Wohnkostenlücke und (Wohnungsbau)Politik: Mieten von Hartz-IV-Empfängern steigen rasant, Druck der Jobcenter auch
Dossier
„Mietwohnungen in Deutschland werden immer teurer – überraschenderweise in den letzten Jahren besonders bei Hartz-IV-Empfängern. Da der Staat diese Mieten zahlt, kritisiert IG Bau-Chef Feiger die Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung massiv. Lediglich Vermieter profitierten davon. Steigende Mieten kommen nicht nur Wohnungsmieter, sondern allen Steuerzahler teuer zu stehen. „Insgesamt kostet die drastische Steigerung der Mieten bei den Wohnungen von Hartz-IV-Empfängern knapp zwei Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr“, kritisiert der IG Bau-Bundesvorsitzende Robert Feiger (…) Grundsätzlich handelt es sich bei Wohnungen, die von Hartz-IV-Beziehern genutzt werden, um einfach ausgestattete Unterkünfte. Dennoch sei auch in dieser Kategorie der Mietpreis in den vergangenen sechs Jahren von 5,43 Euro pro Quadratmeter auf 7,05 Euro gestiegen – um 29,7 Prozent...“ Meldung vom 1. August 2021 bei ntv.de
, siehe dazu u.a. auch die IG BAU und Handlungsvorschläge sowie Vorgeschichte:
- Wohnkostenlücke 2024: Bürgergeldbetroffene zahlen 500 Mio. Euro aus eigener Tasche, Tendenz steigend
- Wohnkostenlücke 2024
„Die Wohnkostenlücke beziffert den Unterschied zwischen den tatsächlichen Kosten der Wohnung und dem, was das Jobcenter real dafür erstattet („angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung“). Die Differenz zwischen tatsächlichen und anerkannten laufenden Kosten für Leistungsberechtigte nach dem SGB II für Unterkunft und Heizung hat sich im Jahr 2024 insgesamt auf rund 494 Millionen Euro erhöht.
Aus der Abfrage der Linken: Die Wohnkosten – offiziell als „Bedarfe für Unterkunft und Heizung“ bezeichnet – werden in der Grundsicherung in tatsächlicher Höhe übernommen, sofern sie als angemessen bewertet werden. Die Richtwerte für die Angemessenheit werden kommunal berechnet, was jedoch extrem schwierig ist und immer wieder zu Lücken beim Existenzminimum führt. Diese entstehende „Wohnkostenlücke“ bestreiten die Betroffenen oft aus dem Regelsatz, weil es schlicht keinen günstigeren Wohnraum gibt. Dadurch wird das Existenzminimum unterschritten: Das Geld fehlt dann für Nahrungsmittel, Kleidung, Bildung usw. (…)
Diese erwartbare Steigerung der Wohnkostenlücke drückt in weiten Teilen einen faktisch verfassungswidrigen Zustand aus: Die fehlenden Wohnkosten müssen die Leistungsbeziehenden aus ihrem Regelsatz zahlen. Verfassungswidrig deshalb, weil die Menschen einen abgesicherten Übernahmeanspruch auf die tatsächlichen KdU haben und die örtlichen Jobcenter offensichtlich die angemessenen KdU zu niedrig berechnen.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass in den KdU gekürzte Leistungsbeziehende – etwa mit 252 € monatlich in Ebersberg und Fürstenfeldbruck oder 236,68 € in Oldenburg – jeden Monat deutlich weniger zur Verfügung haben. Dieser Betrag liegt deutlich über dem, was das Bundesverfassungsgericht für Sanktionen als zulässig erklärt hat (30 % von 563 € = 168,90 €).
Ich möchte betonen: Es handelt sich bei den genannten Werten um Durchschnittsbeträge. Um einen solchen durchschnittlichen Kürzungsbetrag zu erreichen, müssen die realen Kürzungen in einzelnen Fällen deutlich höher sein. Eigentlich müssten in jedem einzelnen Fall, in dem zwischen 20 und 30 % der Regelleistung zu wenig KdU übernommen werden, von Amts wegen die jeweiligen Fachaufsichten tätig werden und die KdU-Festsetzungen vor Ort prüfen. Diese Zahlen betreffen nur die „Wohnkostenlücke“ im SGB II, eine solche liegt selbstverständlich auch noch im SGB XII vor. Dieser Bereich ist bisher überhaupt nicht beleuchtet, dürfte aber von der Dimension her vergleichbar sein, in Bezug auf die Anzahl der SGB XII-Leistungsbeziehenden…“ Aus dem Thomé Newsletter 25/2025 vom 10.08.2025zu
- Wohnkostenlücke: Bürgergeldbetroffene zahlen 500 Mio. Euro aus eigener Tasche!
„Eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke im Bundestag zeigt: Die Wohnkostenlücke beim Bürgergeld, also der Fehlbetrag zwischen der Kostenübernahme und den tatsächlichen Wohnkosten, ist auf ein Rekordhoch von durchschnittlich 116 € pro Monat gestiegen. Die Differenz zwischen tatsächlichen und anerkannten laufenden Kosten für Unterkunft und Heizung belief sich in 2024 auf rund 494 Millionen Euro…“ Nachricht von Cansin Köktürk und Sahra Mirow vom 08. August 2025 bei DieLinke im Bundestag
- Wohnkostenlücke 2024
- Fachwissen soll die neue Regierung nicht von Sozialkürzungen abhalten: Nun sind die Wohnkosten für Bürgergeldempfänger:innen dran, immer noch nicht die Mieten
- ARD-„Sommerinterview“: Merz hält Deckelung der Wohnkosten im Bürgergeld für denkbar
