benutzen, um sich den Unorganisierten in derselben Branche zu nähern, ist offenkundig eine gute Idee. Aber wenn dies nur der Initiative der zu wenigen, überarbeiteten Organizer überlassen wird, wird es nicht annähernd ausreichen. (…) Was sich jedoch als die wichtigste Entwicklung bei der Entstehung einer erneuerten Arbeiterbewegung erweisen könnte, ist die Zunahme der Selbsttätigkeit der Arbeiter. (…) Am vielleicht unerwartesten sind natürlich die vielen Anzeichen für die Selbsttätigkeit der Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich inmitten der Zwillingskrisen einer erneuten Rezession und Depression und der Covid-19-Pandemie, die sie beschleunigt hat, herausgebildet haben. Die Streikenden haben Schutzausrüstung, bezahlte Freistellung und andere Sicherheitsmaßnahmen gefordert. Die gewerkschaftlich organisierten Busfahrer in Detroit und die Beschäftigten in Briggs und Stratton in Milwaukee streiken für mehr Sicherheit. Nicht gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte streikten bei Instacart, Whole Foods, Walmart, Target und Fed Ex. Die Beschäftigten bei Amazon zum Beispiel sind dorthin gegangen, wo die traditionellen Gewerkschaften nur voller Furcht auftreten. Zahllose kleinere Aktionen haben zudem gezeigt, dass die Beschäftigten selbst aktiv sind. Die von den Arbeitern initiierte Organisation Amazonians United hat sich in einem „tiefen Organizing“, wie sie es nennen, engagiert, indem sie Einheimische im ganzen Land und Kontakte in der ganzen Welt gebildet und sich auf kleine Aktionen mit einem Ansatz gestützt hat, bei dem es keine professionellen Organizer gibt, was wiederum McAleveys Ordnung der Dinge durcheinander bringt…“ Artikel von Kim Moody am 8. November 2020 bei OKG (Organisieren Kämpfen Gewinnen) externer Link – von den KollegInnen aus dem US-Amerikanischen übersetzt, erschienen im November 2020 im Spectre-Journal externer Link als „Reversing the “Model”. THOUGHTS ON JANE MCALEVEY’S PLAN FOR UNION POWER“
  • Mobilizing und Organizing. Die Gewerkschaften entdecken ihre Basis neu 
    Den Gewerkschaften kommen die Mitglieder abhanden. Die Alten gehen in Rente oder sterben und bei den jungen Arbeitnehmern kommen nicht viele Mitglieder nach. Klassische Industriebetriebe haben ihre Produktion oft verlagert und geblieben sind die Angestellten, auf die die Industrie-Gewerkschaften bislang nicht oder weniger setzten. Das neue Erfolgskonzept kommt aus Amerika. „Machtaufbau durch Organizing“ lautet das Motto und landauf, landab finden Seminare oder Workshops zu dem Buch „Keine halben Sachen“ von Jane McAlevey statt. Mobilizing steht für die bisherige Gewerkschaftspolitik, die zu Tarifrunden oder politischen Anlässen ihre Mitglieder antreten lässt, sonst aber auf ihre Betriebs- und Aufsichtsräte setzt. Dem früheren Verdi-Chef wird dazu der Spruch nachgesagt: Ein guter Gewerkschafter müsse es nicht nur schaffen, die Kollegen auf die Palme zu bringen, sondern auch wieder herunter. Womit ausgedrückt sein soll, dass ein guter Gewerkschafter die Kollegen im Griff hat und antreten lässt, wenn die Gewerkschaft es braucht, und wieder an den Arbeitsplatz schickt, wenn sie ihr Ziel erreicht hat. Diese Politik steht nun in der Kritik. Man bescheinigt ihr ein Stellvertreterdenken, hier präsentiere sich die Arbeitnehmervertretung den Mitgliedern als eine Art Dienstleistungsbüro. (…) Was nun alles ganz anders werden soll, ist der Umgang mit den Kollegen. Hier sollen Neuerungen die Gewerkschaften wieder in die Lage versetzen, erfolgreich Dinge durchzusetzen und politisch an Einfluss zu gewinnen. Dafür steht der Begriff des Organizing. Unter diesem Titel wollen die Gewerkschaften neue Ansprachen und Beteiligungsmethoden praktizieren. Das aus Amerika kommende Konzept ist nicht speziell für Gewerkschaften entwickelt, sondern soll in der Lage sein, allen Bewegungen zum Erfolg zu verhelfen, Gewerkschaften wie Bürgerprotest. Dazu werden Befragungen bei den Beschäftigten durchgeführt oder überbetriebliche Solidaritätskomitees geründet. (…) Durch den Organizing-Ansatz sollen Neumitglieder gewonnen werden, und dort, wo dieses Konzept umgesetzt wird, scheint die Rechnung aufzugehen, dass sich der Erfolg in höheren Mitgliederzahlen niederzuschlägt. Es gibt aber auch Bedenken: „Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie sich die betriebsnahe Herangehensweise dauerhaft so gestalten lässt, dass sie trotz aller Sensibilität für die konkrete Situation vor Ort nicht zum Einfallstor wird für eine weitere Aushöhlung des Tarifgefüges in der Fläche.