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Nach der Wahl in Kolumbien: Die Wiederkehr der (Bürger)Kriegstreiber?

17. Juni 2018 immerhin 8 Millionen stimmen für linkssozialdemokraten in Kolumbien54% der Stimmen hat der Präsidentschaftskandidat der Konservativen, Rechten und Rechtsradikalen Ivan Duque in Kolumbien gewonnen – in einer Atmosphäre, die durch Hass- und Angstpropaganda ebenso gekennzeichnet war, wie durch Drohungen – und durch fortgesetzte Morde an Aktiven sozialer Bewegungen. Auf der anderen Seite: Noch nie hat in Kolumbien ein linker Kandidat so viele Stimmen bekommen, wie die 41% für Gustavo Petros, was runde 8 Millionen Wählerinnen und Wähler bedeutete. Er war, so viel ist eindeutig fest zu halten, der Kandidat der sozialen Bewegungen und der Gewerkschaften, auch der linken Gewerkschaften, die einen unabhängigen Kurs verfolgen. In den Hochburgen sozialer Bewegungen und in der Hauptstadt Bogota hat er die Wahlen gewonnen, in ländlichen Gegenden, Kleinstädten und Mittelklasse-Vierteln nicht. Nach der verlorenen Wahl unterstrich er, er werde versuchen, vom Senat aus den weiteren Widerstand zu stärken, die 8 Millionen Stimmen seien eine hervorragende Basis dafür. Zur Situation in Kolumbien nach der Wahl, zwischen reaktionärer Gewalt-Offensive und wachsenden Protestbewegungen, unsere aktuelle kommentierte Materialsammlung „Wiedergänger an der Macht? – Wie entwickelt sich der Widerstand mit „Uribe 2“ als Regierungschef in Kolumbien?“  vom 20. Juni 2018:

Wiedergänger an der Macht? – Wie entwickelt sich der Widerstand mit „Uribe 2“
als Regierungschef in Kolumbien?

a) Das Wahlergebnis und seine ersten Bewertungen

„Das Ende von „Frieden und Soziale Gerechtigkeit“?“ von Jan Schwab am 19. Juni 2018 im re:volt Magazin externer Link zum Wahlergebnis: „Am vergangenen Sonntag gewann Iván Duque, Kandidat des rechtspopulistischen Centro Democrático, die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen in Kolumbien. Zuvor hatte sich der sozialdemokratische Kandidat Gustavo Petro, aufgestellt von der mitte-links Kampagne Colombia Humana, gegen seine liberalen Mitbewerber in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 27. Mai durchgesetzt. Er galt damit als erster dezidierter mitte-links Präsidentschaftskandidat in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl in der kolumbianischen Geschichte. Im zweiten Wahlgang aber setzte sich Iván Duque mit einer klaren Mehrheit von 54 zu 41,8 Prozent durch und konnte damit zwei Millionen Stimmen mehr verbuchen als sein Gegenkandidat Petro. Selbst unter Einbezug des im Vorlauf bekanntgewordenen möglichen Stimmenkaufs und des Wahlbetrugs durch UnterstützerInnen des rechten Kandidaten kann sogar von einem klaren Sieg der Rechten ausgegangen werden. Die Wahlbeteiligung von 53,4 Prozent gilt für das südamerikanische Land als vergleichsweise hoch, insbesondere im Vergleich zum Plebiszit über die Friedensverträge von Havanna mit den FARC am 2. Oktober 2016, bei der eine Wahlbeteiligung von 37,43 Prozent ermittelt wurde. Aufgrund der Ergebnisse der Legislativwahlen am 11. März diesen Jahres verfügt Duque darüber hinaus mit seinen UnterstützerInnenparteien, auch ohne die offensichtlich wankelmütige Partido Liberal, in beiden kolumbianischen Kammern über die klare Mehrheit“. In dem ausführlichen Beitrag werden auch die konkreten Vorhaben Duques, was die Beseitigung zentraler Bestandteile des Friedensabkommens betrifft, dargestellt, wie auch eine Reihe von Gründen für seinen Wahlsieg dargelegt, von der Hetzkampagne anhand des Beispiels des benachbarten Venezuela, bis hin zur Spaltung des „Friedenslagers“ durch jene Kräfte, die sich als jene der „Mitte“ profilieren wollten. Schießlich werden darin auch Differenzierungsprozesse innerhalb der FARC angesprochen.

