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Die nächste Sozialisierung von privaten Verlusten? Bankenrettung in Italien

Grafik zum Brexit von Joachim Römer - wir danken! „In Italien hofft die Regierung nach der britischen Absage an die EU auf mehr Einfluss in deren Institutionen, während EU-kritische Parteien Stimmen gewinnen. Zu schaffen macht dem Land derzeit vor allem die Bankenkrise. (…) Bereits im Januar hatte die Ratingagentur Standard & Poor’s gemeldet, mehr als 20 Prozent der von italienischen Bankhäusern ausgegebenen Kredite seien faul. Der Gesamtwert der offiziell als »notleidend« bezeichneten Kredite, die nicht mehr oder nur sehr schleppend zurückgezahlt werden können, wird mittlerweile auf über 360 Milliarden Euro geschätzt. Die Geldhäuser müssen die Kredite abschreiben oder mit hohen Verlusten verkaufen, was selbst namhafte Großbanken wie die Monte dei Paschi di Siena in Schwierigkeiten bringt. Um größere Bankenpleiten abzuwehren, möchte Renzis Regierung betroffene Kreditinstitute mit staatlichen Finanzhilfen stabilisieren. Hierfür müssten allerdings europäische Richtlinien, die erst vor zwei Jahren als erste Schritte zu einer Europäischen Bankenunion vereinbart wurden, gebrochen oder großzügig ausgelegt werden. Nach dem sogenannten Bail-in-Prinzip dürfen nämlich nur dann Steuergelder zur Bankenrettung verwendet werden, wenn auch die Eigentümer und Gläubiger der Banken ihren Anteil zum Hilfsprogramm beitragen. Das möchte Renzi jedoch unbedingt vermeiden, denn zu den Gläubigern zählen in Italien auch viele Kleinanleger, die sich beklagen, betrogen oder nicht ausreichend über die Risiken der ihnen angebotenen Anleihen und Aktien aufgeklärt worden zu sein…“ Beitrag von Catrin Dingler bei Jungle World Nr. 28 vom 14. Juli 2016 externer Link. Siehe dazu:

  • Faule Kredite: Rettungsplan für italienische Bank Monte dei Paschi steht
    Der ältesten Bank der Welt Monte Paschi di Siena drohte die Abwicklung. Doch jetzt genehmigte die EZB ein Konzept, das die Auslagerung fauler Kredite in Milliardenhöhe vorsieht. (…) Wenige Stunden vor Bekanntgabe der Ergebnisse eines europaweiten Banken-Stresstests gab die Europäische Zentralbank (EZB) grünes Licht für den Plan, mit dem sich die älteste Bank der Welt bis zum Jahresende ihrer faulen Kredite entledigen will. Die angeschlagene Krisenbank will weit über die Hälfte ihrer faulen Kredite abgeben. Insgesamt 27,7 Milliarden Euro dieser Kredite sollen zu einem Preis von 33 Prozent ihres Buchwerts verkauft werden, erklärte Vorstandschef Fabrizio Viola. Ende Juni hatte das Institut insgesamt gut 45 Milliarden Euro faule Kredite in ihren Büchern stehen. Damit würde die Bank auf einen Schlag mehr als die Hälfte davon loswerden und etwa 9,2 Milliarden Euro einnehmen. Unter anderem soll dabei der italienische Bankenrettungsfonds Atlante helfen. Auch eine dringend benötigte Kapitalerhöhung über bis zu fünf Milliarden Euro ist unter Dach und Fach, wie die Nachrichtenagenturen Reuters und dpa übereinstimmend melden. Ein Konsortium von italienischen und ausländischen Banken sichert die Aktienemission ab…“ Bericht vom 29. Juli 2016 bei Spiegel online externer Link

  • Zu den Hintergründen dieser Mauschelei mit faulen Krediten siehe: Bankenrettung in Italien: «Atlante» soll Banklasten schultern
    „… Nach stundenlangen Verhandlungen im Finanzministerium in Rom haben am späten Montagabend Vertreter von Banken, Versicherungen und Investmentfonds der Einrichtung eines Bankenrettungsfonds zugestimmt. Der Fonds mit dem Namen «Atlante» soll in einer ersten Phase kriselnden Banken bei der Kapitalbeschaffung helfen. Danach soll er diese auch dabei unterstützen, Problemkredite loszuwerden. Italiens Finanzinstitute sitzen auf notleidenden Krediten in Höhe von 360 Mrd. €. Das entspricht einem Fünftel der Wirtschaftsleistung des Landes. (…) Der Fonds wird von Quaestio Capital Management geführt und mit 5 Mrd. € bis 6 Mrd. € ausgestattet. Banken sollen laut Verhandlungsteilnehmern 3 Mrd. € beisteuern. Jeweils 1 Mrd. € sollen die grössten Institute – Unicredit und Intesa Sanpaolo – aufbringen. Versicherer (unter ihnen Generali, Unipol und Cattolica) sollen zu Einlagen von 1 Mrd. € bereit sein, Investmentfonds zu weiteren 500 Mio. €. (…) Die staatliche Cassa Depositi e Prestiti soll maximal 600 Mio. € beisteuern. (…) Der erste Lackmustest für «Atlante» wird die von der Regulierungsbehörde geforderte Kapitalerhöhung durch die Bank Popolare di Vicenza (…) sein (1,5 Mrd. €). Im Juni folgen jene der Institute Veneto Banca und Banca Popolare (je 1 Mrd. €). Neben der Rettung kleinerer Genossenschafts- und Regionalbanken ist das Ziel des Fonds, dem grossen Problemkind Monte dei Paschi di Siena dabei zu helfen, seine faulen Kredite endlich loszuwerden. Denn ein Kollaps der drittgrössten Bank Italiens hätte stark destabilisierende Wirkung.“ Bericht von Andrea Spalinger vom 13. April 2016 bei der Neuen Züricher Zeitung online externer Link. Anm.: Und wer wird am Ende wieder einmal die Zeche für das Weitereichen fauler Kredite zahlen? Bitte raten…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=101359
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