NetzDG u.a.: Wie sich die Debatte um Fake (und Hate) News zum Problem für Presse- und Meinungsfreiheit entwickelt

Dossier

Gegen Internetsperren in einer freien GesellschaftGegen Internetsperren in einer freien Gesellschaft„… Eigentlich ging es ja darum, die demokratische Meinungsbildung vor Manipulation zu schützen. Doch jetzt ist die Fake-News-Debatte selbst zum Risiko für Presse- und Meinungsfreiheit geworden. Ein Pulverfass, in dem die Themen Hate Speech, Fake News, Wähler-Profiling, Meinungsroboter und Plattformregulierung vermischt und kräftig verrührt werden. Es ist wenig hilfreich, wenn man jetzt den Rassisten, der zu Hause am Rechner mit Falschmeldungen gegen Flüchtlinge Stimmung macht, mit professionellen Troll-Armeen in einen Topf wirft. Kalte-Krieg-Vergleiche oder das alarmistische Bild einer „Destabilisierung des Staates“ haben die Debatte weiter erhitzt. Wir haben uns deswegen die hektisch vorgetragenen Vorschläge von SPD und Union angesehen und versuchen eine erste Einordnung: Einige würden zu mehr privatisierter Rechtsdurchsetzung führen, andere stellen ein ernsthaftes Problem für Presse- und Meinungsfreiheit dar…“ Analyse von Markus Reuter vom 20. Dezember 2016 bei Netzpolitik externer Link – siehe dazu auch den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken externer Link (Netzwerkdurchsetzungsgesetz –NetzDG) und hier neu zur wichtigen Debatte:

  • „Aktionstag gegen Online-Hetze“ mit Razzien: Ein Like auf Twitter und das Handy ist weg New
    • Durchsuchungen wegen Hassrede: Ein Like auf Twitter und das Handy ist weg
      „Mit einer bundesweiten Aktion will die Polizei gegen Hassrede vorgehen. Damit das Handy beschlagnahmt wird, reichen auch angebliche Likes auf Twitter. Um sechs Uhr klingelt die Polizei. Hausdurchsuchung. Auf Twitter soll der Beschuldigte Felix, dessen voller Name der Redaktion bekannt ist, das Andenken Verstorbener verunglimpft haben – durch den angeblichen Like eines Tweets. Dieser habe den Polizistenmord in Kusel in Rheinland-Pfalz gebilligt. Felix muss das Handy abgeben und sich bald wohl vor Gericht verantworten. Deutschlandweit führte am 20. Juni 2022 die Polizei Durchsuchungen und Beschlagnahmungen wie diese durch. Der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz (SPD), erklärte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) anlässlich der aktuellen Einsätze gegen sogenannte Hatespeech: „Wir reagieren mit aller Deutlichkeit – in der realen Welt und in der virtuellen.“ Zudem sagt er: „Wenn Worte wie Waffen gebraucht werden, ist konsequentes staatliches Handeln gefordert.“ Polizisten in 15 Bundesländern haben am Montag die Wohnungen von 75 Verdächtigen durchsucht, denen Hassäußerungen im Internet vorgeworfen werden, schreibt die dpa. Insgesamt werde laut dpa gegen 150 Beschuldigte in 172 Fällen strafrechtlich relevanter Äußerungen ermittelt. Kurz nach der Tat fing die Polizei an, wegen Hassrede im Internet zu ermitteln, da Nutzer die Tat guthießen. Am 31. Januar 2022 soll ein 39-jähriger Tatverdächtiger zwei Polizisten nach einer Fahrzeugkontrolle im Landkreis Kusel getötet haben. (…) Golem.de konnte den Beschluss des Amtsgerichts, das die Durchsuchung anordnete, in Gänze einsehen. Wir sprachen zudem mit dem Beschuldigten Felix, der die Beschlagnahmung seines Handys auf Twitter bekannt gab. „Ich habe die Durchsuchung als sehr direkt einschüchternd wahrgenommen. Ich hatte aber keine sonderliche Angst. Ich konnte mir denken, worauf die Polizei aus war: Einschüchterung“, sagte Felix Golem.de in einem Telefonat.  (…) Wir haben Strafrechtsanwalt Rienhoff nach der Rechtsmäßigkeit dieser Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung gefragt. (…) Rienhoff kann nachvollziehen, dass die Polizei die Verunglimpfung und Beleidigungen in diesem Fall verfolgt. So sagt er, dass „die Behörde einen enorm hohen Korpsgeist hat und sich schnell als Kollektiv angegriffen fühlt und dann hart zurückschlägt.“ Jedoch findet der Experte für Polizeirecht es „völlig unangebracht, hier im Falle von Likes so einen Aufwand zu betreiben“. Rienhoff führt aus: „Erschreckend ist vielmehr, wie viele z.B. rassistische Beleidigungen nicht verfolgt werden, aber bei einem Polizisten oder einem Hamburger Innenminister werden wegen einer Bagatelle schwerste Eingriffe vorgenommen. Hinzu kommt, dass die Polizei immer von Überlastung spricht und sich dann auf das Liken einer Beleidigung zu konzentrieren, ist schon fragwürdig.“. (…) Ende Mai 2022 ergaben Recherchen von dem Team um Jan Böhmermann, dass die Polizei mangelhaft gegen Hassrede ermittelt…“ Bericht von Lennart Mühlenmeier vom 20. Juni 2022 bei golem.de externer Link
    • Thread von Blackbox VS vom 20.6.2022 externer Link: „Wegen eines Likes (!) für Tweet der nach den Schweigeminuten für Ahmed Ahmad, für Giorgos Zantioinis und für #OuryJalloh fragt und bekundet um getötete Polizisten nicht trauern zu wollen, wurden heute bundesweit Wohnungen wegen angeblicher #hatespeech durchsucht…“
    • „Aktionstag gegen Online-Hetze“: Interview mit einem Geschädigten der Polizeikampagne
      Felix wurde am „Aktionstag gegen Online-Hetze“ Geschädigter einer bundesweiten Kampagne der Polizei mit mehreren Hausdurchsuchungen. Wir durften mit ihm dazu ein kurzes Interview führen…“ Interview von Tom vom 21.6.2022 bei Klasse gegen Klasse externer Link
  • Vorstoß der Europäischen Kommission zur Regulierung des Internets bedroht massiv Grundrechte 
    Die Internationale Liga für Menschenrechte warnt vor dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates „zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte“. Die Gesetzesinitiative stellt eine schwerwiegende Bedrohung der Grundrechte und -freiheiten dar, insbesondere für die Meinungs- und Redefreiheit, den freien Zugang zu Informationen, das Recht auf Privatsphäre und die Rechtsstaatlichkeit. Die vorgeschlagene Verordnung enthält gefährliche Maßnahmen, die letztlich den Schutz der Grundrechte in der EU schwächen werden. Sie hat auch das Potenzial, einen gefährlichen Präzedenzfall für die Regulierung von Online-Inhalten weltweit zu schaffen. Der Vorschlag zwingt Plattformen letztlich, automatisierte Tools wie Upload-Filter einzusetzen, um terroristische Inhalte zu löschen. Dabei fehlen Transparenz und unabhängige gerichtliche Kontrolle. Das Fehlen einer richterlichen Aufsicht ist eine ernsthafte Gefahr für die Meinungsfreiheit und den Zugang zu Informationen. Sie untergräbt auch die Charta der Grundrechte, die die Freiheit des Empfangs und der Weitergabe von Informationen schützt und besagt, dass die rechtmäßige Meinungsäußerung geschützt ist und nur im Nachhinein, durch ein Gericht und auf legitimen Antrag, nicht proaktiv eingeschränkt werden darf. Nach der vorgeschlagenen Verordnung wird jede zuständige Behörde die Befugnis haben, die Löschung von Online-Inhalten, die irgendwo in der EU gehostet werden, innerhalb einer Stunde anzuordnen…“ Pressemitteilung vom 21. März, 2021 von und bei Internationale Liga für Menschenrechte externer Link
  • Deplatforming: Warum Trumps Accountsperrungen richtig und hochproblematisch sind
    „… Twitter und viele andere Plattformen haben dem reichweitenstärksten Hassprediger der Welt nach der Stürmung des Kapitols in Washington den Saft abgedreht. Donald Trump verlor nicht nur seine Konten auf Twitter und Facebook, sondern sogar seinen E-Mailprovider, seinen Merchandise-Shop und seinen Snapchat-Account. Apple, Google und Amazon folgten und zerschlugen mit ihrer Marktmacht auch gleich die mögliche Exil-Plattform Parler, bevor ein von Trump angeführter Exodus dorthin stattfinden konnte. (…) Aus demokratischer Sicht mag es wünschenswert sein, wenn diejenigen, welche die Demokratie beseitigen wollen, dieses Schicksal ereilt. Wenn sie in die Schmuddelecken des Internets verdrängt werden. Wohlmeinend könnte man sagen, dass hier Unternehmen ihre politische Verantwortung wahrnehmen, um die Demokratie vor ihren Feind:innen zu schützen. (…) Doch so einfach ist es nicht: Deplatforming ist ein problematisches Mittel, weil es die Macht über die Meinungsfreiheit in die Hände einiger weniger einflussreicher Konzerne legt. (…) Nun sind die Account-Sperrungen gegen Trump und Teile seiner Unterstützer:innen beileibe nicht die ersten Fälle von Deplatforming. (…) Seit Jahren werden also Accounts auf Plattformen gesperrt, auch jene von Politiker:innen. Dies geschieht oftmals nach Gutsherrenart und ohne Begründung gegenüber den Betroffenen. Diese haben bislang wenig Chancen sich gegen solche Entscheidungen zu wehren, wenn sie keinen Sturm des Protestes und Medienberichterstattung generieren können, welche die Plattformen zum Umdenken zwingt. Es gibt weder etablierte Beschwerdemechanismen oder noch eine neutrale Schlichtung solcher Sperrungen, die ja immer auch fehlerhaft sein können. Insbesondere, wenn Algorithmen und nicht Menschen über den Fortbestand von Accounts entscheiden. Konzernentscheidungen zur Sperrung von Accounts sind von der Öffentlichkeit unkontrolliert. Sie werden umso problematischer, je größer, wichtiger und damit unverzichtbarer eine Plattform oder ein Service für die Kommunikation ist. (…) Fraglich ist natürlich auch, ob ein Deplatforming ausreicht, um antidemokratische und menschenfeindliche Ideologien zu bekämpfen. Kein Rassist wird durch ein Deplatforming zum Demokraten. Vielleicht führt die Maßnahme sogar zu einer Radikalisierung der Betroffenen, weil Gegenrede auf den Nischenplattformen vollkommen wegfällt. Ungeklärt sind auch Fragen von zielgerichteter politischer Werbung und die Rolle von Algorithmen, die honorieren, wie viel Interaktion, Empörung und Aufenthaltsdauer ein Inhalt generiert – und damit zur Verbreitung und Verstärkung rechtspopulistischer, verschwörungsideologischer und antidemokratischer Inhalte beitragen. Was das Deplatforming angeht, steht es Demokratien nicht gut zu Gesicht, dass eine kleine Gruppe von Unternehmenschefs Entscheidungen solcher Tragweite trifft. Selbst, wenn das Ergebnis richtig ist für die Demokratie.“ Beitrag von Markus Reuter vom 12. Januar 2021 bei Netzpolitik externer Link
  • Nach dem Sturm aufs Kapitol: Die privatisierte Demokratie