„Histórico: Ocho millones de personas le apostaron a la Colombia Humana“ von Colombia Informa am 18. Juni 2018 bei kaosenlared externer Link dokumentiert, ist eine Pressemitteilung, in der vor allem eben auf die trotz allem 8 Millionen Stimmen für den Kandidaten Petro abgehoben wird, die eine historische Zahl seien für alle Kandidaten „links von der Mitte“ bei Wahlen in Kolumbien.

„Der lange Schatten Uribes“ von Ralf Leonhard am 18. Juni 2018 in der taz externer Link ist ein Kommentar zum Wahlausgang, in dem vor allem unterstrichen wird: „Als sich im vergangenen Jahrzehnt auf dem südamerikanischen Subkontinent eine Regierung nach der anderen nach links wandte, blieb Kolumbien ein konservativer Fels in der Brandung. Die Linke, das waren in Kolumbien bewaffnete Rebellen, allen voran die marxistischen Farc, die auch in progressiven Zirkeln auf dem Universitätscampus ihren Nimbus als Kämpfer für eine gerechtere Welt verloren hatten. Finanziert durch Drogenhandel und Kidnapping wurden sie von Politik und Medien für alle Übel des Landes verantwortlich gemacht. Dass in Wahrheit aber die Armee und die rechten Paramilitärs weit mehr Blut vergossen und Menschen vertrieben haben als die Guerilla, konnte erfolgreich verdrängt werden. So war es für die etablierten Parteien ein Leichtes, Gustavo Petro, den ehemaligen ­M-19-Guerillero, mit den Farc in einen Topf zu werfen und ihm Pläne zu unterstellen, er werde die Unternehmer enteignen und eine sozialistische Mangelwirtschaft nach dem Vorbild Venezuelas einführen. Als vor knapp dreißig Jahren ehemalige Guerillaführer noch populär waren, da hatten Carlos Pizarro von der M-19 und Bernardo Jaramillo von der Farc-nahen Unión Patriótica (UP) gar keine schlechten Chancen auf die Präsidentschaft. Symptomatisch ist, dass beide im Wahlkampf 1990 ermordet wurden. Bei vielen Wählern hat sich daher die Überzeugung verfestigt, dass in Kolumbien ein Machtwechsel nach links nicht möglich ist“.

„Rückkehr der Rechten“ von Georg Sturm am 19. Juni 2018 in der jungen welt externer Link zu den Konsequenzen des Wahlverlierers: „Trotz der Rückkehr der extremen Rechten an die Macht, bietet das Wahlergebnis durchaus Anlass zur Hoffnung für die progressiven Kräfte in Kolumbien. So schrieb der unterlegene Gustavo Petro unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: »Welche Niederlage? Acht Millionen freie Kolumbianerinnen und Kolumbianer. Vorerst werden wir nicht regieren.« Petro hat als unabhängiger Kandidat diese Menschen von seinem Programm überzeugen können, trotz des Widerstands der katholischen Kirche, der Großgrundbesitzer und des politischen Establishments und trotz der Diffamierung seiner Person durch die Massenmedien. Zudem ist es ihm gelungen, ein breites Bündnis, bestehend aus linken und grünen Parteien, Menschenrechts- und Umweltaktivisten, indigenen und Studierendenorganisationen, Gewerkschaften sowie Intellektuellen und Künstlern, zu vereinen. In seiner Rede am Wahlabend sagte Petro: »Die traditionelle politische Klasse in Kolumbien ist gestorben.« Das Wahlergebnis sei ein klares Oppositionsmandat. »Wir acht Millionen Kolumbianer werden nicht zulassen, dass der Friedensvertrag zersetzt wird«, so Petro. Ihm steht als Zweitplazierten der Präsidentschaftswahl ein Sitz im Senat des Kongresses der Republik zu. Er kündigte an, dieses Amt zu nutzen, um einen Sieg bei den Regionalwahlen 2019 vorzubereiten. Auch das langfristige Ziel steht für ihn bereits fest: die Präsidentschaft 2022“.

