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Die Truppen des Yogi Adityanath – der indische Hindu-Fundamentalismus kämpft gegen den schlimmsten Terror: Abweichende Meinungen, sozialer Protest, Gewerkschaften… Entsteht im aktuellen Widerstand dagegen eine neue Einheit?

5 AktivistInnen am 28.8.2018 quer durch Indien festgenommenLynchmobs gegen „Rindfleischfresser“ sind in Indien an der Tagesordnung: In eher ländlichen Gebieten. Die Sprengung von kritischen Veranstaltungen durch Prügelkommandos auch: An Indiens Universitäten. Die Verfolgung unabhängiger Gewerkschaften ist schon lange an der Tagesordnung: Mit der Modi-Regierung der BJP wurde sie nochmals gesteigert, hin zum Gewerkschaftsverbot – wegen „Maoismus“. Die jüngsten Verhaftungen von Aktiven der – wie auch immer gearteten – Opposition sind eben nur die jüngsten einer ganzen Reihe, ebenfalls beschleunigt, erst recht im Jahr 2018. Wer das Kastenwesen kritisiert, ist antihinduistisch, also antiindisch, wer übliche Geschäftspraktiken bekämpft, ist Kommunist. Also: Maoist. Also: Terrorist. Die Regierung der BJP, deren Wahlerfolge aus der Ausbreitung der RSS-Massenorganisationen hervorgehen, ist eben dies: Die Partei des „Safran-Faschismus“. Stellt man sich einmal kurz vor, alle solche Ereignisse würden etwa in der VR China passieren: Der Schaum vor den Maul der Kommerz-Medien würde alle Grenzen überspülen. Wenn das aber in Indien der Alltag ist: Herrscht Schweigen (oder, im „besten Fall“ die Schönheitskur zum einzelnen Ereignis). LabourNet Germany, Organ des bundesdeutschen urbanen Naxalitentums, erarbeitete dazu die ausführliche aktuelle kommentierte Materialsammlung „Der Widerstand gegen die jüngste Verhaftungswelle in Indien wächst weiter – auch die Gemeinsamkeit im Kampf gegen den Terror der BJP?“ vom 07. September 2018:

„Der Widerstand gegen die jüngste Verhaftungswelle in Indien wächst weiter –
auch die Gemeinsamkeit im Kampf gegen den Terror der BJP?“

 (07. September 2018)

a) Der Yogi und der RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh – etwa „Nationale Freiwilligen Union“): Was ist Safran-Faschismus?

Die Tatsache, dass zum ersten Mal ein Priester die Regierung eines Bundesstaates der Republik Indien führt – des bevölkerungsreichsten Bundestaates Uttar Pradesh (grob zwischen Delhi und Nepal gelegen) – könnte nur am Rand interessant sein, wäre dieser Priester nicht jener Yogi Adityanath, der sich profiliert als Hetzer und Milizenchef. Wodurch er, wie kaum ein Zweiter, die (faktisch 1951 gegründete) Bharatiya Janata Party (BJP) in ihrer „wirklichen Gestalt“  verkörpert. Die BJP – die größte politische Partei der Welt, noch vor der KP Chinas – oder „Indische Volkspartei“ – war von 1998 bis 2004 Regierungspartei und ist es seit 2014 wieder. Diesmal aber eben ohne den „zivilisierten Anzug“ jener Generation, die noch die erste Regierung bestimmte. Sondern mit dem Yogi, als BJP 2.0

Yogi-Adityanath„Mahant Yogi Adityanath As Chief Minister Of Uttar Pradesh: Why Hindutva Juggernaut Rolls On?“ von Shamsul Islam am 19. März 2017 bei Countercurrents externer Link war ein Beitrag aus Anlass der Wahl von Yogi Adityanath zum Ministerpräsidenten des Bundesstaates Uttar Pradesh (UP). Eine Wahl, die viele seiner Bekannten geschockt habe, so der Autor, das hätten sie von der BJP dann doch nicht erwartet, dass sie diesen landesweit bekannten Muslimhasser (Für ein Indien ohne Muslime – sie sollen konvertieren oder gehen, und Ehen zwischen Hindus und Muslimen sind das Ergebnis des „Love Jihad“ – was ernst gemeint ist), Royalisten (der König von Nepal ist der König der Hindus – bis an die Grenze Nepals reicht UP) und Kastenfanatiker (Jeder an seinem Platz) zum Regierungschef des hinduistischen „Kernlandes“ Uttar Pradesh machen würden – das mit seinen weit über 200 Millionen Menschen der bevölkerungsreichste Bundesstaat Indiens ist. Der Autor weist in seinem Beitrag vor allem darauf hin, dass die Meinung, der Yogi sei eben eine extremistische Ausnahmeerscheinung bei dem gesellschaftlichen Block, der die Basis der BJP darstellt, schlichtweg falsch sei: Adityanath sei, im Gegenteil, die Verkörperung der Ziele der RSS-Massenbewegung, die schon gegen Gandhi und die folgenden laizistischen Regierungen in militanter Opposition gestanden habe und seit den Wahlsiegen Modis auch ihre Behauptung, sie sei lediglich eine kulturelle, aber keine politische Bewegung, fallen gelassen habe.

