Neue Regierung, neue Ablenkung von Armutsrenten: „Boomer-Soli“ z.B. soll Rentner*innen gegeneinander ausspielen
Dossier
„In den kommenden Jahren werden immer mehr Boomer, also Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen, in Rente gehen. Überlegungen zu einem „Boomer-Soli“ in der Rente, bei der höhere Renten zugunsten niedrigerer Renten gekürzt werden sollen, erteilt die NGG eine klare Absage. „Wer die Rentnerinnen und Rentner, die Jahrzehnte lang in die Rentenkasse eingezahlt haben gegeneinander ausspielt, schadet dem Grundvertrauen der Menschen in unsere Rentenversicherung und spaltet die Gesellschaft, ohne an einer wirklichen Lösung der Herausforderungen zu arbeiten“, so die stellvertretende Vorsitzende der NGG, Claudia Tiedge. Was tatsächlich fehle, sei eine gerechte Verteilung der durch die Volkswirtschaft erwirtschafteten Gewinne. (…) Für die NGG bleibe die Forderung nach einem höherem Rentenniveau, einer Einbeziehung möglichst vieler Erwerbstätiger sowie eine Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben aus Steuermitteln und nicht aus der Rentenkasse ein wesentlicher Teil einer zukunftsfesten Rentenversicherung.“ Pressemitteilung vom 23.7.2025
(„NGG erteilt „Boomer-Soli“ klare Absage“), siehe auch:
- Rentenpaket der schwarz-roten Koalition: Neoliberale Zerstörungspolitik bei der Rente
„… Hauptstreitpunkt war die Festschreibung einer »Haltelinie« für das Rentenniveau bei 48 Prozent bis 2031, die (laut Modellrechnungen) mit 12,6 Milliarden Euro staatlich abgesichert werden muss. Angesichts der Sondervermögen für Rüstung und Infrastruktur (100 plus 500 Milliarden) ist diese Summe überschaubar. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegen die deutschen Rentenausgaben ohnehin unter dem EU-Durchschnitt. Zudem stabilisiert die »Haltelinie« nur den Mangel: Um den Lebensstandard im Alter zu sichern, bräuchte es ein Rentenniveau von 53 Prozent, was letztmalig 1990 erreicht wurde. Ohne »Haltelinie« würde es bis 2030 auf 44,5 Prozent fallen.
Dies ist Ergebnis politischer Entscheidungen. Das Rentenniveau wurde schrittweise gesenkt, »Dämpfungsfaktoren« wurden in die Rentenanpassungsformel eingebaut, sodass die Alterseinkünfte langsamer steigen als die Löhne. Weil Regierungen seit Jahrzehnten prekäre Beschäftigung im Niedriglohnsektor fördern, mündet selbst langjährige Beitragszahlung immer öfter in eine Rente, die kaum über der Grundsicherung liegt. Auch darum sind die Rentenkassen leer. (…)
Die Alternative? Deutliche Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns, Verbot von Befristungsunwesen und »Minijobs«, damit Unternehmen zur langfristigen Reproduktion von Arbeitskraft beitragen. Mehr Migrant*innen (nicht nur auf dem Spargelacker und im Schlachthof) als neue Beitragszahlerinnen. Einbeziehung von Beamt*innen und Selbstständigen in die Rentenversicherung, Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze (aktuell: 8050 Euro) und einiges mehr. Trotzdem müssten Steuermittel fließen, weil die Rentenversicherung »versicherungsfremde Leistungen« übernimmt.
Stattdessen erleben wir eine neoliberale Zerstörungspolitik: Soziale Sicherungssysteme werden kaputtgespart, durch »Bürokratieabbau« handlungsunfähig gemacht, bis selbst diejenigen, für die sie da sind, das Vertrauen verlieren. Noch sind wir nicht so weit: Im »Deutschlandtrend« sprechen sich 76 Prozent der Befragten gegen die weitere Senkung des Rentenniveaus aus; 81 Prozent gegen die Rente ab 70…“ Kommentar von Nicole Mayer-Ahuja vom 09.12.2025 in ND online
– siehe auch:
- Renten-Showdown im Bundestag: Ach, das Volk? – das hat bis 2029 Pause! Merz-Regierung gerettet, dafür geht die Demokratie vor die Hunde. Wieso das?