    „… Die kurzfristige Sperrung von Trumps Account war richtig. Doch bei aller Abscheu gegenüber dessen Lügen, dem Hass und den Aufrufen zur Gewalt: Angela Merkel hat recht, wenn sie die dauerhafte Löschung des Accounts kritisch sieht. Tatsächlich sollte nicht ein privater Konzern entscheiden können, wer in der Öffentlichkeit was sagen darf. Das grundsätzliche Problem hinter dem Entscheid offenbarte sich in Merkels Bemerkung, wonach Twitter mit der Löschung die Meinungsfreiheit verletzte. Tut es eben gerade nicht: Mit ihren digitalen Plattformen haben die Techkonzerne die Demokratie ein Stück weit privatisiert. In den USA gilt die Meinungsfreiheit im privatisierten digitalen Raum nicht – und auch in Europa nur beschränkt: Die Konzerne entscheiden, wer was sagen darf. Diese Privatisierung der Demokratie ist das Resultat einer jahrzehntelangen Politik. Nachdem das Internet einst mit öffentlichen Geldern entwickelt worden war, überliessen die USA nach der Zerschlagung der Telekomfirma AT&T 1984 die Branche dem freien Markt – so wie auch viele europäische Länder. Wie der deutsche Soziologe Philipp Staab in seinem Buch «Digitaler Kapitalismus» aufzeigt, haben die Regierungen mit der Deregulierung der Finanzmärkte dafür gesorgt, dass eine Unmenge von Risikokapital in die aufsteigenden Techfirmen floss. Die Regierungen haben den Firmen zudem die Steuern gesenkt und zugeschaut, wie diese ihre Monopole errichteten. So passt es, dass Trump – der diese rechtslibertäre Politik auf die Spitze trieb – der erste US-Präsident war, der via Techkonzern regierte. Heute liegt der Grossteil der digitalen Öffentlichkeit in der Hand von ein paar milliardenschweren Techmonopolen, die eine immense Macht über die Demokratie besitzen. Vier Jahre lang boten sie Trump eine Plattform, weil sie von der Aufmerksamkeit profitierten, die seine Lügen und sein Hass auf ihre Kanäle zogen. Und nun, da der Präsident abtritt und sie vom nächsten Amtsträger Joe Biden die Quittung für ihre Verwicklung in Trumps faschistischen Angriff auf die US-Demokratie befürchten, löschen sie Trump ebenso willkürlich den Kanal. (…) Gleichzeitig lässt aufhorchen, was EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton nach der Erstürmung des US-Kapitols in einem Beitrag für das US-Magazin «Politico» schrieb: Die jüngsten Ereignisse markierten für die digitalen Plattformen denselben Einschnitt wie einst die Anschläge des 11. September 2001 in New York für die «globale Sicherheit». Nach den damaligen Anschlägen bliesen Regierungen weltweit zu einem Frontalangriff auf die Grundrechte. Der öffentliche Druck wird dafür sorgen müssen, dass das neue EU-Gesetz nicht zur Zensur legitimer Regierungskritik missbraucht wird. Die stärkere Regulierung der Techfirmen löst jedoch nicht das grundsätzliche Problem, dass die digitale Öffentlichkeit und damit ein Stück Demokratie in den Händen privater Milliardenkonzerne liegt: Das Ziel dieser Konzerne ist nicht eine möglichst demokratische Debatte – sondern der Profit. Für diesen sind sie auch bereit, die demokratische Debatte mittels Algorithmen zu pervertieren, die den Leuten auch Verschwörungstheorien auf dem Silbertablett präsentieren. Der einzige Ausweg: die Zerschlagung der Monopole und der Aufbau gemeinwirtschaftlicher Plattformen als Service public. Alles andere ist Verrat an der Demokratie.“ Beitrag von Yves Wegelin vom 14. Januar 2020 aus WOZ Nr. 02/2021 externer Link
  • Digitale-Dienste-Gesetz: EU-Parlament will mitreden 
    „… Das EU-Parlament ist selten so selbstbewusst aufgetreten. Obwohl es keine Gesetzentwürfe in die Welt setzen kann, fordern die Abgeordneten ihr Mitspracherecht vehement ein – und scheinen bei der EU-Kommission auf offene Ohren zu stoßen. Es geht um nichts Geringeres als um die umfassendste Überarbeitung der Regeln für Online-Dienste wie Google, Facebook oder Amazon seit Jahrzehnten. Mit dem Gesetz für digitale Dienste, dem Digital Services Act, will Europa die Karten im digitalen Raum neu mischen. Künftig soll die Macht der dominant gewordenen Digitalkonzerne beschränkt werden, der Umgang mit illegalen Inhalten vereinheitlicht und besser werden und eine europaweite Aufsicht soll sicherstellen, dass etwaige Regeln auch tatsächlich Schlagkraft entfalten können. (…) „Aktuell entscheiden Plattformen auf eigene Faust, wie sie mit illegalen Inhalten umgehen, solange Rechtsverletzungen schnell beseitigt werden“, sagt der sozialdemokratische Abgeordnete Tiemo Wölken. Dies schaffe jedoch zu viele Unsicherheiten und biete nicht ausreichenden Schutz für die Meinungsfreiheit der Nutzer:innen. (…) Auf dem Wunschzettel des Parlaments steht zudem eine Überprüfung des Geschäftsmodells von Online-Diensten, die sich dem Überwachungskapitalismus verschrieben haben. Noch besteht Unklarheit darüber, wie weit ein etwaiger Einschnitt reichen würde, doch einige Abgeordnete stellen das gesamte System in Frage. „Die derzeitigen Geschäftspraktiken gefährden unsere Demokratie, weil sie mit extremen Inhalten Aufmerksamkeit generieren“, sagt die grüne Parlamentarierin Alexandra Geese aus dem Binnenmarktausschuss. Dabei kann es sich um Hassrede handeln oder gezielt gestreute Desinformation, die auf der emotionalen Ebene ansetzt und die Feeds der Nutzer:innen vergiftet. Riesige und miteinander verknüpfte Datenmengen würden nicht nur unsere Wahrnehmung steuern, sagt Geese. „Sie entziehen obendrein den Qualitätsmedien eine ausreichende finanzielle Grundlage, weil sie sie zu Getriebenen degradieren, die sich anpassen müssen“, sagt die Abgeordnete. Als Gegenmodell sei beispielsweise kontextbasierte Werbung denkbar, um Journalismus zu finanzieren. Ein weiterer Pluspunkt: Schädliche, aber nicht notwendigerweise illegale Inhalte müssten dann nicht eigens reguliert werden. Denn dies würde die Macht der großen Plattformen erst recht wieder stärken. Keinesfalls dürfe etwa Facebook-Chef Mark Zuckerberg entscheiden sollen, was wir sehen dürfen und was nicht, sagt Geese. „Das ist einfach keine Option, so verlockend das leider ist.“…“ Beitrag von Tomas Rudl vom 20. Oktober 2020 bei Netzpolitik externer Link
  • Kampagne ‚my content, my rights‘: Das Recht am eigenen Inhalt 
    Immer wieder verschwinden Inhalte aus sozialen Medien. Manchmal ist das gerechtfertigt, oft genug aber nicht. Eine Kampagne der europäischen Grünen will nun klare Regeln für die Plattformen schaffen und zugleich ungerechtfertige Sperren dokumentieren. (…) Als die Aktivist:innen mit ihrem Schiff, auf dem sie Schwangerschaftsabbrüche in internationalen Gewässern vornehmen, in Portugal einlaufen wollten, stellte sich ihnen ein Kriegsschiff in den Weg. In Polen wurden sie mit Klagen überzogen, Marokko machte vor ihrer Ankunft den ganzen Hafen dicht. Ähnlichen Hürden begegnen „Women on Waves“ im Internet. Ihre Website ist aus zahlreichen Ländern nicht erreichbar. Und soziale Netzwerke sperren aus fadenscheinigen Gründen regelmäßig ihre Accounts. Facebook etwa nahm Informationen über eine Abtreibungspille zum Anlass, um die NGO wegen vorgeblicher Anleitung zum Drogenmissbrauch von der Plattform zu werfen. Youtube sah Verstöße gegen die privaten Gemeinschaftsregeln und löschte den Kanal der Aktivist:innen wiederholt von der größten Videoplattform der Welt. (…) Dieser Willkür der Plattformen, auf denen inzwischen ein guter Teil des öffentlichen Diskurses stattfindet, sehen sich weltweit unzählige Nutzer:innen ausgesetzt. (…) Eine jüngst von den europäischen Grünen gestartete Initiative externer Link soll nun dafür sorgen, dass Online-Dienste nicht mehr völlig intransparent schalten und walten können wie bisher. „Mit unserer Kampagne ‚my content, my rights‘ wollen wir Grundrechte im Herzen des Digital Services Act verankern“, sagt Alexandra Geese, die für die Grünen im EU-Parlament sitzt und die Kampagne mitentwickelt hat. (…) Letztlich sollen klare Regeln für die Plattformen entstehen, die in das Digitale-Dienste-Gesetz einfließen sollen. Außerdem soll ein öffentlicher Pranger, eine „wall of shame“, Beispiele von Nutzer:innen einholen und darstellen, wie beliebig die Moderationsentscheidungen von Plattformen ausfallen können. Eines der ersten Beispiele ist der regelmäßig gesperrte Youtube-Account von „Women on Waves“. An beiden Vorhaben soll die europäische Zivilgesellschaft mitwirken, wünscht sich die grüne Abgeordnete. (…) Über weitergehende Streitigkeiten sollten künftig nicht mehr die Plattformen alleine entscheiden, geht es nach den Grünen. Stattdessen sollen unabhängige Schiedsstellen strittige Fälle klären, ohne das Justizsystem zu überlasten. Und einheitliche und somit besser vergleichbare Transparenzreports sollten sicherstellen, dass die Öffentlichkeit endlich besser Bescheid weiß über das, was die Plattformen eigentlich machen.“ Beitrag von Tomas Rudl vom 5. Oktober 2020 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Gutachten zum NetzDG: Gesetz gegen Hasskriminalität verfassungswidrig
    „Die schon beschlossene Erweiterung und Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes hängt wegen verfassungsrechtlicher Bedenken beim Bundespräsidenten fest. (…) Ein neues Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hat festgestellt, dass das geplante Gesetz gegen Hasskriminalität verfassungswidrig ist. Das Gutachten beruft sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 17. Juli 2020. Dieses Urteil hatte die bisherigen Regelungen zur so genannten Bestandsdatenauskunft für verfassungswidrig erklärt. Das Gutachten [pdf] stellt fest, dass Teile des Hasskriminalität-Gesetzes unverhältnismäßig sind, weil es an begrenzenden Eingriffsschwellen fehlt. Weder die Telekommunikationsdienstleister dürften Daten an das Bundeskriminalamt übermitteln, noch dürfte dieses die Daten abfragen. Das ist aber ein Kern des Gesetzes gegen Hasskriminalität. Ein weiteres Gutachten, aus dem der Spiegel zitiert, bewertet das Gesetz ebenfalls als verfassungswidrig. Auch der renommierten IT-Rechtler Matthias Bäcker kommt laut dem Nachrichtenmagazin in einer schriftlichen Bewertung zur selben Einschätzung. (…) Die Bundesregierung will das Gesetz dennoch haben, berichtet zumindest die Süddeutsche Zeitung. Ginge es nach dem Willen der Regierung, soll der Bundespräsident das Gesetz vorerst unterschreiben. Die Bundesregierung möchte dann eine Art Reparaturgesetz nachliefern.“ Beitrag von Markus Reuter vom 18. September 2020 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Digitale-Dienste-Gesetz: UN-Menschenrechtshüterin warnt vor Lösch-Exzessen 
    „UN-Hochkommissarin Michelle Bachelet schickt einen Brief nach Brüssel. Die EU dürfe bei ihrem neuen Plattformgesetz keine Überwachungspflichten einführen und die Meinungsfreiheit gefährden, fordert die ehemalige chilenische Präsidentin. (U…) Weltweit wachse die Sorge über die Strukturen und Prozesse von privaten Firmen bei der Moderation von Inhalten, schrieb Bachelet in einem Brief an EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Facebook, Twitter und TikTok haben jeweils eigene Regeln, welche Inhalte sie entfernen oder unsichtbar machen. An der Moderation von Inhalten durch die Plattformen ist inzwischen häufig Kritik zu hören. Für Ärger sorgt ihr zögerliches Vorgehen gegen Hass und Falschmeldungen, jedoch mehren sich auch die Beispiele von schwer nachvollziehbaren Kontensperrungen und willkürlichen Regeln gegen bestimmte Inhalte. Die EU-Kommission will bis Dezember ein Gesetzespaket vorschlagen, das den Plattformen klare Regeln für die Moderation von Inhalten geben soll. Das Digitale-Dienste-Gesetz sorgt bereits jetzt für intensives Lobbying der Digitalkonzerne und Rechteinhaber, aber auch aus der Zivilgesellschaft. Erst kürzlich endete die öffentliche Konsultationsphase für das umfassende Vorhaben. (…) In die Debatte bringt sich nun auch die wichtigste Menschenrechtshüterin der Vereinten Nationen ein. Ihr Brief stellt vier klare Kriterien für das neue Gesetz auf: Es müsse durch Regeln und Prozesse jedem Menschen gleichen Zugang zur digitalen Welt ermöglichen; es brauche Transparenz über die Funktionsweise der Plattformen; es dürfe nur Vorschriften zur Löschung tatsächlich illegaler Inhalte und keinerlei generelle Überwachungspflichten geben; und es müsse zugängliche und effektive Mittel gegen Fehlentscheidungen der Plattform geben. Bachelet empfiehlt der Kommission eine Folgenabschätzung über mögliche Auswirkungen ihres Gesetzes auf Ungleichheit und Diskriminierung von benachteiligten Gruppen. Die EU müsse die globalen Auswirkungen ihres Vorhabens bedenken, schreibt die frühere chilenische Präsidentin…“ Beitrag von Alexander Fanta vom 10. September 2020 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Gesetzespaket gegen Hasskriminalität Entschieden gegen Hetze im Netz vom Bundesrat gebilligt
