[Buch] Shutdown. Klima, Corona und der notwendige Ausstieg aus dem Kapitalismus

[Buch] Shutdown. Klima, Corona und der notwendige Ausstieg aus dem Kapitalismus„»Es ist kein Luxus, gerade jetzt die emanzipative Aufhebung der kapitalistischen Reichtumsproduktion anzustreben, sondern der einzige Ausweg aus der Spirale ökologischer Zerstörung, sozialer Exklusion und autoritärer Formierung der Gesellschaft.« Klima- und Coronakrise machen deutlich, dass die kapitalistische Produktions- und Lebensweise zunehmend unhaltbar wird. Der systemische Selbstzweck der endlosen Anhäufung von Kapital (›Wachstumszwang‹) ist mit der Endlichkeit der Welt und der natürlichen Ressourcen grundsätzlich unvereinbar. Auch die Corona-Pandemie verdankt sich der fortschreitenden Zurückdrängung von Naturräumen im Dienste der Kapitalvermehrung. Zudem nimmt die soziale Exklusion immer schlimmere Ausmaße an – obwohl längst die Potenziale vorhanden sind, um allen Menschen auf der Welt ein gutes Leben zu ermöglichen. Daher ist eine grundlegende Neuorientierung angesagt. Eine andere Gesellschaft ist machbar, doch das erfordert einen Bruch mit der kapitalistischen Logik.““ Umschlagtext zum im November 2020 erschienenen Buch beim Unrast-Verlag, herausgegeben von Ernst Lohoff und Norbert Trenkle. Siehe weitere Informationen zum Buch und als Leseproble im LabourNet Germany das Kapitel „Gestohlene Lebenszeit. Warum Kapitalismus zu Verzicht nötigt und wir viel weniger arbeiten könnten“ von Lothar Galow-Bergemann und Ernst Lohoff – wir danken!

  • Die wahren Kosten des kapitalistischen Reichtums: Zum Mythos, der Kapitalismus sei aufgrund seiner unglaublichen Effizienz und Produktivität allen anderen Gesellschaftsformen überlegen New
    „Einer der ewigen Mythen über den Kapitalismus erzählt, er sei aufgrund seiner unglaublichen Effizienz und Produktivität allen anderen Gesellschaftsformen überlegen. Doch dieser Mythos verleugnet nicht nur die ungeheure Gewaltsamkeit, mit der die kapitalistische Produktionsweise historisch durchgesetzt wurde, sondern verdrängt auch, dass ihre angebliche Effizienz vor allem darauf beruht, alle negativen Effekte auf verschiedene Weise zu externalisieren und damit systematisch die wirklichen Kosten für Natur und Gesellschaft auszublenden. Dabei handelt es sich nicht um ein äußerliches Merkmal, das durch irgendwelche technischen oder politischen Maßnahmen behoben werden könnte; vielmehr gehört die Externalisierungslogik zum innersten Wesen der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise. Wenn sie nun zunehmend wahrgenommen und zum Gegenstand der Kritik gemacht wird, dann vor allem deshalb, weil sie mit der globalen Durchsetzung des Kapitalismus an ihre Grenzen stößt. Es gibt kein vermeintliches „Außen“ mehr, auf das die Kosten noch abgewälzt werden könnten. Das Verdrängte kehrt vielmehr mit aller Macht zurück und stellt auch in den Gewinnerregionen des Weltmarkts nicht nur die Grundlagen der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise, sondern mit ihr auch die menschlichen Lebensgrundlagen insgesamt in Frage. (…) Was die kapitalistische Produktionsweise antreibt, ist der endlose Zwang, den abstrakten Reichtum zu vermehren, oder, einfacher ausgedrückt, der Zwang, aus Geld mehr Geld zu machen. In diesem Sinne ist der abstrakte Reichtum eine selbstbezügliche Form des Reichtums, ein Reichtum, dessen Zweck in ihm selbst liegt (Postone 2003, S. 280-286) und der deshalb die gesamte Welt zum äußerlichen Material seiner Selbstzweckbewegung degradiert. (…) Die kapitalistische Reichtumsproduktion beruht also immer schon konstitutiv auf der Externalisierung eines ganzen Spektrums lebensnotwendiger Tätigkeiten, die keine Warenform annehmen, aber gerade deshalb kostenlos angeeignet werden können. (…) Das ist der tiefere Grund, weshalb die natürlichen Ressourcen unter den Bedingungen der kapitalistischen Reichtumsproduktion so rücksichtslos ausgebeutet und verschlissen werden. Da sie nicht der Welt des Werts angehören, sondern als deren „Außen“ gelten, erscheinen sie als kostenlose Zugabe der gesellschaftlichen Reichtumsproduktion, die solange genutzt wird, wie sie eben zur Verfügung steht. Dass damit auf längere Sicht nicht nur die Voraussetzungen der Warenproduktion untergraben werden, sondern auch die menschlichen Lebensgrundlagen als solche, ist im Universum der abstrakten Reichtumsproduktion nicht abbildbar und findet daher auch keine Berücksichtigung.“ Beitrag von Norbert Trenkle vom 27. Mai 2021 bei Telepolis externer Link