„Nahezu zeitgleich mit der Verabschiedung der Rentengesetze im Bundestag am 5.12.25 passierten zwei weitere bemerkenswerte Ereignisse in Sachen Rente: Die Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte in der letzten Novemberwoche die vergleichende Analyse der Rentensysteme ihrer Mitgliedsstaaten. Demnach rangiert das deutsche Nettorentenniveau auf Platz 17 von 22 EU-Staaten. Es wird nur noch unterboten von Lettland, Polen, Estland, Irland und Litauen. Die Tendenz der deutschen Rente geht in Richtung Platz 18, den derzeit noch Lettland besetzt. Am 4.12.25 veröffentlichte die ARD ihre aktuelle Meinungsumfrage „Deutschlandtrend“. Schwerpunkt war die aktuelle Rentenpolitik mit sehr eindeutigen Aussagen: 76 % der Befragten sind gegen eine weitere Absenkung des Rentenniveaus. 69 % lehnen es ab, dass die Renten weniger stark steigen als die Löhne. 81 % wollen keine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre. 83 % wollen, dass Beamte, Politiker und Selbständige in die gesetzliche Rentenversicherung organisiert werden. Sowohl die zum wiederholten Male ausgesprochene OECD-Klatsche zum erbärmlichen Leistungsniveau der Renten in Deutschland, als auch die deutlichen Willensbekundungen des Wahlvolkes zur Rentenpolitik spielten im Bundestag und in den Medien keinerlei Rolle. Gerade das sehr klare Wollen des Souveräns in Sachen Rente wird seit Jahrzehnten in Umfragen dokumentiert und seit Jahrzehnten von großen Mehrheiten im Bundestag ignoriert, ja, häufig in den Dreck getreten (…) Statt den von der Rentenpolitik Betroffenen das Wort zu geben, wird eine kleine Gruppe von Parteikarrieristen zu Helden von Medien, Wirtschaftsverbänden und neoliberalen Ökonomen hochgejubelt. Die Heldentat besteht darin, dass sie sich in jedem Punkt vollständig gegen den Willen der großen Mehrheit in der Bevölkerung stellen. (…) Wenn die letzten Tage eins gezeigt haben, dann ist es, wie die Demokratie zu Grabe getragen wird. Die Verteidiger „unserer Demokratie“ gehen gegen „Rechts“ und für die Brandmauer auf die Straße. Sie merken nicht, wie die Erosion der Demokratie täglich betrieben wird durch die Mehrheitsparteien im Bundestag. Die AfD muss gar nicht besonders klug sein, um daraus ihren Nutzen zu ziehen…“ Beitrag von Reiner Heyse vom 8. Dezember 2025 bei Rentenzukunft.de
- Renten-Showdown im Bundestag: Ach, das Volk? – das hat bis 2029 Pause! Merz-Regierung gerettet, dafür geht die Demokratie vor die Hunde. Wieso das?
- Rente: Was ist das Drama? An diesem Freitag entscheidet der Bundestag über die Rentenreform. Fünf Klarstellungen
„An diesem Freitag stimmt der Bundestag über das Rentenpaket der schwarz-roten Regierung ab. Das Rentenniveau soll demnach für einige Jahre stabil bleiben. Die Mütterrente III sieht zudem vor, dass Kindererziehungszeiten bei der Rente in gleicher Weise angerechnet werden, unabhängig davon, wann das Kind geboren ist. Über beide Vorhaben soll namentlich abgestimmt werden. Marktliberale Ökonom*innen haben die Pläne über Monate scharf kritisiert und zuletzt sogar gefordert, sie zu stoppen. Begründung: Sie sind zu teuer. Auch die »Junge Gruppe« der CDU/CSU-Fraktion hat sich gegen das Rentenpaket gestellt. Aber wie entwickeln sich die Rentenausgaben eigentlich gemessen Bruttoinlandsprodukt, wenn das Rentenniveau stabil bleibt? Wie hoch sind die Altersbezüge im EU-Vergleich und welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es? Fünf Anmerkungen zur Rente. (…)
Vieles bleibt im Entwurf zum Rentenpaket unklar, insbesondere die Finanzierung eines stabilen Rentenniveaus. Im Raum stehen Beitragserhöhungen, eine stärkere Bezuschussung über den Bundeshaushalt und damit einhergehende Steuererhöhungen oder eine zusätzliche Finanzierung über den Aktienmarkt. Weitere Optionen sind mehr Personen, die in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen – und Umverteilung.