„Bei der geplanten Reform der Grundsicherung hält Bundeskanzler Friedrich Merz eine Deckelung der Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger für denkbar. Die bisher gezahlten Beträge stünden „auf dem Prüfstand“. (…) „Pauschalierung ist möglich, geringere Sätze sind möglich – aber das alles steht auf dem Prüfstand der Koalition und darüber reden wir.“ Das Jobcenter übernimmt bei Bürgergeld-Beziehenden die Kosten für Unterkunft und Heizung, wobei bereits heute diese Höhe „angemessen“ sein muss. In manchen Großstädten würden Bürgergeld-Empfängern 20 Euro pro Quadratmeter Wohnkostenzuschuss gezahlt, sagte Merz. „Das sind bei 100 Quadratmeter schon 2000 Euro im Monat. Das kann sich eine normale Arbeitnehmerfamilie nicht leisten. Und deswegen kommen hier solche Spannungen zustande und die wollen wir abbauen.“ Merz betonte, bei ab dem kommenden Jahr geplanten Umwandlung des Bürgergelds in eine neue Grundsicherung gebe es erhebliche Einsparmöglichkeiten. „Da ist mehr einzusparen als nur ein oder zwei Milliarden“, sagte der Kanzler…“ Agenturmeldung vom 13.07.2025 bei t-online - Steigende Staatsausgaben für Wohnkosten: Grund ist nur die Explosion der Mieten
„Merz will weniger Wohnkosten für Bedürftigen erstatten. Eine taz-Analyse zeigt, dass die längst zusammenrücken. Mietenkontrolle wäre effektiver. (…)
Tatsächlich sind die Wohnkosten, für die der Staat aufkommt, ein hoher Kostenfaktor. Laut der Bundesagentur für Arbeit wurde im März dieses Jahres 1,75 Milliarden Euro an Kosten für die Unterkunft anerkannt. Das war 1,15 Prozent mehr im Vorjahresmonat. Und sogar 24 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Doch woran liegt der Anstieg der Kosten? Um das zu analysieren, hat sich die taz die Zahlen der Bundesagentur näher angeschaut. Naheliegend wäre zum Beispiel der Verdacht, dass es wegen wachsender Armut immer mehr Leistungsempfänger:innen gibt. Aber das ist nicht der Fall. Die Zahl der „Bedarfsgemeinschaften mit anerkannten Kosten der Unterkunft“ liegt seit einigen Jahren recht konstant bei gut 2,7 Millionen. Aktuell ist sie gegenüber dem Vorjahr sogar um 1 Prozent zurückgegangen. (…)
Zwar gab es im März auch 180.000 Bedarfsgemeinschaften, die auf mehr als 100 Quadratmetern lebten. Darunter waren sogar 15.000 Ein-Personen-Haushalte, also Menschen, die ganz allein in einer vom Staat finanzierte großen Wohnung lebten. In den meisten Fällen dürften dies aber ältere Menschen sein, deren Kinder ausgezogen und deren Partner verstorben sind, bei denen ein Umzug in eine kleinere Wohnung wegen der rasant gestiegen Mieten keine Kostenersparnis bringen würde. …
Einen Zuwachs gibt es nur bei den Bedarfsgemeinschaften, die auf engstem Raum leben – auf weniger als 20 Quadratmetern. Ihr Zahl ist seit 2015 um 64 Prozent auf über 70.000 gestiegen…
Von niedrigeren Mieten würde der Staat profitieren
Anders gesagt: würde sie die Mieten wirksam begrenzen, könnte die Bundesregierung weitere Kostensteigerungen für die Unterkunft verhindern. Aktuell ist das aber schwierig. Zwar gilt in extrem angespannten Gebieten die Mietpreisbremse. Aber in Anspruch nehmen können sie nur die Mieter:innen selbst. Die müssten ihre Vermieter:innen auf eigenes Risiko verklagen, ohne davon im Erfolgsfall profitieren zu können. So ist es wenig verwunderlich, dass das niemand macht…“ Artikel von Gereon Asmuth vom 18.7.2025 in der taz online - Wohnen und Bürgergeld: Zur Not auf den Campingplatz
„Bundeskanzler Merz findet, die Jobcenter zahlen vielerorts zu hohe Wohnkosten. Wie sieht die Wirklichkeit aus? (…)
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) könnte sich über solche Fälle informieren lassen. Jeder achte Haushalt im Bürgergeldbezug bekam im Jahr 2023 nicht die tatsächlichen Ausgaben für Unterkunft und Heizung vom Jobcenter erstattet, ergab eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken im Augustvergangenen Jahres. Im Schnitt fehlten diesen betroffenen Haushalten im Monat 103 Euro für die Miete, die sie zum Beispiel dann aus dem Regelsatz bezahlen mussten, der eigentlich für den Lebensunterhalt gedacht ist. Doch Merz machte kürzlich im Sommerinterview in der ARD eine andere Rechnung auf. Zurückgelehnt, die Beine übergeschlagen, sprach er über Fälle, in denen das Jobcenter sehr hohe Mieten übernehme. „Sie haben in den Großstädten heute teilweise bis zu 20 Euro pro Quadratmeter, die Sie vom Sozialamt oder von der Bundesagentur bekommen für Miete, und wenn Sie das mal hochrechnen, dann sind das bei 100 Quadratmetern schon 2.000 Euro im Monat“, sagte der Bundeskanzler. (…)
Doch die Sachlage ist vielschichtig. Die Mietzahlungen der Jobcenter richten sich nach Haushaltsgröße und nach Region. Die hohen Kosten ergeben sich durch die drohende Obdachlosigkeit in den Metropolen und nicht durch luxuriöses Wohnen. Laut der Statistik der Bundesagenturfür Arbeit vom März 2025 zahlen die Jobcenter für eine alleinstehende Bürgergeldempfänger:in im Bundesdurchschnitt 475 Euro an monatlichen Unterkunftskosten, inklusive Betriebs- und Heizkosten. Dieser Betrag liegt im Schnitt noch um 15 Euro unter den tatsächlichen monatlichen Kosten der Wohnung. Für manche Empfänger:innen bleibt also ein Rest aus dem Regelsatz zu zahlen. Für einen fünfköpfigen Haushalt übernimmt das Jobcenter im Bundesdurchschnitt 995 Euro an Unterkunftskosten. Mit diesen Zahlen lässt sich keine Hetze gegen Bürgergeldempfänger betreiben. Anders sehen die Zahlen in den Metropolen aus. (…) Dabei werden in München grundsätzlich auch nur die Kosten übernommen, die als angemessen gelten, erklärt Frank Boos, Sprecher aus dem Sozialreferat München, gegenüber der taz. Doch der „angespannte Wohnungsmarkt und die hohen Mieten spiegeln sich natürlich auch hier wider“. Zu einem weiteren Anstieg bei Unterkunftskosten führe auch die 2023 eingeführte „Karenzzeit“.
