Tarifrunde Einzelhandel: Kein Ende in Sicht

Vorabdruck eines Artikel von Helmut Born aus der November Ausgabe der Sozialistischen Zeitung 2013. Wir danken dem Autor!

In der Tarifrunde des Einzelhandels ist auch nach 5 Monaten keine Lösung des Konfliktes in Sicht. In den ersten Verhandlungsrunden nach der Sommerpause, die in mehreren Bundesländern stattfanden, beharrten die Einzelhandels Bosse auf ihre Forderungen nach Verschlechterungen im Manteltarif- und Lohn- oder Gehaltstarifvertrag. Vor allem die Einführung einer neuen Niedriglohngruppe für Auffüller_innen und die Streichung der Nachtarbeitszuschläge für diese Beschäftigten, scheint ihnen besonders wichtig zu sein.

Dahinter stehen knallharte Forderungen vor allem der Unternehmen, die die verlängerten Ladenöffnungszeiten bis 24 Uhr nutzen, da der Nachtarbeitszuschlag von 55 % schon ab 20 Uhr zu zahlen ist. Hier ist vor allem die Metro Tochter real und die Supermarktkette Rewe zu nennen. In beiden Firmen werden nachts, durch Leiharbeitskräfte, die Regale aufgefüllt. Bisher bekommen diese Arbeiter_innen einen Lohn von 6 € 63, der nach einem Tarifvertrag den die CGB Organisation DHV mit einem Logistikverband abgeschlossen hat, gezahlt wird. Würden diese Arbeiter_innen nach dem Einzehandelstarifvertrag bezahlt, bekämen Sie einen Stundenlohn von 12 € 45 und den Nachtarbeitszuschlag von 55 %, macht zusammen 19,30 € die Stunde. Das ist eine Differenz von gut 12 € pro Stunde. Da aber in den Leiharbeitsunternehmen, die diese Arbeit verrichten lassen, eine sehr hohe Fluktuation herrscht, und die vereinbarte Anzahl der Arbeiter_innen oft nicht anwesend ist, kommt es häufig zu leeren Regalen in den Supermärkten. Um aus diesem Dilemma und der Kritik an diesen Arbeitsverhältnissen  heraus zu kommen sind die Einzelhandelsbosse auf die Idee einer neuen Niedriglohngruppe gekommen, in der die Kosten nicht höher sind als bei den Leiharbeitsunternehmen. Dies ist nur ein Beispiel für die Forderungen der Einzelhandelsbosse. Die Forderung nach Streichung von tariflichen Zuschlägen und der Einführung von Vertrauensarbeitszeit sind weitere Beispiele worum es den Bossen geht: eine Absenkung der Personalkosten durch Lohnsenkung und einer weitgehenden Flexibilisierung.

Zum 1. August gab es in allen großen Einzelhandelsunternehmen eine einseitige Lohnerhöhung von 2,5 %, als so genannte freiwillige Leistung. Dies bestätigt noch einmal die Strategie der Einzelhandelsbosse in dieser Tarifrunde: sie wollen ver.di eine Lösung des Tarifkonfliktes nach ihren Bedingungen diktieren. Wieder einmal versucht ein Arbeitgeberverband durch knallharten Klassenkampf von Oben einer Gewerkschaft eine Niederlage beizubringen. Das dies von ver.di nicht akzeptiert werden kann dürfte jedem Gewerkschaftsmitglied bewusst sein. Leider ist aber nicht zu erkennen, das ver.di auf diese  Kampfansage eine ebensolche Antwort bereit ist zu geben. Was sollen die Beteuerungen nach fairer Behandlung und fairer Bezahlung bei dem Verhalten des Einzelhandelsverbandes. Auch das Angebot, über den Manteltarifvertrag und eine neue Entgeldstruktur ab Januar 2014 zu verhandeln, wurde von den Unternehmern brüsk zurück gewiesen.

Was wir brauchen ist eine deutliche Erwiderung der Kampfansage der Bosse. Insbesonders muss die Öffentlichkeit über die Strategie der Unternehmer unterrichtet werden. Es handelt sich hier um klassische Lohndrückerei, diesmal über eine tarifliche Regelung. Das die Öffentlichkeit auf sowas reagiert, konnten wir in den letzten Jahren, bei Lidl, Schlecker, Kik etc., schon mehrmals erleben. Außerdem muss ver.di aus der defensiven Haltung raus kommen. Die Forderungen der Unternehmer müssen durch eigene Forderungen gekontert werden. Warum fordert ver.di nicht eine bessere Bezahlung von Fachverkäufer_innen oder eine generelle Arbeitszeitverkürzung zumindest auf 35 Stunden pro Woche um der zunehmenden Arbeitsverdichtung entgegen zu wirken? Dazu bedarf es natürlich einer intensiven Diskussion in der Mitgliedschaft an der es bisher gemangelt hat. So wurde  über den Vorschlag von Ver.di, ab Januar mit den Bossen über den Manteltarifvertrag zu verhandeln, der Tarifkommission in NRW ohne jede Diskussion als Verhandlungsgrundlage präsentiert. Solch ein Vorgehen kann gerade in solch einer schwierigen Tarifrunde sehr negative Folgen haben. Jetzt ist offensichtlich die Strategie vom Frühjahr, keine Verhandlungen mit den Unternehmern über den Manteltarifvertrag zu führen, ans Ende gelangt. Die harte Haltung der Unternehmer zwingt gerade dazu, sich über die eigenen Forderungen Gedanken zu machen. Das diese Forderungen breit in der Mitgliedschaft diskutiert werden müssen, ist eine Grundvorraussetzung für eine erfolgreiche Tarifrunde.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=46831
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