„FARC mit Erklärung zum Ausgang der Wahl“ am 18. Juni 2018 auf der Plattform Friedensprozess externer Link ist die Dokumentation der einstigen Guerilla-Bewegung und heutigen Partei zum Wahlergebnis, worin es unter anderem heißt: „Es war erwartet worden. In dem politisch tief gespaltenen Land hat sich Duque als Kandidat des rechten Uribe in der Präsidentschaftswahl gegen den unabhängigen und linksalternativen Petro durchgesetzt. Hinter Duque standen große Teile der Wirtschaft, der alten Eliten und auch der Kirche. In den Medien setzte er sich zuletzt für eine Veränderung des Friedensabkommens ein, dass zwischen der Regierung und der ehemaligen Guerilla im Beisein von internationalen Garantenländern abgeschlossen wurde. Nun äußerten sich die FARC in einem kurzen Statement in Form ihres Vorsitzenden, Rodrigo Londoño alias Timochenko: „Wir respektieren die Entscheidung der Mehrheiten.“ Außerdem erklärte er seine Bereitschaft, sich mit Iván Duque zu treffen, um nach seiner Wahl als nächsten Präsidenten von Kolumbien, die Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Friedensabkommens zu diskutieren. Es sei notwendig, „dass gutes Gefühl herrscht, denn das Land ersucht einen umfassenden Frieden, der uns auf die erhoffte Versöhnung führt, auf sozialen Wohlstand basiert, Wahrheit, Gerechtigkeit, umfassende Wiedergutmachung für die Opfer des Konflikts und der Garantie der Nichtwiederholung. Diese Absicht zu hintergehen, kann kein Regierungsplan sein.“ In der Erklärung betonte die zur politischen Partei gewandelte FARC die Wichtigkeit, dass die Bürgerschaft funktionieren muss und das unterstützen solle, was für den Aufbau einer vielversprechenden Zukunft vereinbart wurde“.

b) Neben einer Hetz- gab es auch eine Hass und Drohkampagne. Morde? Sowieso

„Ermordung von drei sozialen Aktivisten in weniger als einer Woche“ am 15. Juni 2018 bei der Kolumbienkampagne externer Link vermeldet: „Drei Ermordungen wurden in weniger als einer Woche in Kolumbien gemeldet. Es handelt sich um Holman Mamian, Mitglied von ASOINCA, ermordet im Cauca Departement; Francisco José Guerra, Leiter der gemeinschaftlichen Aktionen der Gemeinde El Mandarino, in Ituango-Antioquia und Jeisson Ramírez, Präsident des Vorstands für gemeinschaftliche Aktionen der Gemeinde Yet, in Putumayo. (…) Holman Mamian war Mitglied von ASOINCA und Dozent an der Bildungsinstitution für Landwirtschaft Santa Rita in der Gemeinde Vega, Cauca. Die Tat vollzog sich am 12. Juni, als Mamian sich auf dem Weg zu seiner Arbeit befand und von Männern angesprochen wurde, die anschließend sein Leben beendeten. (…) Auf gleiche Weise bestätigen die Behörden von Ituango die Ermordung des Präsidenten des Vorstands für gemeinschaftliche Aktionen der Gemeinde El Mandarino, Francisco Guerra. Der Vorfall ereignete sich am vergangenen Samstag, den 09. Juni, als Männer zu seiner Wohnung kamen und ihn mit mehreren Schüssen ermordeten. Im Angesicht dieser Vorfälle haben verschiedene Organisationen zur Verteidigung von Menschenrechten im Antioquia Departement dringende Maßnahmen gefordert, hinsichtlich der Tatsache, dass mit diesem Homizid bereits neun MenschenrechtsverteidigerInnen in diesem Territorium umgebracht wurden. Ebenso wurde auch der Präsident des Vorstands für gemeinschaftliche Aktionen der Gemeinde Yet, Jeisson Ramírez, am vergangenen 10. Juni in der ländlichen Gegend des Valle del Guamez im Putumayo Departement ermordet. Dies geschah, als Ramírez sich gerade mit seiner Partnerin in einem Geschäft befand.“.

