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Francos Monarchie schlägt zu: Der nichterklärte Notstand in Katalonien. Dauerdemonstration in Barcelona – Docker bestreiken „Repressionsschiffe“

Barcelona 20.9.2017 Massendemo gegen Notstand

Unter den beiden Losungen „Solidaritat amb Catalunya“ (Solidarität mit Katalonien) und #SensePor (Ohne Angst) entwickelt sich international eine Solidaritätsbewegung gegen den Ausnahmezustand, den die Madrider Regierung mit dem paramilitärischen Einsatz verhängt hat – dieser antifaschistischen Solidarität schließt sich auch LabourNet Germany an.
Man muss weder Katalane/Katalanin sein, noch Anhänger irgendwelcher nationaler Strömungen, um den demokratischen Grundsatz zu verteidigen, dass man immer noch selbst entscheiden darf, wozu man gehören will – und wozu nicht. Dass man das in der spanischen parlamentarischen Monarchie, deren Architekt die klerikalfaschistische Diktatur Francos war, eben gerade nicht darf, will die Minderheitsregierung in Madrid mit aller Gewalt demonstrieren: Mit Unterstützung der Opposition seiner Majestät. Rajoy mobilisierte die paramilitärische, von Franco aufgerüstete (einst von der Monarchie gegen republikanische Bestrebungen 1844 gegründete) Guardia Civil gegen die katalanische Regionalregierung und das beschlossene Unabhängigkeits-Referendum vom 1. Oktober 2017. Die Massendemonstrationen nicht nur in den katalanischen Städten, sondern quer durch das ganze Land zeigten sofort sehr deutlich, dass sehr viele Menschen in Spanien das Referendum als demokratisches Recht und Rajoys als Francos Erben verstehen. Natürlich nicht die staatstragenden Parteien Restspaniens und schon gar nicht die Großproduzenten von FakeNews wie El Pais, TVE  und Co. Die EU: Schweigt. Weil es nicht ins Konzept passt… Siehe dazu unsere aktuelle kommentierte Materialsammlung „No Pasarán: Volksabstimmung ist ein demokratisches Recht“ vom 22. September 2017:

„No pasarán: Volksabstimmung ist ein demokratisches Recht“

Das Referendum über eine Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien war von der bürgerlichen Provinzregierung für den 1. Oktober 2017 angesetzt worden. Die politische Strömung der Unabhängigkeit ist in verschiedenen Regionen des spanischen Staates präsent: Neben Katalonien vor allem in Euzkadi, hierzulande meist Baskenland genannt, aber auch in Andalusien oder Galizien und anderswo hat das lange Tradition, oft bestärkt durch den Francofaschismus und die damals besondere Repression in solchen Regionen. Die Wiedereinführung der Monarchie – Francos politischem Testament folgend – war durch einen Pakt aller staatstragenden Parteien und Organisationen (inklusive entsprechend orientierter Gewerkschaften) umgesetzt worden, der bis heute die politische Struktur in Spanien bestimmt. Inklusive des Weiterwirkens franquistischer Strömungen in der heutigen Regierungspartei PP. Weswegen der Einsatz der berüchtigten kasernierten Guardia Civil durch die PP erst recht bei allen demokratisch gesinnten Menschen im Land Empörung hervor rief – auch wenn sie keine Fans der katalanischen Unabhängigkeit waren oder sind.

Die Repressionsmaßnahmen: Bürgerliche Demokratie, adé?

Die überfallartigen Einsätze der Guardia Civil im Rahmen politischer Entscheidungen, die faktische verfassungsgemäße Grundrechte außer Kraft setzen, Festnahmen von Mitgliedern und Mitarbeitern der Regionalregierung, Beschlagnahme von Wahlurnen, Prozessankündigungen der Staatsanwaltschaft – der ganze Katalog der Repressionsmaßnahmen hat sofort die Frage der Verfassungsverstöße durch die Rajoy Regierung in die öffentliche Debatte gebracht: Die Ihrerseits versucht, die Regionalregierung des Verfassungsbruchs zu beschuldigen und eine Notstandsdiktatur errichtet, ohne auch nur diesen erklärt zu haben.