Bürgergeldempfänger*innen bekommen im ersten Jahr des Hilfebezugs die Mietkosten in voller Höhe anerkannt. Die Idee dahinter ist, dass sich Betroffene zunächst auf die Arbeitssuche konzentrieren können und nicht Job, Wohnung und ihr vertrautes Umfeld gleichzeitig verlieren. Diese Regelung führe dazu, sagt Boos, dass Mieten übernommen werden „die jeden Mietspiegel und jede Mietobergrenze weit übersteigen“. Genau diese Regelung möchte Schwarz-Rot nun auch wieder ändern. „Dort, wo unverhältnismäßig hohe Kosten für die Unterkunft vorliegen, entfällt die Karenzzeit“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Bezahlbarer Wohnraum fehlt
Doch der Kern des Problems – das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum – wird damit nicht berührt. (…) Die Stadt München fordert deshalb schon seit Jahren von der Bundesregierung, das Mietrecht strenger zu regulieren, unter anderem durch eine Nachschärfung der Mietpreisbremse. Pikant ist: Derzeit wird staatlich gar nicht überprüft, ob die von Vermieter:innen aufgerufenen Mieten für Bürgergeldempfänger:innen überhaupt gesetzlich legitim sind. (…)
Betroffenenverbände fordern nun, die Mietobergrenzen der Jobcenter zu erhöhen. Dies würde den Leistungsempfänger:innen Erleichterung verschaffen. Allerdings nutzen die Wohnungsunternehmen die Mietobergrenzen der Jobcenter auch aus, beklagt das Pestel-Institut in Hannover schon seit Längerem. 2024 stellte das Institut eine Studie vor, die sich genau mit den steigenden Staatsausgaben für Wohngeld und Kosten der Unterkunft befasste – und führte das auf den Mangel an Sozialwohnungen zurück…“ Artikel von Barbara Dribbusch und Jasmin Kalarickal vom 18.7.2025 in der taz online
- Wohnkosten von Bürgergeldempfängern: Bei der Wohnungsfrage ist der Kanzler blank. Friedrich Merz schlägt vor, die Unterkunftskosten für Bürgergeldempfänger zu deckeln
„Friedrich Merz hat am Sonntag sein erstes Sommerinterview als Bundeskanzler gegeben. (…) Nun wurde Friedrich Merz im Sommerinterview gefragt, was sich gegen die ausufernden Wohnkosten der Bedürftigen tun ließe. (…) „Geringere Sätze sind möglich.“ (…) Die Antwort des Bundeskanzlers ist auf mindestens zwei Ebenen bemerkenswert. Erstens: Es gibt natürlich längst ein Limit für die Wohnkosten, die der Staat für Bürgergeldempfänger übernimmt; ihre Wohnungen dürfen einen bestimmten Mietpreis nicht überschreiten. Dass dieses Limit vielerorts überschritten wird, liegt aber nicht daran, dass die Bürgergeldempfänger keine Lust hätten, in eine billigere Wohnung zu ziehen. Es liegt daran, dass es solche billigeren Wohnungen in vielen Städten schlicht nicht mehr gibt. Würden die Kommunen dem Vorschlag des Bundeskanzlers folgen, also das geltende Limit herabsetzen und mit aller Härte auf dessen Einhaltung pochen, hieße das nichts anderes, als dass jede Menge Bürgergeldempfänger ihre Wohnungen verlieren und auf der Straße landen würden. (…) Was tut die Politik zum Beispiel dagegen, dass einige große Wohnungskonzerne mithilfe undurchsichtiger Nebenkostenabrechnungen die Mieten künstlich in die Höhe treiben, für die dann der Staat aufkommen muss? Wie konnte es passieren, dass bezahlbarer Wohnraum ein derart knappes Gut geworden ist – so knapp, dass der Staat Milliarden zuschießen muss, weil Bürgergeldempfänger schlichtweg nicht in eine günstigere Wohnung umziehen können? Kann es sein, dass die private Bauwirtschaft bei der Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum versagt hat? Und sollte man mit einem existenziellen Gut wie Wohnraum überhaupt Geschäfte machen dürfen? (…) Merz gehört zu den vielen Politikern der politischen Mitte, die immer noch ausblenden, was längst offensichtlich ist: Die Wohnungskrise ist zu einer Zeitbombe geworden. Private Wohnungsanbieter, denen der Staat das Feld vielerorts überlassen hat, haben in den vergangenen Jahren vor allem im oberen, für die meisten Menschen unbezahlbaren Preissegment für mehr Wohnraum gesorgt. Der Bau von einfachen, günstigen Wohnungen, von jenen Wohnungen also, die am dringendsten gebraucht werden, hält nicht ansatzweise mit der Nachfrage Schritt. (…) Wie die Mieten bezahlbar bleiben sollen, wenn die Bevölkerung wächst, im unteren Preissegment aber kaum neue Wohnungen entstehen, hat Merz bislang nicht erklärt…“ Kommentar von Caterina Lobenstein vom 14. Juli 2025 in der Zeit online - Anmerkungen zum Sommerinterview von Friedrich Merz und seinem Vorschlag, die vom Staat erstatteten Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger*innen zu begrenzen
„Im ARD-Sommerinterview hat Friedrich Merz vorgeschlagen, die vom Staat übernommenen Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger*innen zu begrenzen. Er brachte dabei unter anderem eine Pauschalisierung der Wohnkosten, geringere Sätze oder eine Begrenzung der geförderten Wohnungsgrößen ins Spiel. Merz schwadronierte davon, dass Bürgergeld-Empfänger*innen teilweise in Wohnungen leben würden, „die sich eine normale Arbeitnehmerfamilie nicht leisten könne“ – bis zu 100 Quadratmeter groß und mit einer Miete von bis zu 2.000 Euro monatlich. Er kündigte an, hier „durchgreifen“ zu wollen, um die ausufernden Kosten zu begrenzen, und suggerierte, dadurch Milliarden einsparen zu können.
Dazu grundsätzlich: Das BVerfG hat entschieden, dass angemessene Unterkunftskosten ein Teil des menschenwürdigen Existenzminimums und entsprechend vom Staat zu tragen sind.
Der einzige Spielraum der besteht, ist über die Angemessenheit zu diskutieren.
Eine Pauschale wäre nur dann zulässig, wenn sie so bemessen ist, dass Leistungsbeziehende damit jederzeit im unteren Preissegment eine Wohnung anmieten können. Das würde die künftig zu leistenden Wohnkosten im SGB II eher erhöhen als senken.
Tatsächlich erhöhen große Wohnungskonzerne wie Vonovia & Co regelmäßig die Mieten – und lassen sich diese Mietsteigerungen von den Jobcentern über die Wohnkostenübernahme finanzieren. Um dieses Geschäftsmodell zu beenden, müssten nicht die staatlichen Leistungen gedeckelt werden, sondern die Mieten selbst. Schon jetzt leben viele Bürgergeld-Beziehende in beengten und überbelegten Wohnungen und sind häufig bürokratischen Schikanen ausgesetzt.
Im Jahr 2023 erhielten rund 325.000 Bedarfsgemeinschaften im Bürgergeldbezug – das entspricht etwa 12,2 Prozent aller Bedarfsgemeinschaften – nicht die tatsächlichen Ausgaben für Unterkunft und Heizung erstattet. Betroffene mussten im Schnitt rund 103 Euro monatlich, also etwa 16 Prozent der tatsächlichen Wohnkosten, aus dem Regelbedarf oder aus eigenen Ersparnissen finanzieren. Am stärksten betroffen waren Leistungsbeziehende in Freiburg und Frankfurt am Main; am höchsten war die Wohnkostenlücke mit 338 Euro pro Monat in Stuttgart.
→ Link zur Wohnkostenlücke 2023: https://t1p.de/q0hdl
→ Anfrage zur Wohnkostenlücke 2024 (beantragt von den Linken am 9.7.2025): https://t1p.de/ams9l
Fazit:
Der Vorstoß von Merz läuft darauf hinaus, Bürgergeld-Beziehende aus den Städten in Ghettos oder aufs Land zu verdrängen – denn bezahlbarer Wohnraum ist in den Städten kaum noch zu finden. Statt Mieten zu begrenzen und den sozialen Wohnungsbau zur Chefsache zu machen, wird versucht, Leistungsbeziehende weiter unter Druck zu setzen. Klar ist schon jetzt: Sollte ein entsprechendes Gesetz überhaupt verabschiedet werden, ist zu erwarten, dass die Gerichte eine pauschalierte unterdeckte Unterkunftskosten wieder kassieren“ Aus dem Thomé Newsletter 23/2025 vom 21.07.2025bei Tacheles
- Siehe auch:
- Bürgergeld Mietobergrenzen – so hoch darf die Miete 2025 sein
Beitrag von Peter Piekarz vom 11. Juli 2025 bei buergergeld.org - Wenn Kappung der Mietkosten bei Hartz IV – dann zu Lasten der Vermieter!
