Newsletter am Donnerstag, 24. Juli 2014

Kurzer Überblick über die heutigen LabourNet Germany News:

1. Internationales » Frankreich » Politik

François Hollande auf neokolonialer Afrika-Tournee

Als Geschenk für den hohen Gast gab es – eine Reihe von Festnahmen. Am Freitag, den 18. Juli d.J. hielt sich Frankreichs Präsident François Hollande für einen 24stündigen Staatsbesuch in dem mittelafrikanischen Staat Niger auf, der zweiten Station seiner drei Tage dauernden Reise auf dem afrikanischen Kontinent. Am Vortag (Donnerstag, den 17.07.14) wurden prominente Kritiker der neokolonialen Politik Frankreichs in der Region präventiv festgenommen…“ Artikel von Bernard Schmid vom 24.7.2014

2. Internationales » Frankreich » Politik » Rechte in Frankreich

Ab nach Kassel, nein: Ab nach Cayenne. Wegen rassistischer Sprüche: Front National-Kandidatin zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verknackt

Bis vor einigen Jahrzehnten hätte sie ihre Reise nach Cayenne noch mit einer Eisenkugel am Fuß angetreten. Denn der Name der Hauptstadt von Französisch-Guyana war synonym für Verbannung und Zuchthaus: Bis im Jahr 1947 war die Cayenne vorgelagerte „Teufelsinsel“ eine berüchtigte Strafanstalt. Allerdings war Rassismus in jener Zeit kaum strafbar. Einer der prominentesten Insassen des tropischen Zuchthauses war zeitweilig Alfred Dreyfus, Opfer staatlicher Rechtsbeugung.

Heute ist Rassismus in Frankreich strafbar – seit 1972 gibt es ein eigenes Gesetz dafür, 1990 und 2004 wurde es verschärft sowie um Geschichtsrevisionismus als Tatbestand erweitert. Zuchthaus steht nicht darauf, allerdings sehr wohl Geld- und in schweren Fällen auch Gefängnisstrafen. Letztere werden jedoch nur selten verhängt, in der Regel bleibt es bei Geldbußen. Eine Ausnahme gab es nun in Cayenne für die vormalige Rathauskandidatin des rechtsextremen Front National (FN) im ostfranzösischen Rethel, Anne-Sophie Leclere…“ Artikel von Bernard Schmid vom 24.7.2014

3. Internationales » Griechenland » Krise in Griechenland » Allgemeines zur Krise in Griechenland

a) Zahl oder stirb! Das Gesetz des Dschungels in der griechischen Medizinversorgung

Dass es mit Griechenlands medizinischer Versorgung nicht zum Besten steht, ist mehr oder weniger bekannt. Wie sehr gesundheitlich eingeschränkte Menschen unter den Folgen einer falschen Politik zu leiden haben, wird am Besten mit Praxisbeispielen deutlich. Die missliche Lage der Menschen ist nicht nur auf die Kreditgebertroika zurückzuführen. Vielmehr scheinen einige Menschen vor allem in der Krise die Mitmenschlichkeit sowie ethische Grundsätze vergessen zu haben. Wie immer in Griechenland musste es zu einem Todesfall kommen, damit ein chronisches Problem des Landes wirklich wahrgenommen wird…“ Artikel von Wassilis Aswestopoulos in telepolis vom 19.07.2014 externer Link

b) Success-Story ohne Demokratie. Zur Etablierung des postdemokratischen Maßnahmestaats in Griechenland

In kaum einem Land der EU ist es im Zuge der Weltwirtschaftskrise zu derart starken sozialen und politischen Verwerfungen gekommen wie in Griechenland. Wurde vom vorherrschenden ökonomischen Mainstream zunächst die These vertreten, dass es sich bei der griechischen Staatsschuldenkrise um einen Einzelfall handele, sah man sich bald gezwungen, diese Einzelfall- in eine Sonderfallthese umzuwandeln. Ursache der griechischen Misere sei demnach eine Mischung aus südeuropäischem Schlendrian und balkanischer Vetternwirtschaft, eine spezifische historische Rückständigkeit des Landes. Diese vorherrschende Deutung steht jedoch insofern auf wackeligen Füßen, als der Anstieg der staatlichen Neuverschuldung infolge der Bankenrettungs-Programme keinesfalls eine griechische Besonderheit war, wie überhaupt das Epizentrum der Weltwirtschaftskrise in den USA und nicht in Griechenland lag. Spitzenreiter beim Anstieg der Neuverschuldung war auch nicht Griechenland, dessen Bankensektor vergleichsweise „unterentwickelt“ ist, sondern Irland, das als „Keltischer Tiger“ lange Zeit als neoliberaler Musterschüler galt und sich auch bei der Umsetzung der Krisenpolitik der EU des Beifalls des neoliberalen Mainstreams sicher sein konnte. Das Besondere an Griechenland war und ist, dass die sozialen und politischen Eliten aus eigenem Antrieb zur Umsetzung des Austeritätsprogramms auf die Hilfe der EU und des IWF zurückgriffen. Historisch ist dieses Vorgehen keinesfalls einzigartig, die griechischen Eliten haben sich bei schwerwiegenden innenpolitischen Krisen stets der Unterstützung ausländischer Mächte rückversichert…“ Artikel von Gregor Kritidis in sopos 7/2014 externer Link