Die Bundesregierung kokettiert vorrangig mit längeren Lebensarbeitszeiten, damit mehr Personen über die aktuelle Altersgrenze hinaus Beiträge einzahlen. Allerdings kann vor allem eine Minderheit jener Menschen mit guter Gesundheit, mit höherem Ausbildungsniveau und ohne anderweitige Verpflichtungen wie Pflege überhaupt im höheren Alter erwerbstätig sein. Derzeit arbeiten zudem überdurchschnittlich viele Selbstständige über die Regelaltersgrenze hinaus. Sie zahlen nur zu geringen Teilen in die gesetzliche Rentenversicherung ein.
Das zu ändern, wäre eine andere Möglichkeit. Die Mehrheit der Selbstständigen ist für die Einführung einer solchen »Erwerbstätigenversicherung« – auch, weil sie oft nicht in der Lage sind, privat für das Alter vorzusorgen. Beamte, die eine derartige Reform ebenso betreffen würde, erwärmen sich dagegen nur zu 30 Prozent dafür. Je höher das Einkommen, desto geringer die Zustimmung. Mehr Personen könnten auch über Einwanderung einbezogen werden. Sie stemmt bereits einen großen Beitrag zur Sicherung des Rentenniveaus. Die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, nimmt allerdings seit 2022 rapide ab. Um das zu ändern, müsste zum Beispiel der Zugang zu gut bezahlten sozialversicherungspflichtigen Erwerbsarbeitsverhältnissen leichter werden. (…)
Altersvorsorge mit Finanzanlagen: Zauberformel mit Tücken
Um Kürzungen bei der gesetzlichen Rente auszugleichen, wird den Menschen empfohlen, Geld an den Kapitalmärkten anzulegen. Aktien und festverzinsliche Papiere sollen per Dividenden, Zinserträgen und Kursgewinnen die Rentenlücken stopfen. Für die Unternehmen ist das eine günstige Idee. Denn während die Lohnabhängigen zusätzliche Teile ihres Einkommens für die Vorsorge aufwenden müssen, also eigenverantwortlich ihren Konsum beschränken, bleiben die Unternehmen verschont. Daneben hat die Vorsorge über Finanzanlagen ihre Tücken. Zwar werden hohe jährliche Renditen von fünf Prozent und mehr vorausgesagt. Diese Prognosen aber beruhen auf Renditen der vergangenen Jahrzehnte…“ Artikel von Stephan Kaufmann, Sarah Yolanda Koss und Eva Roth vom 04.12.2025 in ND online
- DGB-Jugend an die junge Union zur Rente: Der vermeintliche Generationenkonflikt ist ein Ablenkungsmanöver
„Zum Widerstand der Jungen Gruppe gegen das Rentenpaket ein Statement von Kristof Becker, DGB-Bundesjugendsekretär: „Die DGB-Jugend ruft die die junge Gruppe in der Union auf, dem Rentenpaket der Bundesregierung zuzustimmen.
Ein stabiles gesetzliches Rentenniveau für ausnahmslos alle Beschäftigten – egal ob jung oder alt – ist sehr wohl generationengerecht. Würde die Bundesregierung das Rentenniveau nämlich jetzt nicht stabilisieren, müssten wir alle aufgrund der demographischen Entwicklung trotzdem höhere Beiträge zahlen. Mehr Beitrag für weniger Rente? Das wäre ein schlechter Deal. Mehr Beitrag für mehr Rente, das ist gerecht.
