Neue Regierung, neue Ablenkung von Armutsrenten: „Boomer-Soli“ z.B. soll Rentner*innen gegeneinander ausspielen
„In den kommenden Jahren werden immer mehr Boomer, also Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen, in Rente gehen. Überlegungen zu einem „Boomer-Soli“ in der Rente, bei der höhere Renten zugunsten niedrigerer Renten gekürzt werden sollen, erteilt die NGG eine klare Absage. „Wer die Rentnerinnen und Rentner, die Jahrzehnte lang in die Rentenkasse eingezahlt haben gegeneinander ausspielt, schadet dem Grundvertrauen der Menschen in unsere Rentenversicherung und spaltet die Gesellschaft, ohne an einer wirklichen Lösung der Herausforderungen zu arbeiten“, so die stellvertretende Vorsitzende der NGG, Claudia Tiedge. Was tatsächlich fehle, sei eine gerechte Verteilung der durch die Volkswirtschaft erwirtschafteten Gewinne. (…) Für die NGG bleibe die Forderung nach einem höherem Rentenniveau, einer Einbeziehung möglichst vieler Erwerbstätiger sowie eine Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben aus Steuermitteln und nicht aus der Rentenkasse ein wesentlicher Teil einer zukunftsfesten Rentenversicherung.“ Pressemitteilung vom 23.7.2025
(„NGG erteilt „Boomer-Soli“ klare Absage“), siehe auch:
- Wer die Renten sichern will, muss die Superreichen zur Kasse bitten
„… Es vergeht kaum eine Woche ohne neue Horrormeldungen zum Zustand der gesetzlichen Rente, gefolgt von reflexartigen Kürzungsvorschlägen: Die »Wirtschaftsweise« Veronika Grimm will die Witwenrente abschaffen, Wirtschaftsministerin Katharina Reiche will das Rentenalter anheben, und der nächste »Rentenpapst« fordert die Regelaltersgrenze auf siebzig anzuheben. (…) Das zentrale ökonomische Argument dahinter ist ebenfalls seit Jahren das Gleiche: Ein viel zu großer Anteil des Bundeshaushalts gehe für Soziales und davon wiederum für die Rente drauf und natürlich müssten die Arbeitgeber viel zu viel Sozial- und Rentenbeiträge bezahlen. Da ist aber kaum etwas dran. Dem demografischen Wandel zum Trotz werden seit Jahrzehnten relativ stabil drei Viertel der Rentenausgaben – 2024 waren es 397 Milliarden Euro – direkt aus den Rentenbeiträgen der Erwerbstätigen finanziert und ein Viertel aus den Steuereinnahmen des Bundes. Die gesamten Rentenausgaben belaufen sich seit den 1970er Jahren stabil auf um die 9 Prozent des Bruttoinlandproduktes und der staatliche Zuschuss bewegt sich zwischen 2 und 3 Prozent der Wertschöpfung. Stärker schwankt der Anteil der Rentenausgaben am Bundeshaushalt. Aber auch hier gilt: Seit 2000 liegt der Anteil stabil bei etwa einem Viertel der Ausgaben des Bundeshaushalts, Tendenz eher rückläufig. (…) Anstatt eine Generation von Rentnerinnen und Rentner stärker zur Kasse zu bitten, wäre eine gerechte Beteiligung von wirklich allen Superreichen an der Finanzierung des Sozialstaats das Gebot der Stunde. Durch kluge und faire Abgaben auf alle hohen Vermögen und sehr große Erbschaften wäre das beispielsweise umsetzbar. (…) In unserem Konzept lägen die Freibeträge – also die Grenzen für die höhere Besteuerung – nicht bei 1.000 Euro im Monat: Stattdessen läge er bei der Erbschaftssteuer bei 2 Millionen Euro und bei der Vermögensteuer bei 5 Millionen Euro. Erst darüber hinaus würde eine Vermögensteuer erhoben werden, zunächst mit einem Satz von 1 Prozent und für besonders große Vermögen ab 100 Millionen Euro läge der Steuersatz bei 2 Prozent. Belastet würden dadurch nicht die Mehrzahl der 21,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner, sondern gerade einmal 300.000 Superreiche. Würde man diese Steuermittel dazu verwenden, die vielen gesamtgesellschaftlichen Leistungen zu finanzieren, die nicht nur die Renten-, sondern auch die Kranken- und Pflegeversicherung bezahlt, dann könnten wir damit nicht nur die Beitragssätze stabilisieren, sondern endlich auch ein höheres Rentenniveau und eine bessere Gesundheitsversorgung und Pflege gewährleisten…“ Artikel von Michael Popp vom 15. August 2025 in Jacobin.de - „Boomer-Soli“ und „Pflichtjahr für Rentner“: Die jüngsten Säue werden durchs Renten-Dorf getrieben