„Ein demokratischer Massenaufstand“ von Raul Zelik am 21. September 2017 in neues deutschland externer Link, worin zum aktuellen Charakter der Bewegung festgehalten wird: „Der spanische Staat – und damit sind nicht nur die regierende Partido Popular, sondern sämtliche Institutionen des Verfassungsstaates gemeint – hat mit der Verhaftung von 13 Mitgliedern der katalanischen Regierung am Mittwoch faktisch den Ausnahmezustand verhängt Mit aller Macht will er verhindern, dass die katalanische Gesellschaft am 1. Oktober über die Unabhängigkeit abstimmt. Doch die Reaktion der Bevölkerung zeigt, dass es längst nicht mehr um die Frage Spanien oder Katalonien geht. Zehntausende strömten spontan vor den von der Guardia Civil durchsuchten Ministerien zusammen und verhinderten, dass die Verhafteten abtransportiert werden konnten. Die Proteste trugen Züge einer demokratischen Revolution. Die Unabhängigkeitsparteien – die sozialdemokratische ERC, die liberale PDeCat und die linksradikale CUP – behaupten das schon länger. Neu an der Situation ist jedoch, dass nun auch die föderalistischen Linksparteien Catalunya En Comú, Podemos und Izquierda Unida das Referendum als Plebiszit über den Mangel an Demokratie erachten und zur Wahl aufrufen“.

„Spanische Paramilitärs stürmen katalanische Ministerien“ von Ralf Streck am 20. September 2017 bei telepolis externer Link, worin die Überfall-Aktion der Guardia so zusammengefasst wird: „Die spanische Guardia Civil hat bei neun Razzien in verschiedenen Abteilungen der katalanischen Regierung bisher 14 Personen festgenommen. Darunter befinden sich auch mehrere leitende Regierungsbeamte. Nach den zahlreichen Razzien in Druckereien und einer Zeitung wird nun auch in den Ministerien und am Regierungssitz nach Unterlagen für das geplante Referendum am 1. Oktober gesucht, das Spanien mit allen Mitteln verhindern will. Insgesamt sind bisher vier Ministerien der Regionalregierung betroffen. Maskierte Personen hatten das Umfeld der CUP-Zentrale in Barcelona abgesperrt. Da es zivil gekleidete Personen sind, ist nicht sicher, ob es sich um Polizei oder Guardia Civil handelt, die sich ja gerne bei ihrem Vorgehen vermummen. Die linksradikale Partei steht ganz oben im Fadenkreuz. Die CUP selbst glaubt, es seien spanische Nationalpolizisten. Nun wird gemeldet, dass sie in die Zentrale der Partei eindringen. Die spanische Vizeministerpräsidentin droht indes weiter. Soraya Sáenz de Santamaría fordert von der katalanischen Regierung, „Katalonien nicht über ihren Ungehorsam in Situationen zu führen, die es nicht verdient hat“. Für sie ist klar, dass „das Referendum nicht durchgeführt wird“. Die spanische Regierung müsse es in Übereinstimmung mit den Gesetzen und der Verfassung verhindern. Nach einer Krisensitzung trat der Regierungschef Carles Puigdemont vor die Presse und erklärte am Mittag, dass Spanien „nun faktisch die katalanische Regierung suspendiert“ habe. Er verurteilte das „totalitäre und antidemokratische Auftreten des spanischen Staats“. Er sprach den Festgenommenen die volle Unterstützung aus. Das Vorgehen sei „illegitim“, er nannte es eine „koordinierte Aggression“. Die spanische Regierung habe damit die „rote Linie überschritten, die sie von autoritären Regimes getrennt hat“. Den Vorgang bezeichnete er als „demokratische Schande“, wie sie in keinem Land in Europa bekannt sei. Aber man werde am 1. Oktober beim Referendum das Recht der Bevölkerung verteidigen, über ihre Zukunft zu entscheiden“.

„Eskalation in Katalonien“ am 20. September 2017 in neues deutschland externer Link ist eine kurze Agenturenmeldung, in der präzisiert wird: „Die Situation vor dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien eskaliert. Die spanische Zentralregierung ist am Mittwoch hart gegen Unabhängigkeitsbefürworter vorgegangen und nahm mindestens 13 Mitarbeiter und Mitglieder der katalanischen Regierung fest, es wurden 20 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Unter den Festgenommenen befindet sich Josep Maria Jové, den engsten Mitarbeiter des katalanischen Vize-Regierungschefs Oriol Junqueras. Jové war für die Koordinierungsarbeiten bei der Vorbereitung des Referendums und für das Wirtschaftsressort zuständig. Anderthalb Wochen vor der geplanten Volksabstimmung drang die Guardia Civil in insgesamt 41 katalanische Ministerien in Barcelona ein. Spontan mobilisierten sich Tausende Katalanen, um die Polizei vor den Ministerien zu blockieren“.