Die Frage ist nur: Zahle ich für eine gute Alterssicherung alleine aus eigener Tasche oder trägt mein Arbeitgeber die Hälfte der Kosten, wie es bei der gesetzlichen Rente der Fall ist. Die Unternehmen wollen weniger Beiträge zahlen, um damit ihre Kosten zu senken und ihre Gewinne zu erhöhen. Die Rente ist also ein Verteilungskonflikt zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten, nicht zwischen Jungen und Alten…“ DGB-Pressemitteilung vom 02. Dezember 2025
(„Rente: Der vermeintliche Generationenkonflikt ist ein Ablenkungsmanöver“), siehe auch:
- Für eine Rentenreform, die alle stärkt
„Mit Blick auf die Einigung im Koalitionsausschuss in der Rentendebatte sagt Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied: „Die Koalitionsfraktionen müssen jetzt Geschlossenheit für das Rentenpaket und das Betriebsrentenstärkungsgesetz zeigen und für Sicherheit sorgen. Junge und Alte brauchen eine Rentenreform, die zu mehr Rente für alle führt. Im internationalen Vergleich steht Deutschland mittlerweile schlecht da und darf nicht weiter zurückfallen. Unsere europäischen Nachbarn zeigen es: Bessere Renten sind möglich, die Kosten dafür müssen aber gemeinsam geschultert werden. Unternehmen dürfen sich nicht verweigern, wenn Menschen bereit sind, ihren Teil zu übernehmen. In allen erfolgreichen Ländern tragen Unternehmen mehr als die Hälfte zur Alterssicherung bei…“ DGB-Pressemitteilung vom 28. November 2025
- Für eine Rentenreform, die alle stärkt
- Die Rentner sind immer zu teuer – egal wie billig sie sind
„Wer würde eine solche Umfrage bezahlen: „Sind Sie dafür, dass die Renten bis 2040 um 6% statt 4% gesenkt werden?“ Denn darum geht der Streit zwischen Junger Union & Co und der schwarz-roten Regierung. Die Einigkeit der Streitenden hinter dem medialen Getöse besteht darin: Die Renten müssen unbedingt weiter gekürzt werden. Die Ergebnisse derartiger Umfragen sind bis jetzt eindeutig (siehe hier). Deshalb werden sie tunlichst vermieden. Bereits seit sechs Jahren gehen die „Babyboomer“ in Rente. Mehrbelastung bei den Kosten? Null! Und das bleibt auch bis 2028 so! Die seit 2019 geltende „Haltlinie“ beim Rentenniveau von 48% hat bis jetzt staatliche Zusatzbeträge erfordert von?: Null! Und auch das bleibt bis 2028 so! Berichterstattung über diesen Sachverhalt in den Medien? Null Komma Null! Stattdessen wird in Presse, Funk und Fernsehen seit mittlerweile Wochen intensiv hierüber berichtet: 18 Junge Unionsabgeordnete wagen den Aufstand gegen den Chef. Kanzler Merz wird ultimativ aufgefordert, das Rentenpaket, vor allem die darin enthaltene Haltelinie von 48%, zurückzunehmen. (…) Die BILD-Zeitung bringt die passende Schlagzeile:
„Kosten steigen immer mehr: Renten-Drama! Wer soll das alles noch bezahlen?“ (BILD, 12.11.25) Die „Kosten steigen immer mehr“? Tatsächlich sind die Kosten dramatisch gesunken. Der Vorsitzende der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Alexander Gunkel kündigte letzte Woche an, dass im Jahr 2028 der Rentenversicherungsbeitrag das erste Mal seit 2007 wieder erhöht werden müsste. Das ist stark untertrieben. Denn die Beiträge sind seit dann 22 Jahren nicht nur nicht gestiegen, sie sind von 19,9% im Jahr 2007 auf 18,6% im Jahr 2018 gesunken. Da verharren sie bis 2028. Die 1,3% weniger Beiträge machen eine Entlastung der Renten-Kosten von 6,5% aus. (…)
Wer wird mit dieser Kostensenkung finanziert? Die bittere Antwort: Es müssen damit 1,2 Millionen Rentner mehr unterhalten werden. Die Anzahl der Rentnerinnen und Rentner stieg von 20,2 Millionen im Jahr 2007 auf 21,4 Millionen im Jahr 2024. Das ist ein Mehr von 6%. Die Wahrheit ist also: Die Kosten sind immer mehr gesunken (um 6,5%), obwohl die Anzahl der Rentner immer mehr gestiegen ist (um 6%). (…)