„… Ihr seid schuld! Ihr habt zu wenig Nachwuchs gezeugt! Ihr habt zu hohe Ansprüche! Ihr beutet die Jungen aus! Ihr plündert den Staat! Ihr seid einfach zu teuer! Ihr seid unverschämt und egoistisch! Und weil das alles so ist, sollt ihr endlich auch mal Opfer bringen. Es wird höchste Zeit. Jeder Vorschlag zur Opfergabe wird von den Leitmedien begierig aufgenommen und verstärkt. Und jetzt ganz frisch aus der Kreativwerkstatt der Sozialstaatszertrümmerer: – „Abgabe für reiche Rentner – Warum der Boomer Soli überfällig ist“ (t-online, 18.07.25) – „Soziologe fordert ein Jahr Arbeitsdienst für Senioren“ (t-online, 20.07.25) Der „Boomer-Soli“. Ausgerechnet vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erarbeitet, das sich bis jetzt beim Sozialstaatsbashing zurückgehalten hatte. Was steht drin? Kurz gesagt: Ab einem Freibetrag von 1.048 Euro sollen von Renteneinkommen weitere 10 Prozent abgezogen werden. Damit sollen dann irgendwie Minirenten aufgestockt werden. Kurz bewertet: Eine nähere Befassung mit dem „Boomer-Soli“ lohnt sich nicht. Das Konzept ist viel zu komplex und würde allein durch unzählige Klagen verhindert werden (…). Wichtig ist lediglich: es ist ein weiterer Ballon, der die Nachricht trägt: Gerechtigkeit gibt es nur, wenn Rentner mehr abgeben! Und dann kommt der nächste durchgeknallte Professor auf die Medienbühne und fordert einen Arbeitsdienst für Alte. Rentner hätten schließlich so viel Gutes von der Gesellschaft erhalten, dass sie zum Dankesdienst verpflichtet werden müssten. Das wären sie den Jungen mindestens schuldig. (…) „Pflichtdienst für Ältere“ fordert der 81jährige „Jugendforscher“ Klaus Hurrlemann und erhält dafür Titelzeilen im SPIEGEL und bei t-online. Die junge Generation habe bereits während der Corona-Pandemie Solidarität bewiesen. Jetzt seien die Alten dran, mit Arbeitsdiensten im sozialen Bereich oder zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit. Es dürfe nicht sein, dass Leute mit 65 oder gar 63 plötzlich nur noch Privat- und Urlaubsmenschen sind. Herr Hurrlemann lebt auf einem anderen Planeten. Fragen an den Überflieger: wäre es möglich, folgende Dinge auf das Pflichtjahr anzurechnen: Enkelkindbetreuung, bescheinigt durch Eltern oder Dankesschreiben von Firmen für vermiedenen Arbeitsausfall? Oder wenn an den Tafeln Stechuhren eingeführt werden, zwecks Arbeitsnachweises der Seniorinnen und Senioren? Oder Bescheinigungen von Kommunen, Vereinen und Schulen für ehrenamtlich geopferten Lebenszeiten? Oder Anerkennung für Betreuungsarbeit für Flüchtlinge? Oder ganz persönlich, hätte ich mit meiner 18 monatigen Wehrpflichtzeit zusammen mit dem Solidaritätsjahr vielleicht Aussicht auf das Bundesverdienstkreuz? Aber diese Fragen sind zu weit weg für den Soziologieprofessor und den fragenden Journalisten hatte wohl plötzliche Blutleere im Denkstübchen erfasst.“ Kommentar von Reiner Heyse vom 25. Juli beim Seniorenaufstandzu:
- Ohne direkte Mehrbelastung der Jungen: „Boomer-Soli“ kann wichtiger Baustein für Stabilisierung der Rente sein
Beitrag von Stefan Bach, Maximilian Blesch, Annica Gehlen, Johannes Geyer, Peter Haan, Stefan Klotz, Bruno Veltri im DIW Wochenbericht 29 / 2025, S. 447-456