    • Bei dem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem Text „Verdrängte Kosten. Die Externalisierungslogik der kapitalistischen Reichtumsproduktion und deren Aufhebung“ aus Ernst Lohoff und Norbert Trenkle (Hrsg.) „Shutdown. Klima, Corona und der notwendige Ausstieg aus dem Kapitalismus“ beim Unrast Verlag 2020
  • Siehe Infos zum Buch (ISBN 978-3-89771-292-8, 200 Seiten, gebunden, 14,00 €) beim Unrast-Verlag externer Link, dort auch Bestellung und:
  • Inhaltsverzeichnis und Einleitung externer Link als Leseprobe beim Verlag

Gestohlene Lebenszeit. Warum Kapitalismus zu Verzicht nötigt und wir viel weniger arbeiten könnten“

Die Welt, die wir kennen, zerfällt im Eiltempo. Seit Jahren stellt sich wie von selbst das Wort Krise ein – gleich ob von Klima, Finanzen, Wirtschaft, Sozialsystemen, Demokratie, Migration oder internationalen Beziehungen die Rede ist. In den kritischen Sozialwissenschaften ist von einem Zeitalter der »multiplen Krisen« die Rede (Brandt/Wissen 2017). Mit der Ausbreitung des Coronavirus hat sich diese allgemeine Krise in einer Geschwindigkeit und einem Ausmaß zugespitzt, wie es sich bis dahin kaum jemand vorstellen konnte. Die Corona- und Klimakrise führen vor Augen, wie ›unsere Wirtschaft‹ vor den existenziellen Herausforderungen der Zeit versagt. Ewiges Wachstum, maximaler Profit und steigende Aktienkurse sind das Lebenselixier der Wirtschaft. Ohne sie fängt sie sofort an zu kriseln. (…) Bereits nach wenigen Tagen eines von Beginn an nur halbherzigen Shutdowns wurden die Stimmen immer lauter, die die Wirtschaft auf Teufel komm raus schleunigst wieder hochfahren wollten. (…) »Besser es sterben Menschen, als die Wirtschaft bricht ein« lautete die mal mehr, mal weniger offen ausgesprochene Botschaft. Denn genau darauf lief es im Prinzip immer wieder hinaus, gleich ob ein zynischer US-Präsident – die Zahl der offiziell registrierten Corona-Toten in seinem Land näherte sich gerade der 100.000er Grenze – für den Fall einer zweiten Pandemiewelle einen weiteren Lockdown kategorisch ausschloss (zdf.de, 22.5.2020) oder ob ein pseudophilosophisch daherschwurbelnder deutscher Parlamentspräsident meinte, man könne schließlich »nicht alles dem Schutz des Lebens unterordnen« (Der Tagesspiegel, 26.04.2020) und ein süddeutscher Oberbürgermeister meinte, es gehe ohnehin nur um »Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären« (Der Tagesspiegel, 28.4.2020). Wo sich die Ethik nach der Wirtschaft richten muss, brechen früher oder später alle Dämme der Humanität. (…) Das gigantische Krisenpotenzial des Kapitalismus wird heute noch nicht einmal mehr von seinen notorischen Fans abgestritten. Den Staaten und Zentralbanken blieb überhaupt nichts anderes übrig, als im Handumdrehen rund um den Globus Billionenbeträge für Rettungspakete zu generieren, die alles, was es bisher an ›Geldschöpfung‹ gab, bei Weitem in