Dass die Jungen angeblich überlastet werden, entdeckte man trotz dieser positiven Erfahrungen vor etwa 35 Jahren. Seitdem ist die Erzählung in der Welt: Es ist notwendig, dass weniger für die gesetzliche Rente ausgegeben wird und mehr privat vorgesorgt wird. In die Welt gesetzt wurden diese Behauptungen von Finanzkonzernen und Arbeitgeberverbänden. Sie sind krasse Verdrehungen der Wirklichkeit. (…) D
ie behaupteten „ständig steigenden Steuerzuschüsse“ sind auch so eine der üblichen Halblügen. Der Anteil der Bundesmittel für Renten am Gesamthaushalt sind seit 20 Jahren ständig gesunken, von 31,0% im Jahr 2004 auf 24,8% im Jahr 2024. Das wird auch daran deutlich, dass die Bundesregierungen sich ständig weigern, die nicht beitragsgedeckten (versicherungsfremden) Leistungen vollständig zu finanzieren. Die Unterdeckung betrug hier allein im Jahr 2023 unglaubliche 40 Milliarden Euro. (…) Als einziger Zweck dieses desaströsen Kurses bleibt, die Profitinteressen der Finanzkonzerne zu bedienen. Das gilt es zu verschleiern und dafür, davon muss man ausgehen, werden erhebliche Mittel eingesetzt, um die öffentliche Meinung zu manipulieren.“ Beitrag von Reiner Heyse vom 23. November 2025 beim Seniorenaufstand
- Rente – schon wieder. Die »Renten-Diskussion« gleicht einem geschlossenen Zirkel der Meinungsmanipulation, meint Alex Demirović
„Falls es von Bismarck so gedacht war, die revolutionäre Arbeiterbewegung durch Sozialversicherungen, also auch durch die Rente, zu zersetzen, dann hat er Erfolg gehabt. Vielleicht nicht in dem Sinn, dass nun alle gut abgesichert wären und mehr zu verlieren haben als ihre Ketten. Vielmehr aufgrund von Erschöpfung durch den langen Atem der Herrschenden und der von ihnen bezahlten Bauchredner*innen, die uns bereitwillig belügen. Uns, den mittleren und unteren Zeitgenoss*inen dieser Gesellschaft, wird eine Rentendiskussion in Endlosschleife zugemutet. Immer noch und schon wieder geht es um eine Reform. Jeden Tag hören wir in den Nachrichten von zu hohen staatlichen Ausgaben, demographische Entwicklungen und Alterspyramiden, von den jungen Wilden der CDU, die mit ihren Angriffen auf Friedrich Merz ihre Karriere als Funktionäre vorbereiten. Es ist ein geschlossener Zirkel der Meinungsmanipulation: Die Meinungsmacherinstitute geben vor, die Stimmung in der Bevölkerung zu erfragen; diese wiederholt brav, was die Politiker in Interviews, Talkshows oder im Bundestag so von sich geben. Diese berufen sich wiederum auf die Wirtschaft, deren Verbände, die Wirtschaftsweisen, die Experten. Die Medien wiederum berichten über die Ergebnisse der Befragungen und die Diskussionen der Experten. (…) Im Prinzip wird Deutschland fast jedes Jahr reicher. Die Arbeitsproduktivität ist seit 2015 ebenso gestiegen wie die Bruttowertschöpfung. Die Beschäftigten haben jedes Jahr (mit Ausnahme des Pandemiejahres 2020) mehr geleistet als im Jahr zuvor. (…) Heute gibt es das Feuerwerk der Aktienkurse für Rüstungsunternehmen, doch damit wird ein Mangel an Wirtschaftsleistung und Produktivität morgen vorbereitet. Der Maßstab kann nicht die Steigerung der Kapitalerträge sein. Die Produktivität erzeugt mehr Wohlstand. Vieles davon ist nicht notwendig, viele Arbeiten braucht niemand. Paul Lafargue erwartete bereits Ende des 19. Jahrhunderts, dass aufgrund steigender Produktivität drei Stunden Arbeit täglich ausreichen würden. Und um wieviel reicher sind wir seit 1880 geworden? Niemand müsste mehr hungern, niemand um den Arbeitsplatz bangen. (…) Wir brauchen eine Disruption. Neue Verhältnisse, in denen wir eigentlich keine Rente mehr benötigen, weil wir wie selbstverständlich eine Wohnung bewohnen können, für Lebensmittel gesorgt ist, wir medizinisch versorgt werden und die Zeit haben, uns umeinander zu kümmern und mit der Natur versöhnt sind. Davon träumen Menschen seit Langem, sie müssten es endlich einmal verwirklichen.“ Kommentar von Alex Demirović vom 23. November 2025 in Neues Deutschland online