So sieht im September 2017 die Guardia Civil aus„Polizeiaktion im Morgengrauen“ von André Scheer am 21. September 2017 in der jungen welt externer Link fasst die Auseinandersetzung um die Verfassung und ihre Vorgeschichte so zusammen: „Am 6. September hatte das katalanische Parlament mit den Stimmen der aus ERC und PDeCAT gebildeten Regierungskoalition »Junts pel Sí« (Gemeinsam für das Ja) sowie der linksradikalen CUP (Kandidatur der Volkseinheit) für den 1. Oktober ein verbindliches Referendum über die Selbstbestimmung der Region einberufen. Wenn bei diesem eine Mehrheit der Teilnehmer mit »Ja« stimmt, soll das Parlament innerhalb von 48 Stunden die Unabhängigkeit der Katalanischen Republik ausrufen. Ein entsprechendes Übergangsgesetz haben die Abgeordneten bereits beschlossen. Auf Antrag der spanischen Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hat das spanische Verfassungsgericht sowohl das Referendum als auch das Übergangsgesetz gestoppt. Diese Entscheidung war von der Unabhängigkeitsbewegung jedoch erwartet worden, denn in den vergangenen Jahren hatte Madrid auf diese Weise jeden Vorstoß Kataloniens in Richtung größere Eigenständigkeit blockiert. Das Referendum werde »so oder so« stattfinden, betonte Puigdemont. Zugleich zeigte sich der Regierungschef weiter gesprächsbereit. In einem gemeinsam mit Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau, Parlamentspräsidentin Carme Forcadell und Junqueras verfassten Brief an Rajoy forderte er die Zentralmacht zu Gesprächen auf, um eine Konsenslösung zu finden. Der spanische Regierungschef, dessen Volkspartei (PP) wenige Monate nach dem Tod von Francisco Franco von führenden Vertretern der Diktatur gegründet worden war, ging auf diesen Vorschlag nicht ein“.

„Repression gegen Referendum“ von Mela Theurer am 22. September 2017 in der jungen welt externer Link fügt an aktueller Information hinzu: „Drei der Festgenommenen wurden am selben Tag noch dem Richter überstellt und nach der Anhörung freigelassen. Die anderen verbrachten die Nacht in Kasernen der Guardia Civil, wobei den Angehörigen jedoch jegliche Informationen über den genauen Aufenthaltsort verweigert wurde. Bei den Verhafteten handelt es sich um Funktionäre verschiedener Einrichtungen der katalanischen Regierung sowie einige Informatiker und den Inhaber einer Lagerhalle in der Nähe Barcelonas. Die Polizeieinheit hatte dort zehn Millionen Wahlzettel beschlagnahmt. Deren Abtransport wurde jedoch durch eine mehrere Stunden dauernde Sitzblockade verhindert. In Madrid wurde eine Angestellte von T-Systems verhaftet, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom, und nach Barcelona überstellt. Der Informatikbetrieb hatte bereits bei dem nichtbindenden Referendum vom 9. November 2014 die technische Infrastruktur gestellt“.

„‘Democracia Marca España’: La Guardia Civil acusa también de “sedición” por el referéndum a los responsables de la Generalitat detenidos ayer“ am 21. September 2017 bei kaosenlared externer Link ist ein redaktioneller Beitrag über die Bestrebung der Guardi Civil, dass die am Vortag festgenommenen Regierungsmitglieder Kataloniens von der spanischen Justiz unter anderem auch wegen „Aufruhr“ angeklagt werden sollen – was bei einem Schuldspruch 15 Jahre Gefängnis bedeuten würde. Aber auch solche potenziellen Anklagepunkte wie „Misswirtschaft mit öffentlichen Mitteln“ werden angestrebt.