den Schatten stellten – selbst die in der Finanzkrise 2008/2009 und den Folgejahren. (…) Der mit dem Corona-Virus konfrontierte Kapitalismus bestraft die Menschen also gleich dreifach: Erstens mit weitaus größeren Schäden an Leben und Gesundheit, als sie eine neue Seuche in einer vernünftig eingerichteten Wirtschaft mit sich brächten. Zweitens mit sinkendem Lebensstandard für viele – bis hin zu verstärkter Armut und Hunger. Und drittens mit der Aussicht auf eine Zukunft mit noch mehr wirtschaftlichen und politischen Krisen. Was unter kapitalistischer Herrschaft erst geschähe, wenn sich das Virus als besonders hartnäckig und mutationsfreudig erwiese oder längere Zeit kein Impfstoff gefunden würde, kann man sich an fünf Fingern abzählen. (…) Gegenüber dem lebensbedrohenden Potenzial der Klimakrise nimmt sich die Corona-Pandemie allerdings noch eher bescheiden aus. Die Erderwärmung führt zu einer dystopischen Zukunft mit steigendem Meeresspiegel, Überschwemmungen, Starkregen, Dürre, Hitzerekorden und Stürmen in immer schnellerer Abfolge. Alle Beteuerungen, dieser Prozess ließe sich mit ›marktwirtschaftlichen Instrumentarien‹ bekämpfen, überzeugen in etwa so wie der Versuch, ein brennendes Haus mit Benzin zu löschen. (…) Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass die offizielle Doktrin der kapitalistischen Wirklichkeit nicht gerecht wird, die Corona-Pandemie liefert ihn – und zwar in Gestalt der unabsehbaren ökonomischen Kosten und Lasten des Shutdowns. Versetzen wir uns für einen Moment in eine Gesellschaft, in der die Reichtumsproduktion tatsächlich keinen anderen Inhalt hätte, als den, Menschen zu versorgen, und in der Tauschwert und abstrakter Reichtum keine Rolle spielen würden. Sähe sich eine solche Gesellschaft pandemiebedingt zu einem solchen Shutdown gezwungen, wie er im Frühjahr 2020 stattfand, dann blieben die Folgen äußerst begrenzt. (…) Unter dem Gesichtspunkt der sinnlichen Vernunft und der menschlichen Bedürfnisse ist auch schon der ›Normalzustand‹ des Kapitalismus ein Skandal. Wir bezahlen unseren Gehorsam gegenüber der Diktatur des abstrakten Reichtums seit jeher mit dem Verlust jeder Menge Lebenszeit und -qualität. Das wird uns allerdings erst dann bewusst, wenn wir die historische Besonderheit dieser Reichtumsform durchschaut haben und verstehen, dass sie weder Gottes Wille noch Naturgesetz ist, wir sie folglich auch wieder aus der Welt schaffen können. Und nicht nur das: wir werden es bei Strafe unseres Untergangs sogar tun müssen…“ Ausschnitte aus dem gesamten Artikel von Lothar Galow-Bergemann und Ernst Lohoff aus dem Buch – wir danken nochmals dem Verlag und den Autoren! Die wirklich spannenden Fragen beginnen erst nach unseren Zitaten!

Siehe zum Thema im LabourNet Germany folgende Dossiers:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=183643
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