Ein nicht unernster Hinweis auf Art. 14 Abs. 2 GG von Lutz Eisel, Rechtsanwalt, Bochum, vom 15.4.2006, im LabourNet-Archiv
- Wohnen – Würde – Widerstand: Aufstehen gegen Zwangsumzüge
Aufruf zur Demo am 18. Mai 2006 in Bochum bei bo-alternativ.de
- Bürgergeld Mietobergrenzen – so hoch darf die Miete 2025 sein
- ARD-„Sommerinterview“: Merz hält Deckelung der Wohnkosten im Bürgergeld für denkbar
- Bürgergeld: So kannst Du Dich gegen Kostensenkungsverfahren der Jobcenter oder Sozialämter wehren
„Zum 1. Januar 2024 ist für viele Leistungsempfänger nach dem SGB II und SGB XII die sogenannte Karenzzeit in Bezug auf die Kosten der Unterkunft ausgelaufen. Die Karenzzeit ist ein Zeitraum – in der Regel das erste Jahr im Bezug von Leistungen – in dem die Unterkunftskosten, d.h. die Mietkosten oder die laufenden Kosten für ein Eigenheim, vom Jobcenter oder Sozialamt in tatsächlicher Höhe anerkannt werden. Nach Ablauf dieser Schonfrist können das Jobcenter/Sozialbehörde verlangen, dass unangemessen hohe Wohn- bzw. Unterkunftskosten auf die angemessene Höhe, die sogenannten Mietobergrenze, abgesenkt werden. Für die Heizkosten gilt das nicht. Dies nennt sich Kostensenkungsverfahren. (…) Ab dieser Kostensenkungsaufforderung werden die bisherigen Mietkosten befristet weiter übernommen, in der Regel bis zu sechs Monaten – wobei die sechs Monate nicht als starre Grenze zu verstehen sind (vgl. nur BSG, B 4 AS 30/08 R). (…) Die Kostensenkungsaufforderung ist immer dann nicht möglich, wenn der Leistungsbeziehende glaubhaft darlegen kann, dass zu dem Preis des Jobcenters/Sozialbehörde kein Wohnraum vorhanden ist, weil wir einen angespannten Wohnungsmarkt in Deutschland haben. Unangemessene Kosten der Unterkunft und Heizung können im Einzelfall aufgrund der Besonderheiten wie ( Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit ) länger als 6 Monate vom Jobcenter bzw. Sozialhilfeträger zu übernehmen sein und somit dem Hilfebedürftigen ein Verbleib in seiner Wohnung ermöglichen. Der Träger der Sozialhilfe/Jobcenter darf Hilfeempfänger, die individuelle Zugangshemmnisse zum Wohnungsmarkt aufweisen, nicht ohne Weiteres auf den allgemeinen Wohnungsmarkt verweisen, sondern hat sie bei der Wohnungssuche bedarfsgerecht zu unterstützen. Kommt der Leistungsträger dieser Obliegenheit nicht nach, ist grundsätzlich von der konkreten Angemessenheit der Wohnung auszugehen. Konkrete Suchaktivitäten müssen die Betroffenen dann nicht nachweisen (BSG – B 8 SO 7/21 R – ). (…) Sobald das Jobcenter/Sozialamt die Mietkosten auf das angemessene Maß absenkt, obwohl ihr nachgewiesen habt, dass der Umzug unzumutbar ist wegen gesundheitlicher Gründe oder ein anderer angemessener Wohnraum einfach nicht zu finden war, müsst ihr sofort gegen diesen Bescheid in den Widerspruch gehen, Widerspruchsfrist beträgt 4 Wochen. Aber auch wenn das Jobcenter zum Bsp. einen Bescheid schickt mit der Ablehnung wegen der Unzumutbarkeit des Wohnungswechsels, müsst ihr dagegen auch Widerspruch sofort einlegen nach Erhalt dieses Schreibens. Manchmal ist es schon anzuraten, einen Rechtsanwalt für Sozialrecht damit zu beauftragen, es kommt hier immer auf den Einzelfall an. (…) Wenn der Grundsicherungsträger SGB II/SGB XII die Mietkosten mittels Kostensenkungsaufforderung absenkt, dann muss das Jobcenter/Sozialamt den Nachweis erbringen, dass für den Betroffenen konkret verfügbarer Wohnraum vorhanden ist. (…) Bei der Frage, ob eine Wohnung zu einem bestimmten Preis abstrakt vorhanden ist, trifft deshalb das Jobcenter die objektive Beweislast. Denn das Jobcenter/Sozialamt ist für die Ermittlung der abstrakten Grenze der Angemessenheit verantwortlich, wohingegen die Ermittlung demjenigen, der Leistungen nach dem SGB II beantragt, regelmäßig nicht möglich ist…“ Aus den rechtlichen Erläuterungen von Detlef Brock vom 4. September 2024 bei gegen-hartz.de- Hinweis: Wer sich detailliert mit der Kostensenkung befassen will bzw. muss, der findet alles Wichtige in der 9-seitigen PDF-Version des Beitrags von Detlef Brock
- Hinweis: Wer sich detailliert mit der Kostensenkung befassen will bzw. muss, der findet alles Wichtige in der 9-seitigen PDF-Version des Beitrags von Detlef Brock
- Miete und Bürgergeld: Sozialwohnung kann nicht unangemessen sein
„Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat klargestellt: Sozialwohnungen dürfen für Bürgergeld Empfänger nicht als unangemessen gelten, auch wenn die Mietkosten über den üblichen Grenzen liegen. Dieses Urteil verpflichtet das Jobcenter, die volle Miete zu übernehmen, besonders in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt wie Berlin (L 32 AS 1888/17). (…) Die Klage stammt aus dem Zeitraum 2015/2016. Das Jobcenter weigerte sich, die vollen Kosten für die Wohnung einer Hartz-IV-Empfängerin (heute Bürgergeld) zu übernehmen. Der tatsächlichen Warmmiete von 640 Euro standen als angemessen geltende 480 Euro gegenüber. Dabei berief sich die Behörde auf die Ausführungsvorschriften der zuständigen Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Grundlage der Vorschrift und damit der Mietobergrenze: Die durchschnittlichen Mieten einfacher Wohnungen gemäß Mietspiegel. (…) Das LSG Berlin-Brandenburg monierte das Vorgehen des Jobcenters als unzulässig. Berücksichtigt werde nur der durchschnittliche Fall der Angemessenheit. Die obere Grenze bliebe dabei außen vor. Wichtiger aber ist die Einschätzung, dass einfache Wohnungen, auf die das Jobcenter Bürgergeld Bedürftige verweise, „tatsächlich verfügbar, also anmietbar sind“. Das werde durch das Konzept in Berlin nicht gewährleistet. Dazu griffen die Richter auf die Wohnraumstatistik der Senatsverwaltung aus dem Jahr 2019 zurück. Zu der Zeit mussten 76.000 Bürgergeldhaushalte Teile der Miete selbst bestreiten, weil die Miete über den vom Jobcenter genutzten Grenzwerten lagen. Hinzu käme in Berlin eine Angebotslücke von 345.000 Single-Wohnungen. (…) Gemäß der Absicht des Gesetzgebers, dass Sozialwohnungen für Hilfebedürftige, und damit auch für Bürgergeld Empfänger, errichtet und vorgehalten werden sollen, liege der Quadratmeterpreis der Wohnung der Klägerin unterhalb des Durchschnitts der zulässigen Mieten. Daher müsse das Jobcenter die Kosten in voller Höhe übernehmen. Hier greift der zweite Leitsatz des Urteils: „Wohnraum, der nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus und des WoGG (Wohngeldgesetz) angemessen ist, kann jedenfalls in angespannten Wohnungsmärkten nicht grundsicherungsrechtlich unangemessen sein.“ Eine Revision beim Bundessozialgericht ist zulässig, da das Urteil grundsätzliche Bedeutung hat.“ Beitrag von André Maßmann vom 2. September 2024 bei Buergergeld.org - Detaillierte Zahlen zur Wohnkostenlücke 2023 und Änderungsbedarf
„Caren Lay, mietenpolitische Sprecherin der Gruppe Die Linke im Bundestag fragte die Bundesregierung Drs. 20/12047nach der Wohnkostenlücke des Bürgergeldes im Jahr 2023. Die Wohnkostenlücke beziffert den Unterschied zwischen den tatsächlichen Kosten der Wohnung und dem, was das Jobcenter real dafür erstattet („angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung“).