    Bei Morddrohungen in Sozialen Medien, Gewalt gegen Beschäftigte in Rettungsstellen oder auch antisemitisch motivierten Straftaten – die Bundesregierung verstärkt ihren Kampf gegen Hasskriminalität. Ein Gesetz, das neue Regeln und Strafverschärfungen vorsieht, wurde nun vom Deutschen Bundesrat gebilligt. Auch Anbieter großer Sozialer Netzwerke erhalten neue Pflichten – was sich im Einzelnen ändert...“ Meldung der Bundesregierung vom 3. Juli 2020 externer Link, siehe auch:

    • Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Bundestag entscheidet über umstrittenes Gesetz gegen Hasskriminalität
      Soziale Netzwerke sollen in Zukunft manche potenziell strafbaren Inhalte direkt ans BKA melden. Das ist einer der Hauptstreitpunkte in einem Gesetz, das nun im Bundestag beschlossen werden soll. Dabei gibt es einen Vorschlag, der die Bedenken verringern könnte. Der Bundestag will am heutigen Donnerstag ein Gesetz zur besseren Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität beschließen externer Link. Der Entwurf sieht eine Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) vor, um eine bessere Strafverfolgung bei Hasskriminalität zu ermöglichen. Kern dieses Vorhabens ist die Einführung einer Meldepflicht für Soziale Netzwerke. Sie sollen künftig bestimmte potenziell strafbare Inhalte direkt an das Bundeskriminalamt melden. Bisher mussten die Posts lediglich gelöscht werden. Das BKA soll diese dann prüfen und gegebenenfalls ermitteln. Dabei geht es beispielsweise um Posts mit volksverhetzenden Inhalten sowie Androhungen von schwerer Körperverletzung oder Mord. (…) Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte die Umsetzung der Meldungen an das BKA als Kernpunkt kritisiert. Er schlug in einer Stellungnahme zum Gesetz ebenfalls eine Quick-Freeze-Lösung vor. Der Rechtsausschuss des Bundestags hatte zuletzt eine Beschlussempfehlung erarbeitet, die den ursprünglichen Gesetzentwurf noch erweitert. So soll das „BKA im Rahmen seiner Zentralstellenaufgabe berechtigt werden, bei Telemediendiensteanbietern die Login-IP-Adressen von Urhebern strafbarer Internetinhalte abzufragen“. Nicht alle Anbieter fallen unter das NetzDG und das BKA soll auch bei Inhalten, die nicht gemeldet werden, sondern die es auch bei eigenen Recherchen findet, die IP-Adresse herausbekommen können. So soll auch vermieden werden, dass Nutzer gezielt auf Plattformen ausweichen, die nicht laut NetzDG zur Meldung verpflichtet wären. Ein großes Fragezeichen besteht darin, wie die Justiz mit dem absehbar steigenden Ermittlungsaufkommen zurechtkommen soll...“ Artikel von Anna Biselli vom 18.06.2020 in Netzpolitik externer Link
    • Vier Probleme des Maßnahmenpakets gegen Hasskriminalität
      Justizministerin Lambrecht verschärft den Kampf gegen strafbare Hetze im Netz mit einem weitreichenden Gesetz. Die Maßnahmen könnten helfen, bergen aber auch Gefahren….“ Eine Analyse von Max Hoppenstedt vom 18.06.2020 im Spiegel online externer Link
  • Gesetzentwurf gegen Hasskriminalität: Übers Ziel hinausgeschossen 
    Der Bundestag debattiert über eine Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Doch was beim Kampf gegen Rechtsextremismus und Online-Hetze helfen soll, hat viele unerwünschte Nebenwirkungen. Diese sollten die Abgeordneten bedenken, wenn sie den Gesetzesvorschlag diskutieren. Die Bundesregierung will das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) nachbessern. Am heutigen Donnerstag debattiert der Bundestag über die erste von zwei geplanten Novellen externer Link .  Sie richtet sich erklärtermaßen gegen den wiedererstarkten Rechtsextremismus, dessen Gefahr die Regierung lange Zeit nicht ausreichend Ernst genommen hatte. Obwohl kaum jemand dieses Ziel in Frage stellt, hagelt es seit der Vorstellung des „Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ Kritik von allen Seiten externer Link. Und die Kritik hat es in sich externer Link. So gibt Ulrich Kelber, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, in einer Stellungnahme zu bedenken externer Link, dass nur mit Bedacht erlassene und zielgerichtet ausgestaltet Sicherheitsgesetze helfen würden. Dies sei bei dem Vorschlag aber nicht der Fall: „Der vorliegende Entwurf enthält zahlreiche Vorschläge, die deutlich über den Bereich von Hasskriminalität und Rechtsextremismus hinausgehen“, schreibt Kelber. Ob der Entwurf seine verfolgten Ziele erreicht, erscheine ihm deshalb „mehr als fraglich“. Gleichzeitig enthalte der Entwurf jedoch „erhebliche Eingriffe in Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger“. Darunter fällt etwa die geplante Meldepflicht. (…) Ebenfalls fragwürdig ist die vorgesehene Pflicht für Betreiber, auf Anfrage Passwörter oder sonstige Zugangsdaten von Nutzenden herauszugeben. Zwar ist das Justizministerium im Vergleich zum ersten Gesetzentwurf leicht zurückgerudert und hat die Übermittlungsschwellen erhöht. Dennoch handelt es sich um einen brandgefährlichen Vorschlag: Betroffen wären nicht nur soziale Netzwerke, sondern auch E-Mailanbieter, Online-Händler oder Online-Banking-Anbieter. Zwar betont die Regierung, Verschlüsselung an sich „unberührt“ zu lassen. Dann stellt sich aber die Frage, welchen Sinn die Herausgabe der Zugangsdaten hat…“ Beitrag von Tomas Rudl vom 12.03.2020 bei Netzpolitik externer Link
  • Diskutierte Klarnamenpflicht kontraproduktiv gegen Hass im Netz – warnt die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 
    „… So berät der Bundesrat fernab der öffentlichen Wahrnehmung über eine Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Kern des Gesetzentwurfes ist die Einführung einer Registrierungspflicht im Internet. Auf Initiative der Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sollen die Anbieter sozialer Netzwerke und großer Spieleplattformen verpflichtet werden, sämtliche Nutzer zu erfassen und zu identifizieren. Millionen Menschen wären betroffen. Sie alle müssten sich mit vollem Namen, Wohnanschrift, Geburtsdatum und einem amtlichen Lichtbildausweis registrieren. Das erklärte Ziel: Die Urheber von strafrechtlich relevanten Inhalten im Netz sollen schneller identifiziert und verurteilt werden können. Dass soziale Netzwerke, einige Foren und auch Gaming-Plattformen ein immenses Problem mit Hass und Hetze haben, ist unbestritten. (…) Statt jedoch konstruktive Maßnahmen zu ergreifen, wandeln die zuständigen Innenminister Niedersachsens und Mecklenburg-Vorpommerns auf orwellschen Irrwegen. Die geplanten Maßnahmen schießen weit über das erklärte Ziel hinaus. Sie untergraben die Prinzipien unseres Rechtsstaates und des freien Internets. (…) Die Einführung einer Registrierungspflicht scheitert bereits an den technischen und politischen Realitäten. Müssen die Betreiber sozialer Netzwerke alle Nutzerdaten sowie biometrische Ausweise speichern, führt dies zwangsläufig zum Abfluss privater und hochsensibler Daten auf ausländische Server. Das ist kaum mit dem deutschen und europäischen Datenschutz vereinbar, vor allem aber ist es ein Sicherheitsrisiko. (…) Es ist überdies zu bezweifeln, dass eine Registrierungspflicht, die nur auf nationaler Ebene eingeführt werden kann, Straftäter von ihren kriminellen Aktivitäten ernsthaft abhält. Der Betroffene kann seinen Standort bei der Registrierung weltweit verorten, nicht zwangsweise in Deutschland. (…) Die Diskussion um eine Registrierungspflicht ist ein chronisches Dilemma im Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit. Anonymität im Netz gewährt politischen Oppositionellen und Aktivisten in vielen Länder Schutz vor staatlichen Übergriffen. Sie bietet Zuflucht für politisch Verfolgte und garantiert deren persönliche Sicherheit…“ Gastbeitrag von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vom 26. Februar 2020 bei heise online externer Link
  • Kampf gegen Hass: Bundesregierung stimmt für Pflicht zur Passwortherausgabe 
    „Trotz massiver Kritik hat das Bundeskabinett den umstrittenen Gesetzentwurf zur erweiterten Bestandsdatenauskunft und Meldepflicht ans BKA auf den Weg gebracht. In Deutschland soll es künftig eine klare Auflage für Anbieter von Telemediendiensten wie WhatsApp, Gmail, Facebook, Tinder & Co. geben, sensible Daten von Verdächtigen wie Passwörter und IP-Adressen an Sicherheitsbehörden herauszugeben. Dazu kommt eine Pflicht zunächst für Betreiber großer Plattformen zum Teilen nutzergenerierter Inhalte wie Facebook, TikTok, Twitter oder YouTube, strafrechtlich relevante Inhalte wie Hassbeiträge oder Terrorismuspropaganda zu löschen und parallel unaufgefordert – ebenfalls zusammen mit aussagekräftigen Internetkennungen inklusive Portnummern – an das Bundeskriminalamt (BKA) zu melden. (…) Die Bundesregierung hat dazu am Mittwoch ihren Entwurf für ein Gesetz „zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ auf den Weg gebracht. Die vom Bundeskabinett befürwortete Version geht prinzipiell ähnlich weit wie der heftig umstrittene Referentenentwurf von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). So sollen die begehrten Bestandsdaten generell neben Strafverfolgern und sämtlichen Geheimdienste auch Ämter in die Hände bekommen, die etwa Ordnungswidrigkeiten oder Schwarzarbeit ahnden. Es bleibt auch bei einem Auskunftsanspruch, „soweit dies zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist“, also zum Verfolgen von Urheberrechtsverletzungen. (…) Auch der Kreis der Verpflichteten erweitert sich deutlich: unter den Begriff Telemedien fallen etwa soziale Medien und Blogs, Chatdienste, Spiele-Apps, Informationsservices und Suchmaschinen, Portale, Shops und private Seiten im Web, Webmail-Dienste, Podcasts und Flirt-Communities. Eine Richtergenehmigung ist zwar für die Abfrage von Passwörtern erforderlich, nicht jedoch für die von IP-Adressen und zugehörigen Nutzernamen. (…) Wer öffentlich im Netz andere beleidigt, dem sollen bis zu zwei Jahre Haft drohen. Den Katalog der rechtswidrigen Inhalte im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) will das Kabinett um das „Delikt der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ ergänzen. Gegen die ursprüngliche Initiative des Justizressorts, die nun in leicht überarbeiteter Form an den Bundesrat und den Bundestag geht, liefen Datenschützer, Bürgerrechtler und Vertreter der Internetwirtschaft Sturm. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sprach von „gravierenden Eingriffen in die Grundrechte“ und großen Zweifeln, ob das Vorhaben mit der Verfassung vereinbar sei und die damit verknüpft Ziele überhaupt erreicht werden könnten. Verbände beklagten den geplanten „großen Lauschangriff im Netz“…“ Beitrag von Stefan Krempl vom 19. Februar 2020 bei heise online externer Link, siehe auch:

    • Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Bundesregierung beschließt Pflicht zur Passwortherausgabe
      „Nach dem antisemitischen Attentat von Halle und dem Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke steht die Bundesregierung unter Druck, mehr gegen Rechtsextreme und Rechtsterroristen zu tun. Doch eine heute von der Regierung verabschiedete umstrittene Gesetzesänderung droht neue Probleme zu schaffen. (…) „Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen stellen sehr weitgehende Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung dar“, sagt etwa Elisabeth Niekrenz von der Digital-NGO Digitale Gesellschaft. „Dabei ist die Wirksamkeit gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität höchst zweifelhaft“. Die NGO hatte zuletzt einen offenen Brief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) unterzeichnet, dem sich auch Wikimedia Deutschland und netzpolitische Verbände wie cnetz oder LOAD angeschlossen haben. Sie befürchten einen gesetzlichen Schnellschuss, der letztlich mehr schaden als helfen könnte. So sei etwa die geplante Übermittlung von Daten an das BKA dazu geeignet, ein „polizeiliches Zentralregister“ zu schaffen, was mit den Grundsätzen der Medien- und Informationsfreiheit nicht zu vereinbaren sei. Die Grünen-Politikerin Renate Künast, die selbst von einer Hasswelle betroffen war und jüngst zwei Gerichtsverfahren wegen Beleidigung für sich entscheiden konnte, fordert eine „kritische Prüfung“ des Entwurfs. „Bei der geplanten Meldepflicht für Hasskommentare an das BKA setzt der Gesetzentwurf auf eine pauschale und umfangreiche Weitergabe von Daten der Nutzerinnen und Nutzer ohne Vorliegen eines Anfangsverdachts“, sagt die Bundestagsabgeordete. (…) Das Justizministerium schätzt, dass jährlich etwa 250.000 gemeldete Inhalte beim BKA landen werden. (…) Die Initiativen Ichbinhier und HateAid, die Opfern von digitaler Gewalt zur Seite stehen, fordern in einer gemeinsamen Bewertung der beiden Gesetzentwürfe, den Prozess zu entschleunigen und beim neuerlichen Anlauf „die Zivilgesellschaft mitzunehmen“. Obwohl einige der von der Regierung anvisierten Ziele durch die Novellen erreicht werden könnten, verfehle das Vorhaben die nötige „Akzeptanz als auch die Effizienz“ herzustellen. Es sei „absolut notwendig“, den demokratiegefährdenden Komponenten von digitaler Gewalt entgegenzuwirken, heißt es in der Stellungnahme.“ Dies darf aber nur durch eine verhältnismäßige und nicht mehr als erforderliche Einschränkung anderer Grundrechte wie z.B. des Rechts auf Informationelle Selbstbestimmung geschehen“. Beitrag von Tomas Rudl vom 19. Februar 2020 bei Netzpolitik externer Link
    • Fragen und Antworten zu den Plänen der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus
      „Nach dem rassistischen Anschlag von Halle hat die Bundesregierung beschlossen, entschlossener gegen Hasskriminalität im Internet vorzugehen. Jetzt brachte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf auf den Weg, der eine stärkere Strafverfolgung und schärfere Ahndung von Hassverbrechen zum Ziel hat. MiGAZIN beantwortet die wichtigsten Fragen: Wie will die Bundesregierung Hass im Netz begegnen? (…) Was sollen Plattformen gegen Hass-Straftaten machen? (…) Was müssen die Plattformen melden und was nicht? (…) Dürfen die Plattformen Passwörter herausgeben? (…) Was wird für den Schutz von bedrohten Kommunalpolitikern getan?…“ Antworten von Corinna Buschow vom 20. Februar 2020 bei MiGAZIN externer Link
    • Siehe zum Hintergrund auch unser Dossier: Nach Halle: Mehr Netzkompetenz für Ermittler statt Massenüberwachung
  • BMJV legt Entwurf zur Änderung des NetzDG vor / Karneval der Jakobiner: „Zum Schutze der Freiheit – Schafft sie ab!“ 
    • BMJV legt Entwurf zur Änderung des NetzDG vor: Transparenter, einfacher, aber nicht zu viel blocken
      „… Seit knapp zwei Jahren ist das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Kraft, nun will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) nachbessern: Nutzer von großen sozialen Netzwerken wie etwa Facebook, Twitter und Youtube sollen rechtswidrige Inhalte schneller und einfacher melden können. Zudem soll es bald eine Regelung für ein Gegenvorstellungsverfahren geben: Sowohl die Beschwerdeführer wie auch Nutzer, deren Inhalte gelöscht oder gesperrt wurde, können damit eine Überprüfung der Entscheidung verlangen. Außerdem sollen die Netzwerk-Betreiber künftig ausführlichere Transparenzberichte verfassen. (…) Es ist nicht die einzige geplante Änderung des NetzDG: Im Dezember hatte das BMJV bereits einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität vorgelegt. Darin ist auch vorgesehen, dass die Netzwerk-Betreiber verpflichtet werden, bestimmte strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt zu melden. So soll eine zügige Strafverfolgung ermöglicht werden. (…) Grundsätzlich bleibt es aber bei der Idee des NetzDG: Bei der Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz sind erstmal die Betreiber der sozialen Netzwerke selbst in der Pflicht und nicht etwa Polizei und Staatsanwaltschaften. (…) Das BMJV betont zudem, dass die „Befürchtung eines Overblocking“ ernst zu nehmen sei. Genau das war von Kritikern in der Debatte immer wieder geäußert worden: Was, wenn die Netzwerke nun übermäßig viele und auch nicht rechtswidrige Inhalte löschen oder sperren? (…) Demnach müssen die Anbieter der sozialen Netzwerke auch ein „wirksames und transparentes Verfahren“ vorhalten, mit dem die Entscheidung, bestimmte Inhalte zu löschen oder zu sperren, überprüft werden kann. Dabei können sich entweder der Beschwerdeführer – also derjenige, der einen vermeintlich rechtswidrigen Post gemeldet hat – oder auch der Nutzer, dessen Post beanstandet wurde, an das Netzwerk wenden und eine Stellungnahme abgeben, warum sie die Entscheidung für falsch halten. Die Netzwerkbetreiber müssen die ursprüngliche Entscheidung dann „unverzüglich“ überprüfen und das Ergebnis dem jeweiligen Nutzer bzw. Beschwerdeführer mitteilen, zusammen mit einer Begründung, wie der Entwurf vorsieht. Außerdem soll klargestellt werden, dass insbesondere auch Wiederherstellungsklagen – also solche Klagen, in denen es darum geht, einen entfernten Inhalt wieder zugänglich zu machen – an den inländischen Zustellungsbevollmächtigten des jeweiligen Netzwerks zugestellt werden können. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, eine Schlichtungsstelle einzurichten, damit solche Streitigkeiten außergerichtlich geklärt werden können…“ LTO-Beitrag von Annelie Kaufmann vom 16. Januar 2020 externer Link, dazu noch wichtig:
    • Karneval der Jakobiner: „Zum Schutze der Freiheit – Schafft sie ab!“
      „Noch 2018 hatte die Bundeskanzlerin in Reaktion auf die verfassungsrechtliche Kritik an der Einführung der Löschinfrastruktur des NetzDG in sozialen Netzwerken zugesichert, die Bundesregierung werde das Netzwerkdurchsetzungsgesetz „auch mit Sicherheit evaluieren“ und es könne sein, „dass wir hier auch Veränderungen vornehmen müssen“. Keine 2 Jahre später stehen „Veränderungen“ vor der Tür, wenngleich die Bundeskanzlerin bislang missverstanden worden zu sein scheint: Ohne durchgeführte Evaluierung soll nun durch ein Gesetz „zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ das NetzDG eine erhebliche Verschärfung erfahren, welche die sozialen Netzwerke weithin zum grundrechtsfreien Raum umgestaltet und im Kielwasser durch Extensionen der Doppeltüren in StPO, BKA-Gesetz und TMG den sukzessiven Umbau zum Internet-Polizeistaat fortsetzt. (…) Die Verschärfungen des NetzDG aufgrund des „Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ unterliegen – ebenso wie das NetzDG in seiner Gesamtheit (…) – nach meiner persönlichen Einschätzung verfassungsrechtlichen Bedenken. Den Sozialen Netzwerken als unmittelbaren Normadressaten des § 3a NetzDG-E ist abermals die Möglichkeit eröffnet, Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 BVerfGG zu erheben. Diesmal hiervon Gebrauch zu machen, sollte aus Sicht der Netzwerkbetreiber nicht fernliegend erscheinen, zumal sich hierdurch das BVerfG nicht nur mit den aktuellen Verschärfungen in § 3a NetzDG-E, sondern auch mit den bereits seit 2018 in Kraft gesetzten Compliance-Pflichten wie insbesondere der Löschinfrastruktur des § 3 NetzDG erstmals befassen könnte. Überdies besteht bei der jetzigen NetzDG-Verschärfung eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass auch Verfassungsbeschwerden von Nutzerinnen und Nutzern sozialer Netzwerke in Karlsruhe angenommen werden. (…) Die seitens der Bundeskanzlerin zum NetzDG „mit Sicherheit“ zugesagte Evaluierung wird auch für die nunmehr vorgesehene NetzDG-Verschärfung erneut nicht stattfinden. Im GBRH-Entwurf des Bundesjustizministeriums wird hierzu ausgeführt: „Eine Evaluierung erscheint (…) nicht erforderlich“. Fallen Bundesregierung und Bundestag in ihrem von Einzeltaten wie in Halle getriebenen, eiligen politischen Bauchentscheidungen als Bürgen und Prüfinstanzen verfassungsrechtlicher Grundfreiheiten aus, ist das Bundesverfassungsgericht die letzte Hoffnung, der sukzessiven gesetzgeberischen Umgestaltung des Internets zum grundrechtsfreien Raum Grenzen zu setzen.“ Ausführliche Analyse von Prof. Dr. Marc Liesching vom 6. Januar 2020 bei der beck-community externer Link
  • Gesetz gegen Hassrede: Bundesregierung will an E-Mail-Passwörter 
    In ihrem Entwurf für ein Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hassrede hat die Bundesregierung sich auch auf einen neuen Behördenanspruch auf Passwörter zu Onlinediensten geeinigt. Das geht aus einem am Freitag vorgestellten Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums hervor. Künftig können demnach Behörden unter bestimmten Voraussetzungen von Diensten wie Google oder Facebook verlangen, Passwörter zu Kundenkonten zu erlangen. Der Hintergrund ist, dass der Staat derzeit zwar Telefone überwachen darf, nicht aber etwa die Kommunikation über Internetdienste wie Whatsapp. (…) Der Internet-Branchenverband Bitkom und Bürgerrechtler äußern sich erschrocken. „Herausgabe vertraulicher Passwörter ohne richterlichen Beschluss, automatisierte Weiterleitung von IP-Adressen – wir sind erstaunt, dass solche Vorschläge aus jenem Ministerium unterstützt werden, das sich den Datenschutz besonders groß auf die Fahnen geschrieben hat“, kommentiert den Vorstoß Bitkom-Chef Bernhard Rohleder. Er meint damit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD)...“ Artikel von Hendrik Wieduwilt vom 14.12.2019 bei der FAZ online externer Link. Siehe dazu:

    • Keine Herausgabe von Passwörtern durch Dienstleister wie Social Media! 