„Indien auf dem Weg zum Hindustaat?“ von Edgar Benkwitz in der Aprilausgabe 2017 des Blättchen externer Link zum Regierungsantritt des Yogi: „Zwei spektakuläre Ereignisse bewegten in den letzten Wochen die indische Öffentlichkeit. Bei den Landtagswahlen im Unionsstaat Uttar Pradesh, dem „Herz Indiens“, errang die in Neu Delhi regierende hindunationalistische Indische Volkspartei (BJP) mit 325 Mandaten (von 403) einen unerwartet hohen Sieg. Und nur wenige Tage später ernannte sie einen Hindupriester zum neuen Ministerpräsidenten (Chief Minister) diese Staates. Yogi Adityanath, 44 Jahre, Hauptpriester des großen und einflussreichen Tempels Gorakhnath, ist auch langjähriger Abgeordneter des indischen Unterhauses. Sein bisheriges Auftreten weist ihn als hinduistischen Scharfmacher aus, dessen provokante Aussagen insbesondere die muslimische Bevölkerung treffen. Die Vorgänge in Uttar Pradesh mit seinen 220 Millionen Einwohnern zeugen von einer weiteren Festigung der Positionen hindunationalistischer Kräfte. In den 29 Unionsstaaten Indiens gibt es mittlerweile 14 BJP-Regierungen. Das sind 64 Prozent des indischen Territoriums, auf denen 54 Prozent der Gesamtbevölkerung leben. Die Beziehungen zwischen Hinduismus und Staat waren noch nie so ausgeprägt wie gegenwärtig und einen hinduistischen Geistlichen an der Spitze eines Unionsstaates gab es bisher noch nicht. Mit Misstrauen und Sorge betrachtet die Elite des Landes – zumeist weltoffen, tolerant und säkular – die Erklärung von BJP-Präsident Amit Shah, wonach der Wahlsieg in Uttar Pradesh „eine neue Richtung vorgibt und die Politik verändern wird“. Yogi Adityanath versprach sogar, das Land in Narendra Modis „Traumstaat“ umzuwandeln. Bezog er sich dabei indirekt auf seine Äußerung von 2005: „Ich werde nicht eher ruhen, bis ich Uttar Pradesh und Indien in ein Hindureich verwandelt habe“? Die hindunationalistische Propaganda trifft allerdings in Uttar Pradesh auf einen günstigen Nährboden. Der Unionsstaat, an der mittleren Gangesebene gelegen und im Norden an Nepal grenzend, ist einer der ärmsten und rückständigsten Indiens. Das pro Kopf-Einkommen beträgt nur 620 Dollar im Jahr, das ist weniger als die Hälfte des gesamtindischen Durchschnitts. Dafür ist die Verbrechensrate doppelt so hoch wie im Rest des Landes…

„Rückenwind für Premierminister Narendra Modi“ von Thomas Kunze, Mark Alexander Friedrich und Benedikt Thomas am 17. März 2017 bei der Konrad Adenauer Stiftung externer Link sehen das ganz anders – und durchaus nicht nur im Sinne der CDU: „Wie auch bei den vorangegangenen Landtagswahlen war die Wahlbeteiligung in allen fünf Bundesstaaten hoch und der vorausgegangene Wahlkampf war kontrovers und lebhaft. Dies zeigt einmal mehr die Vitalität der indischen Demokratie. Die Wählerreaktion auf die Demonetarisierung offenbart zudem, dass die Wähler auch schmerzhafte Reformen honorieren, insofern sie das Gefühl haben, dass dem Wohle des Landes gedient ist. Für die BJP ist es eine enorme Chance, den Rückenwind zu nutzen und ihre Reformagenda im Jahresverlauf weiter entschieden voranzutreiben“.

„UP government bans strike in universities and colleges“ am 01. April 2017 bei der Times of India externer Link war die Meldung über eine der ersten Maßnahmen, das die neue Regierung Adityanath in Uttar Pradesh verabschiedet hatte: Streikverbot an Universitäten und höheren Schulen, was auch als Bestandteil einer Regierungskampagne zur Gleichschaltung im Bildungswesen bewertet wird, die keineswegs nur in Uttar Pradesh zugunsten von „Mutter Indien“ durchgeführt wird.

„Indien: HindunationalistInnen verschärfen Schlachtverbot von Kühen“ am 06. April 2017 bei Rado Dreyeckland externer Link meldet über die BJP-Politik in Uttar Pradesh: „Seit die hindunationalistische Volkspartei (BJP) im März die Wahlen in Indiens größtem Bundesstaat Uttar Pradesh mit einer großen Mehrheit gewonnen hat, geht sie massiv gegen das Schlachten von Kühen vor. Die Tiere gelten im hinduistischen Glauben als heilig und ultrareligiöse Führer versuchen daher ein Schlachtverbot im ganzen Land zu erreichen. In der verfassunggebenden Versammlung von 1949 wurde beschlossen kein Rindfleischverbot zu verhängen, da damit der Trennung von Staat und Religion nicht Rechnung getragen würde. Durch den Sieg der BJP wurde im Bundesstaat Uttar Pradesh nun die Hälfte aller Schlachthäuser geschlossen, weil sie angeblich illegal Kühe schlachteten. Für den Besitz von Rindfleisch droht seit Neuestem eine Gefängnisstrafe von zehn Jahren und für die Schlachtung einer Kuh sogar lebenslänglich. Die religiösen Minderheiten des Landes sind seit dem Wahlsieg der BJP zunehmend gefährdet. Bei einem Angriff auf eine Gruppe von Muslimen, wegen dem Verdacht, sie würden eine Kuh schlachten wollen, gab es sogar ein muslimisches Todesopfer“ – wozu hinzu zu fügen wäre, dass seitdem – auch außerhalb von UP – noch mehrere Menschen gelyncht wurden, wegen – teilweise auch nur vermutetem – Rindfleischbesitz…

„Africans Are Cannibals,‘ and Other Toxic Indian Tales“ von Shome Basu und Hina Fathima am 31. März 2017 bei The Wire externer Link ist ein Artikel über eine weitere Neuerung in UP nach Regierungsantritt des Yogi: Als in Greater Noida ein junger Mann verschwand (der später tot aufgefunden wurde) verdächtigten die „Gläubigen“ der Nachbarschaft afrikanische Studenten, weil die ja ohnehin Kannibalen seien. Wie in nicht so weit entfernten Gegenden auch, organisierte der Mob eine regelrechte Menschenjagd. So weit ist das leider nicht unbedingt neu. Das Neue kommt jetzt: Als die lokale Polizei einige der Menschenjäger festnahm, protestierte der neue Ministerpräsident gegen die Festnahme der Rechtgläubigen und forderte ihre sofortige Freilassung.