„In the face of the Catalonia referendum, constitutional order must be restored“ am 20. September 2017 in dem Blatt namens El País externer Link steht hier als Beispiel für die weit verbreitete Dreckschleuder-Propaganda der staatstragenden Medien – die sich empört geben, dass es im 21. Jahrhundert ein Refrendum gebe gegen etwas, was sie trotz PP aus Francos Geist, trotz Guardia Civil und allen anderen Erbschaften einen „demokratischen Staat“ nennen. Die Verfassung, die solche Leute gewahrt wissen wollen, sieht nun bestimmt keine Volksabstimmung vor – und, wie eingangs betont, steht dieses Machwerk als Beispiel für eine breite Hetzkampagne der Reaktion, die sich auch hier nicht scheut, größter Produzent von Fake News zu sein. Das „Sezessions-Referendum“  sei eine Bedrohung von Demokratie, Freiheit und sozialer Harmonie. In dieser ihrer Demokratie schalten und walten nicht nur Franco-Stiftung, Guardia Civil und Opus Dei, sondern auch Politiker, die vor allem damit beschäftigt sind, Ermittlungen gegen sich zu verhindern. Ihre Freiheit ist die, mit den Grundbedürfnissen der Menschen Profit zu machen und ihre besonders zynische soziale Harmonie der kontinuierliche und konsequente Abbau des Streikrechts, ein Maulkorbgesetz gegen die Meinungsfreiheit – nicht der Meinungsfreiheit einer Bande wie El Pais, versteht sich – und eine endlose Liste weiterer harmonischer Wohltaten mehr. Damit auch noch der und die letzte überzeugt werden, sich am Referendum mit „Ja“ zu beteiligen…

„Die EU schaut weg“ von Rainer Wandler am 19. September 2017 in der taz externer Link ist ein Kommentar, der sich mit einer Frage befasst, die nahezu alle Demonstrationen in ganz Spanien in den letzten beiden Tagen stellen: Was macht die EU im Angesicht der undemokratischen Welle der spanischen Regierung? Darin heißt es unter anderem: „Im Vorfeld der für den 1. Oktober geplanten Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens setzt Spanien demokratische Grundrechte außer Kraft. Gegen mehr als 700 Bürgermeister, Parlamentarier und die Autonomieregierung wird ermittelt wegen Delikten, die mit Haftstrafen enden können. Druckereien und Redaktionen werden durchsucht,Plakate und Flugblätter beschlagnahmt, die Adressen derer aufgenommen, die Infomaterial für den 1. Oktober verteilen oder Plakate kleben. Selbst im restlichen Land werden Veranstaltungen zum Thema Katalonien verboten. Allein die Debatte wird damit kriminalisiert. Und all das, weil die Verfassung ein Unabhängigkeitsreferendum nicht vorsieht. Ein Dialog, der wie in Schottland in einer gemeinsam organisierten Abstimmung enden könnte, findet nicht statt. Es ist nicht das erste Mal, dass die konservative Regierung der von Korruptionsskandalen gebeutelten Partido Popular (PP) unter Mariano Rajoy die Bürgerrechte beschneidet. Bereits vor zwei Jahren wurde das Strafrecht geändert. Mit dem sogenannten Knebelgesetz werden Aufruf und Teilnahme an spontanen Demonstrationen und die Verbreitung von Fotos von Polizeibeamten im Einsatz mit Bußgeldern zwischen 100.000 und 600.000 Euro geahndet“ – und die EU tut: Nichts. (Sind ja ihre Leute…)

„History, Spanish State & Catalonia: Kings in the Alhambra, Tanks in Barcelona“ von Flora Hastings am 18. September 2017 bei Europe Solidaire externer Link dokumentiert ist ein Beitrag, der einen kurzen Abriss der Geschichte Spaniens gibt und die daraus entstehenden besonders starken separatistischen Bewegungen. In diesem Beitrag werden auch die besonderen ideologischen Konstrukte  der Herstellung eines spanischen Nationalstaats deutlich, wie sie seit der angeblichen „Re“ Conquista von den katholischen Königen entwickelt worden waren.

Der Widerstand: Docker streiken, Dauerdemonstrationen – jetzt erst recht No Pasarán!

Am Tag des Polizeiüberfalls fanden nicht weniger als 5 Demonstrationen gleichzeitig allein in Barcelona statt, auch in anderen Städten der Region gab es öfter mehrere Proteste zur selben Zeit  – ein Nebeneinander, das auch deutlicher Ausdruck der Spontaneität des Protestes war. Dem sich von der bürgerlichen Regionalregierung über die Bürgermeisterin von Barcelona auch die soziale Bewegung und die politische Linke der Region anschlossen: Inklusive der regionalen Organisationen landesweiter Gewerkschaften, die sich vom Kurs ihrer Zentrale mehr oder weniger deutlich abhoben. Und auch außerhalb Kataloniens gab es, in Madrid sowieso, aber auch in kleineren Städten Kundgebungen, deren Teilnehmerzahl mehrfach nahe der Zahl der EinwohnerInnen lag. Linke katalanische Gewerkschaften verbreiten erste Streikaufrufe.