„Bajo Cauca: Ein Krieg, über den niemand spricht“ am 16. Juni 2018 ebenfalls bei der Berliner Kolumbienkampagne externer Link über eine der „Fronten“ des Krieges gegen soziale Proteste auch im Vorfeld der Wahlen: „Das Gebiet, um welches gekämpft wird, leidet an Gold, dem Anbau von Koka und Laboratorien um lezteres zu verarbeiten. Gleichzeitig ist es ein Korridor, welcher das Valle de Aburrá (3) mit der Küste verbindet und sich zum Transport von Drogen eignet. Die Auseinandersetzung um dieses Gebiet hat Geschichte: Hier waren Aufständische, wie die bis vor kurzem bestehenden Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC), die Ejército de Liberación Nacional (ELN) und paramilitärische Gruppen, wie die Autodefensas Unidas de Colombia (AUC), präsent. Als Letztere sich in den Jahren 2003 bis 2006 offiziell demobilisierten, formierten sich neue Gruppen, die sich dort heute mit Gewalt zu etablieren versuchen. Aufgrund dieses Krieges steigt die Anzahl der Opfer konstant. Am 15. April diesen Jahres meldete die siebte Division der Streitkräfte in Taraza acht Tote, die durch Gefechte ums Leben gekommen sind. Wenige Stunden danach wurde der Tod zweier Frauen und eines Mannes gemeldet. Die Kämpfe haben noch kein Ende gefunden, unter Umständen auch das Morden nicht. Zwischen dem 1. Januar und dem 10. April wurden in Antioquía 662 Morde gemeldet, davon 111 im Gebiet des Bajo Cauca. Und obwohl die Kämpfe weitergehen und die Zahl der Toten steigt, werden viele der Toten weder erfasst noch in den Medien erwähnt. Einwohner*innen der Zone versichern, dass in den letzten Monaten verschiedene ermordete Personen einfach verschwunden seien. Unter den getöteten Personen sind speziell die sieben sozialen Aktivist*innen zu erwähnen, welche in diesem Jahr in Antioquía ermordet wurden“.

„USA beantragen Auslieferung von Ex-Kommandant der Farc-Guerilla in Kolumbien“ von Denis Mainka am 12. Juni 2018 bei amerika21.de externer Link über einen Aspekt des Kampfes der Reaktion gegen das Friedensabkommen: „Das Gesuch erreicht die kolumbianischen Behörden kurz vor Ablauf der 60-Tage Frist, nachdem Santrich, Fabio Younes Arboleda, Marlon Marín sowie Ex-Guerillero Armando Gómez Anfang April in Bogotá von der Polizei festgenommen worden waren. Zuvor sei die kolumbianische Staatsanwaltschaft von der DEA über den Ermittlungsstand informiert worden. Als Auszug der mutmaßlichen Beweise sind mittlerweile ein Video- sowie Telefonatausschnitt Santrichs veröffentlicht worden, deren Beweiskraft von Medien jedoch hinterfragt wird.  Die Nachfolgepartei der ehemaligen Guerillaorganisation, ebenfalls mit Namen Farc, spricht von „Sabotage und Inszenierung“ und beteuert die Unschuld Santrichs“.

„A través whatsapp amenazan dirigentes sindicales y sociales en Colombia“ am 14. Juni 2018 bei Sinaltrainal externer Link dokumentiert, ist eine Erklärung des Gewerkschaftsbundes CUT gegen eine aktuelle Drohkampagne gegen Gewerkschafter über WhatsApp, die von den Autodefensas Gaitanistas de Colombia organisiert wurde. Die Morddrohungen der Bande galten Gewerkschaftern und Aktiven sozialer Bewegungen, die sich während der Wahlkampagne für die Wahl Petros ausgesprochen hatten.

„EL ESTADO NO PROTEGE AL MOVIMIENTO SOCIAL“ am 14. Juni 2018 bei der Ölarbeitergewerkschaft USO externer Link bezieht sich auf dieselbe Drohkampagne, berichtet allerdings ausführlicher über den Inhalt der Botschaften – direkte Morddrohungen eben. Die Tatenlosigkeit der amtierenden Regierung und ihrer Behörden angesichts der Morde an Sozialaktivisten, so die Kritik in der USO-Erklärung befeuere die paramilitärischen Banden in ihrem reaktionären Terror.

c) Gewerkschaftliche Positionierungen zur Wahl

„SINALTRAINAL VOTA PETRO PRESIDENTE“ am 16. Juni 2018 bei der Nahrungsmittelgewerkschaft  externer Link war gleichzeitig der letzte Aufruf an die eigene Mitgliedschaft und die Belegschaften der von ihr organisierten Betriebe und Mitteilung an die Öffentlichkeit, dass die Organisation für die Wahl Petros eintritt. Sein Programm für den Frieden und soziale Verbesserungen, seine Ablehnung der Privatisierung des öffentlichen Dienstes und sein Eintreten für soziale Rechte seien dafür die entscheidenden Gründe.

