„Schlimmer als die Pandemie“ – Wirtschaftskreise fordern Abkehr von Schutzmaßnahmen: Finanzschlacht um Covid-19-Profite hat begonnen

Dossier

Coronavirus, die Hetze und der Ausnahmezustand: China im Shitstorm„Aus der deutschen Wirtschaft werden Forderungen nach einer Abkehr von den jüngsten Schutzmaßnahmen im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie laut. Die Maßnahmen träfen die Wirtschaft schwer, urteilt ein einflussreicher deutscher Finanzmanager: Der „akute Absturz der Weltwirtschaft“ sei „der weit größere und gefährlichere Stresstest als Sars-CoV-2“. Man müsse fragen, ob es richtig sei, dass zehn Prozent der Bevölkerung „geschont, 90 Prozent samt der gesamten Volkswirtschaft aber extrem behindert werden“. Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE urteilt, die „Folgen der Virusbekämpfung“ könnten „schlimmer sein … als die Folgen des Virus selbst“. Ähnliche Stimmen sind aus den Vereinigten Staaten zu hören; dort äußert der Vizegouverneur von Texas, alle sollten „zurück an die Arbeit“ gehen: Er selbst, im 70. Lebensjahr stehend, und manch anderer seien bereit, ihr „Leben zu riskieren, um das Amerika, das alle lieben, … zu bewahren“. Die Äußerungen erfolgen, während die Todesfälle ansteigen, die Börsenkurse kollabieren und eine Finanzschlacht um Covid-19-Profite begonnen hat…“ Bericht von und bei German-Foreign-Policy.com vom 25. März 2020 externer Link und dazu:

  • Wo kommen die ganzen Millionär*innen her? New
    Anfang Januar veröffentlichte das Forbes Magazin neue Daten aus der Welt der Superreichen: Tesla-Chef Elon Musk, dessen privates Vermögen im vergangenen Jahr zwischenzeitlich die 300-Milliarden-Dollar-Marke überschritt, liegt mit weitem Abstand an der Spitze der zehn reichsten Personen der Welt. (…) Weltweit überstieg die Anzahl der Mitglieder im illustren Millionär*innen-Club im zweiten Krisenjahr erstmals die magische Zahl von 20 Millionen Mitgliedern. Allein in Deutschland zählte die Unternehmensberatung Capgemini in ihrem letzten World Wealth Report von Mitte 2021 1.535.100 (meist männliche) Millionär*innen. Das gemeinsame Vermögen der reichen Weltbürger*innen wuchs um geschätzte 7,6 Prozent oder 1.000 Milliarden auf fast 80 Billionen Dollar.  Inmitten der globalen Corona-Pandemie. Wie geht das? Eine einfache Faustregel lautet: Wer viel Geld hat, kann noch viel mehr verdienen. Und: Je höher die Risikobereitschaft, desto höher die Gewinnmöglichkeiten. (…) Wegen der weltweiten Konsumflaute sparten zudem auch Reiche nach eigenen Angaben viel Geld. Die meisten verdienten ihre Dollars und Euros allerdings mit Aktien oder Immobilien. Für beides bot das anhaltend billige Geld der Zentralbanken auch in den letzten beiden Krisenjahren ein günstiges Umfeld, weil andere Anlagemöglichkeiten wegen der mickrigen Zinsen unattraktiv wurden. Aber auch die Erfolgsbilanzen börsennotierter Unternehmen ließen jede Menge Geld Richtung Aktienmärkte fließen. Laut dem letzten Quartalsbericht der 40 Dax-Unternehmen konnten diese – trotz Lockdowns und Lieferkettenschwierigkeiten – in den ersten neun Monaten 2021 bereits Rekordgewinne in Höhe von 90 Milliarden Euro anhäufen. Nicht wenige profitierten dabei von staatlichen Corona-Hilfen. (…) Das Gute am Kapitalismus aus Sicht der Superreichen ist also, dass er für jede Krisensituation die passenden Produkte bereithält, um Geld anzulegen und zu vermehren. Und Vermögende schaffen sich selbst ständig neue Geschäftsfelder. So stünde etwa angesichts einer alternden Millionärsklasse in absehbarer Zeit ein gigantischer Vermögenstransfer in Richtung jüngerer Generation an. Über bis zu 30 Billionen Dollar könnten die Rich Kids von heute nach dem Ableben ihrer reichen Verwandtschaft verfügen, schätzt Capgemini. Mindestens 80 Prozent der Erb*innen würden dann neue, gut verdienende Finanzberater*innen suchen.“ Kommentar von Lene Kempe am 18. Januar 2022 beim ak online externer Link (aus dem ak 678)

  • Export! Export! Die Corona-Maßnahmen haben auch ein Modell über die Krise gerettet, das seit Jahren Schieflagen produziert 
    „Wenn es nach den Vertreter*innen der deutschen Wirtschaft geht, dann ist eigentlich immer ein bisschen Krise. 2006 hieß es, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte stehe ebenso auf dem Spiel wie tausende Arbeitsplätze. Die IG Metall hatte da gerade fünf Prozent Tariflohnerhöhung gefordert. Das Zauberwort, mit dem derart »überzogene Erwartungen« der Belegschaften zurückgewiesen wurden, hieß »Standortverlagerung«. (…) Und 2021? Insbesondere die verarbeitende Industrie, die zum Kern-Organisationsbereich der IG Metall gehört, hat das Krisenjahr bis jetzt deutlich besser überstanden, als zwischendurch befürchtet. Auch dank staatlicher Milliardenhilfen, etwa im Rahmen von Kurzarbeit. Die Wirtschaftsleistung erlebte im zweiten Quartal 2020 zwar einen historischen Einbruch von 10,2 Prozent, auf das Gesamtjahr 2020 bezogen, ergibt sich allerdings nur ein Minus von 5,3 Prozent und damit ein ähnlicher Wert wie in der letzten Finanzkrise (5,1 Prozent). Auch heute prognostizieren Wirtschaftsinstitute eine baldige Erholung. Dabei erweist sich der Export erneut als Stütze des Aufschwungs. Im zweiten Lockdown gab es kaum Einschränkungen bei der industriellen Produktion, trotz Corona standen die Bänder nicht still. Das exportstarke verarbeitende Gewerbe verzeichnete ab November ein Plus-Wachstum von 6,7 Prozent. Die Auftragsbücher der deutschen Industrie sind seit der Jahreswende gut gefüllt. Während die Exporte etwa in die Staaten der Eurozone mit 38,1 Milliarden Euro noch 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zurücklagen, konnte Deutschland auf dem wichtiger werdenden chinesischen Markt sogar schon wieder Rekordumsätze verbuchen. (…) In dieser Situation geht die IG Metall nun mutig in gleich mehrere Tarifauseinandersetzungen: neben der Metall- und Elektroindustrie auch in der Eisen- und Stahlindustrie sowie bei Volkswagen. Käme die Gewerkschaft mit ihrer Vier-Prozent-Forderung durch, läge die Reallohnsteigerung – angesichts der Lohnstagnation im letzten Jahr – vermutlich gerade mal knapp über der Inflationsrate. Zu viel, befindet die Arbeitgeberseite und beeilte sich in Person von Stefan Wolf, Präsident der Arbeitgebervereinigung Gesamtmetall, ihre übliche Botschaft zu verbreiten: »Es gibt absolut nichts zu verteilen«, verkündete der Boss der Bosse in einem Interview mit der WELT. »Wenn wir so weiter machen und immer teurer werden«, ja dann bliebe den Unternehmen nur die Möglichkeit, ihre Produktion ins Ausland verlagern und Stellen zu streichen. (…) Trotz der Tatsache, dass also ein immer kleiner werdender Anteil von Beschäftigten heute noch in nennenswertem Umfang von Exporterfolgen profitiert und trotz der internationalen Schieflagen sowie einer hohen Krisenanfälligkeit des Modells, trägt die positive Erzählung von der »Exportnation« immer noch in weiten Teilen der Öffentlichkeit. (…) Eine Win-Win-Situation ist dieses Modell jedenfalls nur für die Industrie selbst. Die Unternehmen haben sich nicht nur ein extrem lukratives Geschäftsmodell geschaffen, sie sind scheinbar auch niemandem mehr Rechenschaft schuldig für die Schieflage, in die sie die hiesige Wirtschaft und Gesellschaft gebracht haben…“ Artikel von Lene Kempe vom 16. März 2021 in ak 669 externer Link
  • Corona-Hilfen: Das Elend des Exportismus 
    „Die unnötigen Härten der Corona-Schutzmaßnahmen in Deutschland liegen auch an der Dominanz des Exportsektors. Während die Großunternehmen der Exportindustrie mit Milliardenprogrammen unterstützt werden und um jeden Preis geöffnet bleiben müssen, werden die kleinen Dienstleister in der Binnenökonomie mit Brosamen abgespeist. Hintergrund dieser Weichenstellung in der Corona-Krise ist die Dominanz des Exportismus in der deutschen Politik.In Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten ein extrem exportlastiges Wachstumsmodell herausgebildet. Keine andere große Ökonomie ist so von der Ausfuhr abhängig. Um letztere zu maximieren, wird die Binnennachfrage systematisch gebremst, da eine boomende Binnenwirtschaft über höhere Löhne die Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie in preissensitiven Sektoren schwächen würde. Obwohl etwa 75 Prozent der Deutschen in der Binnenwirtschaft arbeiten (gemessen über die Exportabhängigkeitsquote der Erwerbstätigen) – also keinem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind –, dominiert in der deutschen Wirtschaftspolitik der Exportsektor, vermittelt über von Autoindustrie und Maschinenbau dominierte Wirtschaftsverbände, mitunter mit Unterstützung der IG Metall. Wie aus der Perspektive des Wachstumsmodells – und seiner politischen Unterstützungskoalition – nicht anders zu erwarten, lag der Schwerpunkt des Nutzens der von der Bundesregierung 2020 in der ersten Welle der Corona-Krise verabschiedeten Wirtschaftspakete („Schutzschild“ und „Konjunkturprogramm“) auf der Unterstützung der Industrie, insbesondere den Exportsektoren. Es gibt im internationalen Vergleich eine innere Logik zwischen Wachstumsmodell und Fokus des Rettungspakets, so der US-Ökonom und Sachbuchautor Mark Blyth. Während im konsumgetriebenen britischen Wachstumsmodell der Fokus des Rettungspakets darauf lag, die Binnennachfrage zu stabilisieren (über die allgemeine Garantie von 80 Prozent der Gehälter), lag der Fokus im deutschen Fall auf einer Stabilisierung der Exportindustrie. Das war schon in der globalen Finanzkrise 2008/2009 so, bei der die „Abwrackprämie“ zugunsten der Autoindustrie den Kern des Rettungspakets darstellte. (…) Die deutlich höheren deutschen Corona-Hilfen – bei vergleichsweise milden Gesundheitsfolgen und kurzem lock-down während der ersten Welle – haben bereits zur Sorge bei der EU-Kommission geführt, dass damit der Wettbewerb in der Europäischen Union erheblich zugunsten Deutschlands verzerrt wird. EU-Vizepräsidentin Margrethe Vestager zeigte sich bereits im Mai 2020 darüber irritiert, dass die Hälfte der von der Kommission für ganz Europa genehmigten Corona-Hilfen alleine auf Deutschland entfallen. (…) Wenn die deutsche Politik in der ersten Welle der Corona-Krise in ihrer Perspektive nicht so stark durch die Exportsektoren dominiert gewesen wäre, hätte sie schon lange viel größere Unterstützungsmaßnahmen für dies Binnensektoren aufgelegt. Möglichkeiten gab (und gibt) es viele.(…) Angesichts der Beobachtung, dass der Erfolg des deutschen Exportmodells zuletzt maßgeblich darauf beruhte, dass der Lebensstandard großer Teile der Bevölkerung gedrückt wird und dass das Corona-Rettungspaket wieder überproportional die Exportsektoren begünstigt, stellt sich die Frage, ob es nicht an der Zeit für eine Ausbalancierung der deutschen Wirtschaft ist, mit einer stärkeren Rolle der Binnensektoren….“ Beitrag von Andreas Nölke vom 1. Februar 2021 bei Telepolis externer Link – endlich mal jemand, der das mit der Exportorientierung im Zusammenhang mit Corona sieht. Allerdings ist mehr Binnenmarktorientierung noch keine Lösung zur Überwindung der von der Pandemie ausgehenden Gefahren. Dass eine das Kapital mit umfassender Shutdown nicht mit dem Argument „Exportorientierung“ abgelehnt werden kann, sagt Nölke leider nicht. Im Gegenteil. Er behauptet, dass ang. „unnötigen Härten der Corona-Schutzmaßnahmen in Deutschland (…) auch an der Dominanz des Exportsektors“ lägen (vgl. Anfang Beitrag), statt zu sagen, dass die Härten wegen der Exportorientierung beim deutschen Kapital zu gering waren und sind. Schwierig…
  • Internationales Investitionsrecht in Krisenzeiten: Wirtschaftsabkommen und Schiedsgerichte können demokratische Rechte aushebeln und Staaten zu Schadensersatz heranziehen
    „In den nächsten Monaten werden sich Investoren und findige Rechtsanwälte die Verträge mit einzelnen Staaten noch einmal genauer anschauen. Das haben einige Kanzleien schon kurz nach dem ersten Lockdown zu Beginn der Corona-Pandemie getan. Sie dachten damals schon über mögliche Konzernklagen gegen staatliche Notfall-Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und der entsprechenden wirtschaftlichen Folgen. Sie bastelten daran, welche Maßnahmen der Regierungen in den Geltungsbereich internationaler Investitionsabkommen fallen und zu einer Flut von teuren Schadenersatzklagen gegen Regierungen vor privaten Schiedsgerichten führen können. Ihnen spielt in die Hände, dass im Investitionsrecht unter bestimmten Umständen nicht nur tatsächlich investierte Beträge schadensersatzpflichtig, wie die tatsächlichen Kosten des Investors sind, sondern auch entgangene Gewinne in der Zukunft. Im Gegensatz zum Investitionsrecht sehen andere Rechtssysteme in der Regel keinen Schadensersatz für völlig hypothetisch  entgangene zukünftige Gewinne vor, deshalb sind die Schiedssprüche im Streit zwischen Investoren und Staaten für die Unternehmen in jedem Fall lukrativer, weil im Ergebnis der Schadensersatz viel höher ist, als Entscheidungen ordentlicher Gerichte. Weltweit ermöglichen über 2.600 Handels- und Investitionsabkommen ausländischen Investoren einzelne Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie ihre weitreichenden Rechte in den meist tausende Seiten umfassenden Verträgen als verletzt ansehen. Dabei können Konzerne schwindelerregende Summen an Schadensersatz für angebliche Investitionseinbußen fordern, auch infolge indirekter Schäden. Die Corona-Pandemie könnte nun eine Klagewelle auslösen, weil den Regierungen unterstellt wird, dass sie auf Covid-19 mit einer Reihe von Maßnahmen, wie Reisebeschränkungen, Einschränkungen der Geschäftstätigkeit und Steuervorteile reagiert haben, die sich negativ auf die Unternehmen auswirkten, weil sie die Rentabilität verringerten, den Produktionsablauf verzögerten oder die Betriebe nicht mit staatlichen Leistungen bedacht wurden. (…) Die Einseitigkeit des Investitionsrechts wirft die Frage nach der Gültigkeit für ein paralleles Rechtssystem, das die Reichsten der Reichsten besserstellt als alle anderen in der Gesellschaft und auch nach der Rechtfertigung für so ein Sonderrecht auf. Gerade in Zeiten einer weltweiten Wirtschafts- und zusätzlich einer globalen Gesundheitskrise müssen diese Sonderrechte radikal bekämpft werden. Zumindest muss ganz schnell ein internationales Klagemoratorium geschaffen werden.“ Beitrag vom 1. Februar 2021 vom und beim gewerkschaftsforum.de externer Link
  • Verschwende nie eine gute Krise. Auch in der Corona-Pandemie machen Teile des Kapitals großen Profit – das ist kein Zufall 
