Der Neoliberalismus ist tot, er lebe hoch – Manche wähnen das Wirtschaftssystem durch die Krise am Ende – wie 2007 schon. Doch für einen Paradigmenwechsel fehlen Ideen, die über einen Green New Deal hinausgehen

Coronavirus, die Hetze und der Ausnahmezustand: China im Shitstorm„… Erleben wir eine weitere, möglicherweise finale Krise der neoliberalen Doktrin? Reiht sich die Covid-19 Pandemie damit in die politischen Dynamiken ein, die wir seit über zehn Jahren beobachten können, vom Ausbruch der internationalen Finanzkrise von 2007/2008 über die Krisenproteste in Europa bis hin zu den jüngsten Protesten in Frankreich, Libanon, Chile? Dafür gibt es tatsächlich Ansatzpunkte. Eine kaputtgesparte Infrastruktur, insbesondere ein durchlöchertes und auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes Gesundheitssystem, tragen für jeden erkennbar zur Verschärfung der Krise bei, ebenso wie Prekarisierung, unsichere Jobs, hohe Mieten und zu geringe Sozialleistungen. Kämpfe für eine öffentliche Daseinsfürsorge könnten in der Corona-Krise profitieren. Die viel beachteten Petitionen etwa für höhere Löhne in der Pflege oder ein bedingungsloses Grundeinkommen (mit 300 bzw. 400 Tausend Unterschriften, Stand 27.03.2020) sprechen dafür. Die spannende Frage ist jedoch, inwieweit sich diese neue sozialpolitische Offensive tatsächlich in eine systemkritische Bewegung verwandeln lässt, die den Neoliberalismus nicht nur partiell in Frage stellt, sondern ihn womöglich hinter sich lässt. (…) Um für den Neoliberalismus wirklich zur Gefahr zu werden, müsste eine neue sozial- und klimapolitische Offensive während und nach der Corona-Krise mit einem linken Hegemonieprojekt verknüpft werden, das programmatisch umrissen und ökonomisch fundiert ist. Es muss aufgezeigt werden, wie der jetzige Staatsinterventionismus weitergedacht und abgewandelt werden kann, um ganze Wirtschaftsbereiche dem Markt zu entziehen und in ein System der demokratischen und digital gestützten Wirtschaftsplanung zu überführen. (…) Der Einwand, dass sich diese Alternative nicht am Reißbrett, sondern nur in konkreten Auseinandersetzungen entwerfen lässt, ist schnell bei der Hand. Doch es ist genau umgekehrt: Die konkreten Kämpfe um Vergesellschaftung, Gemeingüter, radikale Umverteilung und Klimapolitik versanden, weil es keinen entstehenden, vorstellbaren ökonomischen Gesamtzusammenhang gibt, in dem diese Alternativen zu Ende gedacht überhaupt funktionieren können. (…) Neben den naheliegenden sozialpolitischen Forderungen müssen in den kommenden Monaten Ansätze eines neuen wirtschaftspolitischen Paradigmas diskutierbar gemacht werden, das in der Lage wäre, eine ökonomische Alternative zum Neoliberalismus zu bilden. Dieses alternative Paradigma müsste neben massiver sozialer Umverteilung und dem ökologischem Umbau der Wirtschaft auch Elemente der Vergesellschaftung und der demokratischen, digital unterstützen Wirtschaftsplanung beinhalten…“ Beitrag von Samuel Decker vom 1. April 2020 bei ‚der Freitag`online externer Link

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