Ergebnis: Im Jahresdurchschnitt 2023 bekamen rund 325.000 Bedarfsgemeinschaften im SGB II (rd. 11 % aller Bedarfsgemeinschaften) nicht die vollen Kosten der Unterkunft erstattet. Die durchschnittliche Differenz betrug 107 Euro pro Monat und betroffenem Haushalt. Die dezidierten Zahlen für jedes Jobcenter einzeln, die Länder und den Bund gibt es hier: https://t1p.de/sbzw3
An höchsten ist die Wohnkostenlücke mit 253 EUR im Jobcenter Ebersberg, 226 EUR im JC Dachau, 215 EUR im JC München, und 204 EUR im JC Fürstenfeldbruck und ebenfalls Oldenburg Stadt, 180 EUR beim JC Saalfeld-Rudolfstadt, 167 EUR im JC Freiburg und 159 EUR im JC Darmstadt, 157 EUR im JC Breisgau, und 150 EUR beim JC Offenbach sowie JC Flensburg. Diese Zahlen stellen den durchschnittlichen Nichtübernahmebetrag jeder in den KdU gekürzten BG da.
Im Jahr 2022 betraf die Wohnkostenlücke rund 13 Prozent aller Bedarfsgemeinschaften, sie belief sich auf 382 Millionen Euro, der durchschnittliche nicht übernommene Betrag war 94 Euro im Monat.
Kurzbewertung: Diese neuen Zahlen machen deutlich, dass die Wohnkostenlücke, also die nicht von der Behörde übernommenen Beträge der Kosten der Unterkunft, trotz der Karenzzeit drastisch gestiegen ist. Diese Fehlbeträge müssen in den meisten Fällen wahrscheinlich aus dem Regelsatz bestritten werden. Diese zusätzlichen Kosten drücken die betroffenen Menschen weit unter das Existenzminimum.
Im Jahr 2024 ist wieder mit einem erheblichen Anstieg der nicht durch die Jobcenter berücksichtigten Beträge zu rechnen. Das bedeutet, das Thema Wohnkosten muss in den Blick der Öffentlichkeit und in den Blick des Gesetzgebers kommen.
Hierzu bedarf es einiger Änderungen:
1) Ermittlung der angemessenen KdU gemessen an den Angebotsmieten, also an dem Preis, zu dem Unterkünfte zu erhalten sind und nicht an einem Mischindex von Bestands- und Angebotsmieten.
2) Modifizierung der angemessenen KdU auf die reine Grundmiete, ohne Betriebskosten. Denn wie hoch der gemeinsame Verbrauch in einem Hochhaus, das Abwasser oder die Grundsteuer ist, liegt nicht in der Einflusssphäre der Leistungsbeziehenden.
3) Gesetzliche Regelung, dass Sozialwohnungen immer angemessen sind, denn das ist der Zweck von Sozialwohnungen.
4) Sofortige Streichung der Begrenzung der KdU wegen fehlender Umzugserfordernis des § 22 Abs. 1 S. 6 SGB II. Rückwirkende Zahlung der dahingehenden Kürzungen für Leistungsberechtigte bis Jan. des Vorjahres (analog § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II).
5) Genehmigungsfiktion von beantragten Unterkünften im Sinne von § 22 Abs. 4 S. 1 SGB II innerhalb von 3 Werktagen.
Wenn dazu Rückfragen bestehen, stehe ich gerne zur Verfügung. Die Linke mit Zusammenfassung zur Wohnkostenlücke: https://t1p.de/pq7fo.“ Aus dem Thomé Newsletter 28/2024 vom 18.08.2024
- Bürgergeld und Wohnkosten: Jeder achte Haushalt zahlt drauf. Bei 320.000 Haushalten mit Anspruch auf Bürgergeld bezahlen Jobcenter die Unterkunft nicht in voller Höhe
„Fast 320.000 Haushalte mit Bürgergeld-Berechtigten müssen einen Teil der Miete und Heizung aus dem Regelsatz für die Lebenshaltungskosten bezahlen, weil die Miete dem Jobcenter nicht mehr als „angemessen“ gilt. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Gruppe Die Linke im Bundestag hervor, die der taz vorliegt. Im Schnitt mussten die betroffenen Haushalte im vergangenen Jahr jeden Monat 103 Euro aus dem Regelsatz für die Wohnkosten abzwacken. Sie machen 12,2 Prozent der Haushalte mit Anspruch auf Bürgergeld aus. Besonders groß war die Wohnkostenlücke in den Metropolen. In Berlin zahlten die betroffenen Haushalte im Schnitt fast 160 Euro dazu. „Wer im Bürgergeld überhaupt noch eine Wohnung in Innenstädten bekommt, zahlt drauf und spart sie sich vom Munde ab“, sagte die Linken-Abgeordnete Caren Lay der Deutschen Presse-Agentur. Im Bürgergeld zahlt das Jobcenter normalerweise Miete und Heizung, solange die Wohnung als „angemessen“ gilt und die Heizkosten bestimmte Werte nicht überschreiten. Die Angemessenheitsgrenzen wurden in den Kommunen zwar immer wieder angepasst, werden aber durch die steigenden Mieten immer wieder überschritten. Das Jobcenter fordert die Menschen dann auf, in eine günstigere Wohnung umzuziehen. Diese gibt es aber meist nicht, die Leute müssen in ihren Wohnungen bleiben. Der übersteigende Betrag muss daher sozusagen „aus der eigenen Tasche“ als vom Geld für den Lebensunterhalt gedeckt werden und mindert die ohnehin geringe Summe, die für die alltäglichen Lebenshaltungskosten gedacht sind. Diese Wohnkostenlücke bleibt, obwohl mit Beginn des Bürgergeldes und auch schon zu Corona-Zeiten eine gesetzliche „Karenzzeit“ bei den Wohnkosten für neue Antragssteller:innen eingeführt wurde. In der „Karenzzeit“ im ersten Jahr des Bürgergeldbezuges übernimmt das Jobcenter die Wohnkosten in der realen Höhe, ungeachtet der Angemessenheitsgrenzen. (…) Die Union hingegen will die Karenzzeit in ihren Reformvorschlägen zum Bürgergeld abschaffen, sodass die Angemessenheitsgrenzen dann schon zu Beginn des Leistungsbezuges gelten würden. (…) Der Immobilienmarkt reagiert allerdings auch auf eine Erhöhung der Angemessenheitsgrenzen bei den Jobcentern. In den Kommunen gibt es die Erfahrung, dass bei einer Erhöhung der Angemessenheitsgrenzen auch günstige Mieten im Bestand steigen. Die Vermieter wissen dann ja, dass diese Wohnkosten von den Sozialbehörden übernommen werden.“ Artikel von Barbara Dribbusch vom 11. August 2024 in der taz online - Bürgergeld: An Zwangsräumungen sind oft die Jobcenter Schuld
„Die steigende Zahl der Zwangsräumungen in Deutschland sind besorgniserregend. 2022 mussten etwa 27.300 Menschen ihre Wohnungen verlassen, eine Zunahme, die auf verschiedene Gründe zurückzuführen sind. Besonders auffällig ist dabei die Rolle, die die Jobcenter spielen. Sie sollen eigentlich in Notsituationen helfen, tragen jedoch durch ihre Praxis der Ablehnungsbescheide oftmals zur Verschärfung der Lage bei.