    „… Was Scholz, neue Galionsfigur eines vermeintlich starken Staates, bislang an Milliarden in die Luft geschossen hat, landet indes nicht oder nur in geringen Mengen bei denen, die es wirklich brauchen. Für etliche ist die anhaltende Krise mit enormen sozialen und finanziellen Risiken verbunden. Während die allermeisten Menschen im Namen der Pandemie-Bekämpfung diese sowie neuerliche Einschränkungen dennoch mittragen, sichern sich Teile des Kapitals Milliardensummen inmitten der globalen Wirtschafts- und Gesundheitskrise. Sie machen dabei unmissverständlich eines deutlich: Vor dem Virus sind wir immer noch eine Klassengesellschaft. Im Dezember war es ein zweites Mal soweit: Die Bundesregierung wandte sich mit dem dringenden Appell an die Bevölkerung, möglichst zu Hause zu bleiben, soziale Kontakte zu reduzieren und im Homeoffice zu arbeiten. Persönliche Einschränkungen, Entbehrungen, aber auch finanzielle Risiken müssten nun in Kauf genommen werden, um das Leben vor allem älterer Menschen zu schützen. Der Staat, so die Botschaft, tut was er kann. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat die Bazooka noch im Anschlag. Was Scholz, neue Galionsfigur eines vermeintlich starken Staates, bislang an Milliarden in die Luft geschossen hat, landet indes nicht oder nur in geringen Mengen bei denen, die es wirklich brauchen. Für etliche ist die anhaltende Krise mit enormen sozialen und finanziellen Risiken verbunden. Während die allermeisten Menschen im Namen der Pandemie-Bekämpfung diese sowie neuerliche Einschränkungen dennoch mittragen, sichern sich Teile des Kapitals Milliardensummen inmitten der globalen Wirtschafts- und Gesundheitskrise. Sie machen dabei unmissverständlich eines deutlich: Vor dem Virus sind wir immer noch eine Klassengesellschaft. Riding the storm: Tesla-Gründer Elon Musk etwa konnte die Pandemie bis dato wenig anhaben. Im Rennen um den Platz als reichster Mann der Welt kämpfte er sich im Corona-Jahr 2020 mit 1,5 Milliarden US-Dollar Vorsprung an Amazon-Gründer Jeff Bezos vorbei. Musks privates Nettovermögen beläuft sich nunmehr auf über 188,5 Milliarden US-Dollar und hat sich damit gegenüber 2019 mehr als versiebenfacht. Und Musk ist nicht allein. Laut dem im Oktober 2020 erschienenen jährlichen »Billionaires Report« war das Vermögen von Milliardären Ende Juli weltweit um 27,5 Prozent gegenüber der letzten Erhebung vom April 2019 gestiegen – mitten in der Pandemie ein neuer Rekord. »Riding the storm« so tauften die Verfasser*innen ihren Bericht. Denn auch aus Sicht der Superreichen startete das Corona-Jahr durchaus turbulent. Im Februar und März verlor der globale Milliardärsclub 43 seiner Mitglieder. Mit der Erholung der Aktienmärkte zeigte die Stimmungskurve für die Superreichen dann aber schnell wieder nach oben. Dank der Ausweitung der Geldmenge durch die Zentralbanken und staatlicher Wirtschaftshilfen konnten Milliardär*innen unter anderem von den »atemberaubenden Ralleys« (Welt) am Aktienmarkt profitieren. Als besonders ertragreich erwiesen sich in den folgenden Wochen die Wirtschaftssparten Technologie und – Überraschung – Gesundheit. (…) Der Zusammenhang von Krisen und Profiten ist kein Zufall, er ist in das globale Wirtschaftssystem eingeschrieben und durch Institutionen des Privatrechts auch juristisch garantiert. Katharina Pistor, Professorin an der Columbia Law School, hat die generelle Bedeutung von Rechtsnormen für die strukturelle Manifestation von Ungleichheit und den fortschreitenden Reichtumstransfer von unten nach oben in ihrem jüngsten Buch »Der Code des Kapitals« eindrucksvoll herausgearbeitet. (…) Anleger*innen setzten zunächst auf sogenannte Stay-at-Home-Aktien, tauschten diese, als der Impfstoff ins Spiel kam, gegen die mit Staatsgeldern durch die Krise gebrachten Corona-Verlierer (z.B. TUI und Lufthansa) ein, und wenden sich nun, im zweiten Lockdown, wieder den Pandemie-Gewinnern zu: Essenslieferdiensten, Onlineapotheken oder Onlineshops wie Zalando. (…) Ebenfalls bald nach Beginn der Pandemie begannen große Anwaltskanzleien, Klagen gegen staatliche Corona-Maßnahmen vorzubereiten. Warum? Weil sie es dürfen. Das geltende Recht erlaubt es ihnen. Bankautomat für Konzerne: Ausländische Investoren könnten von Staaten nun bald Schadensersatz einklagen, wenn sie vor internationalen Schiedsgerichten geltend machen können, aufgrund einer Covid-19-Maßnahme etwa gegenüber inländischer Konkurrenz benachteiligt oder um zukünftige Gewinne gebracht worden zu sein. Das Recht auf ein solches Klageverfahren vor speziellen Schiedsgerichten garantiert ein global gespanntes Netz aus etwa 3.000 Investitions- oder Handelsabkommen, die spezielle Investitionsschutzklauseln enthalten. (…) Das Bild von den glücklichen Krisengewinner*innen, die auf das richtige Pferd gesetzt haben, ist also nicht nur schief. Es verschleiert auch einen Grundmechanismus des internationalen Finanzsystems, dass nämlich immer dieselben Menschen die Kosten tragen, während die anderen auch von der nächsten Krise profitieren werden. Mehrere NGOs forderten vor dem Hintergrund der massiven Werbeoffensive großer Anwaltskanzleien ein Moratorium von bereits laufenden Verfahren sowie ein Verbot von Klagen, die sich auf Corona-Maßnahmen beziehen. Ohne Erfolg. (…) Von den tatsächlich eingereichten Klagen bezieht sich bislang noch keine explizit auf Corona-Maßnahmen. »Kanzleien machen aber weiter fleißig Werbung dafür«, so Pia Eberhardt. Auch während anderer Krisen wie der argentinischen Wirtschaftskrise Anfang des Jahrtausends und den Arabischen Revolutionen habe es Monate bis Jahre gedauert bis Klagen eingereicht bzw. öffentlich wurden. »Alle Expert*innen gehen davon aus, dass es zu Investorenklagen gegen Corona-Schutzmaßnahmen kommen wird.« Das System der privaten Schiedsgerichte hat sich somit für finanzkräftige Investoren nicht nur zu einem eigenständigen Geschäftsfeld entwickelt, es verleiht ihnen auch enorme Einflussmöglichkeiten auf staatliche Politiken. (…) Die Corona-Krise ist also nur das aktuellste Beispiel dafür, dass mächtige Fraktionen des Kapitals immer Wege finden, Profit aus der Krise anderer zu schlagen, und sich dabei nicht selten selbst als Krisentreiber – etwa der Klimakrise – betätigen….“ Artikel von Guido Speckmann und Lene Kempe vom 19. Januar 2021 im ak 667 externer Link
  • Oberster Kapital-Vertreter fordert Kürzungspolitik mit Abflauen der Pandemie
    „Wer soll für die Corona-Rettungspakete bezahlen? Geht es nach der Kapital-Seite, sind das die Bevölkerung und nicht die Profiteure der Krise. So fordert der neue „Arbeitgeberpräsident“ Rainer Dulger, dass die staatliche Fürsorge nachlasse sobald sich die Pandemielage verbessere. Es brauche eine „Ausgaben-Diät“. Der oberste Kapitalvertreter Deutschlands, Rainer Dulger, hat den Staat aufgefordert, mit abflauen der Pandemie die „Schuldenbremse“ wieder in Kraft zu setzen. Sobald sich die Pandemielage verbessere, müsse auch die staatliche Fürsorge nachlassen sagte Dulger der Nachrichtenagentur dpa. So soll es bald eine „Ausgaben-Diät“ nach den massiven Hilfen in der Corona-Pandemie geben. „Es gilt nun, die konsumtiven Ausgaben auf Diät zu setzen um Freiräume für Zukunftsinvestitionen zu haben.“, so Dulger. Unter „komsumtive Ausgaben“ fallen beispielsweise staatliche Investitionen in Bildung und Straßenbau, aber auch in Form von kurzfristigen Unterstützungen wie einem Corona-Bonus für Pflegekräfte. Diese sollen zurückgefahren werden. Unter „Freiräume für Zukunftsinvestitionen“ sind dagegen meist Senkungen der Unternehmenssteuer sowie Flexibilisierung von Arbeitsgesetzen zu verstehen. Dem gegenüber warnte hingegen der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Reiner Hoffmann: „Wer jetzt den Gürtel enger schnallen will, der verspielt unsere Zukunftsfähigkeit.“ Nötig seien Investitionen in Milliardenhöhe. „Die digitale Infrastruktur in Deutschland hat in manchen Regionen den Status eines Entwicklungslandes. Das ist unerträglich.“ Doch wer dies bezahlen soll wird von Hoffmann nicht thematisiert. Damit bleibt er bei der Forderung höherer Schuldenaufnahme durch den Staat – was letztlich durch die zukünftigen Steuern der neuen Arbeiter:innen-Generation bezahlt werden muss. Dabei stieg das Nettovermögen der Ultrareichen in Deutschland nach einem Einbruch zu Beginn der Corona-Pandemie bis Ende Juli auf 594,9 Milliarden Dollar. Bei der letzten Untersuchung (Stichtag März 2019) waren es noch 500,9 Milliarden Dollar. Der Club der Superreichen wuchs seitdem von 114 auf 119 Mitglieder.“ Beitrag vom 28. Dezember 2020 von und bei der Perspektive online externer Link
  • Champagner-Politik für alle! Wie Reichtum und Macht in der Corona-Krise vermehrt werden 
    Wir stecken am Jahreswechsel 2020/2021 immer noch inmitten der schwersten sozialen, gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Welt-Bruttoinlandsprodukt sank 2020 um mehr als fünf Prozent. In wichtigen Industrieländern wie Frankreich, Italien und Spanien liegt der Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei zehn und mehr Prozent. Hätte es in China nicht ein bescheidenes BIP-Wachstum in Höhe von anderthalb Prozent – und damit ein erneutes Abstützen der westlichen Ökonomien durch fortgesetzten Export in die VR China – gegeben, wäre der Absturz noch dramatischer ausgefallen. Vergleichbare Einbrüche – oder, im Fall der VR China: einen vergleichbaren Rückgang der BIP-Wachstumsrate – gab es auch in der Weltwirtschaftskrise 2007-2009 nicht. Doch diese Krise ist bislang und im Gegensatz zur vorausgegangenen vor zwölf Jahren von zwei Besonderheiten gekennzeichnet: erstens einem Verharren der Aktienkurse auf hohem Niveau, verbunden mit einem weiteren Anstieg der Immobilienpreise. Und zweitens einem nochmals beschleunigten Reicher-Werden der Reichen und Vermögenden. (…) Es liegt im Bereich der Spekulation, ob es 2021 bei dieser fragilen Kluft zwischen einer krisenhaften Realwirtschaft und einem stabilem Finanzsektor bleibt oder ob es doch zu einem Finanzcrash kommt. Es ist kaum vorstellbar, dass das aktuelle Modell der Weltwirtschaft mit diesem unglaublichen Pampern der großen Unternehmen, Banken und Reichen durch Staatsschulden und Steuergelder stabil bleibt. Zumal diese Krise zu einer enormen Umstrukturierung der weltweiten Kräfteverhältnisse führen wird, mit einem nochmals schnelleren Aufstieg der Wirtschaftsmacht China und einem auch unter US-Präsident Biden verstärkten Handelskrieg – die massive fortgesetzte Aufrüstung gegen die VR China inbegriffen. Der gewaltige individuelle Reichtum dient natürlich nicht primär dem privaten Luxus dieser Personengruppe. Mit ihm werden insbesondere die Kapitalsammelstellen gespeist, die damit ihre Macht in der Realwirtschaft – das Hineinwirken in Konzerne und Banken – ausbauen. Es entwickelt sich eine informelle Weltregierung dieser Geldverwalter mit Elementen einer wirtschaftlichen Kommandozentrale. (…) Dabei macht das in Luxus angelegte Kapital durchaus streckenweise das, was auf Weltebene gegen die Krisenfolgen getan werden müsste. Als im Sommer 2020 aufgrund des Nachfrageeinbruchs im Champagnermarkt eine Strukturkrise drohte, einigten sich Winzer und Produzenten, letztere angeführt von Moët Hennessy, auf eine Senkung der Erntemenge um 20 Prozent. In der gesamten französischen Luxusbranche (LVMH, L´Oréal, Hermès, Chanel) werden im Krisenjahr 2020 die Arbeitsplätze garantiert und die Kurzarbeit-Gelder auf 100 Prozent aufgestockt. Ferrari bietet für seine Beschäftigten und die Bevölkerung am italienischen Produktionsort Maranello kostenlose, regelmäßige COVID-19-Tests. Doch all das erfolgt natürlich nur zum eigenen Nutzen und Frommen, sprich: mit dem Ziel der langfristigen Profitgarantie. Eine langfristige Garantie zum Überleben der Menschheit gibt es nur jenseits der bestehenden Wirtschaftsordnung…“ Artikel von Winfried Wolf aus der Lunapark21 externer Link Heft 52: Systemrelevante Ausbeutung
  • Sterben für den Standort: Im aktuellen Lockdown gibt es zwar diverse Stoppschilder im Privaten – aber weitgehend freie Fahrt für große Teile der Wirtschaft 
    „Im Sommer waren Hochzeiten, illegale Open-Air-Partys und abendliches Biertrinken vor Kiosken das, was in der Vorweihnachtszeit zunächst das öffentliche Glühweintrinken und nun die Gestaltung der Weihnachtsfeiertage ist. Folgt man den Prämissen der Debatte im Umgang mit der Pandemie, geht es vor allem um individuelles Verhalten. Jeder Einzelne entscheide durch sein Handeln über Leben und Tod. Den »Charaktertest für die Gesellschaft«, von dem vor einigen Wochen Gesundheitsminister Jens Spahn sprach, haben wir nicht bestanden: In Deutschland sterben gerade mehr denn je an einer Covid-19-Infektion. Weite Teile der Wirtschaft brauchten bisher keine Prüfung ablegen. Zwar wurden Kulturbetriebe und Gastronomie schnell heruntergefahren, der Einzelhandel folgte, als keine andere Wahl blieb. Ansonsten sehen sich am Standort Deutschland Unternehmen und Konzerne allenfalls mit freundlichen Appellen seitens der Politik konfrontiert. So baten Angela Merkel, Olaf Scholz und Markus Söder bei ihrer Pressekonferenz Mitte Dezember unisono die »Arbeitgeber«, wenigstens für ein paar Tage Home Office zu ermöglichen. Während das Privatleben inzwischen streng reglementiert ist, gibt es keine Verordnungen oder gar Schließungen bei den für das deutsche Exportmodell systemrelevanten Konzernen. In diesem angeblich harten Lockdown werden sich auch weiterhin Menschen Arsch an Arsch in vollen Bussen und Bahnen auf den Weg zur Arbeit begegnen, wird weiterhin Nase an Nase gemeinsam Pause gemacht, werden weiterhin Pakete gepickt, gepackt und zugestellt. Der aktuelle Lockdown setzt damit im Kern die bewährten Verkehrsregeln der vergangenen Monate fort: Diverse Stoppschilder im Privaten – und weitgehend freie Fahrt für große Teile der Wirtschaft. (…) Seit Wochen wird beinahe täglich ein neuer Rekord bei den Corona-Todeszahlen in Deutschland verkündet. Aktuell meldet das Robert Koch Institut, dass allein am Donnerstag 813 Menschen verstorben sind. Diese Toten werden zugunsten der Interessen des Kapitals in Kauf genommen. Die täglich aufs Neue erschreckenden Zahlen sind Ausdruck eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, das den Profit über das Leben stellt…“ Beitrag von Sebastian Friedrich bei neues Deutschland vom 18. Dezember 2020 externer Link
  • Selbstbedienung für Steuertrickser: Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds verteilt Coronahilfen in Milliardenhöhe an Unternehmen mit fragwürdigen Geschäftsmodellen. Es ist Zeit für einen Transformationsfonds 
