Abschluss in Einzelhandel: Klarer Erfolg für ver.di

Artikel von Helmut Born vom 11.12.2013

Am 5. Dezember haben der Fachbereich Handel von ver.di und der Handelsverband Baden Württemberg einen Abschluss in der seit April andauernden Tarifrunde erzielt. Dabei mussten die Unternehmer von ihren ursprünglichen Forderungen erhebliche Abstriche machen. Vor allem die unveränderte Wiederinkraftsetzung des Manteltarifvertrages macht dies deutlich.

Dieser Abschluss ist nach einer bisher beispiellosen Mobilisierung im Einzelhandel im sicherlich kämpferischsten Tarifbezirk, Baden-Württemberg, im wahrsten Sinne des Wortes erkämpft worden. Viele Betriebe in Baden – Württemberg haben weit über 50 Tage in der 8 monatigen Tarifauseinandersetzung gestreikt. Daran beteiligt waren u.a. Betriebe von H+M, real, Kaufhof, Kaufland, Zarra und einzelne Märkte von anderen Unternehmen. Das für ver.di besonders pikante an diesem Abschluss ist, dass  ein in der innergewerkschaftlichen Diskussion äußerst kritischer Landesfachbereich wieder einmal einen Abschluss erreicht hat, der mehr ist als ein fauler Kompromiss.

Lohn und Gehalt

Die Unternehmer haben seit Juli 13 die Einkommen der Beschäftigten einseitig um 2,5 % erhöht. Für die  Monate April bis Juni war keine Erhöhung vorgesehen. Ab 1.4.14   hatten Sie eine Erhöhung von 1,5 % vorgesehen.

Der Abschluss sieht folgendermaßen aus:

  • Es bleibt bei den 3 Nullmonaten in 2013
  • Ab 1.7.13 gibt es rückwirkend eine Erhöhung von 3 %, Azubis ab 1.8.13
  • Ab 1.4.2014 gibt es eine Erhöhung der Einkommen von 2,1 %, in 2014 gibt es damit keine Nullmonate
  • Die Auszubildendenvergütung wird ab 1.8. 2014 überproportional um ca. 8 % angehoben und auf glatte Beträge aufgerundet ( 3. Ausbildungsjahr 900 €)

Insgesamt kann dieser Abschluss sich sehen lassen. Er ist kein Abschluss der Lohnverlust, sondern eher ein kleiner Zuwachs, bedeutet. Unternehmer wollten einen erheblich geringeren Abschluss.

Vertrauensarbeitszeit

Die Unternehmer hatten gefordert, dass die Regelungen im Manteltarifvertrag zur Arbeitszeit gestrichen werden und eine totale Flexibilisierung verlangt. Sie wollten im Manteltarifvertrag ihre Forderung nach einer Vertrauensarbeitszeit durchsetzen, bei der Betriebsvereinbarungen nicht mehr vorgesehen waren. Damit wären nicht nur die Regelung nach einer „systematischen“ Arbeitszeiteinteilung aus dem Manteltarifvertrag gestrichen worden, sondern die Beschäftigten praktisch dem Diktat des Unternehmens und seiner Personalplanung ausgeliefert. Vertrauensarbeitszeit nach den Vorstellungen der Bosse bedeutet tägliche Arbeitszeiten zwischen 4 – 10 Stunden, wöchentliche zwischen 1 – 6 Tagen und ein praktisch unbegrenztes Arbeitszeitkonto für plus und minus Stunden. Das alles konnte abgewehrt und der Manteltarifvertrag unverändert wieder in Kraft gesetzt werden.

Neue Eingruppierung von Auffüller_innen bzw. Warenverräumer_innen

In den letzten Jahren haben große Unternehmen wie Real, Kaufland oder Rewe die Auffüllung der Waren in großem Maßstab ausgegliedert. Sie haben diese Arbeiten durch Leiharbeiter_innen oder auch per Werkvertrag, komplett durch entsprechende Unternehmen erledigen lassen. Die Beschäftigten in diesen Unternehmen bekommen einen Stundenlohn von 6,63 €. Da zu diesem Stundenlohn aber offensichtlich nicht ausreichend Beschäftigte gefunden werden können, bzw. es in diesem Bereich eine hohe Fluktuation gibt, gab es immer wieder Probleme bei der Erledigung der Arbeiten. Um dieses Dilemma aufzulösen, schlugen die Unternehmer vor, eine neue Tarifgruppe mit einem Stundenlohn von 8,50 € zu schaffen, in die alle Auffüllkräfte eingruppiert werden sollten. Außerdem sollten die Nachtarbeitszuschläge von 50 % zwischen 20 Uhr bis 6 Uhr  komplett gestrichen werden.