„August 15, 1947- When Indians Were Celebrating Independence, RSS Was Mourning“ von Shamsul Islam am 15. August 2018 bei Countercurrents externer Link ist ein Beitrag, der kurz die lange Geschichte des RSS skizziert: Am Nationalfeiertag der Unabhängigkeit. Der vom RSS nicht gefeiert wird – wie er auch die Trikolore Nationalfahne nicht anerkennt. Der Staat, der 1947 entstand, so wurde damals vom RSS kommentiert, sei eine Fehlkonstruktion, denn ein indischer Nationalstaat könne nur ein hinduistischer Staat sein und keinen Platz für andere Religionen haben .  (Diese Ablehnung, so sei hier redaktionell ergänzt, zeigt sich extrem daran, dass es beispielsweise zahlreiche Webseiten aus dem vielfältigen RSS-Spektrum gibt – zu dem unter anderem ja auch Indiens größter Gewerkschaftsbund BMS gehört – die bis heute Loblieder auf den Gandhi-Mörder singen).

„Painful memories — Gujarat riots“ von Mohammad Jamil am 27. Februar 2018 beim Pakistan Observer externer Link ist ein Beitrag am Jahrestag des Massakers von Gujarat 2002 – das stattfand, als ein gewisser Herr Modi Chefminister des Bundesstaates war. Hinduistische Pilger wurden Opfer eines brennenden Zuges auf der Rückkehr vom neuen Heiligtum Ayudhya (das 1992 auf den Ruinen des vom Mob zerstörten muslimischen Babri Masjid erbaut worden war – ebenfalls eine RSS Kampagne), ganz ohne soziale Medien daraufhin Fake News verbreitet, Muslime hätten den Zug angezündet. In den folgenden Riots sahen die Behörden und die Modi-Landesregierung mindestens zu (wenn sie nicht aktiv dabei waren) als weit über 1.000 Menschen gelyncht wurden. Was hier abschließend für dieses Thema stehen soll als Beweis dafür, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem Radikalen Yogi Adityanath und eben dem „weltoffenen“ Modi gibt. Zur Ergänzung: Alle Bestrebungen, diese Ereignisse genauer zu untersuchen, wurden bisher verhindert…

„The UP Government’s Colossal Cover-Up Attempt to Protect Adityanath“ von Ajit Sahi am 27. Juli 2017 bei The Wire externer Link ist ein Artikel über die (auch: unterlassenen) Schritte der verschiedenen Regierungen des Bundestaates Uttar Pradesh (keineswegs nur jener der BJP), jegliche juristische Aufarbeitung der Rolle des Yogi Adityanath bei den Anti-Muslim Pogromen in der Gegend von Gorakhpur vor 10 Jahren zu verhindern – bisher waren sie ausgesprochen erfolgreich…

„The fall and rise of India’s Yogi Adityanath“ von Dhirendra K Jha am 27. Juni 2017 bei Al Jazeera externer Link über „Fall und Aufstieg“ des Yogi zeichnet dessen politische Karriere vom überregional weitgehend unbekannten Abgeordneten im Parlament von Delhi bis zu seiner heutigen Rolle nach: Als Antwort auf die Kritik an den Muslimjagden in des damaligen Ministerpräsidenten Modi Bundesstaat Gujarat im Jahr 2002 gründete er die Hindu Yuva Vahini (HYV) (ungefähr „Hinduistische Jugendliga“). Offiziell eine Kulturorganisation, ist sie in Wirklichkeit von Beginn an eine extrem aggressive Miliz, deren erste Aktionen das Niederbrennen von Häusern war – in denen wohl was für Menschen wohnten? Andersgläubige. Die „Vahinis“, wie sie genannt werden, waren auch die Basis für Adityanaths „Bewerbung“ um das Amt des Ministerpräsidenten von UP – die Truppe ist etwa 200.000 Mitglieder stark – und natürlich eine Mitgliedsorganisation des RSS…

b) Die antidemokratische Offensive der BJP-Zentralregierung

Seit dem Regierungsantritt 2014 hat die BJP-Regierung Modis – nicht nur in der BRD extrem freundlich gesehen und behandelt, sondern, aufgrund des „indischen Potenzials“,  in allen kapitalistischen Ländern – konsequent eine Politik der Einschränkung demokratischer Kräfte und Rechte verfolgt. Sie konnte dies insbesondere deswegen relativ „lautlos“, weil sie vor allem eine Reihe willkürlicher Gesetze zur Anwendung brachte, die frühere Regierungen (der Kongress-Partei) verabschiedet hatten. UAPA – das Gesetz zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten (heißt wirklich ziemlich genau so) – war dabei zentral im Kampf gegen den sogenannten Terrorismus, nicht nur für die BJP gleichbedeutend mit „Maoismus“, der seit der Naxaliten-Bewegung bewaffneter Landarbeiter in den 70er Jahren das Trauma des indischen Bürgertums darstellt, mehr noch als die in einigen Bundesstaaten aktiven heutigen Guerilla-Gruppen. Dass die Repressionswelle des Jahres 2018 unter dem Slogan des Kampfes gegen das „urbane Naxalitentums“ organisiert wird, ist von daher kein Zufall.