    „Die Freigiebigkeit, mit der Deutschland in den letzten Monaten Steuergelder an große Unternehmen verteilt, weckt Erinnerungen an die Finanzmarktkrise. Es werden wieder Milliarden aus dem Staatshaushalt an Unternehmen mit fragwürdigen Geschäftsmodellen gegeben. Wie in der Finanzkrise profitieren davon Investoren und Banken. Stattdessen sollten wir unsere Steuergelder nur zur Rettung derjenigen Unternehmen einsetzen, die einen Mehrwert für unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt bieten, andernfalls die bisherigen Geldgeber der Unternehmen zur Kasse bitten. Unter den zahlreichen Corona-Programmen für die Wirtschaft zählt der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zu dem fragwürdigsten und größten. An den WSF wenden sich Unternehmen, denen Investoren und Banken kein Geld mehr geben. Weil sie nicht glauben, dass sie es wiederbekommen. Vielleicht auch, weil vorher Umstrukturierungen notwendig wären, zu denen die Unternehmen nicht bereit sind. Die Bundesregierung hat diesen Unternehmen bereits über 10 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt – in den nächsten Monaten dürfte es noch wesentlich mehr werden. Die Zwischenbilanz der ersten vier Fälle (Lufthansa, TUI, FTI und MV-Werften) ist erschreckend. Erstens ist das Geschäftsmodell der geförderten Unternehmen nicht zukunftsfähig. (…) Zweitens haben alle geförderten Unternehmen Verbindungen zu Schattenfinanzzentren. Das ist ein Indiz dafür, dass die Unternehmen Steuersparmodelle nutzen. Es besteht keine Transparenz darüber. Die Lufthansa verschiebt laut einer Studie im Auftrag von Finanzwende sehr wahrscheinlich Gewinne in Schattenfinanzzentren. TUI lässt u.a. seine Kreuzfahrtschiffe unter maltesischer Flagge fahren. Die Eigentümer von FTI und MV-Werften schleusen ihren Gewinn überwiegend über Zwischengesellschaften in Luxemburg, Schweiz und Bermuda. Die Bundesregierung teilt Steuergelder an Unternehmen aus, die selbst wenig Steuern zahlen. (…) Drittens sind die Unternehmen in Branchen tätig, die für die Umwelt besonders schädlich sind. (…) Viertens hat Deutschland mit den Steuergeldern Investitionen von Milliardären und Kredite von Banken gerettet. (…) Der Staat muss eine klare Idee haben, was er bis wann mit seiner Investition erreichen will und wie dies zu den Zielen unserer Gesellschaft passt. Einerseits Klimaziele zu proklamieren und eine Nachhaltigkeitsstrategie zu beschließen, andererseits aber als (Mit-)Eigentümer von Unternehmen sich überhaupt nicht daran zu orientieren, ist inkonsistent, ist schlechte Politik.“ Gastbeitrag von Gerhard Schick vom 12. Dezember 2020 beim Freitag online externer Link
  • Sorgenfreie Aktionäre: Dax-Konzerne zahlen trotz Gewinneinbrüchen satte Dividenden. Krisenkosten werden an Beschäftigte weitergereicht 
    „Trotz dramatischer Wirtschaftseinbrüche dürfen sich die Aktionäre der 30 im Deutschen Aktienindex (Dax) notierten Unternehmen über stabile Dividenden freuen. Rund die Hälfte von ihnen wird die Auszahlungen pro Aktie an die Eigentümer sogar erhöhen. Das ergab eine Analyse, die das Handelsblatt in seiner Wochenendausgabe veröffentlichte. (…) Klar ist schon jetzt: Da Umsätze und Gewinne eingebrochen sind, fehlt die Knete an allen Ecken und Enden. Üppige Ausschüttungen sind daher verpönt, in einigen Ländern auch vorübergehend verboten oder strikt reguliert. Nicht so in der BRD: Wenn das Handelsblatt recht behält, steht einem 55prozentigen Gewinnrückgang der Dax-Unternehmen im Jahr 2020 lediglich ein Dividendenrückgang von durchschnittlich sieben Prozent gegenüber. Das würde bedeuten, dass die Konzernspitzen im Frühjahr rund 80 Prozent ihrer Nettogewinne aus 2020 an die Aktionäre ausschütten. Für Investitionen, den Aufbau von Sicherheitspolstern für den Fall einer länger anhaltenden oder sich verschärfenden Krise und Personalkosten bleibt da nicht viel übrig. Doch dem Wohl der Aktionäre ist auch der Staat verpflichtet, der hierzulande keinen Widerspruch zwischen großzügigen Ausschüttungen und Beihilfen aus der Steuerkasse beziehungsweise Lohnsubventionen via Kurzarbeitergeld sieht. Die satteste Dividendenentwicklung gibt es der Analyse zufolge bei dem privaten Krankenhausbetreiber Fresenius sowie dessen ebenfalls im Dax gelisteten Tochterunternehmen Fresenius Medical Care. Beiden geht es in Pandemiezeiten prima. (…) Ähnlich entspannt läuft das Coronajahr 2020 für die Anteilseigner von Unternehmen wie SAP, RWE oder Deutsche Post, deren Geschäft kaum von der Krise beeinträchtigt wird. Laut Handelsblatt sind hier keine Kürzungen bei den Dividenden zu erwarten. (…) Insgesamt versteht es das Kapital aber offensichtlich sehr gut, die Krisenkosten auf die Beschäftigten bzw. den Staat abzuwälzen und die Aktionäre zu schonen. Auf politische Schützenhilfe kann man sich in den Etagen des Topmanagements weiterhin verlassen.“ Artikel von Steffen Stierle in der jungen Welt vom 7. Dezember 2020 externer Link
  • Wirtschaft als Waffe: Berlin und Brüssel planen Schaffung neuer Instrumente zur Führung von Wirtschaftskriegen
    „Mit der Publikation eines detaillierten Strategiepapiers bereiten Berlin und Brüssel die Schaffung eines breiten Instrumentariums zur Führung von Wirtschaftskriegen vor. Anlass sind nicht zuletzt US-Sanktionen, von denen Deutschland und die EU direkt oder indirekt getroffen werden und die Unternehmen aus der Union erheblich schaden. Man wolle sich in Zukunft mit ganzer Kraft gegen sie zur Wehr setzen können, heißt es: „Wir müssen alle Folterwerkzeuge auf den Tisch legen“, wird der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, zitiert. Das Strategiepapier, das vom European Council on Foreign Relations (ECFR), einer Polit-Denkfabrik mit Hauptsitz in Berlin, unter Mitwirkung des Auswärtigen Amts erstellt worden ist, schlägt unter anderem die Ernennung eines EU-Sonderbeauftragten für wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen und gezielte Gegensanktionen gegen ausländische Personen oder Branchen vor. Es wird publiziert, während der Sanktionskampf um Nord Stream in die nächste Runde geht – mit einer Verschärfung der US-Sanktionen. (…) Das ECFR-Strategiepapier soll jetzt in den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten wie auch in den EU-Gremien diskutiert werden. In Brüssel werde es, so heißt es, vermutlich auf Zustimmung stoßen, denn dort würden vergleichbare Überlegungen angestellt. Valdis Dombrovskis, Kommissar für Handel, wird mit der einschlägigen Aussage zitiert: „Wir arbeiten derzeit an der Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit und prüfen verschiedene Optionen“. Bericht von und bei German-Foreign-Policy.com vom 22. Oktober 2020 externer Link
  • Demokratie – COVID-19 – Verwertungskrise 
    „Lockdown und Ausgangssperren, Ausnahmezustand und Tracing-Apps, Zwangstestungen und Quarantänen, Serienanhaltungen und Maskenpflicht, Kurzarbeit und Massenarbeitslosigkeit, Konkurswellen und erweiterte Armutsfallen: die COVID-19-Katastrophe hat die chronifizierte Krise der Kapitalverwertung mit sinkenden Profit- und mediokren Wachstumsraten eskalieren lassen. Der öffentliche Raum wurde entleert, Medien in Verkündungsmaschinen politischen Dienstklasse verwandelt, sozialmedizinische Expertise politisch instrumentalisiert. Nachdem das lange angekündigte „next big thing“ der Zoonosen bedingt durch die globalisierte Mobilität auf die Folgen jahrzehntelanger marktfundamentalistischer Austerität im Gesundheitswesen Realität geworden war wurde der gesundheits-, sicherheits- und sozialpolitische Ausnahmezustand ausgerufen. Die Politik der Bewältigung von SARS-CoV-2 ist aber nicht nur eine Politik des Gesundheitsnotstands, sondern eine Generalprobe. Nämlich für die Ordnungspolitik der Klimakatastrophe unter Bedingungen einer chronifizierten Wachstumskrise. In dieser wird es um die rigide Kontrolle räumlicher und sozialer Mobilität sowie die Zuteilung (extrem) knapper Ressourcen und Gesundheitschancen gehen. Ihr Gegenstand wird auch die Schließung und Privatisierung des öffentlichen Raums, die Überwachung von Dissens und Opposition sein. All dies findet unter Bedingungen sinkender Profitraten, zunehmender Prekarität und intensivierter Verteilungskonflikte statt. 2020 war das Jahr mit dem größten Umverteilungsvolumen ´von unten nach oben` seit 1945. Noch nie sind die Reichen so schnell noch reicher geworden. Über die Armen an der Peripherie redet ohnehin keiner mehr. Die hiesigen Arbeitslosenzahlen des Winters 2020/2021 indes werden die Halbmillionengrenze überschreiten. So wird aus der Pandemie des Virus eine Epidemie der Armut. (…) COVID-19 hat nicht nur die Vielfachkrise des Kapitalismus zugespitzt. Es hat zugleich auch die autoritäre Dimension rechtspopulistisch-rechtsextremer Politik erweitert. (…) Der als Generalprobe inszenierte Ausnahmezustand wird insbesondere absehbar zu einer Neuordnung der Kräfteverhältnisse zwischen Arbeit und Kapital führen. (…) Im Ergebnis erweist sich die Politik in Zeiten der COVID-19-Katastrophe mithin als Versuchslabor. Sie muss als Generalprobe für einen autoritären Modus verstanden werden, die Kapitalverwertung unter ökonomisch, ökologisch und salutogenetisch prekarisierten Bedingungen aufrecht zu erhalten. Und hier stimmt der Kurz´e Satz: „Koste es was es wolle.“ Beitrag von Nikolaus Dimmel vom 20. Oktober 2020 bei non.copyriot externer Link
  • Coronakrise, Phase III: Die globale Konjunktur schwächt sich schon wieder ab. Die großen Machtblöcke begeben sich in einen Subventionswettlauf zur Sicherung der Zukunftsmärkte 
    „… Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie wird es kein Zurück zur Normalität geben. Die Weltwirtschaft bleibt angeschlagen, der Ausblick nebelhaft. Die großen Wirtschaftsmächte bereiten sich daher auf eine verschärfte Konkurrenz um Anteile am Weltmarkt vor. Mit gigantischen Subventionen versuchen sie, die Märkte der Zukunft zu besetzen. Trotz staatlicher Finanzspritzen über weltweit rund zwölf Billionen Dollar lässt die globale Konjunktur bereits wieder nach. Auch in Deutschland »verliert die Erholung an Fahrt«, stellt Stefan Kooths vom Wirtschaftsforschungsinstitut IfW fest. Belastend wirkt das Wiederaufflammen der Pandemie (…) In dieser Situation mobilisieren die Weltwirtschaftsmächte – allen voran die USA, die EU und China – ihre überlegene Kreditwürdigkeit, um in die Wachstumsfelder der Zukunft zu investieren: Datenverarbeitung, Künstliche Intelligenz, Elektromobilität, 5G-Mobilfunk, Digitalisierung der Industrie. Da sich die Unternehmen angesichts der Unsicherheit mit Investitionen zurückhalten, springen die Regierungen ein. Mittlerweile liefern sie sich einen Subventionswettlauf mit dem Ziel, die »technologische Führerschaft« zu erlangen oder die »technologische Dominanz« der Konkurrenten zu brechen. Die US-Regierung versucht mit Staatsgeld, Zöllen und Sanktionen, die Vorherrschaft der US-Internetindustrie zu sichern. China hingegen wird seinen 14. Fünf-Jahres-Plan auf die Förderung von Hightech-Branchen konzentrieren. n dieses Rennen ist auch die EU eingestiegen. (…) Aus europäischer Sicht ist dabei das Ziel, die eigenen Potenzen zu schützen, gleichbedeutend damit, die Konkurrenz abzuhängen. »Die EU zielt auf eine führende Rolle in der digitalen Ökonomie«, erklärt die Deutsche Bank. Dafür müssen die EU-Mitglieder kooperieren. Denn jeder einzelne Mitgliedsstaat sei für sich zu klein, um mit den Investitionsvolumina der USA und Chinas mitzuhalten. »Wenn es um Innovation und technologische Führerschaft geht, dann sind Größe und Marktanteile entscheidende Faktoren.« Die EU-Kommission hat daher ein riesiges Finanzpaket von 2,4 Billionen Euro geschnürt, um europäische Firmen über die Krise zu retten. Mit den Milliarden sollen weltmarktfähige europäische Unternehmen aufgebaut, industrielle Kerne gefördert und die technische Infrastruktur für die Zukunftsmärkte hergerichtet werden. Der Green Deal hat dabei die Aufgabe, Europas »Führungsrolle in grüner Technologie zu stützen«, erklärt die Deutsche Bank…“ Artikel von Stephan Kaufmann vom 17.10.2020 im ND online externer Link
  • Kapital will Krise nutzen: EU-Kommission gibt Mitgliedstaaten »Tips« zur Durchsetzung neoliberaler Reformen 
    „Krisen gelten gemeinhin als Momente, in denen weitreichende Veränderungen möglich sind, und somit auch als Chance. Meist ist es jedoch das Kapital, das in Zeiten drastischer Wirtschaftseinbrüche über die Kraft verfügt, die Spielregeln zu seinen Gunsten zu verändern. Zuletzt war das während der Euro-Krise zwischen 2010 und 2015 eindrucksvoll zu beobachten, als die sogenannte Troika in Pleitestaaten wie Griechenland und Portugal wütete. Im Zuge der Coronapandemie gibt die EU ihren Mitgliedstaaten bereits Tips, wie sich die Gelegenheit am besten nutzen lässt, um der Bevölkerung neue Zumutungen aufzuzwingen – und erläutert, wie Brüssel dabei helfen kann, neoliberale Reformen durchzusetzen. (…) Besonders cleveren Reformpolitikern gibt die Kommission den Tip mit auf den Weg, die unmittelbar Betroffenen – und deshalb gut Organisierten – zu schonen, beispielsweise durch einen vorrübergehenden Mechanismus des finanziellen Ausgleichs oder dadurch, dass die Maßnahmen erst nach und nach in Kraft treten. Oder aber man versteckt die unliebsamen Maßnahmen in einem größeren Reformpaket. Das habe beispielsweise bei der Arbeitsmarktreform in den Jahren 2014 und 2015 in Italien gut funktioniert. Hilfreich sei zudem natürlich auch, vermeintlich unabhängige Wissenschaftler einzusetzen, die permanent erklären, wie wichtig und vernünftig die Umsetzung der jeweiligen Regierungspläne ist. So habe etwa Estland gute Erfahrungen damit gemacht, Arbeitsmarktliberalisierungen durch »Expertisen« der eigenen Zentralbank zu legitimieren. Soweit einige Beispiele. Das Papier enthält aber noch zahlreiche weitere Tips zum undemokratischen Reformieren. (…) Doch damit nicht genug: Brüssel will den Reformern in den Mitgliedstaaten auch ganz praktisch »unter die Arme greifen«. Deshalb werde man den 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds »eng an den Leitlinien des Europäischen Semesters« ausrichten, in denen die Behörde den Mitgliedstaaten Jahr für Jahr neoliberale Reformempfehlungen mit auf den Weg gibt. In der Regel ist deren Umsetzung freiwillig, doch wenn Geld für den Wiederaufbau fließt, sollen sie verbindlich werden. So biete »die wirtschaftspolitische Steuerung aus Brüssel einen Rahmen für die Priorisierung von Reformmaßnahmen«. Kürzungswillige Politiker können daher von dem »starken Link zwischen Investitionen und Reformen« profitieren, der mit dem Wiederaufbaufonds gemacht wird, heißt es in der Handreichung an die Euro-Finanzminister. Der Fonds könne den Regierungen somit helfen, »Hindernisse zu überwinden«. Die Strategie des Apparats ist klar: In der Krise muss viel Geld ausgegeben werden, damit das fragile Konstrukt EU nicht zerbricht. Anschließend aber soll möglichst schnell zur neoliberalen Kahlschlagpolitik der vergangenen Jahre zurückgekehrt werden. Der Pfad dorthin ist in den Maßnahmen zur Bewältigung der Krise bereits angelegt. Die Einhaltung demokratischer Standards ist weiterhin kein Kriterium.“ Artikel von Steffen Stierle in der jungen Welt vom 17. September 2020 externer Link
  • Lufthansa kein Einzelfall: Fast 60 Konzerne in Deutschland wollen Staatshilfen in Anspruch nehmen. Subventionen für Monopole zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit 