„Contra el Santismo y el Uribismo todos respaldaremos a Gustavo Petro Urrego“ am 31. Mai 2018 bei der Ölarbeitergewerkschaft USO externer Link war ebenfalls ein Wahlaufruf zugunsten Petros, in dem, neben ähnlichen Argumenten für diese Wahlaussage wie oben, vor allem unterstrichen wird, dass nicht ur Duque ein Mann des rechten Expräsidenten Uribe sei, sondern dass es eben auch eine Kontinuität in der Frontstellung gegen soziale Bewegungen gebe, die über Uribe und den aktuellen Präsidenten Santos zum inzwischen gewählten Kandidaten reiche.

„Consecuencias económicas para Colombia de las propuestas de Petro y Duque“ am 14. Juni 2018 beim Celag Institut externer Link ist ein Vergleich der wirtschaftspolitischen Aussagen der beiden Kandidaten zur kolumbianischen Präsidentschaftswahl  aus dem deutlich wird, und auch deutlich gemacht wird, dass das linkssozialdemokratische Programm Petros für die kolumbianischen Gewerkschaften einen echten Fortschritt bedeute.

d) Mögliche Konsequenzen

„Rückschlag für Kolumbiens Friedensprozess“ von Martin Ling am 19. Juni 2018 in neues deutschland externer Link fasst seine Position abschließend zusammen: „Bereits unter dem scheidenden Präsidenten Juan Manuel Santos wurde das Abkommen von Verfassungsgericht, Kongress und Regierung in unterschiedlicher Weise nicht befolgt. Diese Tendenz der Nichterfüllung und Umsetzung wird sich mit dem ursprünglichen Vertragsgegner Duque sicher verschäft fortsetzen. Für Kolumbien heißt das erhöhtes Konflikt- und Gewaltpotenzial. Der Hauptleidtragende ist die Zivilbevölkerung. Insofern stehen die Wahlen für eine traurige Kontinuität seit Jahrzehnten“.Kolumbienprotest: Tödlicher Stausee Mai 2018

„Dissidenz, Frieden und Wahlen in Kolumbien“ von Victor de Currea-Lugo am 14. Juni 2018 bei amerika21.de externer Link (in der Übersetzung von Vilma Guzmán) zu Entwicklungen in der FARC: „Mit seinen Äußerungen öffnet Duque die Tür für künftige Auslieferungen ehemaliger Farc-Kommandanten unter dem Vorwurf des Drogenhandels, ganz auf der Linie der US-Antidrogenbehörde DEA, von Donald Trump und dem kolumbianischen Staatsanwalt Néstor Humberto Martínez. Der Frieden scheint zum Scheitern verurteilt, wenn Duque gewinnt. Auf der anderen Seite drehten sich die Debatten der Ex-Farc-Kommandaten in Caquetá, im Süden des Landes, um die Befürchtungen über die Zukunft des Friedens. Sie stellen das Phänomen der Dissidenz (ich wiederhole, nicht von Gruppen, die im Drogenhandel aktiv sind) als eine Realität in den Regionen Guaviare, Meta, Caquetá, Nariño, Cauca, Arauca und Antioquia fest. Im Land ist bereits bekannt, der der ehemalige Oberkommandierende der Kolonne Teófilo Forero der Farc, Hernán Darío Velásquez (bekannt auch als El Paisa), sich in den Dschungel zurückgezogen hat und dass Iván Márquez, Farc-Kommandant, dessen Auslieferung (laut Wall Street Journal) ebenfalls verlangt werden könnte, jetzt an seinem früheren Ort ist. Vermutlich befürchtet Iván Márquez, dass ihm gleiche das Schicksal wiederfährt wie Santrich und Simón Trinidad. Einige Quellen berichten, dass es Gruppen der Farc in Santander, Caquetá und Nariño „mit dem Rucksack fast auf der Schulter“ gibt, „für den Fall, dass die Sache platzt“.

