„Blick zurück nach vorn!“ Doch eine Rückkehr von Keynes: Angesichts des Jubiläums 50 Jahre Stabiltäts- und Wachstumsgesetz (1967) ein aktueller Kampf der Schulen

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 20.6.2017

Damit sich der Kreis mit der Memorandumsgruppe zu den deutschen Ansätzen für eine Keynesianische Politik schließen kann, beginnen wir mit Rudolf Hickel, der zusammen mit Jan Priewe schon 1990 ein Gutachten vorgelegt hatte, um die Schwächen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes zu überwinden. (Vgl auch seinen Beitrag in der FR vom 20. Juni 2017: http://www2.alternative-wirtschaftspolitik.de/uploads/m1617.pdf externer Link pdf, insbesondere auch die Anmerkungen am Ende)

Auch Heinz J. Bontrup, jetziger Vorsitzender der Memo-Gruppe, nimmt sich zum 50-jährigen die Schwächen dieses Gesetzes zur „Globalsteuerung“ noch einmal vor: „Unzureichend und du wenig eingehalten“ (http://www.alternative-wirtschaftspolitik.de/show/10235293.html externer Link)

Dabei fing dieser Ansatz – der damals „Globalsteuerung“ genannten Rezessionsüberwindung – mit dem Ende von Bretton Woods erst einmal an: Deshalb gehen wir noch einmal mit Elmar Altvater zu Bretton Woods zurück… (Siehe den übernächsten Abschnitt zu Bretton Woods)

Und vielleicht erinnerst du dich noch: Wenn zum Beispiel Stephan Schulmeister jetzt einmal in der Süddeutschen nicht zitiert wird, so steht er dennoch mit seinem Analyse-Ansatz geistig mitten drin! Aber nicht zuletzt auch Gustav Horn! (Albrecht Müller (ehem. Schiller-Mitarbeiter und Kanzler-Berater) gar war ihm deshalb gram!) Wobei mir die Idee naheliegt, ob Schulmeister als starker ausgewiesener Keynes-Kenner nicht mit dem empirischen Skeptiker Gustav Horn, der auch Keynes durchaus nahe steht, „zusammen“ ein zukünftiges Buch schreiben sollte – sich gegensietig „befragend“ und empirisch überprüfend (oder mit Nach- und Vorwort von ihm?)

Und Nikolaus Piper jedenfalls überschreibt am 8. Juni 2017 in der „Süddeutschen“ seinen Artikel dazu „Mit Keynes durch dick und dünn. Vor 50 Jahren ersannen die Männer Franz-Josef Strauß und Karl Schiller („Plisch und Plum“) das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz.“ (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftspolitik-mit-keynes-durch-dick-und-duenn-1.3537191 externer Link)

Es wird oft so getan, als ob Franz-Josef Strauß dabei ein Schüler von Karl Schiller „wurde“ und übersehen, dass Strauss, trotz seines aktiven Politker-Daseins noch eine volkswirtschaftliche Dissertation rund um das Thema „Globalsteuerung“ an der Uni Innsbruck schrieb – was eher in dem damaligen Ausdruck „Plisch und Plum“ über diese beiden Verwandten im Geiste ausgedrückt wurde. Seine praktische Bedeutung war (für Deutschland) begrenzt, doch sein Einfluss auf das ökonomische Denken ist kaum zu überschätzen.

… Doch dann kam der Ölschock von 1973/74: Das Land stürzte in eine – diesmal wirklich – schwere Rezession…

Hans-Werner Sinn sieht – wegen des darauf folgenden Anstiegs der Schulden heute dieses – keynsianisch inpirierte Gesetz sehr kritisch… (Vgl. Hans-Werner Sinn „Der kurze Flirt mit Keynes“: http://www.handelsblatt.com/archiv/60-jahre-deutsche-wirtschaftsgeschichte-stabilitaetsgesetz-kurzer-flirt-mit-keynes-seite-3/2668446-3.html externer Link)

Vorausgegangen war das Ende von Bretton Woods, das 1944 international erfolgreich etabliert worden

Elmar Altvater zu Bretton Woods und seinem Ende: (http://gegenblende.dgb.de/28-2014/++co++ddc52250-134b-11e4-a40f-52540066f352 externer Link, dazu auch noch „Die Legenden vom Ende der Keynesianischen Nachkriegsära“: https://www.labournet.de/?p=40537. Siehe zu dieser Wende in der ökonomischen Betrachtung mit einer regelrechten „Verdammung“ der keyns`schen Lehre noch einmal Stephan Schulmeister bei „Krise der Weltwirtschaft in den siebziger und achtziger Jahren – ein Rekonstruktionsversuch“ – und dort insbesondere auch den Abschnitt 6 (vor allem 6.1) „Dollarkurs, Rohstoffpreise und Weltinflation“ (http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/ZurKriseDerWeltwirtschaft70er80er.pdf externer Link pdf, dort dann die Seiten 8 ff. – sowie auch noch „Politökonomischer Entwicklungszyklus der Nachkriegszeit“ – insbesondere den Abschnitt „Von der Prosperität in die Krise“ (Seite 5 ff.))