    Wenn sogar FDP-Chef Christian Lindner von der »Stunde des Staates« spricht, muss die Lage ernst sein. Dass mächtige deutsche Kapitalfraktionen angesichts des Wirtschaftseinbruchs ernsthaft besorgt sind, bestätigt auch eine Antwort aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) an die Bundestagsabgeordnete Katharina Dröge (Grüne) vom 6. August, die jW vorliegt. Dem Schreiben ist zu entnehmen, dass nach der Lufthansa-Rettung bereits »knapp 60 Unternehmen Interessenbekundungen« an Mitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) angemeldet haben. 14 davon wollen gerne teilverstaatlicht werden. Insgesamt stehen mit dem Ende März aufgelegten WSF bis zu 600 Milliarden Euro bereit, um insbesondere für die mächtigsten Kapitalfraktionen die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie abzufedern und das System über die Krise am Laufen zu halten. So wurde der dickste Batzen des beschlossenen Geldes ausdrücklich für die Rettung von Großkonzernen reserviert. Für direkte Beteiligungen sind in dem Paket 100 Milliarden vorgesehen. Darüber hinaus will die Regierung mit »Garantien des Bundes zur Absicherung von Krediten, einschließlich Kreditlinien, und Kapitalmarktprodukten im Fremdkapitalbereich« helfen, wie es beim BMWi heißt. (…) Auch die meisten weiteren Interessenten, die nun um die Staatsmilliarden buhlen, wollen den Steuerzahler offenbar möglichst aus der Geschäftspolitik raushalten. Teilverstaatlicht werden wollen schließlich die wenigsten. Garantien und Schnäppchenkredite sind bequemer. (…) Die Ausgestaltung der Lufthansa-Rettung hatte bereits gezeigt, dass der Staat es nicht darauf anlegt, Beschäftigungsgarantien oder höhere Umweltauflagen durchzusetzen. Im Gegenteil: Die Staatsknete soll vor allem genutzt werden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und so mittelfristig in die Lage zu kommen, ausländische Konkurrenz zu verdrängen und sich weitere Marktanteile einzuverleiben…“ Artikel von Steffen Stierle in der jungen Welt vom 12.08.2020 externer Link, siehe auch:

    • Nach der Lufthansa-Rettung: 14 Unternehmen wollen Kapital vom Staat
      Nach der Teilverstaatlichung der Lufthansa prüft die Bundesregierung, sich an zahlreichen weiteren Unternehmen zu beteiligen. „14 Unternehmen haben bereits ausdrücklich Bedarf an einer Rekapitalisierung angezeigt“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Ulrich Nußbaum auf eine schriftliche Frage der Grünen-Politikerin Katharina Dröge nach einem Bericht des „Handelsblatt“. Bei der „weit überwiegenden Anzahl der Unternehmen“ stehe die Prüfung demnach am Anfang, fügte Nußbaum hinzu. Es ließen sich daher „zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine belastbaren Aussagen über die Art etwaiger Stabilisierungsmaßnahmen treffen“. Dass auf die Lufthansa weitere Unternehmen folgen, hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unlängst im Interview mit der F.A.Z. wiederum schon angedeutet. Auf die Frage, wie viele Unternehmen der Bund in den kommenden Monaten ähnlich wie die Lufthansa unterstützen müsse, antwortete er: „Wir reden wahrscheinlich über einige Dutzend Fälle.“…“ Agenturmeldung vom 11.08.2020 in der FAZ online externer Link
  • [Gewerkschaften aufgepasst] Reiche brauchen jetzt Geduld – Studie: Globale Coronapandemie bremst rapides Wachstum von Privatvermögen 
    „Vorsicht, liebe Krankenpflegerinnen und Busfahrer: Der Zuwachs der Privatvermögen könnte wegen der Coronakrise einen deutlichen Dämpfer bekommen, hat die bekannte Unternehmensberatung »Boston Consulting Group« (BCG) herausgefunden. In einer am Donnerstag veröffentlichten Studie korrigierten die Erbsenzähler des globalen Geldreichtums die Vorjahresprognose von 5,7 Prozent jährlichem Wachstum für die kommenden fünf Jahre auf 1,4 bis 4,5 Prozent nach unten. »Wir gehen für die nächsten fünf Jahre von einer zukünftigen Wachstumsrate aus, die im Schnitt halb so hoch ist wie 2019«, sagte Autorin Anna Zakrzewski bei der Vorstellung der Untersuchung, schrieb die Nachrichtenagentur dpa in einem Bericht vom selben Tage. Vor Beginn der aktuellen Krise hatte es im weltweiten Reroduktionsprozess sehr starke Akkumulationseffekte gegeben: Von 2018 auf 2019 war das Privatvermögen um Währungsschwankungen bereinigt um satte zehn Prozent auf rund 226 Billionen US-Dollar (etwa 201 Billionen Euro) gestiegen. 2019 sei damit das stärkste Jahr seit 2009 gewesen, zitierte dpa Zakrzewski. Die gute Nachricht fürs Volk hier: Deutschland liegt der Studie zufolge mit Privatvermögen von insgesamt 7,7 Billionen US-Dollar (rund 6,9 Billionen, also 6.900 Milliarden, Euro) weltweit weiterhin auf Platz fünf. Nur verfügen leider weder Krankenschwestern noch Busfahrer über bedeutende Anteile an diesem Reichtum. (…) Weltweit hat sich die Anzahl der Millionäre in den vergangenen 20 Jahren fast verdreifacht, so die BCG-Studienautoren lapidar. (…) Mit 2.400 Personen, die über materielle Werte von umgerechnet mehr als 100 Millionen Dollar verfügen, stellt die BRD nach den USA und China dem Bericht zufolge die dritthöchste Zahl von extrem Reichen in einem Land. Und wie toll die Aneignung und die Umverteilung von unten nach oben auch weiterhin funktioniert, macht ein Vergleich besonders deutlich: Insgesamt verfügten laut Studie Millionäre und Milliardäre über mehr als die Hälfte des weltweiten Vermögens.“ Artikel von Klaus Fischer in der jungen Welt vom 19. Juni 2020 externer Link
  • Freigeld für alle, die es sich leisten können
    „Kaum etwas verdeutlicht die Hackordnung in spätkapitalistischen Gesellschaften so deutlich wie die Prioritätensetzung bei den historisch beispiellosen Hilfs- und Konjunkturprogrammen, die angesichts der Corona-Krise aufgelegt oder zumindest angekündigt worden sind. Da soll noch mal jemand behaupten, der Kapitalismus sei auf seine alten Tage innovationsmüde geworden. Mit Ausbruch der Corona-Krise, deren Folgen die Bundesregierung nun mit einem Konjunkturpaket zu mildern sucht, entwickelten findige Betrüger in Windeseile neue Maschen, um Gelder bei all jenen Menschen abzugreifen, die wirtschaftlich unter Druck gerieten und Soforthilfen für Selbstständige erhielten. (…) Solche findigen Gauner sind allerdings nur die kleinen Fische beim großen Absahnen im Gefolge der billionenschweren Krisenpakete, die in den Zentren des Weltsystems in Windeseile geschnürt werden, um den im Gefolge des aktuellen Krisenschubs drohenden Wirtschafkollaps buchstäblich um jeden Preis zu verhindern. Wenn man sich in der richtigen gesellschaftlichen Position befindet, scheint es nun so, als ob Manna vom Himmel fallen würde. Es ist ein warmer Geldregen, der aber nur für all jene niedergeht, die ihn sich auch leisten können. (…) Wer könne Unternehmen besser darüber beraten, wie man schwere Zeiten übersteht, als Unternehmensberater? (…) Das sogenannte „Programm zur Förderung unternehmerischen Know Hows“ des Wirtschaftsministeriums hat folglich zu einem stürmischen Konjunkturaufschwung in der Beraterbrache geführt. (…) Noch lockerer handhabt der Staat aber die Vergabe von Hilfsgeldern und Krediten bei Großunternehmen – also in Größenordnungen, wo 4.000 Euro nicht mal mehr als „Peanuts“ wahrgenommen werden. (…) Eine unter den für die Geldvergabe verantwortlichen Verwaltungen durchgeführte Umfrage ergab, dass in der Bundesrepublik Antragssteller kaum darauf durchleuchtet würden, ob sie in der Vergangenheit Steuertricks anwandten. (…) Werden aus den Millionen erstmal Milliarden, so ist nahezu alles möglich. The sky is the limit. Mitte Mai konnte sich eine der reichsten Milliardärsfamilien der Bundesrepublik, die BMW-Großaktionäre und Erben der Quandt-Familie, über eine Dividendenausschüttung von vielen Millionen Euro freuen – mitten in einer schweren Systemkrise. (…) Doch zugleich stellt dieses Vorgehen des bajuwarischen Autobauers einen direkten Affront gegen Finanzminister Olaf Scholz dar. Um sich gegen den Vorwurf der Verschwendung von Steuergeldern zu wehren, hatte dieser Ende April erklärt, dass „Nothilfen“ für Deutschlands Konzerne nur unter „strengen Auflagen“ gezahlt würden. (…) Dabei hat nicht nur BMW mit seiner milliardenschweren Dividendenausschüttung den Finanzminister in die Schranken verwiesen. Ausschüttungen von Dividenden in Milliardenhöhe planen auch andere PKW-Produzenten und Zulieferer der Autobranche wie Continental, Daimler oder Volkswagen. (…) Da Deutschlands notleidende Auto-Oligarchie sich verbissen um Milliardenbeträge bemüht, darf der Staat auch notleidende Spekulanten nicht vergessen. (…) Kurz nach Ausbruch der Pandemie, als die Aktie der Lufthansa abschmierte, investierte Herr Thiele viel Kapital in den Kauf von Wertpapieren dieser Fluggesellschaft, sodass er mit einem Anteil von rund zehn Prozent über Nacht zu deren größtem Anteilseigner aufsteigt. (…) Ende April appellierten Verbraucherorganisationen folglich an die SPD, die zu Beginn der Corona-Pandemie gemachten Zusagen einzuhalten und die Hartz-IV-Sätze anzuheben, um die bereits gegebene Mangel- und Unterernährung insbesondere unter den Kindern von Hartz-IV-Beziehern nicht noch weiter ansteigen zu lassen. (…) All jene sozial abgehängten Menschen, die seit der Durchsetzung von Hartz-IV ihren Nachwuchs mit 4,09 Euro täglich ernähren müssen, stellt diese Situation vor ein unlösbares Problem…“ Beitrag von Thomas Konicz vom 19. Juni 2020 bei BIG Business Crime externer Link
  • Am Horizont: Die nächste Finanzkrise 
    „Es ist weitgehend bekannt, dass die Coronavirus-Pandemie für die Wirtschaft unterbrochene Lieferketten, Rekordarbeitslosigkeit, gescheiterte Kleinunternehmen und weitere Armut der Massen mit sich bringt. All diese Faktoren sind ernst zu nehmen und werden die westlichen Industrieländer in eine tiefe und lang anhaltende Rezession stürzen. Aber es gibt auch noch eine andere Bedrohung für die Wirtschaft, über die bisher wenig geschrieben wird. Sie lauert unter anderem in den Bilanzen der Großbanken, und sie könnte katastrophal für die gesamte Ökonomie sein. Es ist die Möglichkeit einer neuen Finanzkrise, denn die Banken haben aus der letzten Finanzkrise wenig gelernt, und die neuen Dekrete und Gesetze, die sie von der Übernahme zu hoher Risiken abhalten sollte, haben bis heute wenig bewirkt. Infolgedessen könnten wir am Abgrund einer weiteren Krise stehen, der sich von der Finanzkrise 2008 weniger in der Art als im Ausmaß unterscheidet. (…) Zwar haben die Banken zum Schutz vor einem Abschwung seit dem Jahr 2008 mehr Kapital vorgehalten, und ihre Bilanzen sind heute weniger fremdfinanziert als 2007, aber letztes Jahr schätzte das Financial Stability Board, dass für die 30 “globalen systemisch wichtigen Banken” das durchschnittliche Engagement bei fremdfinanzierten Krediten und CLOs etwa 60 Prozent des vorhandenen Kapitals ausmachte. Citigroup meldete zum 31. März CLOs im Wert von 20 Milliarden Dollar; JPMorgan Chase meldete 35 Milliarden Dollar. Einige mittelgroße Banken – die kalifornische Banc und Stifel Financial – verfügen über CLOs im Wert von mehr als 100 Prozent ihres Kapitals. Wenn der Markt für CLOs implodieren würde, dann könnten ihre Verbindlichkeiten schnell größer werden als ihre Vermögenswerte. (…) Im weiteren Verlauf dieses Sommers werden die Ausfälle bei fremdfinanzierten Krediten erheblich zunehmen, wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie voll zum Tragen kommen…“ Beitrag von Achim Szepanski vom 15. Juni 2020 bei non.copyriot.com externer Link
  • Die Wirtschaft der Zukunft – Hilfe für Unternehmen muss an Bedingungen geknüpft sein 
    „Dänemark macht es vor: Unternehmen, die in Steueroasen registriert sind, erhalten keinen Zugang zu öffentlichen Beihilfen. Warum nicht ein Zertifizierungssystem, das öffentliche Gelder an die Unternehmenskultur koppelt? (…) In den letzten Jahren sind Kriterien für ökologische, soziale und unternehmerische Verantwortung (Environmental, Social and Governance – ESG) Teil des üblichen Vokabulars öffentlicher als auch privater Investoren geworden. Der ESG-Ansatz ist ein System zur Bewertung von Geschäftspraktiken aus Umwelt-, Sozial- und Governance-Perspektiven. Das Ekona Center of Economic Innovation hat auf der Grundlage dieser allgemeinen Prämissen ein ESG-Zertifizierungssystem entwickelt, das auf die Realwirtschaft ausgerichtet ist. Ziel ist es, das Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen zu bewerten. Die Zertifizierung bietet eine objektive Messung eines repräsentativen Satzes von Variablen, die mit den Bereichen Umwelt, Soziales und Führung von Unternehmen verbunden sind, was einen zusammengesetzten Indikator ergibt. (…) Gerade in der Zeit vor der Covid-19-Krise nahm die Bedeutung von ESG-Kriterien rapide zu, da der Klimawandel öffentlichen Druck sowohl auf die öffentlichen Verwaltungen als auch auf den privaten Sektor ausübte. (…) Die Verwendung des Modells der ESG-Zertifizierung ermöglicht die Gestaltung eines Anreizsystems, das für eine effiziente Ressourcenallokation als auch eine korrekte Bewertung der sozialen, ökologischen und administrativen Erträge öffentlicher Investitionen notwendig ist. Die Wirksamkeit der ESG-Kriterien beruht auf den folgenden Säulen: Öffentliches Auftragswesen: Die Konjunkturprogramme werden das Potential berücksichtigen, das die Vergabepolitik für alle Verwaltungen als Motor für die Lenkung öffentlicher Investitionen und Ausgaben hat. (…) Vor-Bedingungen: Unternehmen können im Verhältnis zu ihrem relativen Grad der Verantwortung in ihren Wirtschaftssektoren, gemessen an ESG-Kriterien, als förderungswürdig angesehen werden. Eine solche Beurteilung der Eignung für öffentliche Finanzierung muss vor der Einführung der Konjunkturpläne und unabhängig davon erfolgen. (…) Kontinuierliche Zertifizierung: Es besteht die Notwendigkeit, ein harmonisiertes Verantwortlichkeits-Buchhaltungssystem einzurichten, das mit den derzeitigen Buchhaltungsmethoden interagieren oder sich sogar in diese integrieren kann. Das hier vorgeschlagene System, das auf ESG-Kriterien basiert, sieht eine periodische Zertifizierung der Unternehmen vor. (…) Institutionelle Zielgenauigkeit: Das Konjunkturprogramm braucht Tiefe und Breite, was bedeutet, dass es eine breite Ausdehnung mit einem hohen Grad an institutioneller Zielgenauigkeit braucht. (…) Ferner würde die Anwendung des ESG-Modells die Erfolgswahrscheinlichkeit der Konjunkturprogramme erheblich verbessern. (…) Dieses Modell könnte durch ergänzende Politiken, die mit den lokalen Bedürfnissen und Ressourcen übereinstimmen, angepasst und ausgebaut werden…“ Beitrag von Pablo Cotarelo und Sergi Cutillas vom 29. Mai 2020 bei Makroskop externer Link – siehe speziell zur Auto-Abwrackprämie unser Dossier: [Erklärung] “Die Autoindustrie vor und nach „Corona“: Konversion statt Rezepte von gestern!”