„Protestas en toda España contra las detenciones por el 1-0 en Cataluña“ am 20. September 2017 bei La Marea externer Link ist ein erster Gesamtüberblick über Protestdemonstrationen überall in Spanien in Solidarität gegen den Guardia-Überfall auf die Regionalregierung

„Katalanen kündigen »dauerhafte Mobilmachung« an“ von Ralf Streck und Elsa Koester am 21. September 2017 in neues deutschland externer Link, worin zum einen informiert wird: „Der spanische Zentralstaat hat am Donnerstag alle Konten der katalanischen Regionalregierung blockiert. Aus Protest gegen die faktische Aufhebung der Autonomie und für die Durchsetzung des Referendums gehen in Barcelona erneut Tausende auf die Straße. Sie versammelten sich vor dem Obersten Gericht und kündigten eine »dauerhafte Mobilisierung« an. Die Regionalregierung räumte derweil ein, dass die Organisation der Abstimmung durch das harte Vorgehen Madrids beeinträchtigt sei. Der katalanische Vize-Regierungschef Oriol Junqueras sagte dem Sender TV3: »Es ist offensichtlich, dass die Spielregeln verändert wurden.« Junqueras, der der linksgerichteten Unabhängigkeitspartei ERC angehört, fügte hinzu: »Die Umstände sind heute anders, weil ein Großteil unseres Teams festgenommen worden ist.« Es sei »offensichtlich«, dass die Abstimmung am 1. Oktober nicht wie vorgesehen abgehalten werden könne. Er sei aber überzeugt, dass die Mehrheit der Katalanen abstimmen wolle. Zugleich versicherte er, das Votum trotz aller Widerstände möglich machen zu wollen“. Und auch zur Aktion der Docker: „Die Kämpfe um die Durchsetzung des für den 1. Oktober geplanten katalanischen Unabhängigkeitsreferendums haben begonnen. Nachdem sich am Mittwoch Zehntausende an spontanen Blockaden von Polizeirazzien beteiligten, planen nun die Hafenarbeiter Barcelonas Blockaden von Schiffen der spanischen Guardia Civil. Auf einer Vollversammlung haben sie beschlossen, die Boote der rund 3000 zur Verhinderung des Referendums eingesetzten spanischen Polizisten nicht anlegen zu lassen“.

„Freiheit für politische katalanische Gefangene“ von Ralf Streck am 21. September 2017 bei telepolis externer Link behandelt dasselbe Thema etwas ausführlicher, wobei hervor gehoben wird, dass die Zentralregierung versucht „einzukaufen“: „Zahllose Menschen fordern die Freilassung der Festgenommenen, erste Streiks beginnen – und plötzlich will Spanien über eine bessere Finanzierung verhandeln. Die demokratische Massenbewegung in Katalonien kämpft nun nicht mehr allein für das Referendum über die Unabhängigkeit von Spanien am 1. Oktober. Nachdem bis zu 40.000 Menschen bis in die frühen Morgenstunden allein am Wirtschaftsministerium ausgeharrt hatten, das mit anderen Ministerien von der paramilitärischen Guardia Civil am Mittwoch durchsucht worden war, zogen die Massen am frühen Donnerstag zum Obersten Gerichtshof Kataloniens (TSJC). Dort soll die Kundgebung aufrechterhalten werden, bis alle Gefangenen frei sind. Das muss ernst genommen werden und die Richter müssen sich, wie die Guardia Civil im Wirtschaftsministerium auf eine lange Nacht einstellen“.

„Masiva ‘movilización permanente’ en Barcelona ante el TSJC por la libertad de los detenidos“ am 21. September 2017 bei kaosenlared externer Link ist ein erster Zwischenbericht über die permanente Demonstration vor dem Obersten Gericht der Region, die offensichtlich ausgesprichen massiv ausgefallen ist – und fortgesetzt werden soll, bis zur Freilassung aller Festgenommenen.

„‘Democracia Marca España’: La gente se echa a la calle en Barcelona ante el ‘estado de excepción’ encubierto“ am 20. September 2017 externer Link ebenfalls bei kaosenlared war ein Bericht über die mehreren gleichzeitigen Demonstrationen am Mittwoch in Barcelona, bei denen der Tenor der Redebeiträge  überall war, es handele sich um einen „kalten“ Notstand. Bei diesen Demonstrationen wurden erstmals die Rufe „No pasarán“ registriert – der Kampfruf der republikanischen Organisationen im Krieg gegen die faschistische Internationale ab 1936.

