Erdogan zu Besuch in der BRD: Dem Geschäftsfreund und Waffenbruder will man es zeigen – Polizeistaat können wir auch (ohne Ausnahmezustand)

Union Solidarity International: Erdoğan uses ISIS to attack the KurdsAls ob die Bundesregierung nicht ständig mit der türkischen Regierung sprechen würde (etwa: Über das Menschenrecht auf Profit) wird jetzt einmal mehr von verschiedensten Seiten aus gefordert, wenn Erdogan im Herbst 2018 in die BRD komme, müsse mit ihm über die Menschenrechte in der Türkei geredet werden. So wie mit der Regierung Ägyptens. Oder der mutmaßlichen Regierung Libyens. Oder mit Russland oder China oder… (seltsamerweise nicht: Mit den USA). Was bei diesen ständigen und rituellen Forderungen und Bekundungen stets außerhalb des „Blickfeldes“ bleibt, ist die bescheidene Frage, was eigentlich diese Bundesregierungen zu entsprechenden Vorhaltungen qualifizieren soll. Ja, Erdogans Türkei ist ein Polizeistaat. Aber: Hamburg liegt nicht in der Türkei, oder? Ja, Erdogan fährt einen aggressiven nationalistischen Kurs. Dafür sind bei uns Lagerkommandanten keineswegs nur aus Bayern zuständig. Und darüber, dass alle Kurdinnen und Kurden Terroristen sind, ist man sich ohnehin einig – die Zahl der Polizeirazzien und entsprechender Gerichtsurteile dürfte in der Türkei höher sein. Siehe dazu einen Beitrag über eventuelle Aktionen sowie zwei Beiträge zur alltäglichen Realität „deutsch-türkischer (Regierungs)Freundschaft“:

  • „Kurzupdate zum TagX – Erdogan kommt (voraussichtlich) Ende September“ von der Antifa-Koordination 36 am 29. Juli 2018 bei de.indymedia externer Link fasst zusammen: „Gestrigen Medienberichten zufolge wird der Diktator des AKP -MHP Regimes, Erdogan, im Herbst diesen Jahres zum Staatsbesuch nach Berlin kommen. Weiter heißt es, dass das Treffen mit Vetreter*innen der Bundesregierung für Ende September geplant sei. Über das konkrete Datum werde aber noch verhandelt. Wie bei hohen Staatsbesuchen üblich, wird der Diktator vom derzeitigen Bundespräsidenten Frank-Walther Steinmeier empfangen werden, Staatsbankett und Militärische Ehrung inklusive. Der Besuch Erdogans wäre der erste Staatsempfang in Deutschland seit 2014, wir hoffen, dass es der letzte wird. Wir denken, dass fast 2 Monate bis zum Besuch Erdogans in Berlin Zeit ist, mit der man arbeiten kann und die wir nutzen sollten. Die Aufrufe zum TagX, die bereits im März diesen Jahres erschienen sind, haben nichts an Aktualität verloren. Im Gegenteil. Nach dem Ausgang der (Neu-) Wahlen in der Türkei und der damit einhergehenden Zementierung der absoluten Macht Erdogans durch das Präsidialsystem ist der Prozess zur Diktaturwerdung der Türkei vollständig abgeschlossen. Die Deutsche Bundesregierung hält auch in Diktatur-Zeiten weiter an ihren Beziehungen mit dem Nato Partner Türkei fest und ist sich auch nicht zu schade Hände mit den Grauen Wölfen zu schütteln. Wie zuletzt beim Brüsseler Nato-Gipfel vor einigen Wochen. Gleichzeitig bleiben die Waffenexporte deutscher Rüstungsunternehmen an das Regime in Ankara mit Hilfe deutscher Banken bestehen. Dazu ist seit geraumer Zeit der Aufbau einer Panzerfabrik geplant. Die Gründe gegen den Besuch des Diktators aktiv zu werden, sind nicht nur aktuell, sondern werden von Tag zu Tag brisanter. Wie breit und effektiv der Widerstand gegen das Treffen ausfällt, wird auch maßgeblich daran liegen, was wir bereit sind im „Herz der Bestie“ zu organisieren…
