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Erneute Massenproteste auf Haiti: Die Polizei eröffnet das Feuer, an der Grenze marschieren Soldaten des Nachbarlandes auf – die Proteste gehen weiter

Haiti: 10 Jahre MINUSTAH – es ist genug!Was an diesem Sonntag, 18. November 2018 auf Haiti passierte, war die Erklärung des Bürgerkrieges: Der Regierung gegen breiteste Teile der Bevölkerung. 17 Todesopfer, 58 Verletzte, über 80 Festnahmen ist der gegenwärtige „Stand der Zählung“ – und am Abend des Tages gab die politisch herrschende Kamarilla bekannt, man habe sich darauf geeinigt, den Dialog mit der Bevölkerung zu suchen. Deren aktive Teile zogen es vor, am Montag einen zivilgesellschaftlichen Streik („tote Stadt“) zu organisieren, wofür auch die Gewerkschaften zum Streik aufriefen. Die Regierung des Nachbarstaates Santo Domingo ließ an der Grenze sicherheitshalber schon mal die Armee aufmarschieren – sowohl wegen etwaiger Fluchtbewegungen, als auch für den „Fall der Fälle“, besonders stabil sieht das Regime, das nach dem Erdbeben von 2010 installiert wurde (federführend von einer gewissen Frau Clinton, als ehemalige Außenministerin auf Haiti so bliebt, wie in Honduras) nun seit längerem nicht mehr aus. Haiti hat nur Freunde auf der Welt – von der Sorte, dass keine Feinde mehr gebraucht werden. Beide Präsidenten, die nach dem Erdbeben ins Amt gewählt wurden, hatten die Entwicklung der Wirtschaft als zentralen Bestandteil ihres jeweiligen Wahlprogramms, einen Vier-Punkte-Plan, von dem zwei faktisch umgesetzt wurden: Sonderwirtschaftszonen (vor allem für den Textilexport) und Tourismus, jeweils betrieben auf der Basis von Hungerlöhnen – kein Wunder, dass die Gewerkschaften des Landes zu jenen Organisationen gehören, die am intensivsten zu den aktuellen Protesten mobilisieren: Die „verschwundenen“ Gelder von Petrocaribe – Haupt-, aber keineswegs einziger Grund der aktuellen Massenproteste – waren schließlich Bestandteil des einzigen Programms, das dazu beitragen sollte, das Leben der Bevölkerung zu verbessern, durch Senkung der Energiepreise. Siehe in unserer Materialsammlung zum blutigen Sonntag auf Haiti einige aktuelle Beiträge, auch zur Rolle von Gewerkschaften und sozialen Organisationen bei diesen Protesten und den Hinweis auf unseren Beitrag zu der letzten Protestwelle vor einem Monat – sowie Aktualisierungen vom Dienstagabend (Ortszeit) zu der Reaktion auf den Polizeiterror, die „Tage der toten Stadt“:

„Estimates now are 17 dead, 58 wounded and more than 80 arrested“ am 19. November 2018 beim Twitter-Kanal vom Haiti Info Project externer Link ist ein Tweet am Montagabend mit dem aktuellen Stand der Opferzahlen des polizeilichen Bürgerkriegs vom Vortag. Darin wird auch darauf verwiesen, dass dies der tödlichste Tag war, seit dem Putsch von 2004, mit dem die damalige Regierung Aristide gestürzt wurde.

„Despite attacks by police, anti-govt protests continue to swell“ am 18. November 2018 ebenfalls beim Haiti Info Project externer Link war am Sonntag die Meldung (mit Video), dass trotz der bereits vor sich gehenden Angriffe der Polizei auf die Demonstrationen, die Zahl der Beteiligten den ganzen Tag über wuchs.

„Proteste gegen Korruption in Haiti gehen weiter“ von Marcel Kunzmann am 20. November 2018 bei amerika21.de externer Link berichtet unter anderem zu den Gründen für die Proteste: „Auslöser der Proteste war die offensichtliche Zweckentfremdung von Mitteln des Petrocaribe-Programms, das vom damaligen Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez, 2005 ins Leben gerufen wurde, um Länder in der Karibik mit verbilligten Erdöllieferungen zu unterstützen. Laut Untersuchungsberichten des haitianischen Senats aus den Jahren 2016 und 2017 haben 14 hochrangige Regierungsbeamte des ehemaligen Präsidenten Michel Martelly bis zu 3,8 Milliarden US-Dollar veruntreut. Bisher wurde jedoch noch keine Anklage erhoben. Dabei richtete sich der Protest nicht nur gegen die Unterschlagung, sondern auch gegen den seit längerem schwer in der Kritik stehenden amtierenden Präsidenten und dessen Regierung. Moise wurde mehrfach zum Rücktritt aufgefordert. Auch für einen verbesserten Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie eine Anpassung der Löhne an die immer weiter steigenden Preise von Grundnahrungsmitteln wurde demonstriert…“