  • Die Krise der Minderleister – Wie schief und absurd unser Leistungsbegriff ist
    „Mitten in der Corona-Krise und der drängenden Frage, wie man die wirtschaftlichen Härten abfedern kann, kommt aus der CDU das angestaubteste und im Wortsinn asozialste Konzept aus der Mottenkiste: Nehmt denen, die ohnehin schon nicht viel haben, noch mehr weg. Konkret geht es um den Plan, die nächste Erhöhung des Mindestlohns auszusetzen oder ihn gar abzusenken. Zur Erinnerung: Das ist dieselbe Partei, die zeitgleich plant, der Autoindustrie Milliarden Euro über eine Kaufprämie zu geben. Einer Industrie, die in den letzten Jahren trotz sinkender Absätze Milliardengewinne gemacht, in der Abgasaffäre ihre Kunden betrogen hat, soll nun der Steuerzahler ein Geschenk machen und zugleich Käufern von Neuwagen (also tendenziell wohlhabenden Menschen) zu einem Schnäppchen verhelfen. (…) Faktisch werden diejenigen, die in oft harten und undankbaren Jobs reale und gesellschaftlich unverzichtbare Leistung erbringen, im Schnitt sehr schlecht bezahlt, während jenen, deren reale Leistung überschaubar bis nicht vorhanden oder sogar gesellschaftlich schädlich ist, das Geld hinterherfliegt – nur damit sie es dem Wirtschaftskreislauf entziehen können, indem sie es mit legalen, halblegalen und illegalen Steuertricks außer Landes schaffen. Oder sich gar, siehe Cum-Ex, einfach dreist ganz direkt am Steuertopf bedienen. Was sie unterm Strich nicht nur zu Minderleistern, sondern gar zu Negativleistern macht. Sie steuern nicht nur nichts zum gesellschaftlichen Leben bei, sondern sie entziehen ihm dringend benötigte Mittel, bisweilen mit tatkräftiger politischer Unterstützung. Das zu ändern wäre erstaunlich einfach. Ein paar Nachbesserungen im Steuerrecht, ein paar intensivere und ernster gemeinte Kontrollen beim Arbeitsrecht, mehr Regulierung in Branchen, die mehr Schaden als Nutzen bringen – es ließe sich mit simplen Mitteln viel bewegen. Und wer nach den kollektiven Anstrengungen der Corona-Krise noch mit einem ‚geht nicht‘ um die Ecke kommt, macht sich komplett lächerlich. Natürlich geht es. Und natürlich werden die Arbeitgeber- und Industrieverbände, die Verbände der Finanzwirtschaft jaulen und heulen und damit drohen, das Land zu verlassen. Das dürfen sie gerne tun. Dort, wo es einen echten Bedarf gibt, werden sie eine Lücke hinterlassen, die andere dankbar ausfüllen werden…“ Kommentar von Gerrit Wustmann vom 27. Mai 2020 bei Telepolis externer Link
  • [Todesrate vs Existenzsicherung] Zwischen Pest und Cholera
    „Was ist das für eine Gesellschaft, in der es bei einer Pandemie nur um die Wahl geht zwischen zwei katastrophalen Folgen? Geht die Wirtschaft wieder los, steigt die Todesrate. Geht die Wirtschaft nicht wieder los, werden Existenzen vernichtet. (…) Das sind, vorsichtig formuliert, trostlose Alternativen – zwischen Pest und Cholera sozusagen. (…) Seit dem Beginn des „Lockdowns“ Mitte März in Deutschland sind die anfänglich besorgniserregend ansteigenden Pandemie-Daten tatsächlich deutlich gesunken. Das Aussetzen von Arbeit und sozialen Kontakten hat die beabsichtigte Wirkung gezeitigt. Dumm nur, dass in einer Wirtschaft namens Kapitalismus der Stopp von gewinnbringender Herstellung verkäuflicher Waren und Dienstleistungen verheerende Folgen hat. Das angeblich beste System zur Verteilung von Gütern in der Gesellschaft droht zu kollabieren. Die Beschäftigten verlieren ihr regelmäßiges Einkommen, stehen damit von heute auf morgen mit leeren Händen da. (…) In Anbetracht dessen ist es doch nur zu verständlich, dass so bald wie möglich wieder normal gewirtschaftet wird? Doch was bedeutet „normal“? Offenbar, dass auf Geld alles gründet. (…) Wäre es da nicht eher normal, sich so lange wie medizinisch geboten auf die lebensnotwendige Produktion zu beschränken, das Gesundheitssystem hochzurüsten und ansonsten unter Einhaltung der Abstands- und Hygienenotwendigkeiten die arbeitsfreie Zeit zu genießen? Ach so, das geht nicht, ist vollkommen unrealistisch? Von welchem Geld sollen wir leben? Und wer soll denn die vielen Waren und Dienstleistungen kaufen, von denen die Unternehmen ihren Profit ziehen? Ganz zu schweigen von den prekären Wohn- und Lebensverhältnissen vieler Menschen, für die auch deshalb Zwangsfreizeit kein Spaß ist. (…) Da im Kapitalismus die gesamte Gesellschaft vom Geldverdienen abhängt, wirft das Anhalten dieser Sorte Wirtschaft sofort Existenzfragen auf. Nicht, weil die Produktionsanlagen zerstört sind oder nicht mehr funktionieren. Sondern weil der Markt zur Versilberung der Waren dramatisch geschrumpft oder sogar geschlossen ist. Es gibt daher zu wenige bis keine zahlungsfähigen Käufer. Der Druck, diesen gefährlichen Zustand aufzuheben, ist entsprechend hoch. Daraus erklärt sich die fraglose Selbstverständlichkeit in der öffentlichen Diskussion zu Lockerungen des „Lockdowns“: Natürlich müssen „wir“ so schnell wie möglich „da raus“! (…) Das Trostlose an der „Lockerungs“-Debatte: Alle haben sie recht! Die Unternehmerverbände, die eine nie dagewesene Pleitewelle befürchten. Die Gewerkschaften, die darin einstimmen, weil sie sich das Glück ihrer Mitglieder nur in der Arbeit für den Profit anderer vorstellen können. Die Epidemiologen, die vor einem Anstieg der Infektionen und Todeszahlen warnen. Die Politiker, die hin und her pendeln – zwischen wieder florierender Wirtschaft einerseits und der Sorge andererseits, dass dafür das Volk in ausreichender Zahl zur Verfügung bleibt. In erster Linie zählen dazu die Kapitalisten, ihre Beschäftigten und zahlungsfähigen Konsumenten; aber, so viel Ethik muss sein, auch die Untätigen werden berücksichtigt…“ Kommentar von Björn Hendrig vom 27. Mai 2020 bei Telepolis externer Link
  • Soli und Bonpflicht weg, kein höherer Mindestlohn: So soll Deutschland nach Vorstellungen der Union wieder auf Wachstumskurs einschwenken 
    Nach Plänen der CDU-Bundestagsfraktion soll der Solidaritätszuschlag bereits zum 1. Juli abgeschafft werden – und zwar für alle Menschen in Deutschland. Business Insider liegt der Entwurf eines 10-Punkte-Plans vor, den die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Energie verfasst hat. (…) Der CDU-Plan, der am Dienstag von der Fraktion beschlossen werden soll, umfasst weitere Vorschläge. So sollen die Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent beschränkt werden und es wird eine Unternehmenssteuerreform gefordert. Zudem soll es keine weitere Einschränkung von Werkverträgen geben, wie die Bundesregierung sie zuletzt für die Fleischbranche beschlossen hat. Um den Mittelstand zu stärken, wird in dem Papier ein Fonds vorgeschlagen, der sich an Unternehmen beteiligen und ihnen so langfristig Eigenkapital sichern soll. Außerdem gibt es Vorschläge zum Energiesektor. „Insbesondere hohe Strompreise sind Gift für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland“, heißt es in dem Papier. Daher sollen die Strompreise fallen, etwa durch eine Reform der EEG-Umlage. Auf internationaler Ebene soll Deutschland sich für mehr Freihandel einsetzen…“ Artikel von Tobias Heimbach vom 25.5.2020 im businessinsider.de externer Link
  • Kybernetische Proletarisierung: Wie in der Pandemie existierende Konflikte verschärft werden
    „… Der Techniksoziologe Simon Schaupp argumentiert, dass die Pandemie Konflikte verschärft hat, die auf die Degradierung von Arbeitnehmer*innen durch digitale Technologien zurückzuführen sind – ein Prozess, der als “kybernetische Proletarisierung” beschreibbar ist.“ Dazu Simon Schaupp im Interview von Valentin Niebler vom 14. Mai 2020 bei der Berliner Gazette online externer Link: „… Schon vor der Pandemie gab es den Plan einer „neuen Industriestrategie“, sozusagen die Fortführung von Industrie 4.0. Dabei soll die Industriestärke Deutschlands genutzt werden, um einen alternativen Digitalisierungspfad jenseits des Silicon Valley zu etablieren. Wirtschaftsminister Altmaier sagt jetzt ganz programmatisch, dass diese Umstrukturierung die Lehre aus der Pandemie sein muss. Es wird das Argument gemacht, dass diese Strategie resilienter sei und die einzige Hoffnung, eine Stagnation des Wachstums zu überwinden. Insgesamt kann man klar sagen, dass die digitale Ökonomie einer der Profiteure der Krise ist. (…) Viele Formen der Büroarbeit sind natürlich mit einem Aufschwung des Home Office verbunden. (…) Wesentlich schwerer sind jedoch Jobs betroffen, die an einen bestimmten Ort gebunden sind. Dabei ist das drastischste in der Lieferlogistik zu beobachten. Essenslieferdienste erleben einerseits einen Boom, aber sind andererseits ein Bereich, in dem die stärksten Abwertungsprozesse für Arbeiter*innen stattfinden. Das spitzt sich gerade noch einmal zu: Personen die bei Lieferdiensten arbeiten haben schlechte Schutzausrüstung und fühlen sich dadurch sehr gefährdet. Vielleicht noch schlimmer trifft es die Lagerlogistik-Sektionen der digitalen Ökonomie, insbesondere Amazon, aber auch Zalando: die Arbeit dort beinhaltet unter anderem, dass man auf relativ engem Raum mit anderen Menschen ist. Es ist immer wieder zu hören, dass in diesen Lagern das Virus ausgebrochen ist und sich viele Menschen angesteckt haben. Das hat aber auch zu massiven Konflikten rund um die Welt geführt. Besonders in den USA gibt es immer wieder Nachrichten von großen Streiks. Das ist eine der wichtigen Konsequenzen: die Gegenwehr, die in vielen Fällen auf die Abwertung resultiert. Wir hatten es bereits vorher mit einem wesentlich konflikthaften Prozess zu tun, und das verstärkt sich jetzt noch einmal. (…) Generell gibt es einen sehr engen Zusammenhang von technologischer Entwicklung und ökonomischer Krise. Ich glaube das ist ein fruchtbarer Ansatz, aus dem sich viel erklären lässt. Dabei ist meines Erachtens nach aber ein Krisenverständnis angezeigt, das nicht nur auf die Kapitallogik schaut, sondern auch auf die Reaktionsweisen von Arbeiter*innen auf die jeweiligen Restrukturierungen. Und da kann man aktuell beobachten, dass es zu Konflikten und Arbeitskämpfen kommt, auch in den neu entstandenen Bereichen der digitalen Ökonomie. Spannend wird sein, welche Formen der Konfliktkultur sich dort etablieren…“
  • Die Aasgeier des Kapitals setzen darauf, dass wir nichts unternehmen
    „Nach der Quarantäne könnte der Neoliberalismus sein Comeback feiern. Um den Profiteuren der Krise zu entkommen, müssen wir schleunigst zusammenarbeiten und kreativ werden. (…) Ohne gesellschaftliche und politische Intervention wird die Gemeinschaft nach dem Erdbeben genau so aussehen wie zuvor. Es wird sich nur etwas von der neuen Ordnung retten lassen, wenn soziale Bewegungen dafür kämpfen. Doch die Straßen sind leer, die potenziellen Demonstrantinnen und Demonstranten üben sich in Selbstisolation und versorgen ihre Kinder. (…) Wir haben eine Welt gesehen, in der der Kapitalismus zum Stillstand gekommen ist. Doch er wird wieder anlaufen. Wenn die Vereinigten Staaten wieder »aufmachen«, werden sie den alten USA sehr ähneln. Große Unternehmen werden noch größer sein und mehr als je zuvor zu dem Präsidenten halten, der sie gerettet hat. Nie dagewesene Ausgaben werden die Argumente pro Austeritätspolitik wiederbeleben. (…) Die Kirche des Neoliberalismus wird wiederaufgebaut, und das im Ausnahmezustand aufblitzende Paradies wird im Keim erstickt. Man muss den Blick nur nach oben richten, um die eigentliche Geschichte zu erkennen. Über dem Kirchturm kreisen bereits die Geier. Das Wall Street Journal prophezeit eine Reihe von Kreditausfällen, Pleiten und Umstrukturierungen. Gefährdete Unternehmen werden dabei zusehen müssen, wie ihre wertlos gewordenen Aktien von Spezialisten für sogenannte »notleidende Kredite« aufgekauft werden, besser bekannt als »Geierkapitalisten« (vulture capitalists). Sie werden die Spielräume nutzen, die ihnen Kapitel 11 des US-amerikanischen Insolvenzrechts bietet, indem sie Angestellten Sozialleistungen kürzen oder diese dem Staat aufbürden, bevor sie die Unternehmen weiterverkaufen und so Profite einfahren. (…) Die Wirtschaft liegt durch Covid-19 in Trümmern, und wir haben eine kleine Chance, sie neu zu strukturieren. Doch um den Geiern zu entkommen, müssen wir kreativ sein und zusammenarbeiten. Nach der Befreiung aus der Quarantäne, könnten wir die Überbleibsel der alten Gesellschaft nutzen, um neue Gebäude, Gärten, Spielplätze und – wenn notwendig – Barrikaden zu errichten.“ Beitrag von Quinn Slobodian in der Übersetzung von Johannes Liess bei Jacobin am 12. Mai 2020 externer Link (dieser Beitrag erschien zuerst bei The Nation)
  • Pandemiefolgen: Bürge und Büttel. In der laufenden Krise schießt der Staat viel Geld vor und rettet so dem Kapital die Kommandogewalt über die Arbeit