Durchschnittlich fast 75 Zwangsräumungen täglich
Die Zahl der Zwangsräumungen im Jahr 2022 – insgesamt 27.319 – zeigt die Dramatik der Wohnungsnot auf. Im Durchschnitt bedeutet dies fast 75 Zwangsräumungen pro Tag. Die Entwicklung ist alarmierend, zumal die Tendenz steigend ist. Viele Mieter sehen sich nicht mehr in der Lage, die steigenden Mieten zu zahlen. Sobald Mietzahlungen ausbleiben, haben Vermieter das Recht, eine fristlose Kündigung auszusprechen und letztlich eine Zwangsräumung zu veranlassen. (…)
Jobcenter sollen in bestimmten Situationen die Miete übernehmen, wenn Betroffene dazu nicht in der Lage sind. Doch immer wieder kommt es vor, dass Anträge abgelehnt werden – oft mit dem Verweis auf andere vorrangige Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag. Diese Praxis ist nicht immer rechtens und führt oft zu erheblichen Problemen für die Betroffenen. Jobcenter lehnen Anträge auf Mietübernahme nicht selten ab. Dies kann unter Umständen gerechtfertigt sein, beispielsweise wenn vorrangige Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag beantragt werden müssen. Diese Leistungen sollen anstelle des Bürgergeldes in Anspruch genommen werden, was auch korrekt ist. Allerdings sind die Jobcenter bis zur Genehmigung dieser vorrangigen Leistungen in der Pflicht, die Miete und andere Lebensunterhaltskosten zu übernehmen, damit Mietkündigungen und damit zwangsweise Räumungen verhindert werden…“ Beitrag von Sebastian Bertram vom 19.06.2024 in gegen-hartz.de- Siehe für aktuelle Zahlen und Bewertung „Rekord an Zwangsräumungen bundesweit“ im Thomé Newsletter vom 16.06.2024
- Siehe für aktuelle Zahlen und Bewertung „Rekord an Zwangsräumungen bundesweit“ im Thomé Newsletter vom 16.06.2024
- Bündniss AufRecht bestehen: Kostensenkungsaufforderungen – Was nun?
„Das „Bündnis „AufRecht bestehen“ hat ein Positionspapier zum Thema Wohnen veröffentlicht. Es behandelt sowohl die allgemeine Situation am Wohnungsmarkt als auch die Lage dort speziell für Menschen mit niedrigem Einkommen. Vor diesem Hintergrund entwickeln die Autor*innen eine Reihe von Forderungen, was jetzt getan werden muss, um die in den letzten Jahren drastisch gestiegenen Wohnkosten zu verringern und die Lage am Wohnungsmarkt in den Griff zu bekommen. Ebenfalls wurde von dem Bündnis die Arbeitshilfe zu Kostensenkungsaufforderungen die Arbeitshilfe zu Kostensenkungsaufforderungen – Was tun? erstellt, diese richtet sich an Beziehende von Bürgergeld (SGB II) sowie Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung der Sozialhilfe (SGB XII) sowie Beratende im Bereich der Existenzsicherungsberatung…“ Thomé Newsletter 07/2024 vom 18.02.2024zum Positionspapier Wohnen
- 10 Prozent aller Hartz IV- und Sozialhilfe-Bezieher leben ohne Wohnung
„… Laut der BAG W sind immer mehr Menschen in Deutschland wohnungslos. Die Zahl der Betroffenen ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Rund 678.000 Menschen sind deutschlandweit wohnungslos. Etwa 30.000 Menschen mehr sind betroffen. Die Auswertung zeigte, dass besonders Hartz IV Beziehende, Asylsuchende, junge Menschen sowie Alleinerziehende gefährdet sind, nicht in den eigenen vier Wänden wohnen zu können. (…) Demnach lebt etwa 1 Prozent der Einwohner in Deutschland ohne eigene Wohnung. Das bedeutet auch, dass 10 Prozent der Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, ohne Obdach leben müssen. Aber nicht nur Hartz IV Beziehende sind betroffen. Auch Geringverdiener und Bezieher anderer Sozialleistungen wie der Sozialhilfe sind wohnungslos. (…) Jedes Jahr veröffentlicht die BAG W Schätzungen über die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Gesamtzahl der Wohnungslosen um 4,2 Prozent gestiegen. Im Jahr davor waren es noch rund 650.000 Wohnungslose. Eine besonders große Gruppe gehören der Gruppe der anerkannten Flüchtlinge an. Wird diese Zahl außer Acht gelassen, sind noch 237.000 wohnungslose Menschen betroffen. Davon sind: – 166.000 alleinstehend (entspricht 70 %) – 19.000 Kinder oder minderjährige Jugendliche (entspricht 8 %) – 159.000 Männer (entspricht 73 %) – 40.000 EU-Bürger*innen (…) Hauptursache für die steigende Wohnungslosigkeit sind nach Angaben der BAG W die immer höheren Mieten und der immer geringere Bestand an Sozialwohnungen. Zudem würde sich die Armut in Deutschland immer weiter verfestigen. Besonders fehlt es an Ein- und Zweiraumwohnungen. Hartz IV bzw. Sozialhilfe Beziehende können auf dem angespannten Wohnungsmarkt kaum Wohnungen finden, die den Vorgaben der Kommunen entsprächen. Geringverdiener können sich die hohen Mieten nicht leisten…“ Beitrag von Sebastian Bertram vom 16. Februar 2022 bei gegen-hartz.de - Die „Wohnkostenlücke“ im Hartz IV-System
„… [Im] hier relevanten § 22 SGB II heißt es im ersten Satz: »Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind«. (…) Bei vielen Betroffenen, die auf SGB II-Leistungen angewiesen sind, führt (…) die Auslegungsakrobatik um das Wort „angemessen“ dazu, dass sich das Brot nicht vervielfacht, sondern ganz im Gegenteil weniger wird. Denn nicht anerkannte Wohnkosten, also die Wohnkostenanteile, die von den zuständigen Jobcentern nicht als „angemessen“ anerkannt werden, müssen von den Betroffenen (zu denen übrigens neben den SGB II- auch die SGB XII-Leistungsbezieher gehören, also beispielsweise die altersarmen Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen) aus dem Geldbetrag für die Regelleistungen gedeckt werden, mit denen der existenzminimale Lebensunterhalt gewährleistet werden soll. (…) Und wie groß war sie nun im Jahr 2020, die Differenz zwischen den anerkannten und den tatsächlichen Wohnkosten das Hartz IV-Bezieher? »Die Differenz zwischen tatsächlichen und anerkannten laufenden Kosten für Unterkunft und Heizung belief sich im gesamten Jahr 2020 in Deutschland auf 474 Millionen Euro.