und zuvor:
- Rente: Generation Z geht weltweit auf die Straße
„Die Rechte setzt auf Entsolidarisierung. Aber plötzlich gibt es auch wieder Widerstand, meint Alex Demirović (…)
Aber der Angriff auf die Älteren ist ein Angriff auf die Jüngeren. Denn ihnen wird die Möglichkeit der Rente genommen. Hat die sozialstaatliche Rentenversicherung die Menschen schon individualisiert und in Konkurrenz gegeneinander gebracht, so wird dies mit einer kapitalgedeckten Rente und der marktmäßigen Unterscheidung von guten und schlechten Risiken erst recht geschehen. Die Rente wird von der Einzahlungsfähigkeit, von der Jobsicherheit, von den Entwicklungen an den Finanzmärkten abhängen. Die Unsicherheit der Rente, der Ruin der Versicherungen ist programmiert, teure öffentliche Unterstützung unvermeidlich. Es braucht deswegen ein Umlageverfahren in der Rentenversicherung, an dem alle beteiligt sind. Die Jungen sollten sich nicht abspeisen lassen. Nicht resignieren, indem sie gar mehr mit einer Rente rechnen. Nicht gegen die Alten ausspielen lassen. Auch das wäre Antifaschismus…“ Artikel von Alex Demirovic vom 26.10.2025 in ND online
- Rente: Generation Z geht weltweit auf die Straße
- Wer die Renten sichern will, muss die Superreichen zur Kasse bitten
„… Es vergeht kaum eine Woche ohne neue Horrormeldungen zum Zustand der gesetzlichen Rente, gefolgt von reflexartigen Kürzungsvorschlägen: Die »Wirtschaftsweise« Veronika Grimm will die Witwenrente abschaffen, Wirtschaftsministerin Katharina Reiche will das Rentenalter anheben, und der nächste »Rentenpapst« fordert die Regelaltersgrenze auf siebzig anzuheben. (…) Das zentrale ökonomische Argument dahinter ist ebenfalls seit Jahren das Gleiche: Ein viel zu großer Anteil des Bundeshaushalts gehe für Soziales und davon wiederum für die Rente drauf und natürlich müssten die Arbeitgeber viel zu viel Sozial- und Rentenbeiträge bezahlen. Da ist aber kaum etwas dran. Dem demografischen Wandel zum Trotz werden seit Jahrzehnten relativ stabil drei Viertel der Rentenausgaben – 2024 waren es 397 Milliarden Euro – direkt aus den Rentenbeiträgen der Erwerbstätigen finanziert und ein Viertel aus den Steuereinnahmen des Bundes. Die gesamten Rentenausgaben belaufen sich seit den 1970er Jahren stabil auf um die 9 Prozent des Bruttoinlandproduktes und der staatliche Zuschuss bewegt sich zwischen 2 und 3 Prozent der Wertschöpfung. Stärker schwankt der Anteil der Rentenausgaben am Bundeshaushalt. Aber auch hier gilt: Seit 2000 liegt der Anteil stabil bei etwa einem Viertel der Ausgaben des Bundeshaushalts, Tendenz eher rückläufig. (…) Anstatt eine Generation von Rentnerinnen und Rentner stärker zur Kasse zu bitten, wäre eine gerechte Beteiligung von wirklich allen Superreichen an der Finanzierung des Sozialstaats das Gebot der Stunde. Durch kluge und faire Abgaben auf alle hohen Vermögen und sehr große Erbschaften wäre das beispielsweise umsetzbar. (…) In unserem Konzept lägen die Freibeträge – also die Grenzen für die höhere Besteuerung – nicht bei 1.000 Euro im Monat: Stattdessen läge er bei der Erbschaftssteuer bei 2 Millionen Euro und bei der Vermögensteuer bei 5 Millionen Euro. Erst darüber hinaus würde eine Vermögensteuer erhoben werden, zunächst mit einem Satz von 1 Prozent und für besonders große Vermögen ab 100 Millionen Euro läge der Steuersatz bei 2 Prozent. Belastet würden dadurch nicht die Mehrzahl der 21,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner, sondern gerade einmal 300.000 Superreiche. Würde man diese Steuermittel dazu verwenden, die vielen gesamtgesellschaftlichen Leistungen zu finanzieren, die nicht nur die Renten-, sondern auch die Kranken- und Pflegeversicherung bezahlt, dann könnten wir damit nicht nur die Beitragssätze stabilisieren, sondern endlich auch ein höheres Rentenniveau und eine bessere Gesundheitsversorgung und Pflege gewährleisten…“ Artikel von Michael Popp vom 15. August 2025 in Jacobin.de
