DGB: Lieber arm und krank als gesund und reich. Teil 6 der Kolumne „Geht gar nicht“ von Albrecht Goeschel

Teil 6 der Kolumne “Geht gar nicht” von Albrecht Goeschel vom 20.10.2014Kolumne "Geht gar nicht" von Albrecht Goeschel

Wundern braucht es einen nicht. So wie der (West-)Deutsche Gewerkschaftsbund schon in den Jahren nach dem Krieg ein williger Helfer des Adenauer- und Amerikanerregimes war, an die Kampagne gegen den antikapitalistischen Helden Dr. Viktor Agartz seitens dieses wundervollen DGB sei erinnert, und so wie er zum Vernichtungsangriff auf den EU-Süden fettbackig schweigt, ist ihm alles zuzutrauen.

Auffällig ist das DGB-Mitgemache beim in Deutschland hoch beliebten weil wirkungslosen und erklärungsfreien Armutsgequatsche. Aus allen möglichen DGB-Ecken kommen ein schmerzfreier und lammfrommer „Verbesserungswunsch“ in Sachen Armut nach dem anderen. Gerade jetzt etwa die tiefe Erkenntnis, dass „arme Kinder“ meist „arme Eltern“ haben. Die Rolle von Lohnarbeit überhaupt, von Lohndumping für Exportterror und für Finanzkapitalismus gerät bei soviel armutsmenschlicher Herzensgüte ganz aus dem Blick.

Das verträgt sich durchaus mit der autoritären Tarifeinheitsnummer des DGB gegen Gewerkschaften, die noch oder wieder welche sind (Ärzte, Lokführer, Piloten etc.). Das verträgt sich auch gut mit der Windelweich-Politik des DGB in Sachen US-EU-Geheimkapitalismus TTIP und auch mit der Liebe des DGB zur „Armee im Einsatz“ (BuWe). Und ganz besonders verträgt sich das mit der Einladung an den Herrn Professor der Privatversicherungen Rürup als Stargast der DGB-„Sozialstaats“-Diskussion Mitte November.

Das ist aber alles nur die Oberfläche: Der DGB als „Schnarchzapf in allen Sozialstaatsgassen“ schleppt sich fettleibig zurück von der (wenigstens) Sozialpolitik des Wohlfahrtskapitalismus des zwanzigsten Jahrhunderts zur Armenpolizeipolitik des neunzehnten Jahrhunderts – gut beschrieben von der Heide Gerstenberger schon 1981 in der Zeitschrift Leviathan. Je mehr Armutslinderung durch immer neue Kombi-Einkommensmodelle bei Arbeitslöhnen und Alterslöhnen (Renten) installiert wird, um so mehr wird die immerhin „freie“ Lohnarbeit zum „unfreien“ Arbeitsdienst.

Natürlich war auch die wundervolle Sozialpolitik des wundervollen Sozialstaats vor allem eine Veranstaltung, mit der kollektiver Klassenkonflikt in individuelle Sozialversicherung  „transformiert“ worden ist und der kämpferische Proletarier zum zuverlässigen Gutverdiener mutiert worden ist. Den „Klassenhass“ hat sich dieser Jahresurlaubsdepp dann für Ausländer, Zuwanderer und Zeitarbeitkollegen aufgespart.

Aber jetzt gilt auch diese Nummer nicht mehr für alle: Etliche Millionen wurden der Armenpolizei (Präsident: Peter Hartz) unterstellt, damit die gleichbleibende oder sogar sinkende Lohnquote für den Rest gleichwohl profitabel ein bisschen erhöhte werden kann: „Leistungsgerecht“ halt.

Da passt es dann auch wieder, dass die Prekarisierten gar nicht erst wählen gehen (wen denn ?) und dass die Privilegierten sich eine saubere Großkoalition gegen die „Armen“ im eigenen Lande und gegen die „Armgemachten“ im Europa-Rest zusammen gewählt haben – und mitten drin in diesem wunderbaren „Parlamentarischedemokratie – Verbändestaat“:  Unser Deutscher Gewerkschafts-Bund (DAF) – dominiert von unternehmesfixierten Großbetriebsräten,männlichen Facharbeitern und kenntnisfreien Exportweltmeisterschafts- und Selbstkolonialisierungsfans. Bei denen kommt jetzt  sowieso bald die „Rente“ – da wartet dann schon das nächste Empfangskomitee: VdK und SoVD. Angeführt wird dieses Komitee von Frau Mascher, Exstaatssekretärin der Lichtgestalt Riester, Gründungsmitglied der Riester-Rente und der Mütter-Maut und selbstverständlich: Mitglied der wundervollen „SPD“ (150 Jahre sind hier mehr als genug !).

  • Siehe zum Hintergrund: Podiumsdiskussion: Bedarfe erkennen – Lasten gerecht verteilen. Wie sind Sozialstaat, gleichwertige Lebensverhältnisse und Schuldenbremse unter einen Hut zu bringen? Podiumsdiskussion am 11. November 2014 in Berlin mit Gästen aus Bundes- und Landespolitik sowie aus Wissenschaft, u.a. eben Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes und langjähriges Mitglied und Vorsitzender des SVR. Siehe die Ankündigung beim DGB externer Link
  • Siehe vorige Teile in unserer Rubrik “Kolumnen
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=67612
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