  • „Erdoğans Blick – Verfassungsschutzbericht vorgestellt“ am 25. Juli 2018 bei der ANF externer Link ist ein Kommentar zum sogenannten VS-Bericht, in dem unterstrichen wird: „Diese antiemanzipatorische Grundhaltung des Bundesamtes für Verfassungsschutz gewinnt noch stärker an Konturen, wenn wir uns die „Berichterstattung“ im Kapitel „Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern“ zur Arbeiter*innenpartei Kurdistan PKK ansehen. In dem Kapitel werden zivilgesellschaftliche Aktivitäten wie die „Nein“-Kampagne zum Verfassungsrefendum in der Türkei, die von der Demokratischen Partei der Völker (HDP), dem Demokratischen Kongress der Völker (HDK), breiten Bündnissen bis weit in die türkische liberale Öffentlichkeit und die CHP hinein getragen wurden, als „PKK-Kampagne“ diffamiert. Der Bericht kriminalisiert die breiten europaweiten Hayır-Plattformen als „ein überwiegend von PKK-Aktivisten und PKK-nahen Organisationen getragenes Bündnis“. Das sich Politiker wie Cem Özdemir und viele Politiker*innen anderer Parteien und Prominente an der Kampagne beteiligten, scheint den Verfassungsschutz in seinem Urteil nicht zu beirren. Die Argumentation des Verfassungsschutzes erinnert an die Argumentation der türkischen Staatsmedien, die wegen der Hayır-Kampagne sogar schon von einer Allianz zwischen PKK und CHP redeten und so versuchten, die Hayır-Bewegung zum Abschuss freizugeben. Auch die Ziele der PKK scheinen dem VS klar zu sein: „Die PKK lehnte die Verfassungsänderung ab, da sie bei einer Ausweitung der Befugnisse des türkischen Staatspräsidenten eine Verschärfung der gegen sie gerichteten Repressionen sowie eine Intensivierung der militärischen Auseinandersetzungen befürchtete.“ So weit richtig, aber was daran problematisch ist, bleibt der Phantasie der Verfassungsschützer überlassen. Die Hayır-Aktivistin Beriwan Sozdar kommentiert diese Darstellung gegenüber ANF mit den Worten: „Natürlich haben wir Probleme mit der türkischen Verfassung, die schon damals undemokratisch und rassistisch war, es war aber umso notwendiger gegen den Verfassungsputsch-Erdoğans zu mobilisieren. Dass die Verteidigung einer Verfassung nun für den deutschen Verfassungsschutz problematisch ist, ist einfach nur absurd. Wenn sich der deutsche Verfassungsschutz so vor den türkischen Diktator stellt, ist das einfach nur peinlich!…
  • „»Bundesregierung macht bei Isolation von Rojava mit«“ am 30. Juli 2018 in der jungen welt externer Link ist ein Gespräch von Jan Greve mit dem Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Martin Dolzer über die Einreiseverweigerung für humanitäre Hilfsaktionen und die Rolle der BRD dabei: „Wir sind schon davon ausgegangen, über die Grenze gelangen zu können. Bei vorherigen Reisen hatte der Status des Abgeordneten meist genug Gewicht, so dass die Übertritte letztendlich ermöglicht wurden. Auch das Auswärtige Amt war dabei zum Teil behilflich. Aber die Behörde hat nun unter formalen Vorwänden diplomatische Unterstützung verweigert. Faktisch spielt die Regierung Barsani eine historisch negative Rolle, weil sie die Grenze schließt – auf der anderen Seite unterstützt die Bundesregierung die Isolation Rojavas dadurch, dass sie humanitäre Hilfe nicht durch diplomatische Kontakte möglich macht. Das ist ein verheerendes Signal. Hunderte Millionen Euro werden an das Regime Erdogans gezahlt, damit es Menschen auf ihrer Flucht nach Europa aufhält. Wenn es aber um den Aufbau einer humanitären Infrastruktur durch medizinische Versorgung, durch den Aufbau einer Prothesenwerkstatt geht, fehlt es an Unterstützung – obwohl es genau hier um die vielzitierten Fluchtursachen geht, von denen es auch offiziell heißt, sie müssten überwunden werden…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=135468
nach oben