- „Boomer-Soli“ und „Pflichtjahr für Rentner“: Die jüngsten Säue werden durchs Renten-Dorf getrieben
„… Ihr seid schuld! Ihr habt zu wenig Nachwuchs gezeugt! Ihr habt zu hohe Ansprüche! Ihr beutet die Jungen aus! Ihr plündert den Staat! Ihr seid einfach zu teuer! Ihr seid unverschämt und egoistisch! Und weil das alles so ist, sollt ihr endlich auch mal Opfer bringen. Es wird höchste Zeit. Jeder Vorschlag zur Opfergabe wird von den Leitmedien begierig aufgenommen und verstärkt. Und jetzt ganz frisch aus der Kreativwerkstatt der Sozialstaatszertrümmerer: – „Abgabe für reiche Rentner – Warum der Boomer Soli überfällig ist“ (t-online, 18.07.25) – „Soziologe fordert ein Jahr Arbeitsdienst für Senioren“ (t-online, 20.07.25) Der „Boomer-Soli“. Ausgerechnet vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erarbeitet, das sich bis jetzt beim Sozialstaatsbashing zurückgehalten hatte. Was steht drin? Kurz gesagt: Ab einem Freibetrag von 1.048 Euro sollen von Renteneinkommen weitere 10 Prozent abgezogen werden. Damit sollen dann irgendwie Minirenten aufgestockt werden. Kurz bewertet: Eine nähere Befassung mit dem „Boomer-Soli“ lohnt sich nicht. Das Konzept ist viel zu komplex und würde allein durch unzählige Klagen verhindert werden (…). Wichtig ist lediglich: es ist ein weiterer Ballon, der die Nachricht trägt: Gerechtigkeit gibt es nur, wenn Rentner mehr abgeben! Und dann kommt der nächste durchgeknallte Professor auf die Medienbühne und fordert einen Arbeitsdienst für Alte. Rentner hätten schließlich so viel Gutes von der Gesellschaft erhalten, dass sie zum Dankesdienst verpflichtet werden müssten. Das wären sie den Jungen mindestens schuldig. (…) „Pflichtdienst für Ältere“ fordert der 81jährige „Jugendforscher“ Klaus Hurrlemann und erhält dafür Titelzeilen im SPIEGEL und bei t-online. Die junge Generation habe bereits während der Corona-Pandemie Solidarität bewiesen. Jetzt seien die Alten dran, mit Arbeitsdiensten im sozialen Bereich oder zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit. Es dürfe nicht sein, dass Leute mit 65 oder gar 63 plötzlich nur noch Privat- und Urlaubsmenschen sind. Herr Hurrlemann lebt auf einem anderen Planeten. Fragen an den Überflieger: wäre es möglich, folgende Dinge auf das Pflichtjahr anzurechnen: Enkelkindbetreuung, bescheinigt durch Eltern oder Dankesschreiben von Firmen für vermiedenen Arbeitsausfall? Oder wenn an den Tafeln Stechuhren eingeführt werden, zwecks Arbeitsnachweises der Seniorinnen und Senioren? Oder Bescheinigungen von Kommunen, Vereinen und Schulen für ehrenamtlich geopferten Lebenszeiten? Oder Anerkennung für Betreuungsarbeit für Flüchtlinge? Oder ganz persönlich, hätte ich mit meiner 18 monatigen Wehrpflichtzeit zusammen mit dem Solidaritätsjahr vielleicht Aussicht auf das Bundesverdienstkreuz? Aber diese Fragen sind zu weit weg für den Soziologieprofessor und den fragenden Journalisten hatte wohl plötzliche Blutleere im Denkstübchen erfasst.“ Kommentar von Reiner Heyse vom 25. Juli beim Seniorenaufstand
zu: - Ohne direkte Mehrbelastung der Jungen: „Boomer-Soli“ kann wichtiger Baustein für Stabilisierung der Rente sein
Beitrag von Stefan Bach, Maximilian Blesch, Annica Gehlen, Johannes Geyer, Peter Haan, Stefan Klotz, Bruno Veltri im DIW Wochenbericht 29 / 2025
, S. 447-456