„Indien: Modi und die ungeliebten Aktivisten“ von Gilbert Kolonko am 01. April 2017 bei telepolis externer Link unter anderem zu einer der ersten Fronten, die die BJP – unter Ausnutzung von Gesetzen früherer Regierungen – eröffnete: „Ich wende ein, dass Indien es immerhin mit Demokratie versuche. In China würden Menschen wie er wahrscheinlich schon seit Jahren in einem Arbeitslager sitzen. D’Costa winkt ab. „Dass mit der Demokratie erzählen sie mal unser Regierung. Bis jetzt hat sie mehr als 200.000 Anzeigen gegen Anti-Atom Aktivisten gestellt.“ Es habe allein in Kudankulam Monate gegeben, da seien 6000 Menschen angezeigt, Krieg gegen den Staat zu führen – zehn Mal mehr als im umkämpften Kaschmir zur gleichen Zeit. Tausende seien verhaftet, fünf Demonstranten erschossen worden: „In unserem Fall versucht es die Regierung jetzt mit dem Paragraphen 12, 4(e) des Foreign Contribution (Regulation) Acts von 2010 und den Foreign Contribution (Regulation) Rules von 2011. Diese besagen, dass einer Organisation, die ausländische Spendengelder erhält, die Lizenz entzogen werden kann, wenn gegen einen der Vorsitzenden ein gerichtliches Verfahren läuft. Egal, ob derjenige später freigesprochen wird oder nicht.“ Im Jahr 2015 sind auch die Konten von Greenpeace Indien eingefroren worden. Amnesty International hat die indische Regierung auf die Fragwürdigkeit des Foreign Contribution Act hingewiesen. Wenn man bedenkt, dass gegen 34 Prozent der Abgeordneten der Lok Sabha (indisches Unterhaus) Verfahren anhängig sind, darunter Mord und Vergewaltigung, kann der Eindruck entstehen, dass es hier um anderes geht. „Alles was dem schnellen wirtschaftlichen Wachstum im Wege steht, soll mundtot gemacht werden, das war auch vor Modi nichts anders, nur drückt er jetzt aufs Tempo“, setzt d’Costa hinzu…

„Indien: Durchregieren an den Unis“ von Christa Wicherich am 18. Dezember 2017 beim Asienhaus externer Link ist ein Beitrag zum Meinungsterror der BJP unter anderem an Universitäten, in dessen Einleitung es heißt: „Narendra Modi ist ein identitärer Überzeugungstäter. Seit 2014 regiert er Indien mit einer absoluten Mehrheit seiner Bharatya Janata Party (BJP). Modi betreibt eine autoritäre Politik der Gleichschaltung öffentlicher Institutionen und ihrer Säuberung von kritischen und alternativen Kräften. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Universitäten. (…) Modis Politik ruht auf den Säulen eines populistischen Hindu-Nationalismus und eines neoliberalen Wirtschaftskurses. Im Zeichen der Safran-Flagge verschmelzen ökonomische und kulturelle Herrschaft. Modi inszeniert sich als Saubermann gegen die allgegenwärtige Korruption im Land und fährt systematisch Ausgrenzungsstrategien gegen „andere“, ihm unliebsame gesellschaftlichen Gruppen sowie gegen alles Muslimische. Kritische zivilgesellschaftliche Organisationen werden durch Entzug finanzieller Mittel und ständige Verunglimpfung als vom Ausland gesteuert und als „unindisch“ systematisch geschwächt. Auch dem für Frauen in ländlichen Regionen geschaffenen Empowerment-Programm Mahila Samakhya wurden 2015 die Gelder der Zentralregierung gestrichen. Das alles schafft ein Klima der Überwachung und Einschüchterung…

„Hindu-Regierung erklärt vier Millionen Bengalen für illegal“ am 30. Juli 2018 bei Spiegel Online externer Link vermeldet über eine neue nationalistische Offensive der BJP Regierung: „Etwa vier Millionen Menschen in Indien sind zu illegalen Einwanderern erklärt worden. Die Regierung des nordostindischen Bundesstaates Assam veröffentlichte am Montag ein vorläufiges neues Bürgerregister. In dem Register werden nur knapp 29 Millionen Menschen gezählt, etwa 33 Millionen Einwohner hatten Anträge eingereicht. Die übrigen müssen nun beweisen, dass ihre Familien schon vor der Staatsgründung des an Assam grenzenden Nachbarlandes Bangladesch im Jahr 1971 in Indien lebten. Ansonsten droht ihnen die Abschiebung nach Bangladesch. Betroffen sind vermutlich vor allem Muslime der bengalischsprachigen Minderheit. Hindu-Nationalisten sehen diese als Eindringlinge – ein Wort, das auch Indiens Premierminister Narendra Modi schon gebraucht hat. Kritiker sprechen von einer gegen Muslime gerichteten Maßnahme der nationalistischen Partei BJP, die sowohl Indien als auch Assam regiert…

„Chauvinism and Economic Exploitation behind the Attack on Citizenship Rights of 40 lakh Working People in Assam“ am 01. August 2018 beim NTUI externer Link ist die Erklärung des parteiunabhängigen Gewerkschaftsbundes zur „Ausbürgerungswelle“ in Assam, die scharf kritisiert wird. Darin wird ausgeführt, dass dies der Höhepunkt einer jahrzehntelangen Kampagne der hinduistischen Landbesitzer sei, die schon dafür gesorgt habe, dass Teile des Bundesstaates Assam nicht zu Ostpakistan (heute Bangladesch) gehörten, was später durch ein Massaker an bengalisch sprechenden Menschen und entsprechenden Vertreibungen abgesichert worden sei – wie auch durch die Migrationsgesetze der Regierung von Indira Gandhi. Die Argumentation des NTUI kreist um die Feststellung, dass die allermeisten der Menschen, denen jetzt die Staatszugehörigkeit aberkannt wurde, LandarbeiterInnen sind.

„Lawyers say arrests of activists used to silence dissent“ von Saurav Datta am 08. Juni 2018 bei der Asia Times externer Link war ein Beitrag zur – inzwischen vorletzten – Repressionswelle Ende Mai, Anfang Juni 2018, bei der zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten festgenommen wurden, allesamt unter dem seit langem bestehenden – aber von der BJP-Regierung immer öfter angewandten – UAPA Ausnahmezustands-Gesetz gegen „ungesetzliche Aktivitäten“, hier in diesem Fall gegen Aktive der Indian Association of People’s Lawyers (IAPL) (sehr entfernt vergleichbar mit dem Republikanischen Anwaltsverein in der BRD).