4. Politik » Arbeitsalltag und Arbeitsbedingungen » Entlohnung » Mindestlohn » Mindestlohn in Deutschland

a) Mindestlohn: Was bin ich – und wenn ja wie viele. Eine sozio-politische Zeitreise durch die deutsche Mindestlohn-Geschichte von Laurent Joachim

Nach ganzen zehn Jahren des fruchtlosen politischen Schlagabtauschs wurde auf die Not der Bürger doch reagiert. Es ist soweit, ein ideologischer Damm ist eingerissen worden: der allgemeine, bundesweite, branchenübergreifende, gesetzliche Mindestlohn kommt.
Dennoch, viele „Vollzeitler“ werden nach der Einführung des Mindestlohns in den nächsten Jahren weiterhin nicht von ihrer Arbeit leben können. Die, die es schaffen, kommen über das Hartz-IV-(Armuts-)Niveau, kaum hinaus. Wegen den unverhältnismäßig hohen Mieten in den Großstädten ist der Gang zum Amt trotz Vollzeitstelle und Mindestlohn heute schon vorprogrammiert. Eine zukunftsweisende Lösung für die immer größer werdende Schar von sogenannten atypisch Beschäftigten wurde indes noch nicht gefunden. Für viele dieser Menschen wird der Gang zum Amt trotz Mindestlohn auch nicht erspart bleiben. Pechvögel im falschen Beruf und Millionen Langzeitarbeitslosen werden vorerst „Ausnahmen“ über sich ergehen lassen müssen – konkret: sie werden erst einmal ausgeschlossen.

Es bleibt deswegen offen, ob das jetzige Mindestlohngesetz als Armutsbekämpfungsinstrument die in ihm gesetzten Hoffnungen zukünftig erfüllen kann und es fragt sich tatsächlich, ob das angestrebte Wohlfahrtstaatsprinzip wirklich so nachhaltig gestärkt wurde, dass eine spürbare Lebensqualitätsverbesserung für die Betroffen eintrifft.

Diese vierteilige Reihe erläutert im sozialhistorischen Rückblick seit Verkündung der Hartz-Reformen, warum der Entscheidungskampf um die Ressourcenverteilung zwischen Staat, Bürgern und Unternehmen nicht nur mit der Sorge um das soziale Wohlergehen der Arbeitnehmer(-innen) zu tun hat, sondern auch mit reiner Interessenpolitik, vor allem mit dem heftigen Widerstand der Wirtschaftsverbände gegen die Abschmelzung staatlicher Zuschüsse, wovon die Privatunternehmen – durch die Vergemeinschaftlichung der Arbeits- und Produktionskosten – in erheblichem Masse profitieren.“ Wir eröffnen die vierteilige Reihe von Laurent Joachim mit dem Teil 1 von 4:

Verklärt, erklärt, aufgeklärt

Um Ausbeutung und Hungerlöhne zu vermeiden wurde der erste nationale Mindestlohn schon 1938 in den USA eingeführt und seitdem hat das Konzept einen wahren Siegeszug erfahren: in 90% der 183 Länder der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) gibt es heute Mindestlöhne. Ein klarer Fall, 90% der Länder auf Welt können sich nicht geirrt haben – möchte man meinen, oder gibt es doch (belastbare) Argumente gegen den Mindestlohn?...“ Beitrag von Laurent Joachim pdf – Fortsetzung folgt!

