Bericht: BRV von VW-Braunschweig Uwe Fritsch zum „Abgasskandal und den Auswirkungen auf die Belegschaft“

Bericht vom 19.1.2017 von Stephan Krull (IG Metaller und langjähriges Betriebsratsmitglied bei VW in Wolfsburg) – wir danken!

IG Metall bei Volkswagen: „Ein Team – Eine Familie“Bei einer Veranstaltung in Hannover am 18.1.2017 hat der Betriebsratsvorsitzende von VW-Braunschweig Uwe Fritsch zum „Abgasskandal und den Auswirkungen auf die Belegschaft“ ca. 15 Minuten gesprochen. Uwe Fritsch ist Mitglied im Aufsichtsrat von Volkswagen sowie Mitglied im Parteivorstand der DKP. Den Widerspruch zwischen der Schweigepflicht nach § 116 Aktiengesetz einerseits und dem Anspruch der Arbeitnehmer auf Information und Mitbestimmung andererseits hat er bei diesem Vortrag nicht aufgelöst, sondern bereits mit seiner Eingangsbemerkung überheblich gepflegt. Es ginge um wichtigeres als nur „wer hat was gewusst“, stellte er gewichtig fest. Die Kosten „Aufgrund der Vergleichverfahren in den USA“, nicht etwa wegen des millionenfachen Betruges, seien „ein Schritt zur Aufklärung“. Aber es sei, eine betonende Wiederholung, „nicht über Schuld und Sühne zu sprechen“.

Dann die Auto-Lobby-Keule: Jeder dritte Arbeitsplatz in Niedersachsen hänge von VW ab und es käme darauf an, die wirtschaftliche Basis des Landes zu erhalten. Es folgt die Umweltkeule: Die Dosenherstellung in Braunschweig sei niedergegangen, weil „die Alu-Dose aus Umweltgründen in Verruf gebracht wurde“. Tatsächlich werden durch tausende Beschäftigten – nach vielen Fusionen durch Ball Packing Europe – noch Millionen Getränke-Dosen produziert.
Der VW-Vorstand, so Fritsch, habe erkannt, worum es geht: mit autonomem fahren den Anschluss an die Zukunft nicht zu verlieren, dem diene das VW-Programm „together 2025“.

Die Anwesenden bat er um Solidarität. Bei Volkswagen würde die Arbeit solidarisch verteilt – und es kam ihm kein Wort zu den Leiharbeitern über die Lippen, schließlich gelte bei VW seit über 30 Jahren ein Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.

Ein wohlfeiles Plädoyer für Arbeitszeitverkürzung und anschließend die Erklärung, weshalb bei VW die Arbeitszeit verlängert werden musste: Um gleiche Konkurrenzbedingungen zu erreichen, müsse die Arbeitszeit in Europa sinken. Fritsch übersah geflissentlich, dass Deutschland inzwischen nicht nur Billiglohnland ist, sondern mit tatsächlichen Arbeitszeiten von Vollzeitbeschäftigten von 42 Stunden pro Woche über dem EU-Schnitt liegt.

Kein Wort von Fritsch zur Verantwortung des Managements am millionenfachen Betrug, an der Vergiftung der Menschen, kein Wort zur zu den Profiteuren des Betruges, zur Verantwortung des Porsche-Piëch-Clans, kein Wort zur Verantwortung des Ferdinand Piëch, der über mehr als ein Jahrzehnt autoritärer Vorstandschef und Aufsichtsratsboss war. Kein Wort zum Verkehrskollaps, zu den Endlichkeiten der Ressourcen, zur Verantwortung der Klimaentwicklung. Mobilität wird von diesem Betriebsratsvorsitzendem, Aufsichtsratsmitglied und DKP-Parteivorstandsmitglied ausschließlich mit dem Automobil und seiner profitorientierten Herstellung in Verbindung gebracht. Die Bedürfnisse der Menschen in den urbanen Zentren, in den Megacities und in den infrastrukturarmen Regionen dieser Welt spielen dabei keine Rolle.

Es bleibt Aufgabe linker Gewerkschaftspolitik, eine grundsätzlich andere Sicht auf diesen Skandal und auf die Zukunft der Automobilindustrie zu werfen. Es bleibt Aufgabe linker Gewerkschaftspolitik, die Klassenfrage, den antagonistischen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit zu benennen. „Es ist ein großes Problem, dass viele in den Gewerkschaften die Klassenfrage nicht mehr begreifen,“ sagte Hans-Jürgen Urban im Gespräch mit Sahra Wagenknecht. So einen kritischen Blick auf sich selbst braucht dringend auch Die Linke.

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