„PUDR Condemns Unjustified Cancellation of LG Worker’s Union“ am 25. Februar 2018 bei der Peoples Union for Democratic Rights externer Link ist eine Protestnote der demokratischen Vereinigung gegen die Nichtanerkennung der selbstorganisierten Gewerkschaft der Beschäftigten des Werkes in Greater Noida (nahe der Hauptstadt) des südkoreanischen Elektronikkonzerns LG – die hier als Beispiel stehen kann für viele solcher Vorgehensweisen internationaler Unternehmen in Indien, zumeist in enger Zusammenarbeit mit lokalen Behörden. Und dies unter faktisch allen indischen Regierungen, keineswegs nur der jetzigen. Das „neue“ in der antigewerkschaftlichen Politik der BJP-Regierung ist, dass immer – und immer offener – dabei das Thema „maoistische Gewerkschaft“ ins Zentrum von Verboten, Nichtanerkennung und Repression gestellt wird…

„4 years of Modi: This ‘vikas’ has no vision for future“ von Vijay Prashad am 26. Mai 2018 im National Herald externer Link ist eine Zwischenbilanz von 4 Jahren Modi-Regierung, die die Explosion von Gewalt in der Gesellschaft ebenso in diese Bilanz einbezieht, wie etwa die Besetzung von Ämtern (bei weitem nicht nur) im Bildungswesen durch Parteiaktivisten. „Vikas“ – der Slogan von Modis Wahlkampagne und Regierungsantritt (bedeutet: Entwicklung) sei ohne Vision für die Zukunft, so schlussfolgert der Autor, und bedeute nur, die Entwicklung der Geschäfte seiner Partner. Für seine eigene Parteibasis gebe es nur die Entwicklung, ihrem Hass freien Lauf lassen zu dürfen.

„RSS Promoting Clash Of Civilizations“ von Abdul Majid Zargar am 30. Dezember 2017 bei Countercurrents externer Link ist ein Beitrag über das Wirken der RSS vor allem in den Ländern am arabischen Golf, also den VAE und Saudi Arabien, wo insgesamt etwa 5 Millionen Menschen aus Indien arbeiten. Dort, wo sie extrem diskriminiert werden, findet die faschistoide Massenbewegung RSS massiven Zulauf in ihrem „Kulturkrieg“ vor allem gegen Moslems…

„Modi Rule Is Mob Rule“ am 27. Juli 2018 bei der KP Indiens (ML)-Liberation externer Link ist eine Stellungnahme der Partei zur sich immer weiter ausbreitenden Lynchjustiz in Indien, aus Anlass der abermaligen Ermordung eines Muslims. Die Herrschaft Modis ist die Herrschaft des Mob, so die Erklärung, in der unterstrichen wird, dass die Tatsache, dass Lynchjustiz in Indien die neue Normalität sei, ein Ergebnis der entsprechenden Mobilisierung der BJP und Modis selbst ist. Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs im Sommer 2018 müsse die Regierung gegen Hasspropaganda vorgehen – und habe nun angekündigt, die Kontrolle der sozialen Medien zu verschärfen. Dies müsse bekämpft werden so die Partei, da klar sei, dass die BJP dies nutzen werde, um die Opposition zu verfolgen – wobei jene Kräfte, die den Hass anstachelten, keineswegs in den sozialen Medien vor allem aktiv seien, sondern in den regierungsnahen offiziellen Medien.

c) Nationalismus, Fundamentalismus und Neoliberalismus sind keine Gegensätze, sondern Ergänzung und System. Auf wessen Kosten wohl?

bauernprotest_indien_5.9.2018

Gegen Korruption und Bürokratie, Weg frei für die Entwicklung des Landes – das sind die zentralen Parolen Modis und der BJP. Dies und die faschistoide Massenmobilisierung waren und sind Grundlage ihrer Wahlerfolge. Das werde, so auch hier das verlogene neoliberale Zukunftsversprechen, neue Arbeitsplätze schaffen – und dies im formellen Sektor, also jenem, in dem gesetzliche Bestimmungen überhaupt nur greifen können. Neue Arbeitsplätze im formellen Sektor gibt es – vor allem mit Zeitverträgen und in Subunternehmen. Und bestenfalls mit vom Unternehmen genehmigten Gewerkschaften. (Gegen andere hat sich gerade diese Regierung auch auf den „Maoismus-Vorwurf“ spezialisiert). Für die vielbeschworenen ausländischen Investoren ganz offensichtlich ein Anreiz…

„Indien wird 2018 fünftgrößte Wirtschaftsmacht“ vom 27. Dezember 2017 war eine Reuters-Meldung externer Link (hier bei Zeit Online), in der unter anderem informiert wird: „Die indische Wirtschaft wird sich 2018 zur weltweit fünftgrößten entwickeln. Zu diesem Schluss kommen Ökonomen des britischen Centre for Business and Economics Research (Cebr). Die Studie basiert auf einem Vergleich der Bruttoinlandsprodukte in Dollar gerechnet…