„BLUTSPUR NACH EUROPA“ in der Ausgabe Mai 2018 der Lateinamerika Nachrichten ist das Editorial der Nummer 527 externer Link, das auf die bevorstehende (und schon stattfindende) abermalige Verstärkung des sogenannten Krieges gegen die Drogen unter anderem wie folgt eingeht: „Versagt hat das Verfassungsgericht Kolumbiens, das dem Kongress die Tür öffnete, um das ursprüngliche Abkommen zu boykottieren. Der zu Unrecht mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Präsident Juan Manuel Santos hat das Land weder entmilitarisiert, noch in den Entzug geschickt. Denn wo einst die FARC war, kämpfen nun hunderte kleine bewaffnete Gruppen um die Pfründe. Die entwaffnete Guerilla taumelt derweil selbst im Wirrwarr um die Verstrickungen ihres Führungspersonals in den Drogenhandel (siehe S. 20). In Kolumbien vermischt sich ein politischer Konflikt mit dem Drogenkrieg – schon seit Jahrzehnten. Während in vielen lateinamerikanischen Ländern mit dem Zusammenbruch des Ostblocks die Guerillas verschwanden, war in Kolumbien die Finanzierung gesichert. Wer weit geht, der sagt: Ohne den illegalen Kokain- und Marihuanahandel hätte es den Krieg seit den 1990er-Jahren bis heute nicht gegeben. Sicher ist: Mit dem florierenden Schwarzmarktgeschäft wird Kolumbien nicht in Frieden leben. Vor allem nicht, solange die Nachfrage nach dem weißen Pulver weltweit weiter steigt. Die globale Überdosis hinterlässt ihre Blutspur von Bolivien bis nach Mexiko, sie führt in die USA und nach Europa. Dorthin, wo die zahlungskräftigen Konsument*innen sind und die Protagonist*innen einer global restriktiven Drogenpolitik. Unter Präsident Trump haben die USA ihren Druck auf Kolumbien wieder erhöht; verstärkt werden Kokaplantagen zerstört. Was schon seit Jahrzehnten weder die Produktion beeinträchtigt, noch in irgendeiner Form das soziale Problem des Drogenhandels löst, wird einfach noch intensiver betrieben. Andere Ideen? Unerwünscht. 280 Aktivist*innen, die sich für eine Alternative zum Kokaanbau für die lokalen Bäuerinnen und Bauern eingesetzt hatten, wurden in den vergangenen zwei Jahren in Kolumbien ermordet“.

„Skandal um Stausee in Kolumbien: Massenvertreibung und Pfusch“ von Ariana Pérez am 27. Mai 2018 bei amerika21.de externer Link über eine der ganz aktuellen sozialen Entwicklungen und Auseinandersetzungen, bei der die Rechte Kolumbiens eine wesentliche politische – und wirtschaftliche – Rolle spielt: „Der vom Industrie- und Handelsunternehmen im Besitz der Gemeinde Medellín Empresas Públicas de Medellín (EPM) betriebene Staudamm wird die Überschwemmung von 4. 500 Hektar tropischem Trockenwald  in einer Region verursachen, in der sich zudem noch rund 2.000 Gräber mit Leichen von Verschwundenen befinden. Kurz nach Bekanntwerden des Anstiegs des Flusses wurden Dokumente über das Wasserkraftprojekt und den Bau des Staudamms, das Kraftwerk und die damit verbundenen Arbeiten auf der Website des Hauptinvestors Empresas Públicas de Medellín gelöscht. Dies verstößt laut kolumbianischen Journalisten gegen das Gesetz Nr. 594 aus dem Jahr 2000, das „die Vernichtung jeglicher Aufzeichnungen verbietet, die das Nachvollziehen von Institutionen möglich macht“. Offenbar sind für das Ansteigen des Flusses und für die Massenevakuierungen Mängel am Bau des Stausees verantwortlich“.

Zusammengestellt und kommentiert von Helmut Weiss
20. Juni 2018

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=133711
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