„Aufruhr in Haiti“ von André Scheer am 20. November 2018 in der jungen welt externer Link zu den Reaktionen auf das Blutbad: „Bei Massenprotesten gegen die Korruption sind am Sonntag in Haiti mindestens sechs Menschen getötet worden. Oppositionelle Gruppen sprachen sogar von elf Todesopfern, nachdem es in mehreren Städten zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei gekommen war. Als Reaktion darauf legte am Montag ein Generalstreik weite Teile des Karibikstaates lahm. Wie der örtliche Sender RTVC berichtete, waren die Straßen der Hauptstadt Port-au-Prince am Morgen leer, der öffentliche Nahverkehr war weitgehend eingestellt, Schulen blieben geschlossen. Sporadisch seien Schüsse zu hören gewesen, vermummte Polizisten patrouillierten durch die Metropole. Am Tag zuvor waren Hunderttausende Menschen in allen Teilen des Landes auf die Straße gegangen. Sie forderten Aufklärung über den Verbleib von mehreren Milliarden US-Dollar, die Haiti zwischen 2008 und 2016 im Rahmen der von Venezuelas damaligem Präsidenten Hugo Chávez gegründeten Initiative Petrocaribe erhalten hat…“

„Crise, les trois pouvoirs de l’État s’accordent sur la nécessité du « dialogue avec tous les secteurs de la vie nationale »“ am 20. November 2018 bei Alterpresse externer Link ist die Meldung über die Einigung der politischen Kreise, über ein Dialogangebot an alle Sektoren des nationalen Lebens (am Tag nach dem Massaker…)

„Ejército refuerza frontera ante posible huelga en Haití“ am 18. November 2018 bei Dary Terreros Instagram-Account externer Link ist eine kurze Meldung über die Mobilisierung der dominkanischen Armee an die Grenze „wegen eines möglichen Streiks in Haiti“.

„Vertières : les ouvriers manifesteront !“ von Isabelle L. Papillon am 14. November 2018 bei Haiti Liberté externer Link war ein Bericht über eine gemeinsame Pressekonferenz der Gewerkschaften Centrale nationale des ouvriers haïtiens (CNOHA), der gewerkschaftlichen Koordination  KOZPAM und der Industriegewerkschaft  Respect des ouvriers haïtiens de la manufacture (ROHAM), bei der die Sprecher der drei Organisationen bekannt gaben, dass sie mit voller Kraft für die Demonstrationen am 18. November mobilisieren würden. Die Regierung der „Petrodiebe“ sei dieselbe, die bis heute den Arbeiterinnen und Arbeitern des Landes einen ausreichenden Mindestlohn verweigerten, die nur für sich und ihre Klasse sorgten.

„Exigimos al gobierno haitiano devolver al pueblo el dinero robado a Petrocaribe“ am 26. Oktober 2018 bei Haiti No Minustah externer Link ist ein Interview der Redaktion der Webseite der Kampagne gegen die UNO-Truppen mit Camille Chalmers von der Plataforma Alternativa por el desarrollo de Haití (PAPDA), einem oppositionellen Netzwerke sozialer Bewegungen im Land. Darin führt Chalmers sehr konkret aus, dass das Projekt Petrocaribe eines der wenigen war, die dem Volk zugute kamen – besser: Hätte kommen sollen. Deswegen würden die Proteste frühestens dann aufhören, wenn die Gelder wieder da seien – und die Regierung möglichst weg.

„Troisième journée consécutive de paralysie des activités en Haïti“ am 20. November 2018 bei Alterpresse externer Link ist eine Tageszusammenfassung vom Dienstag über die fortgesetzten Protestaktionen, die in allen größeren Städten des Landes zur Schließung aller Einrichtungen des öffentlichen Dienstes und zu zahlreichen bestreikten Privatbetrieben geführt hätten. Zahlreiche selbstorganisierte Straßenblockaden runden das Bild des Tages ab. New

„2e journée « ville morte » à Port-au-Prince et ses environs“ am 20. November 2018 beim Vantbefinfo externer Link ist ebenfalls ein Tagesbericht über die Aktion „Tote Stadt“, in dem zusätzlich berichtet wird, dass an verschiedenen Stellen der Hauptstadt Gewehrfeuer zu hören gewesen sei… New

„Haiti govt officials rolling through capital protected by foreign mercenary forces“  am 20. November 2018 beim Haiti Info Project externer Link ist ein kurzes Video über die „Reise“ haitianischer regierungsmitglieder durch die Hauptstadt – unter dem „Schutz“ einer Söldner-Einheit… New

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=140294
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