Indien im System des globalen Kapitalismus“ von John Neelsen am 01. September 2018 ist ein isw-Report (Nummer 114) externer Link in dessen Ankündigungstext es unter anderem heißt:Indiens Wirtschaftswachstum erfolge im Zuge der Weltmarktöffnung primär im Dienstleistungssektor (31 % der Erwerbstätigen), der Agrarsektor (47 %) ist aber weiterhin der weitaus größte Arbeitsmarkt, wohingegen im Industriesektor nur 22 % arbeiten. Kann der Tertiärsektor die historische Rolle der Industrialisierung übernehmen? Gibt es im Kontext von Integration in den Weltmarkt für den globalen Süden überhaupt noch die Möglichkeit der Transformation und des Durchgangs durch das Stadium der Industriegesellschaft? John P. Neelsen konstatiert, dass für die Länder der „Dritten Welt“ gerade unter neoliberalen Bedingungen die Herausbildung eines peripheren Kapitalismus typisch sei: „eine dauerhaft strukturelle Heterogenität als Nebeneinander vor-, halb- und rein kapitalistischer Produktionsweise“. Die Entwicklung von Klassenbewusstsein werde in Indien durch Kasten-, Geschlecht- und religiöse Zugehörigkeit dauerhaft überlagert und konterkariert. In einem direkten Fakten-Vergleich der Entwicklung der Volkswirtschaften von Indien und China schlussfolgert der Autor, dass Indien keine interne Entwicklung wie China nehmen werde. „Es deutet sich trotz hohen Wachstums eine sozial und politisch-territorial nach Lebenschancen mehrdimensional tief gespaltene Wirtschaftsgesellschaft an, wie sie mit dem Schlagwort ‚Wachstum ohne Entwicklung‘, umschrieben wird.“ Als Regionalmacht spielt Indien im geopolitischen Gefüge eine ebenso machtvolle wie verantwortungsvolle Rolle. Nicht nur als hegemonialer Territorialstaat in Südasien, auch Indiens Anspruch, alleinige Ordnungsmacht im besonders für die Energieversorgung zwischen dem Nahen und Fernen Osten wichtigen Indischen Ozean zu sein, ist zunehmend umstritten. Aufgrund des drastisch erhöhten Energie- und Ressourcenbedarfs steht Indien vor großen ökologischen Herausforderungen, leidet schon heute unter Knappheit und Verunreinigung von Wasser, einen zunehmend unvorhersehbaren Monsun und einer Luftverschmutzung, die schon heute die Chinas weit übersteigt…

„BJP State Govts. Push Labour Law Changes“ von Ariyit Sengupta am 17. Mai 2018 bei NewsClick externer Link ist ein Beitrag über die BJP-Regierungen in den Bundesstaaten – in 22 der 31 Bundesstaaten regiert die BJP entweder alleine oder in Koalitionen – die im Angesicht des massiven Widerstandes der Gewerkschaften gegen die Änderung der Arbeitsgesetze durch die Bundesregierung in ihrem jeweiligen Bundesland solchen Gegenreformen verwirklicht haben.

„India: Modi government accelerates anti-worker privatization drive“ von Kranti Kumara am 09. April 2018 bei wsws externer Link berichtet über die Beschleunigung der Privatisierungspolitik der Modi-Regierung, die das Ziel hat, sämtliche rund 330 staatliche Betriebe, die in ganz verschiedenen Bereichen der Wirtschaft tätig sind, an private Eigentümer zu übergeben.

Der Staat entzieht sich seiner Verantwortung“ am 12. Dezember 2017 bei der Rosa Luxemburg Stiftung externer Link ist ein Gespräch von Nadja Dorschner mit Anannya Bhattacharjee (Society for Labour and Development, aktiv für die Rechte von ArbeitsmigrantInnen innerhalb Indiens), worin sie unter anderem über die Lebensbedingungen der MigrantInnen ausführt: „Aufgrund langer Arbeitszeiten und mangelhafter Ernährung leiden viele unter gesundheitlichen Problemen. Auch Alkohol- oder Drogenmissbrauch ist nicht selten. Die Abwanderung zerreißt Familien, da zunächst oft nur ein Mitglied auf die Reise geht und den anderen Geld schickt. In Fällen wo ganze Familien umziehen, leiden häufig die Kinder. Als Kinder von ständig weiterziehenden Arbeitsmigrant*innen können sie nicht die notwendige behördliche Registrierung aufweisen, um eine Schule zu besuchen. Manche Eltern arbeiten während der Erntesaison auf Plantagen und kehren danach wieder in die Städte zurück. Dieses Hin und Her kann die Bildung von Kindern extrem beeinträchtigen. Hinzu kommen auch kulturelle Unterschiede und sprachliche Barrieren. (…) Im Süden Indiens etwa haben viele internationale Unternehmen der Textil- und Automobilzuliefererindustrie ihre Produktionsstätten angesiedelt, die Arbeitskräfte aus dem ganzen Land anziehen. Dort wird kein Hindi gesprochen, weshalb es aus dem Norden Zugewanderten schwer fällt, sich an die Sprache und Kultur ihrer neuen Lebensräume zu gewöhnen. Mehr noch: Skrupellose Geschäftsleute nutzen fehlende Sprachkenntnisse oft aus, um Migrant*innen auszubeuten. Die meisten leben in Elendssiedlungen an Stadträndern. Die Vermieter dieser Slumhütten zwingen die Menschen häufig, ihre Lebensmittel aus bestimmten Läden zu überteuerten Preisen zu beziehen, wenn sie nicht ihr Dach über dem Kopf verlieren wollen…

„The informal economy and India’s working class“ von Bill Crane in der Ausgabe April 2017 der International Socialist Review externer Link ist ein ausführlicher Beitrag zur informellen Arbeit (sie zu beseitigen ist eine der Versprechungen der Modi-Regierung, wie in anderen asiatischen Ländern auch), der aber im Gegensatz zu vielen anderen Autoren darauf verweist, dass der Prozess massenhafter Informalisierung begann mit der gewaltigen Reduzierung normaler Arbeitsverhältnisse in der einst großen Textilindustrie des Landes, die in bestimmten traditionellen Regionen mit (oft leider nur zahlenmäßig) starker gewerkschaftlicher Organisierung heute weitgehend verschwunden ist. Diese kollektive Organisierung, so ein Argumentationsstrang des Artikels, sei auch eine Barriere gewesen gegen die Beteiligung an interreligiösen Ausschreitungen, die heute fehle…

„’Formalising‘ the Economy: What’s in It for Workers?“ von Karuna Dietrich Wielenga und Shashank Kela am 08. Februar 2018 in The Wire externer Link ist ein ausführlicher Beitrag zur Modi-Politik der „Formalisierung der Arbeitsverhältnisse“. Dabei wird immer wieder deutlich gemacht, dass der sogenannte formelle Sektor immer nur eine recht kleine Minderheit der indischen ArbeiterInnen war. Der „informelle Sektor“ sei, dies unterstreichen die beiden Autoren mehrfach, in den 50er Jahren, nach der Unabhängigkeit, Hauptziel der Organisationsbestrebungen der Gewerkschaften gewesen, was danach, im Zuge der staatlichen Entwicklungspolitik, aufgegeben worden sei. Und seit dem Beginn der sogenannten Liberalisierung Anfang der 90er Jahre seien eben auch die Rechte der formell Beschäftigten Minderheit immer weiter abgebaut worden – mit mehr System und Nachdruck nach Modis Regierungsantritt.