    „Zunächst wird sich die Expertenwelt einig: Seit Jahresbeginn breitet sich weltweit ein hochinfektiöses Virus aus, das (noch) nicht per Impfung zu neutralisieren ist und in bedenklicher Proportion tödlich wirkt, weil es bei gravierendem Krankheitsverlauf kein sicher wirksames Heilmittel gibt. Die Fachwelt überzeugt, nach und nach, die Inhaber der staatlichen Gewalt, der einzigen gesellschaftlichen Ordnungsinstanz in der freien bürgerlichen Zivilgesellschaft, von der Notwendigkeit, die Ausbreitung der Infektion durch ein Maximum an Unterbindung sozialer Kontakte über das engste Haushaltsgemeinschaftsleben hinaus zu bremsen, damit die Folgen für die Volksgesundheit beherrschbar bleiben. Das passiert dann auch; mit ziemlich einschneidenden Konsequenzen. (…) Für eine erhebliche Menge von Leuten entfällt infolge der Beschränkung ihres gewohnten Soziallebens ihr unentbehrliches Lebensmittel – nein, nicht der Zugriff auf Klopapier oder Rotwein; ein Mangel an echten Konsumartikeln tritt nicht wirklich ein: Was abgeht, ist die Gelegenheit zum Geldverdienen. (…) Der Schein, »ihr Arbeitsplatz« wäre in irgendeinem aktiven Sinn ihre Erwerbsquelle, wird mit der durch Einschränkungen des Kommerzes gebremsten Profitmacherei »ihres« Unternehmens in einem Akt zunichte und gegen sie wahr gemacht: Das Unternehmen rettet sich – einstweilen, so gut es geht – durch Entlassungen; die Entlassenen stehen unmittelbar vor dem Nichts. Und sie können nichts dagegen machen. Die Firmenwelt der Nation steht zwar ganz anders, auf Dauer aber auch nicht besser da. (…) Die kann ihrerseits ein lahmgelegtes Erwerbsleben überhaupt nicht brauchen. Weil sie von ihrem Volk lebt, muss sie dafür sorgen, dass ihr Volk auch für sie dasein und sorgen kann. Deswegen kümmert sie sich ja in so einschneidender Weise um seine Gesundheit. (…) Daneben und vor allem sorgt sich die demokratische Wirtschaftspolitik überall um die Nöte derer, die in ihren Betrieben das lohnabhängige Volk Geld verdienen lassen, um sich und ihre Geldgeber zu bereichern, und die so den Fundus an Kapitalwachstum schaffen, aus dem der Staat seinen Reichtum schöpft. (…) Im Zentrum der allgemeinen, auch der politischen Aufmerksamkeit steht fürs erste aber nicht das Geld, und auch nicht die – international beantwortete – Schuldfrage. Im Mittelpunkt steht, wie es sich für eine christlich-abendländische Zivilgesellschaft gehört, der Mensch. Und das nicht etwa primär als das am Geldverdienen gehinderte Konkurrenzsubjekt, sondern als das um seine sozialen Kontakte verkürzte soziale Wesen. (…) Dabei ist die Sache so schwierig nicht. Was derzeit manche Patienten nicht überleben und was rückblickend – wieder einmal, wie stets in vergleichbarer Situation – als Versäumnis beklagt, als Vernachlässigung und leichtfertiger Abbau nötiger Kapazitäten im Gesundheitswesen den ehemals Verantwortlichen zur Last gelegt wird, das ist die systemgemäß eng begrenzte Bandbreite des gesundheitspolitischen Normalfalls im kapitalistisch wirtschaftenden bürgerlichen Gemeinwesen. Aber diese schlichte Wahrheit halten die einen Antikommunisten für eine unzulässige Beleidigung der besten aller Welten, die anderen für eine Verharmlosung eines Systems, das sie abgrundtief verurteilen im Lichte dessen, dass sie sich von ihm unverdrossen viel bessere als seine wirklichen Leistungen versprechen. Und das Virus, das dafür sorgen könnte, dass der bürgerliche Kopf einmal aus Schaden klug wird, ist noch nicht erfunden.“ Beitrag von Theo Wentzke bei der jungen Welt vom 24. April 2020 externer Link
  • Der Bund nimmt bis zu 600 Milliarden Euro für maximal 375.000 Unternehmen in die Hand: Adidas, TUI, Media-Markt, Sixt & Co profitieren, Millionen andere stehen vor dem Aus 
    „Sechs Wochen nach dem Start der ‚Corona-Hilfen‘ des Bundes legte die Kreditanstalt für Wiederaufbau erste Ergebnisse vor. Prominente Nutznießer, wie Adidas und Puma, Media-Markt und Saturn, Sixt und TUI hat der Bund an den Liquiditätstropf genommen. Für die 600 Milliarden Euro, die der Bund einsetzen kann, sind allerdings „nur“ 375.000 Unternehmen antragsberechtigt. Ein erheblicher Teil der mehr als 3,1 Millionen Firmen mit weniger als zehn Mitarbeitern, Einzelunternehmen, Freiberuflern und Selbstständigen wird mit der Existenz bezahlen für den als „alternativlos“ von dieser Bundesregierung verkauften Lockdown. (…) 1. Der Bund betätigt sich hier in großem Stile als Kreditgeber für Großunternehmen. Das ist eigentlich eine Aufgabe, die den Geschäftsbanken zugedacht ist und für deren Kapitalisierung ja in den letzten Jahren auch enorm viel getan wurde. Diese Bankenstützungsmaßnahmen haben insofern offensichtlich ihre Wirkung verfehlt. 2. Auslöser der aktuellen Krise ist nicht die Corona-Epidemie an sich. Sondern vielmehr die mangelnden Vorkehrungen von Bund und Ländern gegen die Auswirkungen einer solchen Epidemie. Die war absehbar und angekündigt, siehe die Risikostudie, die das Robert-Koch-Institut 2013 dem Deutschen Bundestag vorgelegt hat . Dennoch wurden Banalitäten, wie die Beschaffung und Bevorratung von Schutzkleidung für medizinisches und pflegerisches Personal vollkommen ignoriert, was direkt der Kanzlerin als Regierungschefin und ihrem Gesundsheitminister Spahn anzulasten ist. 3. Seit 1998 gibt es das KonTraG, ein Bundesgesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich: Geschäftsführungen und Aufsichtsräte von Unternehmen sind seitdem verpflichtet, „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand des Unternehmens gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden“. Eine gleichartige Verpflichtung hat die Bundesregierung vollkommen ignoriert. Sonst hätte man sich schon seit Jahren überlegen und Vorkehrungen treffen MÜSSEN, wie besonders schutzbedürftige alte bzw. pflegebedürftigte Menschen in entsprechenden Einrichtungen geschützt werden können, OHNE gleich die Wirtschaft des ganzen Landes abzuwürgen. 4. (…) Herr Spahn unterschlägt (…), dass viel Wissen schon zuvor vorhanden war und Risikoszenarien hätten aufgestellt und Vorkehrungen getroffen werden MÜSSEN. Wenn Leute wie er mehr an der eigentlichen Aufgabe eines Bundesministers für sein Fachgebiet orientiert gewesen wären als am fortgesetzten Kaputtsparen des Gesundheitssystems. (…) 5. Und was die antragstellenden Unternehmen angeht: Sind ihre raschen bzw. behaupteten Liquiditätsprobleme tatsächlich ausgelöst durch die „Corona-Pandemie“. Oder ergreifen sie nicht vielmehr die Chance auf staatliche Liquiditätshilfe um ohnehin anstehende strategische Investitionen oder Sanierungen auf diese Weise günstig zu finanzieren??. (…) Die wieder einmal angeblich „alternativlose“ Politik von Kanzlerin Merkel, und die „Lockdown-Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung anfangs vor allem ihr Gesicht angesichts eines Komplettversagens bei Risikobewertung und -vorsorge für den Epidemiefall retten wollte, stürzt Millionen von Selbstständigen und Kleinunternehmen ins existenzielle Disaster. Während Gesundheitsminister Spahn nichts Besseres zu tun hat, als alle paar Tage eine neue Idee über Tracing Apps und Meldepflichten von Ärzten, Infizierten und Gesunden rauszuhauen … Und Kanzlerin Merkel sich nach acht Wochen ermattet zurückzuziehen scheint auf die Rolle, die sie schon länger spielte: Die der lahmen Ente.“ Beitrag von Abbe vom 8. Mai 2020 bei Cives online externer Link
  • Dax-Konzerne und Corona: Staatshilfen trotz Steuervermeidung
    Unternehmen fordern in der Corona-Krise Milliarden Euro Staatshilfen. Doch ausgerechnet viele Dax-Unternehmen, die jetzt Notkredite brauchen, Kurzarbeit beantragen oder nach Konjunkturprogrammen rufen, haben Beteiligungen in Steueroasen und schütten Milliarden an Dividenden aus. Kritiker fordern deshalb, Staatshilfen an Bedingungen zu knüpfen. Dabei geht es nicht nur um Steuergerechtigkeit, sondern auch um ein umweltfreundlichere und sozialeres Wirtschaften. Das Video gibt den Recherchestand von April 2020 wieder.“ Bericht von Achim Pollmeier und Niklas Schenk im MONITOR vom 04.05.2020 beim WDR externer Link
  • Die Corona-Profiteure: Ganze Branchen gehen pleite, viele Staaten ächzen. Aber einige Unternehmen gewinnen auch durch die Pandemie
    „Never let a good crisis go to waste“, soll Winston Churchill einmal gesagt haben: Lass eine Krise nicht ungenutzt verstreichen, schlag Profit daraus, wenn um dich herum die Welt zusammenbricht. Als erster und bekanntester Corona-Profiteur hat sich der US-amerikanische Milliardär Bill Ackman die Maxime zu eigen gemacht. (…) Ackman ist nicht der einzige Corona-Profiteur: Während ganze Wirtschaftsbranchen stillstehen, Restaurantketten Insolvenz anmelden, Fluglinien sich in die Verstaatlichung retten, Autofirmen Millionen von Beschäftigten in Kurzarbeit schicken und Konjunkturforscher sich mit Rezessionsprognosen von bis zu minus 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) überbieten, gibt es eine Reihe von Unternehmen, die aus der Corona-Krise Nutzen ziehen. Es sind große Tech-Konzerne und riesige Finanzunternehmen, die in der Krise ihre schon vorher weit reichende Macht um ein Vielfaches vergrößern, indem sie sich überforderten Regierungen und unterfinanzierten Behörden als Retter in der Not anbieten. Gegen sie ist Bill Ackman nur ein kleiner Fisch, der eine geglückte Wette platziert hat. Die Corona-Profiteure im großen Stil aber schicken sich jetzt an, Staatsaufgaben zu übernehmen: unverzichtbar zu werden, bei der Bekämpfung der globalen Pandemie und in der Zeit danach. In der Art, wie sie das tun, zeichnen sich die Umrisse einer Post-Corona-Ökonomie ab, die dystopisch ist: Nicht nachhaltiger und grüner, wie viele es sich erhoffen, die unsere kapitalistische Wirtschaft schon wanken sehen, sondern noch marktorientierter, mit noch mehr Konzentration von Macht in wenigen Unternehmen, mit noch weniger Datenschutz, weniger Arbeitsrechten und weniger profitfreien Räumen. An der Spitze dieser Unternehmen steht eine kleine Zahl von Männern, die schon vor Corona zu den reichsten dieser Welt gehörten. Jetzt werden sie noch mächtiger und noch reicher. Wenn es eine Post-Corona-Agenda gibt, dann muss auf ihr – neben einer Reihe von anderen unaufschiebbaren Dingen – auch der Punkt enthalten sein, wie die Macht dieser Männer und ihrer Unternehmen wieder eingehegt und beschränkt werden kann. (…) Wie schwer es vielen Menschen fällt, mit der Macht großer Unternehmen und ihrer Führungskräfte umzugehen, zeigt sich in der Corona-Pandemie am Beispiel Bill Gates. Der Microsoft-Gründer und Vorsitzende der größten privaten Stiftung der Welt gilt vielen Anhängern von Verschwörungstheorien nunmehr als Corona-Schurke schlechthin (…) Dabei ist der Umstand, dass Verschwörungstheoretiker Verschwörungstheorien über Bill Gates verbreiten, kein Grund, ihn von Kritik auszusparen, ebenso wenig wie die Tatsache, dass Gates tatsächlich vor der Gefahr eine viralen Pandemie gewarnt hat, dass er nun 250 Millionen Dollar zur Pandemiebekämpfung bereitstellt und noch mehr Geld in den Bau von Fabriken stecken will, damit ein Impfstoff – sobald er bereitsteht – schnell produziert werden kann. Da er durch den Erfolg von Microsoft zu einem der reichsten Männer der Welt wurde, hat sich Gates als Philanthrop neu erfunden…“ Beitrag von Pepe Egger vom 5. Mai 2020 bei ‚der Freitag‘ Ausgabe 18/2020 externer Link
  • Deutschlands Beitrag zur „europäischen Solidarität“: Deutsche Wirtschaft fordert ein Ende der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung und Milliarden für Kfz-Hersteller – trotz Klimakrise 
    „Vor dem für heute angesetzten Berliner „Autogipfel“ erhöhen deutsche Wirtschaftsverbände ihren Druck auf die Bundesregierung, die Einschränkungen im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie zu lockern. Jede Woche des „Shutdowns“ koste die deutsche Wirtschaft „einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag“, erklärt der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI); das müsse ein Ende haben. Auf dem heutigen „Autogipfel“ wollen Vertreter von Industrie und Politik über weitere milliardenschwere Subventionen für die deutschen Kfz-Hersteller beraten. Im Gespräch ist eine „Abwackprämie“, bei der der Kauf von Neuwagen stark bezuschusst wird. Ökologische Bedenken spielen dabei trotz der anhaltenden Klimakrise keine Rolle. (…) In den Leitmedien wird gelegentlich die europäische Karte als Argument für weitere Subventionen ausgespielt. So wird die Abwrackprämie zuweilen zwar als Symptom einer falschen Wirtschaftspolitik kritisiert, gegen die es „eine Menge Argumente“ gebe. Eigentlich müsse die Politik in der Krise „dem Druck mächtiger Lobbyisten standhalten“ und die knappen staatlichen Mittel „möglichst den Schwächsten in der Gesellschaft zugutekommen“ lassen; Käufer von Neuwagen zählten beim „besten Willen“ nicht dazu. Allerdings könnten deutsche Autokäufer als „Retter der europäischen Solidarität“ fungieren; schließlich hätten die Autokonzerne die EU mit einem „Netz von Produktionsstandorten überzogen“. Überall, von „Portugal bis Rumänien“, gebe es Zuliefererbetriebe, die davon profitierten, wenn in Deutschland „mehr subventionierte Autos verkauft“ würden. Viele dieser in „Spanien, Polen oder Frankreich“ gebauten Fahrzeuge, die aufgrund deutscher Subventionen die dortige Konjunktur stützen könnten, stammten dabei aus „Werken deutscher Hersteller“. Bei dem skizzierten System handelt es sich um eine Art binneneuropäischer „trickle-down economy“ mit der Bundesrepublik als ihrem Zentrum, die sich im Krisenverlauf zu festigen scheint.“ Bericht vom 5. Mai 2020 von und bei German-Foreign-Policy.com externer Link