“ Ein seltsames Bedenken von Seiten eines IG-Metallers! Hat doch seine Gewerkschaft seit Jahren Öffnungsklauseln in die Tarifverträge aufgenommen und so die Flächentarifverträge durchlöchert. Auch das Moratorium, das die IG-Metall den Arbeitgebern jüngst angeboten hat (vgl. Wem nutzt eine solche Gewerkschaft? externer Link), zielt doch gerade auf Vereinbarungen mit einzelnen Betrieben zur Zukunftssicherung. Was dies bedeutet, hat die Vergangenheit oft genug gezeigt: Ausnahmen vom Tarifvertrag, Lohnsenkungen, die den Betrieb retten sollen und die so die Konkurrenz der Unternehmen über die Löhne stattfinden lassen, statt diese durch Flächentarifverträge einzudämmen. Wenn daher die Parole im Raum steht, durch Organizing „aktionsfähige, harte Kerne betrieblicher Gegenmacht auszubilden“, dann stellt sich die Frage, gegen wen sich diese Macht wenden soll…“ Artikel von Suitbert Cechura vom 29. Februar 2020 bei telepolis externer Link
  • Don’t believe the Hype! Plädoyer für eine kritische Rezeption von Jane McAleveys Buch »Keine halben Sachen. Machtaufbau durch Organizing«
    Die deutsche Organizing-Szene ist in Bewegung geraten. Das mag seltsam klingen, impliziert Organizing doch immer Bewegung. Doch bis vor Kurzem schien es noch so, als hätten gerade im Gewerkschaftskontext viele OrganizerInnen begonnen, es sich ein wenig gemütlich zu machen. Warum auch nicht, könnte man fragen. Da waren eine ganze Reihe von Erfolgen wie im Fall des ver.di-Organizings an der Berliner Charité und den Krankenhäusern im Saarland. Da waren die verschiedenen Highlights des klug konzipierten GEP-Projekts der IG Metall in Baden-Württemberg, aktuell der bemerkenswerte Organizing-Schwenk der IGM-Geschäftsstelle Mannheim. Da war und ist ein großes Angebot an keineswegs schlecht dotierten Stellen, und auch manch externer Anbieter hat inzwischen gelernt, wie man die gewerkschaftliche Organizing-Kuh melken kann. Da waren Publikationen und Konferenzen, in denen man sich gegenseitig vergewisserte, dass es im Organizing voranging und mit denen man für personellen Nachschub in der Szene sorgte. Da war aber auch ein aufkommender Pragmatismus zu beobachten, ja, eine erste Anpassung an die Apparate, für die man arbeitete. Diese Situation scheint nun vorbei, und das hat mit einem Namen zu tun: Jane McAlevey. Wo man sich gegenwärtig umhört, berichten OrganizerInnen oftmals mit leuchtenden Augen von Workshops, Veranstaltungen, Lesungen und Projekten mit der Autorin des Buches »Keine halben Sachen. Machtaufbau durch Organizing«. Anlass genug also, sich zu fragen: Was hat es mit diesem Buch auf sich? Bietet es neue Impulse für das Organizing in Deutschland oder ist es gerade für ältere Organizer alter Wein in neuen Schläuchen? Warum fällt es – im Vergleich zu anderen Ländern – im deutschen Gewerkschaftsorganizing auf scheinbar besonders fruchtbaren Boden?…” Rezension von Slave Cubela erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit – Ausgabe 8-9/2019
  • US-Aktivistin über Streikorganisation: „Wir können Amazon schlagen!“ 