« [BTDS 19/31600 vom 19.07.2021 S. 3] »Die Differenz zwischen den durchschnittlichen monatlichen laufenden tatsächlichen und anerkannten Kosten der Unterkunft und Heizung bezogen auf die Bedarfsgemeinschaften, in denen die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung höher waren als die anerkannten Kosten, betrug im Jahr 2020 durchschnittlich 87 Euro.« Hier ebenfalls pro Monat. Bei diesen Haushalten wurden im Schnitt 15 Prozent der tatsächlichen Wohnkosten nicht vom Jobcenter bezahlt. (…) Und um das Dauerbrenner-Thema abzurunden – es geht hier nicht nur um die Gruppe derjenigen, die sich offiziell im Hartz IV-Bezug befinden. Wer mit offenen Augen durchs Leben geht, der oder die weiß, dass es zahlreichen Menschen mit niedrigen Einkommen gibt, die aus unterschiedlichen Gründen keine SGB II-Leistungen beziehen (obgleich sie grundsätzlich durchaus Anspruch hätten) oder die knapp über den Bedarfsschwellen des Sozialhilfesystems versuchen müssen, über die Runden zu kommen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 12. August 2021 auf seiner Homepage - Zahlen zur Wohnkostenlücke 2020: In 450.000 Haushalten die KdU nicht in vollständiger Höhe anerkannt – JC Ebersberg mit 234,84 EUR monatlich an der Spitze
„Bundesregierung legt Zahlen zur Wohnkostenlücke im SGB II im Jahr 2020 vor / Ungeheuerliche Zahlen: so werden z.B. beim JC Ebersberg durchschnittlich 234,84 EUR monatlich nicht übernommen. Die Fraktion Die Linke hat eine Kleine Anfrage (19/30857) zur Wohnkostenlücke im Jahr 2020 gestellt. Darin fragt sie die Bundesregierung unter anderem, in welcher Höhe die Kosten für Unterkunft und Heizung, die Leistungsberechtigte in der Grundsicherung tatsächlich aufbringen mussten, nicht übernommen worden sind und wie viele Bedarfsgemeinschaften davon betroffen waren. Im Ergebnis kam raus, dass trotz Sozialschutzpaketregelungen in 450.000 Haushalten die KdU nicht in vollständiger Höhe anerkannt wurde und der durchschnittliche Betrag der nicht anerkannten KdU pro Haushalt rund 87 EUR beträgt.
Aus der Antwort der Bundesregierung kann jetzt dezidiert entnommen werden, in welcher Höhe in welcher Stadt die Unterkunftskosten nicht übernommen wurden, sowie die Städte untereinander verglichen werden.
Ein Ergebnis dabei ist, dass im Land Berlin die meisten Fälle der nicht übernommenen KdU liegt, hier die Zahl 22 % (d.h. in 22 % aller Leistungsbeziehenden gibt es KdU Kürzungen), als nächstes kommt das Land Brandenburg mit 16,5 %, gefolgt von Thüringen mit 16,4 %. In Zahlen bedeutet das, dass bei den Haushalten in Berlin durchschnittlich 146,22 EUR nicht übernommen wird, gefolgt von Baden-Württemberg, wo durchschnittlich 104,83 EUR nicht übernommen werden.
Die höchste Nichtübernahmequote liegt in Saalfeld-Rudolfstadt in Höhe von 32,50 %, gefolgt von Schweinfurt mit 25,6 % und gefolgt von Berlin – Lichtenberg mit 24,6 %.
Am schlimmsten trifft es zahlentechnisch die Menschen im Jobcenter Ebersberg, dort werden durchschnittlich 234,84 EUR, in München 213,13 EUR und in Dachau 198,47 EUR pro gekürztem Haushalt an KdU nicht anerkannt.
Die Antwort benennt konkret die Kommunen in denen es bezüglich der Unterkunftskosten am meisten brennt. Dies zeigt kommunalpolitische Handlungsnotwendigkeiten auf, denn es ist nicht akzeptabel das SGB II-Beziehende aus den sowieso schon fast verfassungswidrig zu niedrig festgesetzten Regelbedarfen nur noch einen Cent zu Ihren Unterkunftskosten hinzuzahlen müssen und erst recht nicht, wie in Ebersberg, wo durchschnittlich 234,84 EUR hinzugezahlt werden müssen.
Die Antwort der Bundesregierung sollte massiv die Alarmglocken schellen lassen, hier sind die Parteien und Sozialbehörden und deren Aufsichtsbehörden berufen diese Situation auf den Prüfstand zu stellen.“ Aus dem Thomé Newsletter 29/2021 vom 08.08.2021mit den Links:
- Anfrage der Linken: https://t1p.de/c9mw
- Antwort der Bundesregierung: https://t1p.de/2yqn
- Katja Kipping dazu: https://t1p.de/agyc
- Anfrage der Linken: https://t1p.de/c9mw
- Mietexplosion: Warum Gewerkschaften eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit fordern
„… „Keine Rendite mit der Miete – Für eine neue Wohngemeinnützigkeit“ heißt eine kürzlich von den Gewerkschaften IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und ver.di herausgegebene Broschüre. Das Thema ist für ihre Zielgruppe virulent, denn Beschäftige vieler Branchen haben während der Corona-Krise Einkommen verloren. Auf dem Gewerbemietmarkt hat sich die Pleitewelle insofern ausgewirkt, als die Eigentümer Ladenflächen nicht mehr wie selbstverständlich zu ihren Wunschpreisen vermietet bekommen. Um bis zu 40 Prozent günstiger werden Ladenflächen zum Beispiel in Hamburg angeboten. Bei den Wohnungsmieten sieht es anders aus. „Im Einzelhandel nehmen Teilzeit, Minijobs und schlechte Stundenlöhne seit vielen Jahren zu. Gleichzeitig explodieren die Mieten – und zwar vor allem dort, wo es besonders viele Geschäfte gibt: In den Großstädten“, sagt Kristina Kroß, Betriebsrätin im Berliner Lebensmittel-Einzelhandel, die in der Gewerkschaftsbroschüre zu Wort kommt. „Es darf nicht sein, dass die Beschäftigten im Handel immer weitere Anfahrtswege haben, weil sie sich das Wohnen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes nicht mehr leisten können.“ Die Teilzeitkräfte sind zum Teil Aufstockerinnen und Aufstocker. Bei ihnen und bei Erwerbslosen zahlt auch der Staat die steigenden Mieten mit – jedenfalls bis zu einer ortsabhängigen Obergrenze. Die Differenz zur tatsächlichen Miete muss sonst eben aus dem Regelsatz bezahlt werden, der für Ernährung, Kleidung, Hygiene, Mobilität, Post und Telekommunikation schon knapp bemessen ist. (…) Weil der Staat aber in der Regel die Mieten der Bezieher von Arbeitslosengeld II begleicht, müssten Jahr für Jahr steigende Summen aufgewendet werden, die besser in der Wohnungsbauförderung angelegt wären, kritisierte der IG-BAU-Vorsitzende Robert Feiger am Montag. (…) „Neue Wohnungsgemeinnützigkeit“ heißt unter a, dass die Mieten sich auf die tatsächlichen Kosten für Verwaltung und Instandhaltung beschränken und somit für Menschen mit niedrigen bis mittleren Einkommen erschwinglich bleiben – und dass durch Steuererleichterungen, Zuschüsse oder die Vergabe öffentlicher Baugrundstücke geförderte Wohnungen auch gemeinnützig bleiben. Sie dürfen allenfalls an andere gemeinnützige Unternehmen verkauft werden. In der alten Bundesrepublik bedeutete Wohnungsgemeinnützigkeit, dass sich Unternehmen verpflichteten, alle ihre Wohnungen auf Dauer zu beschränkten Preisen zu vermieten, die auszuschüttende Rendite auf vier Prozent zu begrenzen und das Firmenvermögen nur für den Wohnungsbau einzusetzen. Dafür waren sie von der Körperschafts-, Gewerbe- und Vermögensteuer sowie in einigen Bundesländern auch von der Grunderwerbsteuer befreit…“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 4. August 2021 bei Telepolis - Zuviel gezahlt: Staat übernimmt Preissteigerungen für Wohnungen von Hartz-IV-Beziehern