  • Coronakrise: Es droht ein Angriff auf die 99 Prozent
    „… Immer wieder hört man von Prekarisierten überall auf der Welt, dass sie sich das Virus nicht leisten könnten, dass sie trotz Angst vor Ansteckung arbeiten gehen, weil sie nicht wissen, wovon sie sonst leben sollen. Deren ökonomische Lage wird sich durch die anrollende Rezession weiter verschlechtern. Und auch die hiesige Mittelschicht wird deren Folgen zu spüren bekommen. Denn wenn das Wachstum stockt, verwandeln sich die Gewinne in Verluste. Und die Gewinne versuchen sich die Unternehmen wieder zurückzuholen, indem sie bei den Angestellten sparen. Dies ist keineswegs eine neue, sondern eine ziemlich alte Erkenntnis. Schon Karl Marx schrieb, dass die Unternehmer, was ihren Profit angeht, »einen wahren Freimaurerbund bilden gegenüber der Gesamtheit der Arbeiterklasse«. Dabei sind die Angriffe unterschiedlicher Natur, die Stoßrichtung verfolgt aber immer dasselbe Prinzip, nämlich die unteren 99 Prozent für die Krise zahlen zu lassen, um einen Begriff aus der Finanzkrise 2007/8 wiederzuverwenden. Derzeit versuchen die Unternehmen zwar noch mit weniger harten Maßnahmen an ihrem »Humankapital« zu sparen, während in den USA bereits millionenfach Menschen ins Nichts entlassen wurden. Meistens drücken die Firmen hierzulande die Lohnkosten, indem sie die Angestellten, für die sie wegen der Krise keine Verwendung haben, in Kurzarbeit schicken. Das Gehalt wird dann von der Bundesagentur für Arbeit, also der Allgemeinheit, gezahlt. Dabei müssen die Beschäftigten massive Einkommensbußen hinnehmen. Doch auch härtere Maßnahmen wie Massenentlassungen kündigen sich an. (…) Irgendwann müssen aber die Schulden zurückgezahlt werden. Und solange nicht erstritten wird, dass dies etwa über eine Vermögensabgabe und höhere Steuern für Reiche finanziert wird, ist klar, dass dafür bei der öffentlichen Infrastruktur und Sozialausgaben gespart wird. So wird die Grundrente bereits wieder infrage gestellt. Es ist also gar nicht so unwahrscheinlich, dass die unteren 99 Prozent mal wieder für die Krise zahlen sollen. Und insofern sollte kein Linker gähnen, wenn er das Wort Bruttoninlandsproduktwachstumsrate hört, sondern lieber sehr hellhörig werden. Denn was ansteht, sind härtere Verteilungskämpfe.“ Beitrag von Simon Poelchau bei neues Deutschland vom 3. Mai 2020 externer Link
  •  Bürge und Büttel. In der laufenden Krise schießt der Staat viel Geld vor und rettet so dem Kapital die Kommandogewalt über die Arbeit
    „… Daneben und vor allem sorgt sich die demokratische Wirtschaftspolitik überall um die Nöte derer, die in ihren Betrieben das lohnabhängige Volk Geld verdienen lassen, um sich und ihre Geldgeber zu bereichern, und die so den Fundus an Kapitalwachstum schaffen, aus dem der Staat seinen Reichtum schöpft. Sie denkt an die vielen Rechnungen, die womöglich unbezahlt liegenbleiben, so dass eine Kette unterbleibender Geldeinnahmen in Gang kommen könnte. Sie denkt vorauseilend an womöglich ausbleibende Kreditbedienung in größerem Stil, die in der Bankenwelt eine erneute Finanzkrise auslösen könnte. Und sie denkt nicht bloß sorgenvoll an solche »Szenarios«, sondern klotzt, wo immer sie kann, demonstrativ, mit dem handfesten Mittel, das dem Staat als Fiskus sowie – gerade dann, wenn seine Erwerbsgesellschaft die beanspruchten Abgaben schuldig bleibt – als Inhaber der Geldhoheit im Land zu Gebote steht: In ihrer Eigenschaft als Haushälter der Gesellschaft schreibt die Regierung sich die Verfügung über eine von niemandem vorher abgeholte Geldmenge zu – die Zentralbank, in der Euro-Zone die in Frankfurt, tut zwecks Bedienung eines womöglich »explodierenden« Liquiditätsbedarfs der Banken und ihrer öffentlichen und privaten Kunden das gleiche –, bezahlt daraus Hilfen für nach gewissen Kriterien als notleidend definierte Geschäfte und leistet, dies vor allem und mit den größten Beträgen, Bürgschaften für Unternehmenskredite, die dadurch, allein kraft eines staatsgewaltigen Machtworts, ihre Qualität als ordentliches Geldkapital behalten, die sie sonst schon längst – oder spätestens demnächst – eingebüßt hätten. So rettet der Staat die Kommandogewalt des Kapitals über Arbeit und Leben der Gesellschaft, wo diese Gewalt nicht mehr so produktiv wirkt wie für ihre Erhaltung per Vermehrung nötig; er rettet in schwerer Zeit das Recht, i. e. die Glaubwürdigkeit der Macht des Geldes, sich zu vermehren…“ Artikel von Theo Wentzke in der jungen Welt vom 24.04.2020 externer Link
  • Wenn ein Virus die Wirtschaft infiziert
    Die Corona-Pandemie legt die Sollbruchstellen des neoliberalen Kapitalismus offen – erste Tendenzen der Reparaturmaßnahmen zeichnen sich ab (…) IWF und Weltbank rechnen mit einer globalen Rezession. Wie tief diese sein wird, bleibt trotz zahlreicher Prognosen ein Stochern im Nebel. Wir wollen trotzdem einen Blick in die Zukunft wagen. Denn jenseits wirtschaftlicher Rechenexempel mit vielen Unbekannten lassen sich bereits jetzt einige Tendenzen ablesen: Der Neoliberalismus ist in erster Linie ideologisch angeschlagen, die EU riskiert weitere Schuldenkrisen, auf den Finanzmärkten erhöht sich die Crash-Gefahr, und die Tendenz zur Deglobalisierung verstärkt sich. (…) Es war nicht die Linke, die der Bundesregierung diese Maßnahmen in die Feder diktiert hat, vieles davon ist auf Überlegungen aus der Wirtschaft zurückzuführen. In einem gemeinsamen Gutachten forderten mehrere Wirtschaftsinstitute schon Anfang März – vor Beschluss der Hilfsmaßnahmen – mehr Geld für den Gesundheitssektor (um die Wirtschaft schnell wieder zum Laufen zu bringen), eine Stützung des Arbeitsmarktes sowie die Aussetzung der Schuldenbremse. Sie regten zudem an, dass Unternehmen durch Nachfrage des Staates dazu gebracht werden könnten, dringend benötigte Güter wie Atemschutzmasken zu produzieren. Somit scheint Skepsis dringend geboten, was den potenziell transformativen Charakter der staatlichen Interventionen betrifft. Für Ärzt*innen, Pfleger*innen sowie andere »Held*innen der Krise« werden zwar einmalige Bonuszahlungen diskutiert – von dauerhaft höheren Löhnen oder mehr Personal ist bis dato indes kaum die Rede. Und auch die Debatte um das Instrument der Unternehmensverstaatlichung hat mit dem linken, antikapitalistischen Ziel einer Vergesellschaftung der Produktion nichts zu tun. (…) Im Zeichen der Krise scheint es den Unternehmen nun genehm, auf derlei Formen des Staatsinterventionismus zurückzugreifen. Die staatliche KfW-Bank soll die Konzerne angesichts sinkender Börsenkurse mit Liquidität versorgen, um sie vor feindlichen Übernahmen – etwa aus China – zu schützen. Der »freie Markt« soll so nicht begrenzt, sondern vorübergehend staatlich protegiert werden, um ihn in seiner jetzigen Gestalt zu erhalten: mit einer Unternehmensstruktur, die den größten wirtschaftlichen Profit und nicht den größten gesellschaftlichen Nutzen verspricht. (…) Trotz der mies anmutenden Situation – die Bedeutung der Schwächung der marktgläubigen Ideologie infolge der Corona-Pandemie sollte von der Linken nicht unterschätzt werden. Ob das tatsächlich eine Chance ist, hängt auch davon ab, ob es ihr gelingt, die wirtschaftliche Krise infolge der Corona-Pandemie nicht nur als externen Schock, sondern auch als eine durch Kapitalismus und Wachstumszwang verursachte und verstärkte Krise zu interpretieren.“ Artikel von Guido Speckmann und Lene Kempe vom 21. April 2020 aus dem ak #659 externer Link
  • Der neue Burgfrieden: Das Kapital nutzt die Gunst der Stunde
    In Zeiten der Not stehen die Spitzenvertreter von Staat, Kapital und Arbeit bekanntlich in Treue fest zusammen. Das war nicht immer so. (…) Auch heute lässt sich die Corona- und Wirtschaftskrise kapitalverträglich nur gemeinsam meistern. Deshalb kann die gegenwärtig große Einigkeit zwischen Staat, Unternehmern und Gewerkschaften nicht verwundern. Es herrscht große Freude allenthalben. Die Kapitalseite freut sich über die ihr allein zugesagte Möglichkeit, anstehende Steuerzahlungen aufzuschieben und die Betriebe durch unbegrenzte Kredithilfen aufrechtzuerhalten. Gemeinsam wird, ähnlich wie bei der Finanzkrise 2008/2009, der erleichterte Zugang zur Kurzarbeit gefeiert. Reiner Hoffmann, Vorsitzender des DGB, gibt dazu seinen Segen. Nicht die unterschiedlichen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern seien gegenwärtig vorrangig, sondern die gemeinsame Verantwortung, dass es in der Wirtschaft weiterlaufe. Wörtlich: «Die Sorge ist, dass Menschen jetzt in einer solchen Situation Angst vor Arbeitsplatzverlust haben. Dem müssen wir entschieden begegnen und zeigen, dass wir auch in einer solchen Krisensituation handlungsfähig sind, ihnen Sicherheit geben können.» Das in Windeseile beschlossene Notfallpaket der Bundesregierung hilft wenig gegen die Pandemie, aber es ist «der notwendige Impfstoff gegen mögliche Wirtschaftseinbrüche», hofft Arbeitgeberboss Ingo Kramer. Dieses Land befindet sich derzeit in einer tiefen multiplen Krise, aber gerade in solchen Zeiten behält das Kapital einen kühlen Kopf und nutzt die Angst der tief verunsicherten und von ihren Organisationen führungslos gelassenen Habenichtse wie schon immer zur Reorganisation und Neustrukturierung der Kapitalverhältnisse. Im Kielwasser der Corona-Krise kann – bei ausbleibender nennenswerter Gegenwehr – der Umbau der Deutschland-AG mächtig Fahrt aufnehmen. Dafür werden jetzt die nach innen notwendigen Vorkehrungen installiert – nachdem die militärische Abschottung gegenüber Flüchtlingen und allgemeine Grenzschließungen in Europa bereits erprobt wurden…“ Artikel von Manfred Dietenberger in der Soz 3/2020 externer Link
  • Unternehmen werden um 4,5 Milliarden Euro entlastet 
    Bund und Länder haben sich auf ein steuerliches Hilfspaket für Unternehmen geeinigt: Sie sollen absehbare Verluste mit Vorauszahlungen aus dem vergangenen Jahr verrechnen dürfen, um liquide zu bleiben. und und Länder wollen Unternehmen in der Corona-Krise bei der Steuer nochmals entlasten. Wie die F.A.Z. erfahren hat, wird das neue Hilfspaket auf eine Größenordnung von 4,5 Milliarden Euro beziffert. Geplant sei eine pragmatische Neuregelung des sogenannten Verlustrücktrags. Das Vorgehen sei am Mittwoch im Finanzausschuss des Bundestages besprochen worden. Die Unternehmen sollen den Angaben zufolge absehbare Verluste mit Vorauszahlungen aus dem vergangenen Jahr verrechnen dürfen. Dafür sei eine Obergrenze von 15 Prozent geplant. Je Person könnten so höchstens 1 Million Euro ausgeglichen werden – bei zusammen veranlagten Eheleuten 2 Millionen Euro…“ Artikel von Manfred Schäfers vom 22.04.2020 in der FAZ online externer Link
  • Bloß kein Stillstand. Für viele Wirtschaftsexperten ist die Menschenwürde nicht unantastbar – sondern ein Kostenfaktor unter vielen
    Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, sind derzeit viele Unternehmen stillgelegt. Ökonomen warnen vor einem drastischen Einbruch der Wirtschaftsleistung und fordern einen möglichst schnellen Neustart der Produktion, um die ökonomischen Kosten zu senken. Derzeit herrsche das Primat der Mediziner, das eine Abwägung von politischen und ökonomischen Argumenten verhindere, empörte sich der »Wirtschaftsethiker« Christoph Lütge. Er kritisierte die aktuelle Coronapause als »erzwungene Vollbremsung der Wirtschaft«, die »in keinem Verhältnis zum Nutzen der Schutzmaßnahmen« stehe. Dass die Wirtschaft stillzustehen habe, könne nicht aus rein medizinischen Gesichtspunkten entschieden werden. Im Kern geht es hier um ein Abwägen zwischen Wirtschaft und Gesundheit, dem einer seiner Kollegen eine typisch ökonomische Form gab: Die maximale Zahlungsbereitschaft für das Abflachen der Corona-Ansteckungskurve läge bei 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das heißt, die deutsche Volkswirtschaft ist bereit, 447 Milliarden Euro aufzuwenden, um die Corona-Ansteckungen zu reduzieren. Solche Rechnungen sind natürlich absurd: Denn würden die Maßnahmen nur einen Euro mehr kosten, würde demnach eine Ansteckung in Kauf genommen, die die Gesundheit und wohl auch das Leben vieler Menschen kosten würde. Aus solchen Rechnungen spricht die bekannte ökonomistische Einstellung, welche Effizienz, Nützlichkeit und Rentabilität auf Menschen und Gesellschaft überträgt. Und damit moralische Maßstäbe wie prinzipielle Gleichheit und Würde der Menschen infrage stellt…“ Artikel von Sebastian Thieme vom 18.04.2020 in ND online externer Link