„The Political Economy of India, Democratic Rights, and the Democratic Rights Movement“ von Rajani X. Desai in der Ausgabe Juni 2017 von Rupe India externer Link ist ein Vortrag über die Rechte am Arbeitsplatz als Bestandteil demokratischer Rechte – die nicht nur nach Ansicht dieses Autors beide von der BJP-Regierung abgebaut werden. Er verweist dazu unter anderem auf die „schlichte Tatsache“ dass Modis Propaganda von der allmählichen Beseitigung des informellen Sektors nichts sei, als eine Propagandalüge. Zwar träfe es zu, dass die Zahl der im formellen Sektor Beschäftigten deutlich und überproportional angewachsen sei. Allerdings sei dies in Zusammenhang damit zu sehen, dass es in den letzten 10 Jahren eine Steigerung von 41 auf 58% der formell Beschäftigten gegeben habe – die in Zeit- und Leiharbeit beschäftigt seien, also innerhalb der formellen Ökonomie eben informell beschäftigt…

„Tech-savvy Hyderabad houses most child workers“ von Preevi Biswas am 27. Juni 2017 in der Times of India externer Link ist ein Beitrag über Hyderabad – eine Stadt, die sich als ein Zentrum der IT-Industrie profilieren will – und es auch ist. Die aber gleichzeitig – und deswegen ist dieser Beitrag in unserer Sammlung, weil die Widersprüchlichkeiten der indischen Realität darin exemplarisch deutlich werden  – auch der Ort Indiens ist, an dem es die höchste Zahl an arbeitenden Kindern gibt…

„Indien: Die Entlarvung des Heilsbringers“ von Gilbert Kolonko am 23. Januar 2018 bei telepolis externer Link unter anderem zum Versuch der Modi-Regierung, die indische Staatsbank zu privatisieren:  „Ein andere „Reform“ könnte Modi nun ernste Probleme einhandeln: Still und heimlich versucht die Regierung, die indische Staatsbank (SBI) an den Konzern Reliance Industries zu verschenken. Ausgerechnet an die Reliance, die eine Geschichte von Anklagen und Verurteilungen wegen Korruption und Untreue aufweist, die bis 1988 reicht. Dass ihr ultra-neoliberaler Vorstandsvorsitzender, Mukesh Ambani, ein Bekannter des Premierministers ist, wirft einen anderen Blick auf den „Anti-Korruptionskämpfer“ Modi. Laut Regierung ist es eine Banken-Fusion, doch werden 70% des Eigenkapitalanteils von Reliance Industries stammen und somit wird das Sagen zukünftig bei ihnen liegen. Auch das Hauptargument der Regierung, die State Bank mit der „Fusion“ fit zu machen, ist fadenscheinig. Mit mehr als 200.000 Mitarbeitern und 225 Millionen Kunden ist die SBI die einzige indische Bank unter den Top 50 der Erde. „Wir haben in Indien mehr als 23.000 Filialen, davon 15.000 in den ländlichen Gegenden. Reliance Industries hat keinen Zugang zum Land, weil Investitionen dort wenig profitabel sind. Nun haben sie plötzlich unser landesweites Filialnetz – und wir sollen unserer einfachen Kundschaft Lebensversicherungen und Fonds von denen aufschwatzen“, sagt ein Filialleiter einer SBI-Bank in Kolkata zu mir. Auch wer mit den Angestellten am Schalter spricht, spürt vor allem eins: Angst um die Arbeitsstelle. Der normale SBI-Arbeiter ist nicht der junge, dynamische Bankangestellte des 21. Jahrhunderts. Dafür werden knapp 50% der Stellen an ethnische Minderheiten, Stammesangehörige und Menschen mit körperlichen Behinderungen vergeben. SBI steht also eher für langsam, aber sozial und seriös. Die Liste der Fakten, die Modi entlarven, ist lang: Im Jahr 2014 hatte er die Wahlen hauptsächlich deshalb gewonnen, weil er die politische Konkurrenz im Falle eines aufgeputschten Skandals um die Vergabe von Mobilfunknetzen aggressiv der Korruption bezichtigte. Am 22.12.2017 sprach der Richter O. P. Saini jedoch alle Angeklagten im Verfahren um die Mobilfunknetze frei…

d) Zusammenschluss der demokratischen und linken Opposition gegen die aktuelle Repressionswelle in Indien?

Die – regionale, wie in vielen besonders großen Ländern und politische, wie kaum irgendwo  – Spaltung der Opposition war schon immer im Indien der Jahre nach 1947 eine wesentliche Waffe der jeweiligen Regierung. Ständiges Thema im LabourNet Germany etwa war und ist die Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung in Indien, wo jede größere Partei ihre eigene Gewerkschaft hat (eine Erscheinung, zu der es erst in letzter Zeit eine beachtliche Gegenentwicklung gibt) – und die BJP mit dem Gewerkschaftsbund BMS die größte Föderation beherrscht. So war es leider oft genug auch so, dass etwa demokratische Bewegungen gegen bestimmte Maßnahmen nur der Solidarität mit den „eigenen Leuten“ dienten. Weswegen es von besonderer Bedeutung ist, dass im Widerstand gegen die aktuelle Repressionswelle diese verschiedenen Spaltungen deutlich weniger vorhanden sind, als gewohnt…

me-too-urban-naxal„Mumbai Unites to Condemn Arrests & Harassment of Activists as “Urban Naxals”“ am 04. September 2018 bei India Resists externer Link ist eine Videodokumentation über die gemeinsame Pressekonferenz von sage und schreibe 37 Organisationen ausgesprochen unterschiedlicher Orientierung gegen die jüngsten willkürlichen Festnahmen – diese noch nicht da gewesene breite Beteiligung an einer solchen Aktion hat zumindest die zahlreichen anwesenden Medienschaffenden offensichtlich massiv beeindruckt…Der Grundtenor der gemeinsamen Positionierung der Organisationen war es, die Umsetzung eines „nichterklärten Notstandes“ zu kritisieren.