„La protesta arrecia en Barcelona y desborda la ciudad. No deja de asistir más y más gente“ am 20. September 2017 im Twitter-Kanal Al otro lado del mundo externer Link ist ein kurzer Videofilm über die erste große Demonstration in Barcelona nach dem Überfall der Paramilitärs: Selber sehen!

„Barcelona, Via Laietana, el mur popular bloqueja els vehicles de la Guàrdia Civil“ am 20. September 2017 beim Twitter-Kanal L’Accent externer Link ist ebenfalls ein kurzes Video: Hier verhindern Blockaden von Demonstranten den weiteren Einsatz der Guardia Civil – es waren mehr Festnahmen geplant…

„Los estibadores de Barcelona y Tarragona no abastecerán a los “barcos de la represión”“ am 21. September 2017 bei kaosenlared externer Link ist die kurze Dokumentation der Presseerklärung der Dockergewerkschaft von frühen Morgen des Tages: Bei einer Vollversammlung zu Beginn der Frühschicht, an der alle Beschäftigten teilnahmen, wurde mit 100% beschlossen, die Schiffe, auf denen die 4.000 mobilisierten Paramilitärs der Guardia untergebracht sind, weder zu versorgen (sie sollten eigentlich das betanken übernehmen), noch sich frei bewegen zu lassen…

„Sindicatos de la enseñanza catalana llaman a defender el referéndum y no descartan una huelga general“ am 21. September 2017 bei kaosenlared externer Link ist ein kurzer Bericht über die gemeinsame Pressekonferenz aller Gewerkschaften aus dem Bildungsbereich, auf der sie eine gemeinsame Erklärung zur Unterstützung des Referendums vorstellten und betonten, es gebe gegenwärtig einen Prozess der Diskussion über einen Generalstreik im Erziehungswesen.

„NO SOIS BIENVENIDOS“ am 20. September 2017 auf dem Twitter-Kanal der CNT externer Link ist die Erklärung der anarchosyndikalistischen Föderation von Barcelona: Der „Nicht Willkommen“ Gruß an die Guardia wird hier unter anderem ergänzt durch einen Lageplan der „feindlichen Schiffe“ um ihre Blockade zu vereinfachen…Streikaufruf Basisgewerkschaften 3.10.2017

#ResistenciaMovistarexterner Link seit dem 19. September 2017 hat sich der Twitterkanal des Netzwerkes der „Autonomen“ Beschäftigten des Kommunikationsriesen Telefonica (neuer Name Movistar) in einen „katalanischen“ umbenannt (trotzdem gibt es nach wie vor zahlreiche Informationen aus ganz Spanien. Darin werden neben Aktionsaufrufen gegen die Rajoy-Regierung auch eigene Ankündigungen publiziert: Etwa die Bereitstellung einer entsprechenden App, für den Fall, dass die Regierung in Madrid das Internet abschalten oder zensieren sollte…

„Huelga general en Cataluña a partir del 3 de octubre“ am 21. September 2017 bei LaHaine externer Link ist der Streikaufruf der Basisgewerkschaft Coordinadora Obrera Sindical (COS) für den 3. Oktober, in dem unterstrichen wird, dass sich die Aktion gegen die Notstandspolitik der Zentralregierung richte – und berichtet, dass es permanente Gespräche zwischen den linken Gewerkschaften der region gebe, um einen gemeinsamen Streik organisieren zu können.

„La CGT presenta preavíso de convocatoria de Huelga General en Catalunya“ am 21. September 2017 ebenfalls bei LaHaine externer Link ist die Erklärung der CGT Katalonien, worin informiert wird, dass die regionale Föderation – wie es das Gesetz erfordert – eine Streikwarnung über einen Generalstreik am 3. Oktober bei den zuständigen Behörden eingereicht habe.

Gewerkschaften, soziale Bewegungen, Linke: Demokratische Rechte verteidigen

Das gute Recht auf ein Referendum – das verteidigen auch jene Organisationen, die es selbst keineswegs mit Regionalismus oder Nationalismus halten. Während jene Kräfte, die zu den staatstragenden gehören, in der Regel eine Reaktion zeigen, die mit der volkstümlichen Bezeichnung Eiertanz ganz treffend beschrieben werden könnte.

„La CGT ante la represión desatada por el estado en Catalunya“ am 20. September 2017 bei der CGT externer Link ist die Erklärung des anarchosyndikalistischen Verbandes zur Repression des Referendums . Der Verband, der dem Referendum selbst keine größere Bedeutung beimißt, unterstreicht, dass die Regierung in Madrid faktisch den Ausnahmezustand verhängt habe, was an die dunkelsten Zeiten der spanischen Geschichte erinnere, die eigentlich überwunden schienen.