      „… Der Präsidiumsarbeitskreis „Datenschutz und IT-Sicherheit“ der GI lehnt jede Aufweichung der Vertraulichkeit von Passwörtern ab. Vertrauliche Passwörter, private Schlüssel und ähnliche Mechanismen sind grundlegend für Datenschutz und IT-Sicherheit. Es besteht in der Fachwelt Konsens, das solche hochsensiblen Daten den Verfügungsbereich des jeweiligen Benutzers ausnahmslos nicht verlassen dürfen, weil sonst ihre Verwendung und Weitergabe nicht mehr kontrollierbar und dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet ist. (…) Der Präsidiumsarbeitskreis ‚Datenschutz und IT-Sicherheit‘ der GI lehnt insbesondere die Herausgabe vertraulicher Passwörter ab. Eine vergleichbare Regelung trifft zwar seit fünf Jahren § 113 des Telekommunikationsgesetzes für wenige tausend Anbieter von Telekommunikationsdiensten. Dort ist die Herausgabe von Passwörtern aber auf solche beschränkt, die der Anbieter vergibt, wie Persönliche Identifikationsnummer (PIN) und der Personal Unlock Key (PUK) – die der Anbieter also kennt. Nicht erfasst sind dagegen Passwörter, die der Nutzer selbst wählt und die für den Anbieter unzugänglich gespeichert sind. Für den Anbieter besteht keine Pflicht, verschlüsselte Passworte zu entschlüsseln. Der Präsidiumsarbeitskreis fordert, für die neue Vorschrift des § 15a TMG, dass die Anbieter verschlüsselte Passworte nicht entschlüsseln und nicht im Klartext spei­chern dürfen. Sie dürfen auch nicht gezwungen werden, ihr Passwortsicherungsverfahren zu ändern. Passwörter sind der Schlüssel zu allen schützenswerten Inhalten in der digitalen Gesellschaft. Sicherheit heißt daher Unausforschbarkeit von Passwörtern. Es entspricht dem Stand der Sicherheitstechnik, Passwörter ausnahmslos unzugänglich zu speichern (Einwegverschlüsselung, Hashes), so dass es keine Möglichkeit gibt, diese Passwörter zu entschlüsseln. Im Übrigen ist nicht zu erkennen, wie Äußerungsdelikte, die ja zu ihrer Strafbarkeit verbreitet werden müssen, durch das Ausforschen von Passwörtern bekämpft werden können…“ Stellungnahme vom 10. Januar 2020 des Präsidiumsarbeitskreis „Datenschutz und IT-Sicherheit“ der Gesellschaft für Informatik e.V. externer Link (GI) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz eines „Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität
    • NetzDG-Erweiterung: Wie der Staat mit Gummiparagrafen Zugriff auf die Accounts der Bürger:innen erhalten will 
      Die große Koalition nutzt den Kampf gegen Rechtsextremismus, um kräftig an der Überwachungsschraube zu drehen: Soziale Netzwerke sollen bald bestimmte Straftaten automatisch ans Bundeskriminalamt melden. Darüber hinaus sollen alle Anbieter von Telemediendiensten Daten ihrer Nutzer:innen an Polizei und Geheimdienste herausgeben müssen. Die Bundesregierung will die Internetüberwachung massiv ausweiten. Das geht aus einem Gesetzentwurf vom 12.12.2019 externer Link des SPD-geführten Justizministeriums hervor, der mit dem Namen „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ überschrieben ist. (…) Doch der Hammer des Gesetzes steckt in einer Änderung des Telemediengesetzes. Hier will SPD-Justizministerin Lambrecht weit über das NetzDG hinaus alle Telemediendienste – vom sozialen Netzwerk bis zur Plattform für Kochrezepte – verpflichten, Strafverfolgern und Geheimdiensten „sämtliche unternehmensinternen Datenquellen“ der Nutzer:innen auszuliefern. Bislang gab es eine ähnliche Regelung nur im TKG für Telekommunikationsdienstleister, wie zum Beispiel Internetprovider oder Telefongesellschaften. Zwar soll die Herausgabe der Daten, zu denen auch Passwörter gehören sollen, eine richterliche Anordnung benötigen. Die Praxis zeigt aber, dass der Richtervorbehalt nur selten zur Ablehnung einer Maßnahme führt. Betroffen sind alle Telemediendienste, die einen Dienst geschäftsmäßig betreiben: Das kann Medien wie netzpolitik.org genauso treffen wie große Podcasts oder größere Foren. Die Herausgabe der Passwörter und weiterer Daten kann laut dem Gesetzentwurf schon bei Ordnungswidrigkeiten geschehen, es bedarf nicht einmal einer Straftat. Desweiteren ist die Herausgabe auch präventiv zur Gefahrenabwehr möglich und zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen. (…) Das Telemediengesetz selbst hat auch nichts mit Hassrede oder mit Rechtextremismus zu tun, die beiden Begriffe dienen hier nur als Begründung, um die Überwachungsbefugnisse des Staates generell auszuweiten. Problematisch an diesem Punkt ist nicht nur die Tatsache, dass der Staat hierbei sehr einfach Zugriff auf die Accounts der Bürger:innen bekommen kann, sondern dass der Gesetzesentwurf auch allen Regeln der IT-Sicherheit widerspricht. Jeder vernünftige Internetdienst speichert die Passwörter seiner Nutzer:innen nicht im Klartext ab, sondern legt diese verschlüsselt ab. Eine solche verschlüsselte Speicherung verlangt nicht nur das BSI, sondern auch die Datenschutzgrundverordnung…“ Artikel von Markus Reuter vom 16.12.2019 bei Netzpolitik externer Link
    • WhatsApp, Gmail & Co. sollen Passwörter herausgeben müssen – Der Entwurf von Justizministerin Christine Lambrecht für ein Gesetz gegen „Hasskriminalität“ geht weit über eine Verschärfung des NetzDG hinaus
      „Der Entwurf von Justizministerin Christine Lambrecht für ein Gesetz gegen „Hasskriminalität“ geht weit über eine Verschärfung des NetzDG hinaus. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht wandelt in Überwachungsfragen auf den Spuren ihres Kollegen im Innenressort, Horst Seehofer (CSU). Mit ihrem am Freitag vorgelegten Referentenentwurf für ein Gesetz „zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ will die SPD-Politikerin nicht nur das an sich bereits heftig umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) deutlich verschärfen. Sie plant auch eine Pflicht für WhatsApp, Gmail, Facebook, Tinder & Co., schon jedem Dorfpolizisten und zahlreichen weiteren Sicherheitsbehörden auf Anfrage sensible Daten von Verdächtigen wie Passwörter oder IP-Adressen teils ohne Richterbeschluss herauszugeben. „Wer geschäftsmäßig Telemediendienste erbringt, daran mitwirkt oder den Zugang zu Nutzung daran vermittelt“, soll einschlägige erhobene Bestands- und Nutzungsdaten „zur Erfüllung von Auskunftspflichten“ gegenüber den berechtigten Stellen verwenden dürfen, heißt es in dem heise online vorliegenden Entwurf, den mittlerweile der Journalist Hendrik Wieduwilt veröffentlicht hat. Die herauszugebenden Informationen seien „unverzüglich und vollständig zu übermitteln“, betont das Justizministerium. (…) Der Kreis der berechtigten Stellen könnte kaum weiter gefasst sein. Er erstreckt sich auf alle „für die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten“ und die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden, sämtliche Geheimdienste von Bund und Ländern sowie auf die Zollverwaltung und Ämter, die für die Schwarzarbeitsbekämpfung zuständig sind. Anbieter sollen ferner explizit auch Bestandsdaten herausrücken, soweit dies im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen „zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist“…“ Meldung von Stefan Krempl vom 14. Dezember 2019 bei heise online externer Link
  • Rechtsextremismus: Facebook hilft deutschen Ermittlern gegen Hetze – und will damit Meldepflicht abwenden
    Das soziale Netzwerk verspricht der Bundesregierung mehr Tempo bei Ermittlungen wegen Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung. Facebook hofft, damit Gesetzespläne aus Berlin zu bremsen, heißt es in einer internen Mail des Innenministeriums, die wir veröffentlichen…“ Beitrag von Alexander Fanta vom 18.11.2019 bei Netzpolitik externer Link
  • Maßnahmenpaket im Bundeskabinett: Neun Punkte gegen Rechtsextremismus
    Strafbare Inhalte ans BKA melden, das Waffenrecht verschärfen, Beleidigung im Netz härter bestrafen. Mit einem Neun-Punkte-Plan will die Bundesregierung Rechtsextremismus besser bekämpfen. Dem Maßnahmenpaket fehlt noch Konkretes, um es wirklich einzuschätzen. (…) Dass rechte Ideologien auf fruchtbarem Boden zu Taten heranwachsen, lässt sich nicht mehr ignorieren, und es sollen auch politische Konsequenzen folgen. „Nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Halle reagiert die Bundesregierung mit konkreten Maßnahmen“, sagte Innenminister Horst Seehofer heute. Er stellte zusammen mit den Ministerinnen für Justiz und Familie einen Neun-Punkte-Plan externer Link vor, den das Bundeskabinett nun verabschiedete. Die Punkte betreffen ganz unterschiedliche Bereiche. Unter anderem soll das Waffen- und Sprengstoffrecht verschärft werden. Wer Mitglied in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung ist, soll keine Waffen mehr besitzen dürfen. Ein anderer Punkt: Wer Sanitäter oder medizinisches Personal in Notfallambulanzen angreift, soll ebenso hart bestraft werden wie jemand, der gegenüber einem Gerichtsvollzieher oder Soldaten gewalttätig wird…“ Beitrag von Anna Biselli vom 30.10.2019 bei Netzpolitik externer Link samt bisheriger Kritik
  • Facebooks Quasi-Monopol schränkt Definitionsmöglichkeiten von „Hassrede“ ein 
    „… Das Landgericht Bamberg hat am 18. Oktober ein ausführliches (aber noch nicht rechtskräftiges) Endurteil zu einer Facebook-Sperre gefällt (Aktenzeichen 2 O 248/18), in dessen Begründung es sich ausführlich mit der Klärung zweier Fragen auseinandersetzt, die auch für viele andere Fälle relevant sind: Mit der Frage, ob der Social-Media-Konzern ein faktisches Monopol hat, und mit der Definition des Begriffs „Hassrede“ . Zur Monopolfrage führen die drei Richter unter Rückgriff auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. August aus, dass Facebook unter anderem wegen seiner Nutzerzahlen „einen Stellenwert im Rahmen des Informations- und Meinungsaustauschs ein[nimmt], der in allen Bereichen des öffentlichen Lebens – auch des politischen – eine so große Rolle spielt, dass damit eine Quasi-Monopolstellung einhergeht“. (…) Liegt ein Quasi-Monopol vor, kann sich die so genannte „mittelbare Grundrechtsbindung“ der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach so weit ausdehnen, dass Grundrechte nicht nur bei staatlichen Stellen, sondern auch bei Privatunternehmen „nahezu unmittelbar“ gelten – auch als Abwehrrechte von Bürgern. Grundrechte können nämlich „umso mehr Geltung für sich beanspruch[en], je mehr [etwas] einem staatlichen Eingriff gegenüber einem Bürger nahe kommt“. Zum Beispiel dann, wenn ihm die Gelegenheit genommen wird, etwas auf dem „wichtigsten digitalen Marktplatz“ zu äußern. Für Facebook heißt das, dass das Unternehmen bei der Auslegung seiner Definition des Begriffs „Hassrede“ nicht nach Lust und Laune walten kann, sondern unter anderem die in Artikel 5 des Grundgesetzes geschützte Meinungsfreiheit seiner Nutzer berücksichtigen muss…“ Beitrag von Peter Mühlbauer vom 25. Oktober 2018 bei Telepolis externer Link
  • NetzDG führt offenbar zu Overblocking 
    Reporter ohne Grenzen (ROG) geht angesichts neu veröffentlichter Zahlen von einem Overblocking legaler Inhalte bei Facebook und Google aus. Das Anfang 2018 in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verpflichtet soziale Netzwerke unter Strafandrohung, illegale Inhalte rasch zu entfernen. Offensichtlich hat dieser Druck dazu geführt, dass die Unternehmen viele Inhalte gelöscht haben, die eigentlich legal sind. Sie wollen damit sichergehen, nicht nach dem NetzDG bestraft zu werden. Bei den Löschungen berufen sich Facebook und Google auf ihre Community Standards. Darin legen sie selbst fest, was Nutzer auf ihren Plattformen teilen dürfen und räumen sich das Recht ein, auch Inhalte zu entfernen, die von den Kommunikationsfreiheiten gedeckt sind. „Die Bundesregierung hat mit dem NetzDG private Unternehmen zu Richtern über die Presse- und Informationsfreiheit im Netz gemacht, ohne eine öffentliche Kontrolle des Löschverfahrens sicherzustellen. Eine solche unabhängige Prüfinstanz braucht es aber, um ein Overblocking, also das Löschen von rechtlich zulässigen Inhalten, zu erkennen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Facebook und Google löschen nach eigenen Regeln, weil sie sich allein als private Unternehmen begreifen und eine Art digitales Hausrecht durchsetzen wollen. Ihre Plattformen sind jedoch ein Teil der modernen Öffentlichkeit geworden, so dass Menschen dort alles sagen können müssen, was nicht gegen Gesetze verstößt.“…“ ROG-Pressemitteilung vom 27.07.2018 externer Link
  • „Einladung zur Zensur“ – Human Rights Watch kritisiert das deutsche NetzDG 
    „… Damit ist es Human Rights Watch zufolge ein „gefährlicher Präzedenzfall für andere Regierungen, die sich umsehen, wie sie Unternehmen dazu zwingen können, Online-Äußerungen im Auftrag der Regierung zu zensieren.“ In diesem Zusammenhang wird unter anderem auf Russland, Venezuela, Kenia und Rodrigo Dutertes Philippinen verwiesen, wo man dem deutschen Gesetz unter expliziter Nennung des Vorbilds nacheifert. (…) Auf „Hate Speech“ und illegale Inhalte sei das NetzDG „die falsche Antwort“ und sollte deshalb „umgehend zurückgenommen“ werden – so HRW gestern in seiner internationalen Stellungnahme dazu. (…) Der Tadel von Human Rights Watch ist nicht der erste, den sich die Bundesregierung von Vertretern internationaler Organisationen wegen des Maas-Gesetzes anhören muss: Bereits im letzten Jahr hatte Thorbjørn Jaglan, der Generalsekretär des Europarates, vor Zensur und einem „falschen Signal für andere Staaten“ gewarnt – und David Kaye, der Meinungsfreiheits-Sonderbeauftrage der Vereinten Nationen, äußerte massive Zweifel an der Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs mit dem UNO-Pakt II. …“ Beitrag von Peter Mühlbauer vom 16. Februar 2018 bei Telepolis externer Link
  • NetzDG: DJV fordert Abschaffung 
    Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestags auf, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) so schnell wie möglich abzuschaffen. Entsprechende Initiativen der kleineren Fraktionen des Bundestags sollten ohne Fraktionszwang das Parlament passieren. „Mit der Zensur der Satirezeitschrift Titanic durch den Kurznachrichtendienst Twitter haben sich unsere Befürchtungen bestätigt, die wir bereits im Gesetzgebungsverfahren vorgebracht haben“, erklärt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall: „Das NetzDG schiebt die Macht über das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit an Privatunternehmen wie Twitter und Facebook ab…“ Pressemitteilung vom 08. Januar 2018 externer Link, siehe auch:

  • [dju] Untaugliches Mittel
    „Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist gerade einmal wenige Tage in Kraft und schon hat es eindrucksvoll gezeigt, dass es ein untaugliches Mittel ist, um gegen Hassbotschaften und Falschmeldungen im Internet vorzugehen. Die Blockade des Twitter-Accounts des Satiremagazins Titanic durch den amerikanischen Kurznachrichtendienst war nichts anderes als Zensur – und damit nicht hinnehmbar. (…) Nachdem der Titanic-Post und die darauffolgenden Reaktionen von Twitter die Untauglichkeit des Gesetzes gezeigt haben, sollte der Gesetzgeber Konsequenzen ziehen. Er muss das Gesetz, das Mitarbeiter privater Unternehmen zu Richtern über unsere Grundwerte macht, schleunigst außer Kraft setzen.“ Beitrag von Peter Freitag vom 5. Januar 2018 bei Menschen machen Medien von ver.di externer Link
  • NetzDG: Kurzfristig Aufmerksamkeit, langfristig Vorzensur 
    Am Montag trat das im Sommer verabschiedete Social-Media-Zensurgesetz NetzDG vollständig in Kraft. Nun werden plötzlich auch Medien wie der Spiegel oder die Zeit, die vorher eher Regierungsargumente wiedergaben, auf problematische Folgen dieses Gesetzes aufmerksam…“ Artikel von Peter Mühlbauer vom 05. Januar 2018 bei telepolis externer Link
  • NetzDG gegen Hass und verbale Gewalt: Das Löschen beginnt 
    Das gesetzlich vorgeschriebene Löschen und Sperren bei den kommerziellen Plattformen beginnt: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird in die Praxis umgesetzt. Einen ganzen Schwall an Meldungen über als rechtswidrig eingeschätzte Inhalte müssen Twitter, Facebook und Co. seit Jahresbeginn innerhalb von 24 Stunden abarbeiten…“ Beitrag vom 02.01.2018 bei Netzpolitik externer Link
  • Kampf gegen Hass im Internet: Lösch-Gesetz mit Nebenwirkungen? 