b) Arbeitgeber-Tricks gegen Lohnuntergrenze: Von wegen Mindestlohn

Längere Arbeitszeiten, unbezahlte Überstunden, mehr Scheinselbständige: Gewerkschaften fürchten, dass Arbeitgeber die neue Lohnuntergrenze einfach umgehen werden. Vor allem in kleinen Betrieben wird die Kontrolle schwierig…“ Artikel von Thomas Öchsner in der Süddeutschen online vom 22. Juli 2014 externer Link

c) Geringverdiener müssen an den Stadtrand

Vom Mindestlohn soll man leben können. Egal wo. Unsere interaktiven Karten deutscher Großstädte zeigen: Geringverdiener müssen an den Rand ausweichen – wenn sie überhaupt eine bezahlbare Wohnung finden…“ Artikel von Nicolai Kwasniewski und Christina Elmer im Spiegel online vom 23.07.2014 externer Link Aus dem Text:
„… 1428 Euro brutto verdient jemand, der 40 Stunden pro Woche arbeitet und nach dem Mindestlohn bezahlt wird; netto bleiben einem Single davon knapp 1060 Euro. Eine Kaltmiete gilt einer gängigen Faustregel dann als tragbar, wenn sie nicht mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens beträgt – also weniger als 320 Euro für den Single mit Mindestlohn. Hinzu kommen dann noch die Ausgaben für Heizung und Nebenkosten. Wie viele Wohnungen gibt es in München für diesen Preis, wie viele in Berlin? In welchen Vierteln kann man leben, wenn man ausschließlich ein Mindestlohn-Gehalt bezieht? Um das herauszufinden, hat SPIEGEL ONLINE die Wohnungsangebote auf dem Internetportal Immobilienscout24 für die Städte Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln und München auswerten lassen…“

5. Politik » Wirtschaftspolitik » Finanzmärkte und Finanzpolitik » Bankwesen und Banksterben

a) Spanien rettet Bank

Moderne Unternehmenssanierung: Vor der Pleite mit Steuergeld gerettet, aufgepäppelt und jetzt ­privatisiert. Zwölf Milliarden Euro Kosten zu Lasten der Allgemeinheit
Spaniens Staat hat sich einmal mehr als wahrer Heger notleidender Unternehmen erwiesen. Speziell die Finanzbranche hat es den jeweils Verantwortlichen in Madrid angetan. Und die Regierung kann stolz auf Erfolge verweisen: In der Nacht zum Dienstag meldete der Bankenrettungsfonds FROB die erfolgreiche Reprivatisierung des einstigen Sorgenkindes Catalunya Banc. Das nun sanierte und wieder marktfein aufgeputzte Geldinstitut wird vom Finanzriesen BBVA (Banco Bilbao Vizcaya Argentaria) übernommen, dem nach Santander zweitgrößten spanischen Finanzkonzern
…“ Artikel von Dieter Schubert in junge Welt vom 23.07.2014 externer Link

b) Angst vor Bankenkrise wächst. Die Muttergesellschaft der portugiesischen Banco Espírito Santo ist pleite

Nach der Pleite der Muttergesellschaft Espírito Santo International (ESI) werden auch die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Großbank Banco Espírito Santo (BES) stärker. Inzwischen hat die ESI am Wochenende in Luxemburg (wo sie ihren Sitz hat) wie erwartet Gläubigerschutz beantragt, weil sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen könne. „Ein solches Verfahren ermöglicht es, die Interessen der Gläubiger in transparenter und geordneter Weise unter der Aufsicht der Gerichte zu verteidigen“, begründete die Gruppe ihren Antrag…“ Artikel von Ralf Streck in telepolis vom 21.07.2014 externer Link

6. Politik » Wirtschaftspolitik » wirtschaftspolitische Debatten » Kapitalismuskritik » Dossier: “Kapital im 21. Jahrhundert” von Thomas Piketty

Zur Kritik des Buchs „Kapital im 21. Jahrhundert“ – Prof.Thomas Piketty durch Peter Berres (attac)

Video des Interviewc mit MrMarxismo bei youtube externer Link

7. Politik » Erwerbslosigkeit » Hartz IV » ALG II und Wohnen

Wohnungen, die es nicht gibt. Willkürlich niedrige Mietobergrenzen bei Hartz IV: Verein Tacheles wehrt sich