„Igor Arroyo: “Ha caído el disfraz de la democracia española” am 20. September 2017 beim Gewerkschaftsbund LAB externer Link ist die Erklärung des Sprechers des baskischen Gewerkschaftsbundes, der bereits im Titel die politische Stoßrichtung völlig deutlich macht: „Die Maske des demokratischen Spaniens ist gefallen“.

„Carta a los comunistas españoles y del mundo“ am 21. September 2017 bei LaHaine externer Link dokumentiert, ist ein Offener Brief von Primeira Linha (Kommunisten der Region Galizien) an die Kommunisten in Spanien, die Bewegung in Katalonien entschieden zu unterstützen und sie nicht dem katalanischen Bürgertum zu überlassen.

„Co.bas llama a manifestarse por la libertad y el derecho a decidir“ am 20. September 2017 bei kaosenlared externer Link ist die Dokumentation der Stellungnahme der Basisgewerkschaft Co.bas, die die faktische Aufhebung des garantierten Autonomiestatus der Region verurteilt. Die Mitgliedschaft wird aufgerufen, an allen Protesten massiv teilzunehmen. Wie andere Basisgewerkschaften auch, hatten die Co.bas eine eher neutrale Haltung zum Referendum: Jetzt, so erklären sie – wie auch manche andere basisgewerkschaftliche und linke Gruppierungen – sei aus dem katalanischen Ja ein antifaschistisches Ja geworden.

„¡Solidaridad con Cataluña!“ am 20. September 2017 bei Viento Sur externer Link ist die Solidaritätserklärung der linken Zeitschrift gegen Repression und für das Recht auf Volksentscheid (auch als Beispiel für ähnliche Erklärungen einer ganzen Reihe weiterer linker Gruppierungen unterschiedlichster Strömungen)  – die verbunden ist mit einem Überblick über beschlossene Demonstrationen dieses und der folgenden Tagen in einer ganzen Reihe von Städten quer durch Spanien.

„Etat espagnol : Vaste opération de police contre des responsables autonomistes et indépendantistes catalan– Le spectre du franquisme plane sur la Catalogne“ von SUD Solidaires am 20. September 2017 externer Link (hier dokumentiert bei Europe Solidaire) ist die Solidaritätserklärung des alternativen französischen Gewerkschaftsbundes (auch hier wiederum als Beispiel für ähnliche Erklärungen vieler linker Gewerkschaftsföderationen aus verschiedenen Ländern), in der unterstrichen wird, „der Geist des Franquismus“ ziehe über Spanien auf.

„CCOO llama a rebajar la tensión y a reconducir políticamente la situación en Catalunya“ am 20. September 2017 bei der CCOO externer Link ist die Erklärung des Exekutivkomitees des immer noch größten Gewerkschaftsbundes Spaniens zur aktuellen Entwicklung – in der sorgsam vermieden wird, für das Referendum, auch für seine Durchführung, Stellung zu beziehen. Stattdessen werden „alle Seiten“ zum Dialog aufgerufen und als Lösungsmöglichkeit eine nicht näher beschriebene Föderation angedeutet (von der aber auch gesagt werden könnte, dass es sie bereits gibt – oder, nach Aufhebung der Autonomie durch den nicht erklärten Notstand – gegeben habe). Die ansonsten rege Gewerkschaftsopposition in der CCOO, das Netzwerk „GanemosCCOO“ hat sich bisher noch gar nicht geäußert…Auch der zweitgrößte spanische Verband UGT – heute steter Bündnispartner der CCOO, einst als sozialpartnerschaftliches Konkurrenzunternehmen zur CCOO in die Welt gesagt (nicht wenige sagen, vor allem durch die FES) – schweigt bisher zur Notstandspolitik Rajoys.

„Concentració contra la repressió al Govern de la Generalitat“ am 20. September 2017 bei der CCOO Katalonien externer Link ist eine kurze Erklärung – und ein Aufruf – gegen die Repression durch die Zentralregierung aktiv zu werden – die CCOO in Barcelona sei bereits auf der Straße. Eine Position in scharfem Kontrast zur Zentralföderation CCOO.