  • Export per Notverordnung: Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft
    Die Kapitalisten scharren mit den Hufen. Die großen Unternehmensverbände schrieben der Bundesregierung am Freitag ins Stammbuch, die Türen für Beschäftigte und Kunden schleunigst wieder zu öffnen. Sicherheitsmaßnahmen während der Seuche sind für die Konzernchefs Nebensache. Ein wirksamer Arbeitsschutz und das Wiederhochfahren der Wirtschaft könnten unter einen Hut gebracht werden, auch wenn es Engpässe bei der Schutzausrüstung gebe, forderte BDI-Boss Dieter Kempf. Wirtschaftsminister Peter Altmaier parierte. Er wolle in den nächsten Tagen Vorschläge unterbreiten – die Verordnungsermächtigung der Regierung, durch die Arbeitsrechte außer Kraft gesetzt werden, macht es möglich. Die Exportausrichtung der deutschen Wirtschaft schlägt voll ins Kontor…“ Kommentar von Simon Zeise in der jungen Welt vom 18.04.2020 externer Link
  • KfW-Sonderprogramm: Wer gemeinnützig gegen Corona hilft, bekommt kein Geld
    „Mit einem milliardenschweren Sonderprogramm greift die Bundesregierung der deutschen Wirtschaft unter die Arme. Doch staatliche Förderung gibt es nur für Unternehmen mit Gewinnabsichten. Gemeinnützige Initiativen, die auf eigene Kosten Schutzmasken und Ersatzteile herstellen, gehen leer aus. (…) „Grundsätzlich hätten wir eine ganz andere Schlagkraft, wenn wir Förderungen bekommen könnten“, sagt Alexander Klarmann, Sprecher von Maker vs. Virus. Die Initiative einer gemeinnützigen Organisation verbindet auf ganz Deutschland verteilte Maker und Maker Spaces miteinander. Über 5.000 Freiwillige sind derzeit mit an Bord. Dezentral stellen sie ihre Kapazitäten zur Verfügung und bieten etwa 3D-Drucker an, um Versorgungsengpässe von Schutzmasken auszugleichen. Hilfe von der Bundesregierung können sie jedoch nicht erwarten. „Wir haben keinen Topf, in den wir reinfassen können“, sagt Klarmann. Derzeit werde alles auf eigenes Risiko finanziert. Obwohl inzwischen rund 25.000 Euro an Spenden hereingekommen sind und Unternehmen mit Sachspenden aushelfen, geht Klarmann davon aus, „dass wir im Moment defizitär arbeiten.“ Man habe etwa große Mengen an Fasern gekauft, die für 3D-Druck benötigt werden. Auch relativ billige Folien für Visiere machen sich bei größeren Stückzahlen finanziell bemerkbar. Dazu kommen Stromkosten, von der Arbeitszeit der Freiwilligen ganz zu schweigen. (…) Es ist nicht so, dass kein Geld vorhanden wäre. Mit einem großzügig bemessenen Sonderprogramm unterstützt die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) deutsche Unternehmen, die krisenbedingt in eine finanzielle Schieflage geraten sind. Innerhalb weniger Tage wurden mehr als zehn Milliarden Euro an Krediten beantragt, das Gesamtvolumen könnte 50 bis 100 Milliarden Euro ausmachen, schätzen Experten. Doch dieses Geld fließt nur an Unternehmen mit „Gewinnerzielungsabsichten“, stellt nun die Bundesregierung klar. „Eine Förderung gemeinnützig eingetragener Vereine ist grundsätzlich nicht vorgesehen“, beschied gestern Ulrich Nußbaum, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, der linken Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg…“ Beitrag von Tomas Rudl vom 8. April 2020 bei Netzpolitik externer Link
  • Mangel an Schutzkleidung: Masken vom Staat [statt Subventon der Produktion und der Profite]
    „… Diese Woche haben 23 Pflegeverbände und Gewerkschaften einen eindringlichen Hilferuf an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gerichtet. Die Lage für Pflegebedürftige und Betreuer sei „gefährlich und extrem belastend“. Spahn müsse „unverzüglich dafür sorgen, dass schnellstmöglich Schutzausrüstung in ausreichender Anzahl und Qualität zur Verfügung gestellt wird“. Sonst drohe die Versorgung, auch in der häuslichen Pflege, zusammenzubrechen. „Die Verpflichtung für Unternehmen, ihre Produktion umzustellen“, sofern dies technisch möglich sei, dürfe „kein Tabu sein“. Die Bundesregierung setzt jedoch nicht auf Zwang, sondern auf Fördergeld, um die heimische Herstellung von Schutzkleidung anzukurbeln. 40 Millionen Euro werden dafür bereitgestellt. Dennoch dürften Masken, die gut schützen, nach Recherchen von SZ, NDR und WDR kaum rasch und ausreichend aus heimischer Produktion verfügbar sein. (…) Markus Mailinger aus Hessen, dessen Firma Meltblown-Vliese herstellt, hält die Pläne des Corona-Kabinetts für Unsinn. „Wir bekommen in vielen Regionen Deutschlands bereits Zuschüsse“, sagt er. In Nordhessen, wo er produziere, gebe es 30 Prozent vom Staat. Zudem werde kein Unternehmen teure Maschinen anschaffen, wenn die Käufer hochwertiger Schutzmasken sich in einigen Jahren wieder günstig in China bedienten. Mailinger hat Gesundheitsminister Spahn einen anderen Weg vorgeschlagen. Statt insgesamt 40 Millionen Euro Subventionen in Aussicht zu stellen, solle der Bund selbst eine Großanlage zum Preis von zehn Millionen Euro anschaffen. Eine solche Anlage schaffe Meltblown-Vlies für 50 bis 70 Millionen Masken pro Monat, schrieb Mailinger an Spahn. Wenn man die Anlage nicht mehr brauche, können man sie herunterfahren – und wieder hochfahren, wenn sich die nächste Pandemie andeute. Darüber hinaus könne man auch „unsere europäischen Freunde im Krisenfall mitversorgen“, heißt es in Mailingers Mail. Ob Minister Spahn diesen Plan überhaupt im Detail lesen konnte, ist nicht sicher. Am Montagvormittag schickte er Mailinger eine Mail, in der stand: „Leider kann ich Ihre Anlagen nicht alle öffnen. Mein Team versucht es.“ Beitrag von Markus Grill, Lena Kampf, Kristiana Ludwig, Klaus Ott und Nicolas Richter vom 8. April 2020 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • [DGB] Corona: Wer zahlt für das Anti-Krisen-Programm?
    „… Im Eilverfahren hat der Bundestag diese Woche Milliardenhilfen zur Bekämpfung des Corona-Virus und zur Abfederung der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen beschlossen. (…) So richtig die jetzigen Maßnahmen sind, so wichtig ist es auch, bereits heute dafür zu sorgen, dass am Ende nicht die Falschen dafür zahlen. Das heißt auch, dass bereits heute einem künftigen Sparkurs zu Lasten der Allgemeinheit eine Absage erteilt wird. Schließlich hat der Bundestag unnötigerweise beschlossen, dass die oben genannten, nicht Schuldenbremsenkonformen, 100 Milliarden Euro ab 2023 binnen 20 Jahren zurückgezahlt werden müssen, anstatt die Tilgung auf einen längeren Zeitraum zu strecken. Gleichzeitig betont der Bundeswirtschaftsminister, nach der Krise solle auch die schwarze Null wieder gelten. So sind Kürzungen vorprogrammiert. (…) Die Fehler der Vergangenheit dürfen nicht wiederholt werden. Wenn das Corona-Virus eingedämmt ist, braucht es keinen Sparkurs, sondern wahrscheinlich erstmal eine Stärkung der Konjunktur, in jedem Fall aber ein Investitionsprogramm. Krankenhäuser brauchen dauerhaft bessere Ausstattung, viele Berufe, unter anderem im öffentlichen Dienst, brauchen endlich eine Aufwertung, also auch mehr Geld. (…) Das heißt: Von schwarzer Null und Schuldenbremse, sollte sich die Bundesregierung dauerhaft verabschieden. Das heißt aber auch: Um die Staatsverschuldung nicht ausufern zu lassen, müssen jetzt die Weichen für eine gerechte Finanzierung der Krisenlasten gestellt werden. Zum Beispiel muss verhindert werden, dass die 100 führenden deutschen Konzerne in diesen Tagen den Eigentümern 44 Milliarden Euro an Dividende auszahlen, wie das Handelsblatt berichtet. Außerdem braucht es ein gerechtes Steuersystem. (…) Spitzenverdiener und Vermögende können es verkraften, die Krisenlasten zu tragen. Allein das reichste Hundertstel der Bevölkerung in Deutschland besitzt ein Gesamtvermögen von netto rund 3.800 Milliarden Euro. Mit einer gerechten Vermögens- und Erbschaftssteuer; beispielsweise, können diese Vermögen zur Bewältigung der Krise beitragen.“ Forderungen beim DGB-Klartext 11/2020 vom 27. März 2020 externer Link
  • Wirtschaft fordert weitere steuerliche Entlastungen wegen der Coronakrise
    Der BDI warnt trotz der jüngsten Rettungspakete vor existenzbedrohenden Liquiditätsproblemen bei Unternehmen. Der Wirtschaftsverband fordert deshalb weitere Hilfen…“ Artikel von Jan Hildebrand und Martin Greive vom 27.03.2020 beim Handelsblatt online externer Link – mehr daraus muss mensch nicht wissen
  • Finanzinvestor Dibelius: Wirtschaft hat Vorrang vor Gesundheit
    „Vor einigen Wochen hätte sich noch kaum jemand vorstellen können, dass in führenden deutschen Tageszeitungen offen darüber debattiert wird, wie viele Arbeiterleben wirtschaftlichen Interessen geopfert werden sollen. Zu tief saß die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis, die in den großen Industriebetrieben Deutschlands Millionen von Zwangsarbeitern buchstäblich zu Tode gearbeitet hatten. Doch mit der Corona-Krise lassen die Vertreter des Kapitals ihren faschistischen Vorstellungen wieder freien Lauf. Das Handelsblatt veröffentlichte am Montag ein Interview mit Alexander Dibelius, der elf Jahre lang das Deutschland- und Osteuropageschäft von Goldman Sachs leitete und jetzt das Deutschlandportfolio der Private Equity-Gesellschaft CVC Capital Partners betreut. Der Finanzinvestor spricht unverblümt aus, dass der Tod von Millionen Menschen einem wirtschaftlichen Absturz vorzuziehen sei, der sein Vermögen und den Reichtum seiner Kundschaft gefährdet. (…) Es ist nur eine Frage von Tagen, bis Dibelius und seinesgleichen fordern werden, Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich weigern ihre Gesundheit zu gefährden, gewaltsam zur Arbeit zu zwingen. Seine asozialen Tiraden im Handelsblatt sind ein subjektiver Ausdruck der objektiven Tatsache, dass die kapitalistische Gesellschaft derart verrottet und die Klassengegensätze derart zugespitzt sind, dass sich die herrschende Klasse nur noch mit faschistischen Methoden an der Macht halten kann, wie sie dies in der Großen Depression der 1930er Jahre tat. Dibelius selbst und seine Familie brauchen sich wegen der Covid-19-Pandemie keine Sorgen machen. Sein dreistelliges Millionenvermögen garantiert ihnen Zugang zu den besten Ärzten. Und sollten sie in die Verlegenheit kommen, sich in Quarantäne begeben müssen, stehen ihnen neben einer 3500-Quadratmeter-, 40-Zimmer-Villa in Berlin-Dahlem mehrere Zweitwohnsitze zur Verfügung: Eine 10-Millionen-Euro-Villa in St. Tropez, eine 16-Millionen-Euro-Villa in der Nähe von Kitzbühel und eine Immobilie im teuren Londoner Stadtteil Belgravia…“ Kommentar von Peter Schwarz vom 25. März 2020 bei wsws.org externer Link
  • Die schlimmste Wirtschaftskrise aller Zeiten?
    Deutschlands ArbeiterInnen stehen unter Kontaktsperre. Demokratische Grundrechte sind ausgesetzt. Währenddessen schnüren die Regierungen Wirtschaftspakete wie sonst nur zu Kriegszeiten. Was macht diese Krise so heftig, und was wird uns in den nächsten Monaten erwarten?…“ Hintergrundbericht und Ausblick von Thomas Stark vom 29.3.2020 bei Perspektive online externer Link
  • McKinsey regiert durch – Bundesregierung setzt in der Krise Forderungen von Unternehmensberatung um 
    “… Die Regierung hat ihr »Hilfsprogramm« bei den Unternehmensverbänden abgeschrieben. Private Klinikbetreiber werden freigekauft. Einer der großen Fische in der Branche, die Rhön-Klinikum AG, teilte am Dienstag mit, sie habe im vergangenen Jahr einen Nettogewinn in Höhe von 44,5 Millionen Euro erwirtschaften können. Vorstandschef Stephan Holzinger sagte, es sei noch nicht ausgemacht, »welche wirtschaftlich negativen wie auch positiven Folgen die Coronakrise für das Unternehmen haben könnte«. Um als Gewinner aus der Krise hervorzugehen, brauchen die Konzerne einen engen Draht zur Regierung. Dafür sind »Berater« wie McKinsey da. Die Manager hatten schon im April 2016 in einer Studie die Vision vom »Krankenhaus der Zukunft« entworfen, in der es heißt: »Das kleine unabhängige Rundum-Service-Krankenhaus ist ein Auslaufmodell.« Vorbehalte gegen Auslagerungen sollten »mit der Überwindung von Kosten- und Qualitätsbedenken allmählich wegfallen«, lautete die realistische Prognose. (…) Das Kabinett Merkel IV kommt dieser Aufgabe nach und paart Neoliberalismus mit Großmachtambitionen. Der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte kritisierte am Dienstag: »Wir können es nicht nachvollziehen, dass sich Deutschland als einziges Land Europas weigert, Hilfe aus China anzunehmen. Hier werden außen- und handelspolitische Erwägungen im internationalen Konkurrenzkampf höher bewertet als die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten im Gesundheitswesen.«“ Beitrag von Simon Zeise vom 25.03.2020 bei Junge Welt externer Link zu zu Corona-Schutzschild des Bundesfinanzministeriums externer Link
  • Anm.: Denn eins sollte klar sein: Die ganze Notstandshandlungen können auch dazu benutzt werden vor allem Wirtschaftssystem zu retten, ggf auch auf Kosten der Gesundheit.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=167437
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