Das Leben als Tafel-„Kunde“ – Über die konkrete Lebenssituation armer Menschen in der Großstadt

Tafeln und Vertafelung„Die Idee der Tafeln ist ein fester Bestandteil der neoliberalen Politik und gleichzeitig ein billiges Konzept für die Abfallbeseitigung, denn schwerpunktmäßig sind die Produkte der Tafeln Waren, deren Verfallsdatum erreicht oder überschritten ist und die deshalb nicht mehr verkauft werden dürfen. Da ist die Entsorgung durch Abgabe an die Tafeln billiger als eine kostenpflichtige Entsorgung auf den Müll. Nicht einmal Transportkosten entstehen, weil die Tafeln die Lebensmittel abholen. Die Zahl der Menschen, die sich Lebensmittel bei den 940 Tafeln in Deutschland abholen, steigt seit Jahren kontinuierlich an. Im Jahr 2019 ist sie um 10 Prozent auf 1,65 Millionen Menschen angestiegen, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Seit Beginn der „Tafelbewegung“, die durch die großen weltweit tätigen Unternehmensberatungen ins Leben gerufen wurde, haben die staatlichen Stellen die Institutionalisierung der Tafeln kräftig gefördert, auch um die Leistungsbemessung für die Zahlungen gemäß dem Sozialgesetzbuch II/Hartz-IV möglichst gering halten zu können. (…) Erstaunlich ist, dass so eine Bewegung wie die Tafelbewegung mithilfe einer Unternehmensberatungsfirma flächendeckend gewachsen ist. Über die Medien hochgejubelt, wurde auch suggeriert, dass jedem, dem es nicht gut geht, zur Not doch die Tafel nutzen kann und er mit „durchgefüttert“ wird. Die hohe Akzeptanz der Tafeln in der Bevölkerung ist das Ergebnis einer Mission, die den Sozialstaat vorführen wollte, um „Sozialromantiker“, die für den Sozialstaat eintreten, zu diskreditieren. Würde der Staat, vertreten durch die Parlamente im Bund und in den Bundesländern das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes ernst nehmen, müsste er durch seine Gesetzgebung dafür sorgen, dass es Lebensmittelspenden an Bedürftige durch zivilgesellschaftliche Organisationen und Wohlfahrtsverbände nicht geben muss.“ Beitrag von Laurenz Nurk vom 19. Juli 2020 bei Telepolis externer Link

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