Historische Besonderheiten – und Perspektiven

Die Geschichte Spaniens ist, wie die jeden Nationalstaats, eine besondere – die aber allgemeine Grundlagen mit allen anderen teilen. Was von der Besonderheit der jahrzehntelangen Diktatur reicht – die eben nicht zufällig als klerikalfaschistisch bezeichnet wird, was man weder von der deutschen, noch der italienischen und auch nicht der portugiesischen faschistischen Diktatur sagen kann – bis zum staatstragenden Pakt von Moncloa reicht, der anstelle einer – wie auch immer gearteten oder begrenzten – „Aufarbeitung der Vergangenheit“ die Kontinuität zementierte: Was sich unter vielem anderem im ungebrochenen Weiterwirken einer mörderischen Einrichtung wie der Guardia Civil zeigt. Wie in dieser Konstellation bürgerlicher Nationalismus und soziale Veränderungen sowie ihr Spannungsverhältnis definiert werden, ist ausgesprochen vielschichtig, wie auch daraus sich ergebende Perspektiven.

„Zwischen Hoffnung und Nationalismus“ von Rainer Wandler am 20. September 2017 in der taz externer Link ist ein Beitrag aus Badalona, der drittgrößten Stadt Kataloniens, mit Aussagen von Befürwortern und Ablehnern der Trennung. Und folgender Unterstreichung: „Katalonien ist Vorreiter bei Privatisierungen und Sozialkürzungen“, beschwert sich auch Rafa Segovia. Nur noch wenige Krankenhäuser seien in öffentlicher Hand. „Die in Barcelona regierende Katalanische Europäische Demokratische Partei hat die Arbeitsmarktreform der konservativen Regierung in Madrid mitgetragen“, weiß der als Kind südspanischer Einwanderer in einem der Arbeiterviertel Badalonas Aufgewachsene. Heute sitzt der 33-jährige Arbeitslosenberater für die Linkspartei Podemos im „Bündnis für das Referendum“. Laut Umfragen wollen über 70 Prozent der Bevölkerung Kataloniens ein Referendum, egal ob sie für oder gegen die Unabhängigkeit sind. „Hätten sie uns wählen lassen, als 2009 erstmals kommunale Volksabstimmungen abgehalten wurden, hätte die Unabhängigkeit höchstens 30 Prozent erzielt. Jetzt sind es wesentlich mehr“, sagt Segovia. Selbst er überlege mit Ja zu stimmen – in der Hoffnung auf einen Neuanfang“.

„El referéndum debe plantearse en términos de clase“ am 20. September 2017 bei La Marea externer Link (hier dokumentiert bei rebelion.org) ist ein Interview von R. La Torre mit Carlos Prieto (Herausgeber der spanischen Ausgabe von New Left Review), der seine Position ausführt, das Referendum als Klassenfrage zu organisieren. Der dabei davon ausgeht, dass ein souveränes Katalonien eine sofortige Beschränkung dieser neugewonnenen Souveränität erfahren werde durch die Diktate einer EU der Austerität.

Cómo el tema nacional y el tema social se relacionan en Catalunya y en España“ von Vincenc Navarro am 20. September 2017 bei rebelion.org externer Link ist ein Beitrag der ebenfalls das Thema des Zusammenhangs zwischen nationalem und sozialem hat. Auch er verweist darauf, dass die katalanische Regionalregierung zu den Vorreitern des Neoliberalismus in Spanien gehört – und in diesem Vorgehen stets mit der Zentralregierung kooperiert habe. Er geht dabei von der Analyse aus, dass die Arbeiterklasse in Katalonien zu jenen Teil der Gesellschaft zählt, die den geringsten Anteil an „Ja“ Stimmen habe.

„El show de las urnas“ von Miguel Ángel Llana Suárez am 20. September 2017 bei rebelion.org externer Link ist ein Beitrag,der sehr ausführlich argumentiert, warum das Projekt der Unabhängigkeit eines des katalanischen Bürgertums ist.

„Carles, Oriol, J.Sànchez i Cuixart: no traïu el poble de Catalunya. Llibertat presos, sí, però defensem el #referendumCAT sense excuses“ am 21. September 2017 beim Twitterkanal der CUP externer Link ist eine entsprechende Kurzfassung der Erklärung der linken Unabhängigkeitspartei an die bürgerlichen Parteien, man werde alle Versuche bekämpfen, das Referendum mit der „Ausrede der Repression“ auszusetzen. In dem Kanal der CUP auch zahlreiche Ausführungen, warum ein unabhängiges Katalonien ein sozialistisches sein müsse.

  • Für aktuelle Berichterstattung empfehlen wir den Twitter-Kanal von Raul Zelik externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=121789
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