„Incarcerating Working Class Voices:A Statement on the arrest of Com. Sudha Bharadwaj and other activists“ am 31. August 2018 externer Link und jetzt auf Englisch, ist eine Stellungnahme des Tamil Nadu LabourBlog zur jüngsten Festnahme der 5 AktivistInnen durch die Polizei von Pune in einer landesweiten Aktion (siehe dazu den Verweis auf unseren letzten Bericht dazu am Ende dieser Materialsammlung). Wobei zwar die Gewerkschafterin Sudha Bharadwaj im Mittelpunkt steht, aber die Aktivitäten aller Fünf und noch weiterer jüngst festgenommener AktivistInnen beschrieben werden, Schriftsteller, Rechtsanwälte, Wissenschaftler, von denen die jüngste 55, der Älteste 85 Jahre alt ist. Sudha Bharadwajs Tätigkeit in der Gewerkschaftsbewegung steht dabei, wie gesagt im Mittelpunkt, vor allem ihre Aktivität in der Gewerkschaft Chattisgarh Mukthi Morcha, mit den Zeitarbeitern in den Kohlebergwerken von Chattisgarh. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Verbot der Gewerkschaft Mazdoor Sangathan Samiti verwiesen – weil sie eine Veranstaltung zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution organisiert hatte.

„Statement demanding immediate release of writers, activists and human rights defenders” am 05. September 2018 bei sanhati externer Link dokumentiert, ist eine Solidaritätserklärung von Studierenden und Lehrenden der Fakultät für Computerwissenschaft der Universität Kanpur mit Sudha Bharadwaj (die hier ein Mathematik-Studium abschloss) und mit den anderen Festgenommenen, der sich auch Wissenschaftler von anderen Universitäten Indiens und des Auslands angeschlossen haben, und die gemeinsam die willkürliche Polizeistaatsaktion kritisieren. Auch diese Erklärung ist – vor allen Dingen in der Breite und Vielzahl der Unterzeichnenden – eine Neuerung in den politischen Verhältnissen Indiens.

„Arrests Of Human Rights Activists: Undeclared Emergency“ am 28. August 2018 bei der CPI (ML) externer Link ist eine Erklärung, in der die willkürlichen Festnahmen als „unerklärte Notstands-Maßnahme“ kritisiert werden und die sofortige Beendigung dieses „infamen Aktes“ gefordert.

„Independent Inquiry Slams Pune Police for ‚Inaction‘ During Bhima Koregaon Violence“ von Sukanya Shantha am 04. September 2018 bei The Wire externer Link ist ein Bericht über die Untersuchungsergebnisse einer unabhängigen Kommission zu den Bhima Koreagon „Zwischenfällen“ von Anfang 2018 – die der offizielle Grund für die aktuelle Repressionswelle sind – wobei die Kommission zum Schluss kam, dass die Polizei von Pune die Konfrontation zwischen Dalit-Aktivisten und RSS-Banden hätte kontrollieren können, wenn sie die Absicht gehabt hätte. Stattdessen hat sie in der Zeit danach die Dalits verfolgt – aber keinen einzigen RSS-Mann. Und eben alle, die dieses Vorgehen kritisierten, wie jetzt in dieser landesweiten Aktion, die ja ebenfalls von Polizei und Staatsanwaltschaft von Pune organisiert wurde.

„Tamil Nadu: Arrest of researcher for anti-BJP slogan is a blatant abuse of the law“ von Sruthisagar Yamunan am 04. September 2018 bei Scroll.in externer Link ist ein Beitrag über die Festnahme der Wissenschaftlerin Lois Sofia, die in der Öffentlichkeit „Nieder mit der faschistischen BJP-Regierung“ gerufen hatte und auf „Verlangen“ des BJP-Vorsitzenden im Bundesstaat Tamil Nadu von der Polizei verhaftet wurde – die nunmehr allerjüngste Festnahme in der aktuellen Welle. Die sofort einsetzen Proteste erreichten zumindest ihre Freilassung auf Kaution, wogegen sich vor allem die Polizei gewandt hatte…

„Spearheading The People’s Struggle: Mazdoor Kisan Sangharsh Rally“ von Ramlal Unnikrishnan am 05. September 2018 bei Countercurrents externer Link ist ein Bericht über die große gemeinsame Arbeiter und Bauerndemonstration in der indischen Hauptstadt am selben Tag, an der sich weit über 100.000 Menschen beteiligten. Dies war das erste Mal, dass die KPI (Marxisten) ihren Gewerkschaftsbund und Bauernverband sowie die Landarbeiter-Vereinigung gemeinsam mobilisierte für ihr 15 Punkte-Forderungsprogramm (unter anderem keine Privatisierung, 18.000 Rupien Mindestlohn…) – in diesem Zusammenhang aber wichtig, vor dem Hintergrund tiefer Parteispaltungen auch in der indischen Linken, dass während der Demonstration und erst recht auf der Abschluss-Kundgebung immer wieder Slogans gerufen und Redebeiträge gehalten wurden, in denen die aktuelle Repressionswelle kritisiert wurde und die sofortige Freilassung der Festgenommenen gefordert wurde.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=137137
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