„Anstatt den sozialen Wohnungsbau zu fördern, übernimmt der Staat steigende Mieten. Jedenfalls teilweise. Für den Steuerzahler ergeben sich dadurch Mehrbelastungen von zwei Milliarden Euro pro Jahr. Grund ist die drastische Steigerung der Mieten von Haushalten in Hartz-IV-Bezug. Das erklärte die Gewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) am Montag. Sie bezog sich dabei auf Berechnungen, die das Pestel-Institut in ihrem Auftrag vorgenommen hatte. (…) Nicht nur die Steuerzahler sind zusätzlich belastet. Auch die Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II) müssen von ihrem spärlichen Guthaben Geld für die Wohnkosten abzwacken. Am Sonntag wies der Sozialrechtler Harald Thomé auf die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke zur »Wohnkostenlücke 2020« hin. Danach übernehmen die Jobcenter für 450.000 Haushalte im Hartz-IV-Bezug die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) nicht vollständig. Das ist mehr als jede sechste Bedarfsgemeinschaft im ALG-II-Bezug. In manchen Gemeinden sei sogar jeder zweite Leistungsbezieher von einer sogenannten Wohnkostenlücke betroffen, wie Die Linke letzten Donnerstag erklärte. Die Differenz zwischen den tatsächlichen und den anerkannten – und übernommenen – Kosten machte im vergangenen Jahr im Durchschnitt monatlich 87 Euro aus. Durchschnittlich sind das 15 Prozent der gesamten KdU-Kosten der betroffenen Haushalte. Familien mit Kindern und Alleinerziehende traf es wieder einmal härter. Hier betrug die »Wohnkostenlücke« jeden Monat 101 Euro bzw. 96 Euro. Geld, das den Haushalten zum täglichen Leben fehlt…“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 3. August 2021, siehe dazu:
- Wohnkostenlücke SGB II im Jahr 2020
„Die Fraktion Die Linke hat eine Kleine Anfrage (19/30857) zur Wohnkostenlücke im Jahr 2020 gestellt. Darin fragt sie die Bundesregierung unter anderem, in welcher Höhe die Kosten für Unterkunft und Heizung, die Leistungsberechtigte in der Grundsicherung tatsächlich aufbringen mussten, nicht übernommen worden sind und wie viele Bedarfsgemeinschaften davon betroffen waren. Im Ergebnis kam raus, dass trotz Sozialschutzpaketregelungen in 450.000 Haushalten die KdU nicht in vollständiger Höhe anerkannt wurde und der durchschnittliche Betrag der Nichtanerkannten KdU pro Haushalt rund 87 EUR beträgt. Anfrage der Linken: https://t1p.de/c9mw, Antwort der Bundesregierung https://t1p.de/2yqn
. Die Antwort ist noch nicht vollständig, da die Bundesregierung noch nicht alle Daten der Anfrage geliefert hat.“ Aus dem Thomé Newsletter 28/2021 vom 01.08.2021
- Wohnkostenlücke SGB II im Jahr 2020
- IG BAU: Staat zahlt Mieten-Explosion mit: 2 Milliarden Euro „zu viel Miete“
„Der Staat zahlt die Mieten-Explosion kräftig mit: Für die Steuerzahlenden bedeuten die in den letzten Jahren stark gestiegenen Mietpreise eine milliardenschwere Mehrbelastung. Verantwortlich hierfür sind Mieten für Wohnungen von Hartz-IV-Haushalten, die der Staat übernimmt. Darauf hat die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) hingewiesen. „Insgesamt kostet die drastische Steigerung der Mieten bei den Wohnungen von Hartz-IV-Empfängern knapp 2 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr. Das ist das Geld, das Bund und Kommunen über die Job-Center für die Kosten der Unterkunft mehr ausgeben müssen, weil die Mieten in den letzten sechs Jahren um rund 30 Prozent rasant nach oben gegangen sind“, sagt Robert Feiger. Der IG BAU-Bundesvorsitzende beruft sich dabei auf neueste Berechnungen, die das Pestel-Institut (Hannover) im Auftrag der IG BAU gemacht hat. Bei den Kosten der Unterkunft, die der Staat übernehme, handele es sich um Mieten für Wohnungen mit einfachem Standard. Die Kaltmiete sei hier im Bundesdurchschnitt von 5,43 Euro pro Quadratmeter (im Januar 2015) auf 7,05 Euro (im März 2021) enorm angestiegen – ein Plus von 29,7 Prozent. Zum Vergleich: Die Verbraucherpreise haben im gleichen Zeitraum deutlich weniger zugelegt – nämlich um 9,1 Prozent, so das Pestel-Institut. „Selbst für einfache Wohnungen sind die Mieten in den vergangenen sechs Jahren also mehr als drei Mal so stark gestiegen wie die Verbraucherpreise“, sagt IG BAU-Chef Robert Feiger. Hätten die Mieten mit den Verbraucherpreisen Schritt gehalten, könnte der Staat heute enorme Summen sparen: „Im Prinzip gibt er Monat für Monat über 164,4 Millionen Euro ‚zu viel‘ für Mieten aus. Das sind im Jahr über 1,97 Milliarden Euro, die letztlich vom Steuerzahler kommen und bei den Vermietern landen, die kräftig an der Mietpreisspirale gedreht haben“, so der Bundesvorsitzende der IG BAU…“ Pressemitteilung vom 2.8.21
Siehe dazu:
- Wir erinnern an: Wenn Kappung der Mietkosten bei Hartz IV – dann zu Lasten der Vermieter!
- Siehe auch das gleichzeitige Thema: [HBS-Studie] Miete: Fast die Hälfte der Haushalte in deutschen Großstädten zahlen mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens
- Dossier: Gefordert wird: Öffentlicher Wohnungsbau als Weg zum „Guten Wohnen für Alle“. Realität ist das weitere „Entschwinden“ der Sozialwohnungen