    „„Organizing“ heißt das Zauberwort linker US-Gewerkschafterinnen. Jane McAlevey erklärt, warum die deutsche Streikkultur ihr den Schweiß auf die Stirn treibt. (…) Es gibt aktuell viele gelungene Mobilisierungen in den Bereichen Klimawandel, Antirassismus, Antifaschismus, Mieter*innenbewegung. Die Proteste sind groß, bekommen viel Aufmerksamkeit. Beim Organisieren geht es aber darum, reale Macht langfristig aufzubauen. Es geht darum zu gewinnen. Ich habe das Organisieren bei Leuten gelernt, denen es wiederum von Gewerkschafts-Organizerinnen der 1930er beigebracht wurde. Die waren Mitglieder der CIO, der radikaleren der beiden großen Industriegewerkschaften in den 1930ern. Diese Gewerkschaft hatte damals viele Mitglieder, viel Macht und Einfluss. Die sind sehr strategisch vorgegangen. Sie haben sich notiert, wo viele Menschen arbeiten, wen sie schon erreicht haben und wen nicht. Dann sind sie die Fabriken durchgegangen, Etage für Etage, Büro für Büro, Abteilung für Abteilung, bis der Letzte überzeugt war, bis es eine maximale Beteiligung an den Streiks gab. [Das Ziel ist, dass alle streiken?] Das muss das Ziel sein! Dass einhundert Prozent aller Arbeiter*innen streikbereit sind. Wenn ihr Deutschen sagt: „Drei Abteilungen haben ihre Arbeit niedergelegt“, dann bekomme ich als US-Amerikanerin Schweißausbrüche! In den USA würden die 30 Prozent einfach rausgeschmissen. Aber auch ihr solltet die 100 Prozent anstreben, denn nur so können wir eine Machtumkehr in der Gesellschaft erreichen. Nur so haben wir den mächtigen und reichen Unternehmen wirklich etwas entgegenzusetzen. (…) Alle wichtigen Dinge müssen immer vorher besprochen werden. Wir machen eine große Versammlung, die Arbeiter*innen stimmen über die Verträge ab, die sie vorher selbst ausgearbeitet haben. Alle, die wollen, können mitmachen. Das sind oft riesige Versammlungen mit Tausenden Leuten! Wir schreiben unsere Vertragsbedingungen für alle gut lesbar auf, bevor wir abstimmen lassen – und der Punkt, dass wir uns nicht spalten lassen, muss auf die Liste mit drauf! Streiks dauern lange, sind kräftezehrend. Aber alle wissen dann vorab, worauf sie sich einlassen und was sie wollen. (…) Die NRA, die National Rifle Organization, hat die Menschen organisiert, die Donald Trump gewählt haben. Das ist komplett unter dem Radar der Demokraten abgelaufen, weil sie keine Ahnung vom Organisieren haben. Die Rechten haben genau das gemacht, was ich predige…“ Interview von Nina Scholz vom 17.3.2019 in der taz online externer Link
  • There Is Power in a Union
    „… Schon seit einigen Jahren belebt die Auseinandersetzung mit den Organizing-Methoden der US-amerikanischen Gewerkschaften die gewerkschaftliche Diskussion und Praxis in Deutschland. Eine systematische Kampagnenführung unter Einschluss gesellschaftlicher Bündnispartner, neue Formen der Ansprache betrieblich Aktiver, die gezielte Erschließung unorganisierter Bereiche und der Fokus auf den Aufbau betrieblicher Strukturen haben viele Gewerkschafter hierzulande inspiriert. Allerdings wurden in der deutschen Debatte bisher vor allem bestimmte Ausschnitte der amerikanischen Organizing-Diskussion rezipiert. (…) In den letzten Jahren wird verstärkt versucht, Organizing in die Regelarbeit der Gewerkschaften zu integrieren. Dies vollzieht sich in den einzelnen Gewerkschaften auf unterschiedliche Weise. So sind Organizing-Methoden Bestandteil der Ausbildung vieler Gewerkschaftssekretäre geworden und kommen gezielt in der Erschließungsarbeit bisher gewerkschaftsfreier Betriebe zum Einsatz. Hier tut sich unter anderen die IG Metall hervor, die in vielen Landesbezirken ressourcenstarke »gemeinsame Erschließungsprojekte« (GEP) ins Leben gerufen hat. Aber auch im Verdi-Landesbezirk NRW besteht eine Erschließungsabteilung. Das Organizing stieß in Deutschland wegen der weitverbreiteten Wahrnehmung der Krise des bisherigen sozialpartnerschaftlichen Modells auf großes Interesse. Während es von einigen nur als Methode zur Stärkung der Organisationsmacht in bisher gewerkschaftsfreien Randbereichen angesehen wurde, ohne die strategische Grundausrichtung der Gewerkschaften zu tangieren, waren andere von der Notwenigkeit einer umfassenderen strategischen Neuausrichtung der Gewerkschaften überzeugt.“ Vorabdruck des leicht gekürzten Vorworts von Florian Wilde aus »Keine halben Sachen. Machtaufbau durch Organizing« von der US-amerikanischen Gewerkschafterin Jane McAlevey in der jungen Welt vom 6. Februar 2019 externer Link. Das Buch erscheint bei VSA zum Preis von 16,80 Euro (248 Seiten)

Siehe zu Jane McAlevey auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=143958
nach oben