Gerade einmal 138,83 Euro bekommen alleinstehende Hartz-IV-Bezieher fürs Essen, 32,68 Euro für Strom und Instandhaltung, 24,62 Euro für Nahverkehr: Der monatliche Regelsatz von 391 Euro ist eng bemessen. Doch viele der bundesweit rund 3,33 Millionen von Hartz IV oder Grundsicherung betroffenen Haushalte müssen daraus zusätzlich einen Teil für die Miete abzwacken. Denn während Wohnkosten steigen, sind anerkannte Mietobergrenzen über Jahre gleichgeblieben. Ob in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) oder Magdeburg (Sachsen-Anhalt): Hartz-IV-Bezieher sollen Bleiben suchen, die es nicht gibt – oder sparen und zuzahlen…“ Artikel von Susan Bonath in junge Welt vom 23.07.2014 externer Link

Siehe dazu:

  • Stadt Wuppertal spart bei der Miete – Tacheles fordert, SGB II/SGB XII-Unterkunftskosten endlich an die Rechtsprechung anzupassen!
    Das Sozialgericht Düsseldorf hat das Jobcenter Wuppertal bereits in mehreren Urteilen dazu verurteilt, höheren Mietkosten zu übernehmen. Das Gericht wirft dem Jobcenter vor, dass die Kosten für Unterkunft nicht entsprechend den Vorgaben des Bundessozialgerichts nach einem »schlüssigen Konzept« ermittelt werden. Die aktuelle Rechtsprechung wird vom Jobcenter und der Stadt Wuppertal seit geraumer Zeit schlichtweg ignoriert. Tacheles e.V. fordert die Stadt nun auf, dieser rechtswidrigen Praxis ein Ende zu setzen und die Richtlinien des Jobcenters und des Sozialamts zu den Unterkunftskosten unverzüglich anzupassen. Betroffenen rät der Verein, sich gegen zu niedrige Mietzahlungen zu wehren…“ Tacheles-Meldung vom 20.07.2014 mit allen Infos und Hintergründen externer Link

8. Politik » Erwerbslosigkeit » Erwerbslosigkeit als Alltag

»Überwiegend handelt es sich um Suizide«. Michael Fielsch über sein Engagement für die Opfer der sogenannten Agenda 2010

Michael Fielsch betreibt die Webseite »In Gedenken an die Opfer der Agenda 2010« und ist Initiator von Gedenkaktionen vor Jobcentern sowie auf belebten Plätzen, für Menschen, die an den Folgen der Agenda-2010-Politik gestorben sind. Interview von und bei Peter Nowak aus junge Welt vom 23.07.2014 externer Link Aus dem Text:
„… Überwiegend handelt es sich um Suizide. Aber wir erinnern auch an Menschen, die bei Hausbränden ums Leben kamen, die von Kerzen verursacht wurden, nachdem in ihren Haushalten Strom und Gas abgestellt worden war. Auch der Berliner Rentnerin Rosemarie Fließ gedenken wir, die zwei Tage nach ihrer Zwangsräumung starb oder der von einem Kunden erstochenen Jobcenter-Sachbearbeiterin. Wir erinnern auch an die Mutter, die mit ihrem Sohn in der Wohnung verhungerte, nachdem das Jobcenter die Zahlungen völlig eingestellt hatte…“

Siehe auch die Homepage »In Gedenken an die Opfer der Agenda 2010« externer Link

Lieber Gruss, Mag

 


NEU BEI LABOURNET.TV


Polizei gegen Fabrikarbeiter_innen in Serbien eingesetzt

Am 2. Juli 2014 kam es zu Zusammenstößen zwischen etwa 300 Arbeiter_innen der kürzlich  privatisierten Hähnchenfabrik “Agroživ” in Žitište, Serbien, mit Spezialeinheiten der Polizei. Die Polizei kam als Begleitung des Konkursverwalters und des neuen Eigentümers, die in der Fabrik Inventur machen wollten. Die Arbeiter_innen streiken seit dem 19. Mai 2014, weil ihre Löhne seit Beginn des Jahres 2014 nicht gezahlt werden. Seit dem 2. Juli haben sie auch ihre Krankenversicherung verloren. Trotz dieser Einschüchterung haben die Arbeiter_innen von Agroživ beschlossen, weiter vor der Fabrik zu streiken. Video (serbokroatisch mit dt. UT | 4 min | 2014) externer Link


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LabourNet Germany: https://www.labournet.de/ Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch The meeting point for all left-wing trade unionists, both waged and unwaged Le point de rencontre de tous les militants syndicaux progressistes, qu`ils aient ou non un emploi

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