    Mit dem Jahreswechsel sind soziale Netzwerke wie Facebook in der Pflicht: Strafbare Inhalte sollen sie nach Beschwerden ihrer Nutzer schneller löschen. So schreibt es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz vor. Kritiker sehen die Meinungsfreiheit in Gefahr. (…) Das Gesetz könnte also dafür sorgen, dass weniger Hass-Kriminalität die Kommunikation im Internet vergiftet. Kritiker befürchten jedoch Risiken und Nebenwirkungen. Ein breites Bündnis meldete sich mit einer „Deklaration für die Meinungsfreiheit“ zu Wort, unter anderem Branchenverbände der digitalen Wirtschaft und netzpolitische Organisationen. Ihre Befürchtung: Aus Angst vor Bußgeldern und weil sie schnell reagieren müssen, könnten sich soziale Netzwerke im Zweifelsfall „zu Lasten der Meinungsfreiheit und für die Löschung und Sperrung solcher Inhalte entscheiden, die sich im Graubereich befinden“. Außerdem werde durch das NetzDG eine staatliche Aufgabe auf private Unternehmen übertragen. Es sei Aufgabe von Gerichten zu entscheiden, ob ein Inhalt strafbar sei oder nicht...“ Beitrag von Christian Feld, WDR, vom 31.12.2017 bei tagesschau.de externer Link
  • „Allzu restriktiv“: OSZE warnt vor Netzwerkdurchsetzungsgesetz 
    „Pünktlich zum Inkrafttreten kritisiert mit der OSZE eine internationale Organisation das Netzwerkdurchsetzungsgesetz scharf. (…) Der OSZE-Beauftragte für die Medienfreiheit, Harlem Désir, warnt vor Overblocking durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Der Umfang des Gesetzes sei „übermäßig breit und seine Wirkung könnte für die Freiheit der Meinungsäußerung allzu restriktiv sein“. Désir warnt in einer Pressemitteilung davor, dass die mit der Prüfung der Inhalte beauftragten Unternehmen zu viel löschen könnten, auch sei die Liste der unter das Gesetz fallenden Straftaten zu lang. Die OSZE appelliert deshalb an die deutschen Behörden, Maßnahmen zu ergreifen, um eine vorsichtige Umsetzung des Gesetzes zu gewährleisten. Gleichzeitig sollte das Gesetz evaluiert und wenn nötig im Parlament geändert werden. In seiner jetzigen Form könne es einen abschreckenden Effekt (chilling effect) auf die Meinungsfreiheit haben. (…) Unterdessen kam nach Recherchen des Spiegels heraus, dass deutlich mehr soziale Netzwerke vom NetzDG betroffen sein werden. Unter anderem ist die Rede davon, dass neben Facebook, Twitter, Youtube und Instagram, auch Reddit, Flickr und Tumblr unter das Gesetz fallen werden…“ Beitrag von Markus Reuter vom 4. Oktober 2017 externer Link

  • Ab heute gilt das NetzDG – und das sind die Gefahren für die Meinungsfreiheit 
    „Kein netzpolitisches Vorhaben der Großen Koalition ist auf so viel Empörung und Widerstand gestoßen. Am 1. Oktober tritt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft, die Gefahren für die Meinungsfreiheit bleiben trotz Nachbesserungen bestehen. (…) Das Gesetz soll Hasskriminalität im Internet bekämpfen. Plattformbetreiber mit mehr als zwei Millionen Nutzern müssen von nun an „offensichtlich strafbare Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden löschen. Andernfalls drohen Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro. Kritiker sehen dies als Grundproblem des Gesetzes an, weil im Zweifelsfall auch rechtmäßige Äußerungen gelöscht würden, um einem Bußgeld zu entgehen. Das Gesetz war trotz einiger Änderungen bis zur Abstimmung Ende Juni im Bundestag hoch umstritten, weil es nach Ansicht der Kritiker eine Gefahr für das Grundrecht auf Meinungsfreiheit darstellt und europarechtswidrig ist. Im Gesetzgebungsprozess brachte sich im April eine „Allianz für die Meinungsfreiheit“ in Stellung – ein ungewöhnlich breites Bündnis aus Industrieverbänden, Journalistenverbänden, Bürgerrechtsorganisationen und netzpolitischen Initiativen.Durch den breiten Widerspruch wurde das Gesetz zumindest in Teilen entschärft. So flogen beispielsweise die ursprünglich geplanten automatischen Inhalte- und Uploadfilter wieder heraus, die allerdings nun auf EU-Ebene forciert werden sollen. Auch wurde die anfangs sehr breite Definition von sozialen Netzwerken enger gefasst und die zivilrechtliche Auskunftspflicht leicht eingeschränkt. Die Grundprobleme eines Overblockings durch die Plattformen und der Privatisierung der Rechtsdurchsetzung lösen auch diese Korrekturen nicht. Ebenso gibt es keine Sanktionen für die Unternehmen, wenn sie zu viel löschen. Deswegen bleibt das Gesetz auch in der aktuellen Version gefährlich für die Meinungsfreiheit. Diese Befürchtungen wurden zusätzlich genährt, nachdem sich ein Gesetzentwurf zur Kontrolle von Internetinhalten in Russland positiv auf das NetzDG bezog…“ Beitrag von Markus Reuter vom 1. Oktober 2017 bei Netzpolitik.org externer Link
  • NetzDG: Fake-Law gegen Hate-Speech 
    „Der Bundestag hat heute [30. Juni] das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen. Etwas gegen die Macht der privatisierten Öffentlichkeiten zu tun, ist generell richtig. Doch der eingeschlagene Weg und die Umsetzung samt einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung überzeugen überhaupt nicht. (…) Auch wenn der Name des Gesetzes es suggeriert: Zunächst einmal verbessert das Gesetz die Rechtsdurchsetzung kaum. Sondern es nimmt die Rechtsauslegung im Bereich potentiell strafbarer Inhalte, die Entscheidung, was strafbar oder offensichtlich strafbar ist, aus der Verantwortung von Gerichten und überträgt sie den Plattformen bzw. den zuletzt noch in den Gesetzesentwurf eingeführten Einrichtungen einer regulierten Selbstregulierung. (…) Das Gesetz verbessert also nicht die Rechtsdurchsetzung durch Gerichte, sondern es privatisiert die Rechtsauslegung. Nimmt man die eigentliche Rechtsdurchsetzung, fokussiert das Gesetz auf das Löschen statt Strafen, durch private Akteure. Es überträgt also denjenigen, die in ihrer Macht begrenzt werden sollen, zentrale rechtsstaatliche Verantwortung. Nicht einmal ein Widerspruchsrecht für gelöschte Inhalte ist geplant. (…) Und während die Bundesregierung noch darauf hofft, dass demnächst bei Facebook & Co mehr Mitarbeiter bei Mindestlohn innerhalb von zehn Sekunden entscheiden sollen, ob etwas gelöscht wird oder nicht, sehen wir schon neue Trends: Künstliche Intelligenz und Algorithmen werden zukünftig viel stärker in die Inhalte-Moderation integriert, so dass die Zahl der Arvato-Mitarbeiter irgendwann irrelevant wird…“ Kommentar von Markus Beckedahl vom 30. Juni 2017 bei Netzpolitik.org externer Link (unter der Überschrift „Das große Löschen beginnt“ erschien dieser Kommentar leicht gekürzt auch bei der SZ am 28. Juni 2017)
  • Anhörung zum NetzDG: Mehrheit der Experten hält Gesetzentwurf für verfassungswidrig 
    Bei der Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages haben fast alle Sachverständigen den Gesetzentwurf zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz kritisiert. Mehr als die Hälfte der Experten hielt ihn gar für verfassungswidrig. Weil die große Koalition selbst nicht mehr einig ist, könnte das Gesetz jetzt auf seinen Kern zusammengestutzt werden…“ Bericht von Markus Reuter vom 19.06.2017 bei Netzpolitik externer Link – siehe auch:

    • Gesetz gegen Hass im Internet fällt bei Anhörung durch: Juristen halten das Gesetz für rechtswidrig
      „Bei einer Anhörung im Bundestag ist das Gesetz gegen Hass-Kommentare im Internet von weiteren Experten scharf kritisiert worden. Die Organisation Reporter ohne Grenzen appellierte an die Abgeordneten, das Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG) in »seiner aktuellen Form abzulehnen« (…) Anfang Juni hatte der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, David Kaye, in einem Schreiben gesagt, das Gesetz gefährde Privatsphäre und Meinungsfreiheit. Es müsse grundlegend überarbeitet werden, um der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung zu entsprechen. Tatbestände wie »Beleidigung« und »Diffamierung« etwa seien zu vage formuliert. (…) Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hatte zudem bezweifelt, dass das Gesetz mit der EU-Richtlinie zu E-Commerce vereinbar ist, weil diese flexible Fristen zum Löschen von gesetzeswidrigen Inhalten setzt. Außerdem ist laut Informationen des Medienanwalts Joachim Steinhöfel offenbar ein weiteres Gutachten in Auftrag, das bezweifelt, dass das NetzDG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Am Mittwoch soll das Gesetz in zweiter Lesung im Parlament behandelt werden. Viel Zeit zur Verabschiedung vor der Sommerpause bleibt nicht mehr – am 30. Juni findet die letzte Sitzung des Bundestages statt. Minister Maas will das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschieden.“ Beitrag von Moritz Wichmann bei neues Deutschland vom 19. Juni 2017 externer Link
  • Heiko Maas‘ Zensurgesetz: Wenn Anzeige und Verurteilung eins werden
    „In einer ganzseitigen Verteidigung seines Internet-Zensurgesetzes in der Zeit geht Heiko Maas mit keinem Wort auf den wichtigsten Punkt seiner Kritiker ein: dass letztlich nur Richter entscheiden können, was rechtswidrig ist. Durchgängig tut er so, als sei die Rechtswidrigkeit eines Inhalts dadurch bewiesen, dass jemand sich darüber beschwert. Ausgerechnet der Justizminister missachtet den elementaren Rechtsgrundsatz: Bis bewiesen ist, dass eine Straftat vorliegt, und dass die Beschuldigte sie begangen hat, gilt sie als unschuldig. Heiko Maas ist Volljurist. Trotzdem will er einem Konzern in Silicon Valley die Aufgabe zuweisen, zu entscheiden, was nach deutschem Recht unter Meinungsfreiheit fällt, und was eine Verleumdung oder andere strafbare Äußerung ist. Nicht nur das: er erwähnt mit keinem Satz die Möglichkeit, dass Anschuldigungen falsch sein könnten oder die sich daraus ergebende Gefahr dass vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckte Äußerungen zu Unrecht zensiert werden könnten…“ Beitrag von Norbert Häring vom 17. Mai 2017 bei Geld und mehr externer Link
  • Algorithmen oder Journalisten können das Fake-News-Problem nicht lösen. Das Problem sind wir.
