Neue Strategien der Immobilienfirmen: „Mietendeckel ist Sand im Getriebe“

Dossier

Plakat und Logo der Wiener Mietenkampagne: #mieten runter„… im Zuge des Neoliberalismus Anfang der 1990er Jahre sind ungefähr eine Million Wohnungen in das Eigentum von Immobilienkonzernen übergegangen. (…) Die Konzerne verkaufen in einem Gebiet Cluster, das sind zusammenhängende Gebiete von Wohnblöcken. Dann können sie die Miete erhöhen, was sich auf den Mietspiegel auswirkt. Dadurch steigt die Bemessungsgrundlage für Hartz-IV-EmpfängerInnen bei den Mieten. Gewinner sind aber die Finanzkonzerne. (…) In der Tat ist der Mietendeckel Sand im Getriebe der Finanzialisierung. Für die Deutsche Wohnen könnte dadurch nach Eigenaussage des Vorstandsvorsitzenden Michael Zahn in verschiedenen Interviews ein jährlicher Schaden von 330 Millionen Euroentstehen. Wenn man die Wohnungen wieder in öffentliche Hand bekommen würde, wie es die Initiative Deutsche Wohnen enteignen plant, wäre das ein klares Signal gegen die Finanzialisierung des Wohnungsmarkts…“ Interview von Peter Nowak vom 11.1.2021 in der taz online externer Link und zum Thema:

  • ver.di macht sich für bundesweiten Mietendeckel stark New
    Vor dem Hintergrund des heute (12. Oktober 2022) präsentierten Maßnahmenkataloges des „Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum“ externer Link betont die stellvertretende Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Christine Behle die Wichtigkeit der von der Ampelkoalition vorgestellten Maßnahmen. Sie seien jedoch unzureichend, da es an einem schnellen, wirksamen Mittel fehle, das den bisherigen Anstieg der Mieten beendet und umkehrt. „Wir sind überzeugt, dass sich die steigenden Mieten ohne eine strikte Regulierung der Mietpreise nicht wirksam ausbremsen lassen. Daher setzt sich ver.di für die Einführung eines bundesweiten Mietendeckels ein“, so Behle. „Ein bundesweiter Mietendeckel wäre ein wichtiger Beitrag gegen die Spekulationsexzesse, die wir in vielen Groß- und Universitätsstädten auch bei den Bodenpreisen beobachten müssen“, betonte Behle. Gerade für Haushalte mit kleinen Einkommen seien die Wohnkosten neben der Entwicklung der Energiepreise eine enorme Belastung. Viele Menschen würden keine geeignete und bezahlbare Wohnung finden. Daher seien Maßnahmen, die wirksamer als bisher den Anstieg der Mieten beenden und umkehren, dringend notwendig…“ ver.di-Pressemitteilung vom 12.10.2022 externer Link. Siehe zum aktuellen Anlass unsere Dossiers:

  • [Online-Tool] Wie wirkt ein bundesweiter Mietendeckel? 
    Nach der umstrittenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im April 2021 bleibt die Mietenkrise ungelöst – in Berlin und bundesweit. Dabei hatte der Berliner Mietendeckel gezeigt, was auf Bundesebene sofort möglich wäre: den Mietenanstieg zu beenden, die Verdrängung aus den Innenstädten zu stoppen und gleichzeitig die öffentlichen Haushalte zu entlasten.
     Allein in 42 ausgewählten deutschen Großstädten kann ein bundesweiter Mietendeckel insgesamt 1,7 Millionen Haushalte von überhöhten Mieten entlasten. Um dieses Ziel mit direkten Hilfen zu erreichen – etwa durch das Wohngeld –, wären jährliche Ausgaben in Höhe von 5 Milliarden Euro nötig. Derzeit gibt der Bund jedes Jahr 17,5 Milliarden Euro für solche Mietzuschüsse aus.
    Basierend auf der Konzeptstudie des Sozialwissenschaftlers Andrej Holm und des Juristen und Anwalts für Mietrecht Benjamin Raabe hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Online-Tool entwickelt, das die Effekte eines bundesweiten Mietendeckels sichtbar und erlebbar macht. Die Bausteine eines bundesweiten Mietendeckels – Mietenstopp, Mietobergrenzen, Mietsenkungen und die Einführung von Wohnungsnotgebieten mit verschärften Maßnahmen – lassen sich auf die Städte anwenden. So wird sichtbar, wie ein differenziertes, verfassungsrechtlich abgewogenes und zugleich unmittelbar wirksames Mietendeckel-Gesetz bundesweit für Entlastung sorgen kann. Ein Glossar externer Link erklärt die wichtigsten Fachbegriffe…“ Online-Tool der Rosa-Luxemburg-Stiftung externer Link
  • Experten über bundesweiten Mietendeckel: „Neu justiert, was es schon gab“ 
    „Ein bundesweiter Mietendeckel ist möglich“, sagen der Soziologe Andrej Holm und Anwalt Benjamin Raabe im Interview von Gareth Joswig am 23. September 2021 in der taz online externer Link. „Sie haben für die Linke ein Konzept entwickelt. (…) Freunde der Marktwirtschaft sagen ja immer: Der Markt ist ein ideales Verteilungssystem. Das große Auseinanderklaffen der Bestands- und Angebotsmieten sorgt aber derzeit dafür, dass selbst die Verteilungseffekte in Städten wie Berlin scheitern. Da bleibt eigentlich wenig Überzeugendes, was der Markt zu bieten hat. Und das hängt auch damit zusammen, ob Neuvermietungsmieten reguliert sind oder nicht. (…) Der Mietendeckel in Berlin hatte eine extrem kurze Laufzeit, weil er sofort beklagt wurde, zudem hatten wir eine Pandemie. Aus dieser kurzen Zeitspanne zu schließen, dass der Deckel nicht funktioniert, finde ich gewagt. In der kurzen Zeit aber stagnierte zumindest der Anstieg der Neuvermietungspreise. Und seitdem der Deckel aufgehoben ist, steigen die Preise wieder. Uns ging es in der Analyse darum, die Anwendung dieser Regelung zu simulieren. Und wir konnten deutlich in allen Bereichen zeigen, dass ein bundesweiter Mietendeckel einen positiven Effekt auf die soziale Grundversorgung mit Wohnraum hätte. (…) Und im Unterschied zum Berliner Mietendeckel haben wir zudem Instrumente ausgegraben und neu justiert, die es in der Vergangenheit schon gab. Das würde es bei einer verfassungsrechtlichen Prüfung nochmal erschweren, eine Regelung zurückzuweisen. Wir müssten keinen Angstschweiß auf der Stirn haben, dass unser Vorschlag nicht verfassungsgemäß wäre. (…) [Eine Verordnung] müsste in Kraft gesetzt werden, wenn die Länder zum Erlass verpflichtet werden, sobald die bundesrechtlich geregelten Voraussetzungen für die Wohnungsnotlagengebiete oder die angespannten Gebiete vorliegen. Die könnte dann auch ein individuell einklagbares Recht beinhalten. Aber es ginge auch mit einer Kann-Regelung. Außerdem wollen wir im Bundesgesetz die Ausnahmen bei der Mietpreisbremse streichen und Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz zur Begrenzung überhöhter Mieten wieder einführen. In dem Bereich käme man bei überhöhten Mieten weg vom Vermieter-Mieter-Dilemma. Mieter könnten sich über das Amt überhöhte Mieten zurückerstatten lassen. Die zuständige Behörde könnte Bußgelder verhängen. Natürlich kann ich auch diese Ansprüche zivilrechtlich durchsetzen…“

Siehe zum Thema im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=184981
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