Zu dieser Problematik wurde folgende Vereinbarung getroffen:

  • Ab 1.1. 2014 ist es möglich Warenverräumer_innen nach einer neuen Tarifgruppe zu beschäftigen. Voraussetzung ist, das der Unternehmer erklärt das er keine Leiharbeiter_innen mehr zur Warenverräumung beschäftigt bzw. kein Werkvertrag mehr abschließt.Diese Beschäftigten bekommen einen Stundenlohn ab 1.1.14 von 9,54 € und ab 1.4.14 von 9,74 €. Die Zuschläge von 50 % gelten nur noch in der Zeit von 22 – 4 Uhr, von 20 – 22 Uhr und von 4 – 6 Uhr gibt es einen 20 %igen Zuschlag.

Da diese Tätigkeiten häufig in der Nacht oder am späten Abend ausgeübt werden, hatten die Unternehmer ein großes Interesse daran, hier zu Änderungen zu kommen. Vor allem wollten Sie vermeiden, dass es zu erheblichen Kostensteigerungen kommen würde, wenn diese Arbeiten wieder durch eigene Beschäftigte erledigt werden. Nebenbei bemerkt, ist diese Art von Beschäftigung, ein Nebenprodukt der langen Ladenöffnungszeiten.

  • Beschäftigte als Leiharbeiter_in:
    Stundenlohn        6, 63 €
    Zuschläge             0, 00 €
  •  Beschäftigte nach der neuen TG:
    Stundenlohn        9, 54 €
    Zuschläge 20 %   1, 91 € ergibt: 11,45 €

Das macht ein Plus im reinen Stundenlohn von 2,89 € bzw. in der Zuschlagszeit von mindestens 4,82 € aus. Ich denke dies spricht für sich.

Das wichtige an dieser Regelung ist aber, dass damit Arbeit nach Werkvertrag oder Leiharbeit  massiv zurück gedrängt wird und damit Spaltungstendenzen der Belegschaften ein Riegel vorgeschoben wird. Festzuhalten bleibt noch, dass diese Tarifgruppe nur für Beschäftigte Gültigkeit hat die reine Auffülltätigkeiten verrichten und neu eingestellt werden müssen. Jede andere Art von Tätigkeit führt zur Eingruppierung in der für Auffüller_innen im Tarifvertrag vorgesehenen Tarifgruppe.

Bestandteil des Tarifabschluss ist eine Überarbeitung des Manteltarifvertrages und der Entgeltstruktur. Ab dem 1. Quartal 2014 sollen nach dieser Vereinbarung die Vorbereitungen für moderierte Gespräche zur Überarbeitung des Manteltarifvertrages starten. Hierbei steht der „gemeinsame Wille die Regelungen zur Arbeitszeitgestaltung insgesamt zu überarbeiten“ im Vordergrund. In der Tat sind die Regelungen im Manteltarifvertrag zu dieser Frage diskussionswürdig, da diese mit der betrieblichen Praxis häufig nichts mehr zu tun haben. Insbesondere die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt sich heute anders als in den 80 er oder 90 er Jahren des letzten Jahrhunderts. Gerade in einer Branche die so wesentlich von Frauen geprägt ist, wie der Einzelhandel, sind Regelungen für die Beschäftigten dringend vonnöten. Erfreulicherweise soll es bei der Neugestaltung der Entgeltstruktur  keine Vorfestlegung auf ein bestimmtes Konzept der Lohnfindung geben. Vor allem soll es keine Festlegung auf ein analytisches Arbeitsplatzbewertungssystem geben, bei der nur die Art der Arbeit die Entlohnung bestimmt. Auf diesem Weg hatten sich der Handelsverband und die Spitzen von ver.di schon begeben, bevor die kritischen Kräfte, an der Spitze die Kolleg_innen aus Baden – Württemberg, dieses Projekt gestoppt hatten. Auch wenn die Unternehmer bei diesen Verhandlungen versuchen werden ihre Positionen durchzusetzen, sind die Voraussetzungen für die Gespräche zur „Reformierung“ der Tarifverträge für die Einzelhandelsbeschäftigten nach diesem Abschluss wesentlich besser geworden. Diese Tarifrunde hat nicht nur zu erheblichen Neueintritten bei ver.di geführt sondern auch die Verhandlungsposition für die nun  anstehenden Verhandlungen wesentlich verbessert.

Helmut Born, 11.12.2013

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