    „Die Verantwortung dafür, Fake News einzudämmen, kann nicht allein großen Plattformen wie Facebook und Google überlassen werden. Die Probleme liegen viel tiefer und lassen sich nicht mit schnellen Antworten lösen. Stattdessen muss das Problem an der Wurzel angepackt werden…“ Gastbeitrag von Danah Boyd bei Netzpolitik vom 24. April 2017 externer Link – Danah Boyd ist Medienwissenschaftlerin und Sozialforscherin, seit 2013 ist sie Präsidentin des Data & Society Research Institute in New York. Dieser Beitrag erschien zunächst auf English auf Backchannel. Übersetzung von Elka Sloan

    • Darin: „…Das Thema „Fake News“ hat einige knifflige Probleme sichtbar gemacht, auf sozialer und auf kultureller Ebene. Sie zwingen uns, darüber nachzudenken, wie Menschen Wissen und Ideen entwickeln, wie sie miteinander kommunizieren und Gesellschaften aufbauen. Sie sind auch furchtbar chaotisch und zeigen uns, wo die Spaltungen und Brüche in unseren Ansichten und Einstellungen sind. Und das heißt, es ist technisch nicht so einfach, Lösungen zu bauen oder zu implementieren. Wenn wir technische Lösungen für komplexe sozio-technische Probleme suchen, können wir uns nicht einfach aus der Verantwortung stehlen und ein paar Unternehmen beauftragen, die Brüche in der Gesellschaft zu kitten, die sie sichtbar gemacht und verstärkt haben. Wir müssen zusammenarbeiten und Bündnisse mit Gruppen eingehen, die nicht unsere politischen und sozialen Vorstellungen teilen, um die Probleme anzugehen, die wir gemeinsam sehen. Die Alternative wäre ein kultureller Krieg, in dem die Unternehmen als Vermittler und Schiedsrichter fungieren. Und das klingt nach einer schrecklichen Idee.
  • Deklaration für die Meinungsfreiheit in Reaktion auf die Verabschiedung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) durch das Bundeskabinett am 5. April 2017
    In Reaktion auf die Verabschiedung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) durch das Bundeskabinett am 5. April 2017 bringt eine breite Allianz von Wirtschaftsverbänden, netzpolitischen Vereinen, Bürgerrechtsorganisationen und Rechtsexperten ihre Sorgen um die Auswirkungen auf den öffentlichen Diskurs in Deutschland zum Ausdruck. In einer gemeinsamen „Deklaration für die Meinungsfreiheit“ warnen sie vor den katastrophalen Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit, sollte das NetzDG vom Bundestag verabschiedet werden. Die Unterzeichner sind der Auffassung, dass eine politische Gesamtstrategie notwendig ist, um das Aufkommen von Hassrede und absichtlichen Falschmeldungen im Netz einzudämmen. Sie erkennen an, dass Handlungsbedarf besteht, aber der Gesetzentwurf genügt nicht dem Anspruch, die Meinungsfreiheit adäquat zu wahren. Im Gegenteil, er stellt die Grundsätze der Meinungsfreiheit in Frage…“ Deklaration für die Meinungsfreiheit externer Link

    • Aus dem Text der Deklaration: „…  Meinungsfreiheit hat einen essentiellen und unabdingbaren Stellenwert in einer von demokratischen Werten geprägten Gesellschaft. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist als Teil der Kommunikationsfreiheiten wie auch die Presse- und die Rundfunkfreiheit in besonderem Maße geschützt. Das Recht auf Meinungsfreiheit findet seine Grenzen erst dort, wo die Rechte und die Würde anderer verletzt werden. Das Recht auf Meinungsfreiheit, aber auch seine Einschränkung, gelten dabei online wie offline. (…) Wir sind der Auffassung, dass eine politische Gesamtstrategie notwendig ist, um das Aufkommen von Hassrede und absichtlichen Falschmeldungen im Netz einzudämmen. Wir erkennen an, dass Handlungsbedarf besteht, aber der Gesetzentwurf genügt nicht dem Anspruch, die Meinungsfreiheit adäquat zu wahren. Im Gegenteil, er stellt die Grundsätze der Meinungsfreiheit in Frage. Absichtliche Falschmeldungen, Hassrede und menschenfeindliche Hetze sind Probleme der Gesellschaft und können daher auch nicht durch die Internetdiensteanbieter allein angegangen werden – dafür bedarf es der Kooperation von Staat, Zivilgesellschaft und der Anbieter. Wir setzen uns daher für eine gesamtgesellschaftliche Lösung ein, durch die strafwürdiges Verhalten konsequent verfolgt wird, Gegenrede und Medienkompetenz gestärkt werden und ein die Meinungsfreiheit respektierender Rechtsrahmen für die Löschung oder Sperrung rechtswidriger Inhalte erhalten bleibt.
    • Chaos Computer Club unterstützt Deklaration für die Meinungsfreiheit
      Der Chaos Computer Club (CCC) schließt sich der gemeinsamen „Deklaration für die Meinungsfreiheit“ gegen das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz an. Denn selbst wenn man die vordergründig betroffenen kommerziellen Plattformen wie Facebook oder Twitter nicht nutzt: Das Gesetz erzwingt ein privatisiertes Zensur-Regime, das legitime Meinungen, Bilder oder Filme unterdrücken und unsichtbar machen wird. Dem stellen wir uns vehement entgegen. Meinungsfreiheit findet oft in einem Graubereich statt: Auch was nicht gesellschaftlicher Konsens, provokativ oder einfach nur frech ist, darf gesagt werden. Dies sichert den freien Diskurs, der teils schwer zu ertragen ist, unsere Gesellschaft aber voranbringt. Genau in diesem Graubereich werden die Plattformen, auf denen viele Diskussionen stattfinden, nun durch das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) unter Druck gesetzt…“ CCC-Pressemitteilung vom 10.4.2017 externer Link
  • Die Kampagne gegen Fake News ist rund um die Welt zu einer Waffe der Regierungen geworden
    Naheliegenderweise befasst sich unser LabourNet Germany Dossier über die Fake News Kampagne vor allem mit der BRD. Aber ein Blick „jenseits der Grenzen“ macht schnell deutlich, dass dies nicht nur eine weltweite Kampagne ist, sondern vor allen Dingen auch, dass verschiedenste Regierungen und dabei selbstverständlich auch solche, die nicht im Ruf stehen, besonders demokratisch zu sein (falls es die noch geben sollte) sich dieser Kampagne mit sehr deutlichen Zielen anschließen. Der Artikel „Southeast Asian Leaders Use ‘Fake News’ to Justify Tighter Media Laws and Intimidate Their Critics“ von Mong Palatino am 07. April 2017 bei Global Voices externer Link bietet einen Überblick in die Vorgehensweise diverser südostasiatischer Regierungen. Etwa die kambodschanische Regierung, berüchtigt durch ihre feindliche Haltung gegenüber Gewerkschaften der TextilarbeiterInnen und einen gesetzlich festgelegten Hunger- genannt Mindestlohn. Aber auch Singapur oder Malaysia, die Regierung der Philippinen und jene Indonesiens haben entsprechende Maßnahmen ergriffen „gegen die jeweiligen Verleumder“ – die so definiert werden, wie es der ewige ministerpräsident Kambodschas tut: „Wir respektieren demokratische Rechte, aber nicht die Anarchie“. Und wer bestimmt dann wohl  per Fake News, was Anarchie ist?
  • Hate-Speech-Gesetz: Schon ausgeweitet, bevor es in Kraft tritt
    Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll sich nicht mehr nur gegen Hate Speech und Fake News richten, sondern auch gegen pornografische Inhalte und viele andere Straftatbestände. Zusätzlich enthält der neue Entwurf jetzt einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch ohne Richtervorbehalt, der das Ende der Anonymität im Netz einläuten könnte…“ Beitrag von Markus Reuter vom 28.03.2017 bei Netzpolitik externer Link
  • Analyse: So gefährlich ist das neue Hate-Speech-Gesetz für die Meinungsfreiheit
    „Justizminister Heiko Maas hat heute einen Gesetzenwurf gegen Hate Speech und Fake News vorgestellt. Das geplante Gesetz würde Facebook zum Richter über die Meinungsfreiheit machen und eine ausgefeilte Zensurinfrastruktur etablieren. (…) Bei Hate Speech und Fake News handelt es sich nicht um juristische Begriffe. Hier definiert der Entwurf nun [bestimmte] Straftatbestände. (…) Die Auswahl der Gesetze nicht nachvollziehbar, kritisiert Härting, sie sei dem Versuch geschuldet die schwammigen Begriffe „Hate Speech“ und „Fake News“ abzudecken: „Wieso braucht man die Löschpflicht bei einer Verunglimpfung der Nationalhymne (§ 90a Abs.1 Nr. 2 StGB), nicht jedoch bei einer verfassungsfeindlichen Verunglimpfung der Bundeskanzlerin (§ 90b StGB)? (…) Würde der Entwurf Gesetz werden, macht man die betroffenen Netzwerke ohne vorhergehende richterliche Überprüfung zu Ermittler, Richter und Henker über die Meinungsfreiheit. Nutzer könnten sich nur noch im Nachhinein gerichtlich gegen eine Löschung ihrer Inhalte wehren. Dass sich die Nutzer prinzipiell gegen Löschentscheidungen wehren können ist gut, doch eine zeitliche Verschiebung bis zum Gerichtstermin kann dazu führen, dass ein Inhalt dann nicht mehr relevant ist. Gleichzeitig würde das Gesetz zu einer Ausweitung automatischer und gefährlicher Zensurmechanismen führen. Diese können die beanstandeten Inhalte auf der kompletten Plattform aufspüren und löschen, sowie ein erneutes Hochladen verhindern. Diese Filter existierten schon gegen Kinderpornografie und neuerdings gegen nicht näher-definierte „Terrorpropaganda“. Nun werden diese Filter mit dem Gesetzentwurf auf weitere Straftatbestände ausgeweitet. Die Union hält den Gesetzentwurf übrigens nur für „einen ersten, kleinen Schritt in die richtige Richtung“ Beitrag von Markus Reuter vom 14. März 2017 bei Netzpolitik.org externer Link

    • Anm.: Folgende Punkten fehlen uns leider im Beitrag: Sowohl die Kritik von Elisabeth Winkelmeier-Becker (rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion), dass es um die Durchsetzung „unserer Rechtsordnung (…) auch im Internet“ gehen muss, als auch die im Gesetzentwurf genannten unbestimmten Straftatbestände, machen deutlich, dass es hier vor allem um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Recht auf freie Meinung geht. Denn die Verpflichtung die eigene Meinung ggf. gerichtlich erst durchsetzen zu müssen, widerspricht Art. 5 GG. Verfassungsgemäß ist nur ein gerichtliches Geltendmachen von Grenzen der Meinungsfreiheit. Diesen Grundsatz umzukehren, stellt einen gefährlichen Weg in eine andere Republik dar, was hoffentlich auch das Bundesverfassungsgericht erkennt. Hier sind auch die Gewerkschaften gefordert. Denn es muss verhindert werden, dass z.B. Facebook Kritiken an Arbeitgebern und Aktionen, die nicht dem Rechtsstaatsverständnis von Elisabeth Winkelmeier-Becker entsprechen, mit dem Verweis auf das geplante Gesetz (Gefahr von Bußgeld) legal löschen darf. Bestraft werden muss vor allem jeder rechtswidrige Eingriff in die Freiheit der Meinung.