„Der durch die beiden Dollarentwertungen und die Ölpreisschocks verursachte Anstieg von Arbeitslosigkeit und Inflation (Stagflation) wurde von den Monetaristen als der Beweis genommen, dass die Philippskurve (die eigentlich nur für geschlossene Volkswirtschaften gelten konnte) falsch sei – und damit der „ganze Keynesianismus“ eine Fehlkonstruktion sei. (http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/PolitoekonomischeEntwicklungNachkriegszeit.pdf externer Link pdf)

Neben der Schwäche der Analyse bei den Neoliberalen (Monetaristen) auch noch die „Schmalbrüstigkeit“ der Analysen der damaligen Keynesianer selbst.

Gustav Horn erklärt auch noch, wieso es der ökonomischen Gegenseite so einfach gelang, diese sog. Keynesianer so ohne weiteres aus dem Feld zu schlagen: Sie hatten das für Keynes zentrale Element der „Unsicherheit“ einfach unter den Tisch gekehrt. „Aber gerade die Gegenrevolution gegen den Keynesianismus Mitte der 1970-er Jahre begründete die Überlegenheit ihrer Ansätze unter anderem mit dem Argument, dass darin Zukunftserwartungen, welche ja zwangsläufig mit Unsicherheiten behaftet sind, eine zentrale Rolle spielen. Sie hob sich damit auch von einem – inzwischen leider üblich gewordenen und verkürzten – Keynesianismus ab, der in der Tat zu einer Art ökonomischer Mechanik verkommen war. Ein Keynesianer schien damals genau zu wissen, dass, wenn man eine ökonomische Größe um x-Prozent erhöht, eine andere um y Prozent zunimmt. Gerade dieses Mechanische Denken wurde von den sich durchsetzenden Theorien der Neoklassik zu Recht kritisiert. (Vgl. Gustav Horn, in: „Der Reichtums fette Beute“ auf der Seite 74 f.)

So war der damalige – theoretisch-reduzierte – „Keynesianismus“ in seiner Denkrichtung einseitig verhärtet. Anstatt permanent nur auf die Nachfrage zu schauen, hätten die Keynesianer auch die Nachfragebedingungen in den Blick nehmen müssen. Unter diesen – damaligen – Umständen die Nachfrage zu stimulieren, konnte am Ende nur zur Inflation führen und hatte im übrigen mit den Gedanken von Keynes nicht mehr viel zu tun. Gustav Horn, a.aa.o., Seite 16 f.)

Nur kurzzeitige Rückkehr von keynesianisch inspirierter Politik in der Finanzkrise 2007/2008

So schreibt Piper dann in der Süddeutschen weiter: mehrere Jahrzehnte lang wurde es dann still um das Gesetz, Keynes kam aus der Mode.

Das änderte sich mit einem Schlag mit der Finanzkrise von 2007 / 2008. Der Internationale Währungsfonds und die Industrieländer-Organisation OECD plädierten wieder für keynesianische Nachfragepolitik. Die große Koalition beschloss 2013 in ihrem Regierungsprogramm sogar das Gesetz wieder zu überprüfen – und zwar im Lichte der heutigen Herausforderungen…

Aber nichts ist bis jetzt passiert – weil auch die „herrschende“ ökonomische Lehre es blockiert. (https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/publikationen/arbeitspapier_02_2015.pdf externer Link pdf)

Auf dieses Defizit macht dann wieder Rudolf Hickel, Mitbegründer der Ökonomen-Gruppe „Alternative Wirtschaftspolitik“ (die das keynesianische Gedankengut nie verkommen ließen) jetzt doch wieder aufmerksam – erwähnt auch Nikolaus Piper mit seinem anderen Hintergrund anerkennend in seinem Artikel . Hickel, als langjähriger Kritiker der offiziellen Wirtschaftspolitik, will das Gesetz heute auch wieder aktiv einsetzen (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/50-jahre-stabilitaets–und-wachstumsgesetz/ externer Link) – aber auch gleichzeitig neu interpretieren. Das Gesetz weise „mit der Möglichkeit einer öffentlichen Investitions- und einer expansiven Lohnpolitik klar den Weg“. (daraus machte er schon 1990 zusammen mit Jan Priewe aufmerksam)

Außerdem gehe es – heutzutage – beim notwendigen öffentlichen Investieren noch um die Ziele „ökologische“ und „soziale Nachhaltigkeit“. – Es wurde viel Zeit vertan und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten – auch für ein gemeinsames Europa – vertan, denn auch 1990 lag das schon auf dem Tisch.

Aber der Sachverständigenrat Wirtschaft hat – auch wieder 2015 – eine Verbesserung dieses Gesetzes abgelehnt. (https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/publikationen/arbeitspapier_02_2015.pdf externer Link pdf)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=117749
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