  • «Bauchgefühl ist nicht Wahrheit»
    Lorraine Daston, die Direktorin des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte, hat Standardwerke zur Objektivität verfasst. Die heutige Fakten-Krise sei eine Chance für neue Ideen. (…) Wie begegnen Sie als Bürgerin der USA einer Regierung, die «alternative Fakten» ersinnt? Mit Gelächter. Es ist Zeit, die Waffen der Aufklärung zu fassen, und das waren keine Waffen der Empörung. Philosophen wie Voltaire haben verstanden, dass Empörung ermüdet. Wir brauchen Gelächter, Satire, Spott...“ Interview von David Hesse mit Lorraine Daston im schweizerischen Tagesanzeiger vom 18.02.2017 externer Link
  • Warum Facebook schuld ist an Fake News
    … Wenn Sie also mehrere Posts mit Katzenbildern drin angesehen haben, versucht Facebook, Ihnen möglichst nur noch süße Tierbilder zu zeigen, damit Sie ab sofort stündlich auf der Plattform nachsehen und damit fleißig zielgruppendefinierte Werbeaufrufe generieren. Damit verdient FB-Chef Mark Zuckerberg dann weitere Milliarden. Allerdings gilt dieses Themenvorsortieren auch bei Chemtrails, Holocaustleugnung und Ausländerhass. (…) Ohne diese Eigenschaft des weltgrößten Social Networks [ ] hätten es also auch die aus der Luft gegriffenen, echten Fake News (im Gegensatz zur um sich greifenden Sitte, alles als Fake News zu bezeichnen, was nicht mit der eigenen Meinung korreliert) weit schwerer. Lügen kann man im Internet dann weiterhin, aber die Ausbreitung von Hetzpropaganda wäre stark verlangsamt. Wenn also eine Regierung etwas gegen diese Art der Stimmungsmache unternehmen will, dann wäre ein Verbot der Vorselektierung von Posts (wie im oben beschriebenen Fall) ein wichtiger Schritt hin zu einer Wiederherstellung von Meinungsvielfalt und Vernunft. Andere Social Networks verzichten auf diese Art von Werbeoptimierung und sind daher weit weniger an der Verbreitung von Fake News beteiligt als Facebook (und machen prompt weniger Gewinn). Hier ist also eine einfache, gezielte Änderung möglich.Beitrag von Fritz Effenberger vom 6. Februar 2017 bei telepolis externer Link. Siehe dazu auch unsere Rubrik: Facebook: „Freunde“ in und als Gefahr
  • Ein Zensurmonster und ein dagegen harmloser George Orwell
    „… Anfangs zeigten sich über den politischen Aktionismus gegen „Fake News“ vor allem Nutzer Sozialer Medien besorgt – nun sprechen sich auch Vertreter von Verbänden und etablierten Medien dagegen aus. Besonders viel Aufmerksamkeit erregt Mathias Döpfner, der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE. Er verlautbarte in einem Interview, er habe „den Eindruck, dass gerade ein paar Grundprinzipien freiheitlicher Gesellschaftsordnung […] im Namen der guten Absichten […] mit Füßen getreten werden“ – und im Vergleich mit Justizminister Heiko Maas‘ Bestrebungen zur Einrichtung staatlicher Wahrheitsstellen seien die dystopischen Entwürfe des Schriftstellers George Orwell „harmlos“. Dass die Glaubwürdigkeit etablierter Medien abgenommen hat, liegt Döpfners Worten nach nicht an Facebook, sondern daran, dass sie „mittlerweile von vielen als Teil einer großen Eliten-Kungelei wahrgenommen“ werden: „Vielleicht“, so der Springer-Chef in seinem Erklärungsversuch dazu, „transportieren wir zu oft Wünsche, wie etwas sein müsste und zu selten Fakten, Tatsachen, schonungslose Beobachtungen“. (…) Ob es den Regierungsparteien gelingt, Vorschriften gegen Fake News vorzulegen, die einer gerichtlichen Überprüfung standhalten, ist ohnehin offen: Sven Rebehn, der Geschäftsführer des Deutsche Richterbunds, ist unter anderem deshalb skeptisch, weil der angekündigte „ganz großen Wurf […] ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl“ angekündigt wird – und zwar ohne „klare Definition, was unter Fake News zu verstehen sei“. Möglicherweise eignet sich der Begriff deshalb weniger für ein Gesetz, als für eine wohlfeile Erklärung, woran es angeblich lag, dass man Wähler verloren hat.“ Beitrag von Peter Mühlbauer vom 2. Februar 2017 bei Telepolis externer Link
  • Faking News: Eine Richtigstellung
    „Schade eigentlich, dass um die Jahrtausendwende noch keiner daran dachte, Fake-News zu verbieten. Vielleicht hätte uns das Hartz IV und die Riesterrente erspart. Müsste man solche Folgen, Fake-Produkte also, nicht eigentlich auch auf den Prüfstand stellen? (…) Die Union möchte ja jetzt Facebook verpflichten, Fake-Meldungen mit einer Richtigstellung oder Gegendarstellung auszustatten. Das ist gar nicht so einfach. Man muss zunächst alles prüfen und dann muss man ja auch die Wahrheit kennen. Und an diesem Punkt sind wir schon bei einer alten philosophischen Frage, die heute immer noch aktuell ist: Was ist Wahrheit? Und heute fast noch wichtiger: Wer bringt sie wie in die Welt? Wer brachte zum Beispiel die Wahrheit in die Welt, dass nur eine kapitalgedeckte Finanzierung der Rente die letzte Ausflucht aus der Altersarmut sein könnte? Diese Botschaft war schon ein Fake, als sie hier den politischen Diskurs erreicht hatte. Man sprach hier noch vom Riestern und von der Schaffung von Betriebsrenten im großen Stil, da war Enron schon zu einem Begriff geworden. Mit ein wenig Phantasie konnte man sich da schon ausmalen, dass ein Rentenmodell, dass sich den Höhen und Tiefen des Marktes aussetzt, nicht unbedingt ein Aushängeschild für Stabilität sein dürfte. Aber die Medien rührten munter weiter die Trommel und in jeder Talkshow hockte ein als Experte ausgewiesener Partikularinteressierter, der die Notwendigkeit des Umdenkens einforderte. Das war alles ein riesiger Fake…“ Beitrag von Roberto J. De Lapuente vom 1. Februar 2017 bei den neulandrebellen externer Link
  • Regulierungsdauerfeuer gegen Fake News und Social Bots ohne empirische Grundlage
    Als würden Falschmeldungen und Meinungsroboter die Demokratie im Wahljahr 2017 umstürzen, überschlägt sich die Bundespolitik mit immer neuen Vorschlägen. Dabei könnte die Regulierung selbst mehr Schaden an Grundrechten anrichten als die Phänomene, die bekämpft werden sollen…“  Ein Kommentar von Markus Reuter am 24. Januar 2017 bei Netzpolitik.org externer Link
  • Die Wächter der Meinungsfreiheit
    Die Vermengung verschiedenster Themen zum Schlagwort „Fake-News“ führt nicht nur dazu, dass es einfacher wird, Menschen dazu zu bringen, ein Vorgehen gegen diese „Fake-News“ gutzuheißen – sie bringt auch die Möglichkeit mit sich, schleichend private Wächter der Meinungsfreiheit zu etablieren. Dabei ist es wichtig, im Blick zu behalten, wer diese Wächter sind…Beitrag von Alexander und Bettina Hammer vom 22. Januar 2017 bei telepolis externer Link
  • Warum ich den Begriff „Fakenews“ nicht mehr nutzen werde
    Es wird kaum noch möglich sein, den Begriff „Fakenews“ zu stoppen. Er beherrscht seit Wochen die Diskussion, jeder weiß, was damit gemeint ist, er klingt definitiv besser als die „problematischen Inhalte“, über die ich vor einem Jahr schrieb. Trotzdem: Ich werde versuchen, den Begriff „Fakenews“ in Zukunft zu vermeiden. Denn er wird zum Problem. Das liegt nicht nur daran, dass unter „Fakenews“ alles und nichts fällt. Die Dimensionen von „Fakenews“ könnten sein: Propaganda, Lügen, Clickbait, Hoaxes, Spam, Irrtümer, Satire, Tatsachenverdrehungen, fehlender Kontext, Gerüchte, unklare Formulierungen, Halbwahrheiten, falsche Zusammenhänge, Recherchefehler. Natürlich geht es zurzeit vor allem um Propaganda mit Erfundenem. (…) Doch gerade weil „Fakenews“ alles und nichts sind, lässt sich der Begriff wunderbar nutzen, um damit nicht mehr nur Falschmeldungen, Propaganda und Lügen zu brandmarken. Genutzt wird er auch für Inhalte, die nicht ins eigene Weltbild passen…Beitrag von Dennis Horn vom 17.01.2017 beim WDR-Blog externer Link
  • Neuer ETSI-Standard sieht Social-Media-Schnittstelle zum Datenabgriff durch Behörden vor
    Elektronische Durchsuchung soll von Staatsanwaltschaften aus 50 Ländern angeordnet werden können: In einer seiner letzten öffentlichen Äußerungen als EU-Parlamentspräsident forderte der SPD-Politiker Martin Schulz harte Strafen für Social-Media-Inhalte, die er als illegitim ansieht. Diese Strafen sollten seiner Ansicht nach auf europäischer Ebene eingeführt werden. Die EU-Kommission arbeitet bereits an technischen Standards, die dafür sorgen sollen, dass Polizei- und Justizbehörden Daten von Nutzern Sozialer Netzwerke möglichst reibungslos abgreifen können, wenn man sie beschuldigt, Fake News oder Hate Speech zu verbreiten…Beitrag von Peter Mühlbauer bei telepolis vom 5. Januar 2017 externer Link. Aus dem Text:

    • … Dazu hat das European Telecom Standards Institute (ETSI) eine Spezifikation für einen „eWarrant“, einen „elektronischen Durchsuchungsbeschluss“ so geändert, dass Betreiber Sozialer Medien Behörden eine Extra-Schnittstelle freihalten müssen, über die diese dann nicht nur Verkehrsdaten, sondern auch Chatprotokolle bequem über spezielle Server abgreifen können. Der Datenschutzexperte Erich Möchel geht davon aus, dass damit die „Begehrlichkeiten“ zunehmen werden, weil mit den neuen ETSI-Schnittstellen sowohl befugten als auch unbefugten Interessenten „weitaus mehr und höherwertige Daten“ winken als vorher. (…) Der von den Nutzerzahlen her wichtigste Social-Media-Dienstleister ist Facebook. Für ihn arbeitet die EU-Kommission spezielle Überwachungsregeln aus, die sie innerhalb der nächsten sechs Monate vorstellen will. Darüber hinaus beschäftigt sich das EU-Parlament mit einer „Digitalen Charta“, die ein (so Markus Kompa) „von der Zeit-Stiftung inthronisierter Tugendrat deutscher Intellektueller ungebeten propagierte“. Obwohl der auffällig rein deutsche, aber für ein europaweites Gelten gedachte Entwurf von Juristen unisono als grob grundrechtswidriges Zensurgesetz zerrissen wurde, nahm ihn der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres als „Diskussionsgrundlage“ an – was wahrscheinlich auch daran lag, dass Martin Schulz zu den Verfassern gehört…
  • Interview mit Hoaxmap.org über Falschmeldungen: Medienkompetenz statt gesetzliche Maßnahmen
    „Seit der US-Wahl tobt eine Debatte über die politischen Folgen von Falschmeldungen. Dagegen aktiv ist bereits seit dem Frühjahr die Online-Plattform Hoaxmap.org. Auf einer Karte sammelt sie widerlegte Gerüchte über Geflüchtete. (…) Auch Innenminister Thomas de Maizière hat in mindestens zwei Fällen falsche Zahlen verbreitet. Einmal hat er gesagt, dass 30 Prozent derjenigen Asylbewerber*innen, die angeben, aus Syrien zu kommen, in Wirklichkeit gar keine Syrer seien. Weder er noch sein Ministerium konnten das jedoch belegen. Beim zweiten Mal ging es um Atteste, die angeblich von Ärzt*innen zu leichtfertig ausgestellt werden würden um Abschiebungen von ausreisepflichtigen Asylbewerber*innen zu verhindern. Auch da hat er mit erfunden Zahlen operiert…“ Simon Rebiger im Gespräch mit Karolin Schwarz und Lutz Helm von Hoaxmap.org vom 27. Dezember 2016 bei Netzpolitik externer Link
  • 33C3: Netzzensur durch die Hintertür?
    Mit der Zensursula-Kampagne konnten deutsche Netzaktivisten vor sechs Jahren den Aufbau einer  Zensur-Infrastruktur für das Internet verhindern. Doch wegen der zunehmenden Bedeutung sozialer Plattformen und dem Kampf gegen Fake-News und Terror könnte nun eine solche Infrastruktur durch die Hintertür entstehen, warnte der Gründer des Blogs Netzpolitik.org, Markus Beckedahl, auf dem Chaos Communication Congress in Hamburg. „Wir müssen damit leben, dass sich mittlerweile ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland täglich über Facebook informiert“, sagte Beckedahl. Dies habe ernste Folgen für den öffentlichen Diskurs. Während das Internet mit einem Marktplatz vergleichbar sei, auf dem zum Beispiel Demonstrationen durchgeführt werden könnten, erinnere Facebook mehr an ein Einkaufszentrum, bei dem die Regeln des Betreibers gelten. Diese Entwicklung werde auch immer mehr von Regierungen genutzt…“ Artikel von Torsten Kleinz vom 31.12.2016 bei heise online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=109274
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